Dieser Artikel erlautert die ubergeordnete Gesetzmaßigkeit. Zur Band siehe
Prinzip (Band)
.
Ein
Prinzip
(
Plural
:
Prinzipien
; von
lateinisch
principium
= Anfang, Beginn, Ursprung, Grundsatz) ist das, aus dem etwas anderes seinen Ursprung hat.
[1]
Es stellt eine gegebene Gesetzmaßigkeit dar, die anderen Gesetzmaßigkeiten ubergeordnet ist (der Begriff Gesetzmaßigkeit ist hier im Einzelfall ersetzbar durch Begriffe wie
Gesetz
,
Naturgesetz
,
Regel
,
Richtlinie
, Leitlinie, Verhaltensrichtlinie,
Grundsatz
oder
Postulat
). Im klassischen Sinne steht das Prinzip zwingend an oberster Stelle, im alltaglichen Sprachgebrauch wird dies aber weniger streng gehandhabt. Daruber hinaus gibt es einen Begriff von Prinzip, der eine Verkettung von Gesetzen (Regeln etc.) erlaubt (z. B. Prinzip der sozialen Marktwirtschaft). Die konkrete Bedeutung ist kontextabhangig.
Prinzipien lassen sich in
axiomatische
und
systematische
Prinzipien unterteilen.
- Axiomatische
Prinzipien deklarieren eine Beobachtung als Gesetz oder basieren schlicht auf dem
Postulat
eines Gesetzes. In diesem Fall wird zum Beispiel ein Naturgesetz anderen Naturgesetzen vorangestellt, oder eine Verhaltensregel anderen Verhaltensregeln ubergeordnet.
- Systematische Prinzipien: Die Definition der logischen Struktur eines Systems ist gleichbedeutend mit der Formulierung von dessen Prinzip. Ein systematisches Prinzip liegt dann vor, wenn sich eine bestimmte Wirkung auf die Konstellation spezifischer Faktoren zuruckfuhren lasst, die in dieser Konstellation immer diesen gleichen Effekt hervorrufen. Typischerweise wird das Prinzip nicht durch die Gesamtmenge der dazu beisteuernden Faktoren bestimmt, sondern durch die geringstmogliche Menge von Faktoren, die diesen Effekt hervorbringen. In diesem Sinne wird ein Prinzip bestimmt durch den kleinstmoglichen Algorithmus, der zur Erzeugung des speziellen Effekts notwendig ist. Infolge der daraus resultierenden Einfachheit lasst sich ein Prinzip oft (auch interdisziplinar) von einem System auf andere ubertragen und findet sich daher nicht selten in unterschiedlichsten artubergreifenden Lebensbereichen. In der Praxis wird immer dann von einem Prinzip gesprochen, wenn man hinter einem bestimmten Effekt entweder ein ubergeordnetes Gesetz oder eine bestimmbare Regel vermutet. Weil diese Gesetzmaßigkeit fur gewohnlich nicht ohne weiteres definierbar ist, wird das Prinzip zumeist nach der Wirkung benannt, und nicht nach der eigentlichen Gesetzmaßigkeit.
- Allgemeinsprachlich
handelt es sich bei einem Prinzip um einen
Grundsatz
, eine feste
Regel
, an die man sich halt. Beispiel:
Er ist ein Mann mit Prinzipien und steht zu dem, was er sagt.
Fur einen kleinlichen, sturen Menschen, der primar
pedantisch
auf seinen Prinzipien beharrt, auch wenn sie unangebracht sind, hat sich der negativ
konnotierte
Begriff
Prinzipienreiter
etabliert. Die Kreation und Verbreitung des Begriffs
Prinzipienreiter
wird nachweislich dem Fursten
Heinrich LXXII. Reuß zu Lobenstein-Ebersdorf
zugeschrieben, weil er folgenden Text 1845 in der
Vossischen Zeitung
abdrucken ließ:
"Seit 20 Jahre reite Ich auf einem Prinzip herum, d. h. Ich verlange, dass ein jeglicher bei seinem Titel genannt wird. […]"
[2]
[3]
Siehe auch:
Liste geflugelter Worte
:
?Auf einem Prinzip herumreiten“
.
In der
Rechtswissenschaft
bedeutet ?Prinzip“ ahnlich einem
Grundsatz
eher eine Leitlinie, ein Ziel, das moglichst weitgehend verwirklicht werden soll. Aus diesem Grund werden Prinzipien-Normen auch vielfach als Optimierungsgebote bezeichnet. Prinzipien konnen dabei in unterschiedlichen Graden erfullt werden. Der Grad der Erfullung kann dabei nach den tatsachlichen und rechtlichen Umstanden variieren. Es handelt sich bei Prinzipien gerade nicht um eine
Regel
. Regeln fordern im Unterschied zum Prinzip nicht nur Berucksichtigung, sondern strikte Beachtung; sie sind entweder erfullt oder nicht erfullt. Dementsprechend soll im Fall der Kollision von zwei Regeln der Konflikt entweder durch eine in eine der Regeln aufgenommene Ausnahmebestimmung gelost werden oder dadurch, dass eine der betroffenen Regeln fur ungultig erklart wird, etwa nach den allgemeinen Regeln uber die Konkurrenz von Normen. Im Fall kollidierender Prinzipien muss dagegen ein Prinzip ? je nach Gewicht ? hinter dem anderen zurucktreten, ohne dass dies die Ungultigkeit des zuruckstehenden Prinzips zur Folge hatte. Das gefundene Ergebnis gilt vielmehr nur unter bestimmten Umstanden und kann entsprechend unter veranderten Umstanden anders ausfallen. Alternativ sollen die Bedingungen, unter denen ein Prinzip einem anderen vorgeht, auch Tatbestand einer Regel sein konnen, die die Rechtsfolge des vorgehenden Prinzips ausspricht. Insbesondere von
Robert Alexy
wird die umstrittene These vertreten, die Grundrechte seien als Prinzipien, nicht als Regeln zu verstehen.
Josef Esser
unterschied zwischen Rechtssatzen und Rechtsprinzipien: Einen Rechtssatz zeichne ?die Bestimmbarkeit der Anwendungsfalle“ aus. Hingegen enthalte ein Rechtsprinzip ?keine verbindliche Weisung unmittelbarer Art fur einen bestimmten Fragenbereich“
[4]
, sondern sei nur eine ?Formel fur eine Reihe von typisch zutreffenden Gesichtspunkten“.
[4]
In ahnlicher Weise unterschied
Ronald Dworkin
zwischen Rechtsnormen ("rules") und Prinzipien ("principles"): Nach seiner Ansicht sind Rechtsnormen auf einen Fall entweder anzuwenden oder nicht, wahrend Prinzipien geboten, ein Ziel so weit wie moglich zu verwirklichen; wenn Prinzipien einander widerstreiten, entscheide eine Gewichtung daruber, in welchem Maß sie zu verwirklichen seien.
[5]
In Wahrheit sind aber nicht nur bei der Anwendung von Rechtsprinzipien, sondern auch bei der Auslegung von Rechtsnormen ("rules") Fragen des rechten Maßes zu beantworten. Wenn zum Beispiel die Meinungsfreiheit des einen mit dem Personlichkeitsrecht eines anderen in Konflikt gerat, muss ein Gericht eindeutig entscheiden, ob hier das Personlichkeitsrecht der Meinungsfreiheit vorgeht oder nicht. Das hangt davon ab, wie weit die Geltungsbereiche dieser Rechtsgewahrleistungen reichen. In diese Abgrenzung der Grundrechte sind durch teleologische Auslegung deren Zwecke einzubeziehen (wie bei Abgrenzungen der Geltungsbereiche anderer Rechtsnormen auch). So finden ?auf dem Wege teleologischer Auslegung auch Kompromisse zwischen allgemeinen Rechtsprinzipien Eingang in die Abgrenzung des Geltungsbereichs konkurrierender Rechtsnormen.“
[6]
- Odo Marquard
,
Abschied vom Prinzipiellen
. Reclam (
UB
7724), Stuttgart 1986,
ISBN 978-3-15-007724-5
- Josef Esser
,
Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts
, Tubingen 1956
- Ronald Dworkin
,
Taking Rights Seriously
, 1978
- Robert Alexy
,
Theorie der Grundrechte
, 1985, S. 79 ff.
- ↑
Hans-Eduard Hengstenberg
:
Mensch und Materie
, 2. uberarb. Aufl., Dettelbach, 1998, Verlag J. H. Roll,
ISBN 3-927522-98-8
, Seite 49
- ↑
Volkeswohl ist Furstenlust ? Anspruch und Wirklichkeit des Fursten Heinrich 72. Reuß zu Lobenstein-Ebersdorf
(Ansicht Google Books), Heinz-Dieter Fiedler, Verlag
Books on Demand
Norderstedt 2015,
ISBN 978-3734780219
, Seite 24, Abruf 12. Juni 2017
- ↑
"
Prinzipienreiter
", Herkunftsworterbuch bei
wissen.de
, Abruf 12. Juni 2017
- ↑
a
b
Josef Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, Tubingen 1956, S. 50 f.
- ↑
Ronald Dworkin, Taking Rights Seriously, 1978, Kap. 2.3
- ↑
Reinhold Zippelius
, Das Wesen des Rechts, 6. Aufl., Kap 8 d