Schwarzes Meer, pontische Kuste mit
Trapezunt
und Gebirge (1856)
Pontos
(
altgriechisch
Π?ντο?
‚Meer‘
,
lateinisch
Pontus
) ist eine
historische Landschaft
an der
kleinasiatischen
Sudkuste des
Schwarzen Meeres
(
Π?ντο? Ε?ξεινο?
Pontos Euxeinos
) im Nordosten
Anatoliens
in der heutigen Turkei.
Auf dieser Karte (Putzger (1901): Kleinasien) ist Pontus nordlich von
Cappadocia
eingetragen
Der Name leitet sich vom griechischen Namen des Schwarzen Meeres ab. Als Bezeichnung fur das Kustenland vor
Kappadokien
wurden Wendungen wie
Kappadokia h? peri ton Euxeinon
[1]
(also ?der zum Meer hin gelegene Teil Kappadokiens“) oder
h? pros t?i Pont?i Kappadokia
[2]
gebraucht, aber auch schon bei
Strabon
ist
Pontos
alleinstehend gelaufig.
[3]
Der fruheste Beleg fur
Pontos
als Name der Region findet sich bei
Xenophon
.
[4]
Als politisches Gebilde bezeichnet
Pontos
im Lauf der Geschichte Gebiete stark wechselnder Ausdehnung. Zum pontischen Kernland gehort dabei die Kustenregion zwischen Schwarzem Meer bis zum und einschließlich des
Pontischen Gebirges
und Teile des dahinter liegenden Gebietes. In der antiken Geographie wird es begrenzt von
Paphlagonien
im Westen, wobei der
Halys
oft als Grenzfluss gilt, im Suden durch
Galatien
,
Kappadokien
und
Armenia minor
und im Osten durch
Kolchis
und
Armenien
mit dem
Phasis
als Grenzfluss.
Ein wichtiger Fluss war der nach Westen hin zwischen den Bergen
Paryadres
im Norden und
Ophlimos
und
Lithros
im Suden verlaufende
Lykos
(heute der
Kelkit Cayı
), dessen enges Tal sich zur fruchtbaren Ebene von
Phanaroia
weitete, bevor er bei
Eupatoria
in den
Iris
(heute
Ye?ilırmak
) mundete. Ein weiterer wichtiger Nebenfluss des
Iris
war der
Skylax
(heute
Cekerek Irma?ı
).
Seinen besonderen Charakter erhielt die Landschaft durch die Begegnung
autochthoner
Bewohner des Binnenlandes, die kulturell eher nach Persien hin orientiert waren, und der griechischen Kolonien an der Kuste. Zu diesen gehorten
Amisos
,
Kotyora
,
Pharnakeia
und
Trapezus
.
Reich Mithridates’ VI. zu Beginn der Kriege 90 v. Chr.
Das Gebiet gehorte ursprunglich zur persischen
Satrapie
Kappadokien. Nach dem Zusammenbruch des
Perserreiches
unter dem Angriff
Alexanders
entstand ein Machtvakuum, in dem eine ursprunglich aus
Kios
an der
Propontis
stammende Dynastie ihren Einfluss ausdehnen konnte. 281 v. Chr. nahm
Mithridates I. Ktistes
den Konigstitel an. Unter seinen Sohnen dehnte sich das Herrschaftsgebiet, auch durch eine dynastische Verbindung mit den
Seleukiden
, weiter aus. Die Expansion kam erst unter
Pharnakes I.
im
Pontischen Krieg
(182?179) zum Stillstand. Seinem Nachkommen
Mithridates VI.
gelang es im 1. Jahrhundert v. Chr. schließlich, das Reich zunachst zu seiner großten Ausdehnung und dann aber in seine großte Niederlage zu fuhren. In den drei
Mithridatischen Kriegen
wurde Pontos schließlich von Rom besiegt und zu einem
Klientelstaat
gemacht.
Der westliche Teil von Pontos wurde 63 v. Chr. durch
Gnaeus Pompeius Magnus
der neu geschaffenen Provinz
Bithynia et Pontus
eingegliedert, der ostliche Teil bestand als abhangiges Konigreich unter verschiedenen Dynasten weiter, wahrend Pharnakes II., der Sohn von Mithridates VI., erfolglos versuchte, vom
Bosporanischen Reich
aus auch den Westen des Reichs seines Vaters zuruckzuerobern. 37 v. Chr. setzte
Marcus Antonius
Polemon I.
, einen Burger aus
Laodikeia am Lykos
, als Herrscher in Pontos ein.
Nach dem Aussterben der Dynastie Polemons 64 n. Chr. wurde deren Herrschaftsgebiet von
Nero
als
Pontus Polemoniacus
der Provinz
Galatia
angegliedert. Zuvor waren schon 3/2. v. Chr. das Gebiet von
Amaseia
und die
Karanitis
als
Pontus Galatica
und 34/35 n. Chr. der Priesterstaat von
Komana Pontika
ebenfalls Galatia zugeschlagen worden. Durch seine Heirat mit
Pythodoris
von Pontos war
Archelaos
von
Kappadokien
deren pontisches Herrschaftsgebiet zugefallen, das Gebiet wurde daher kurzzeitig auch als
Pontus Cappadocius
bezeichnet.
Dioecesis Pontica um 400
Im Rahmen der
Reichsreformen
des Diokletian am Ende des 3. Jahrhunderts wurde die
Dioecesis Pontica
unter einem in
Amaseia
residierenden
Vicarius
eingerichtet, deren Gebiet die gesamte Sudkuste des Schwarzen Meeres und große Teile Anatoliens umfasste. Der militarische Befehlshaber des Gebietes war der
Dux Ponti et Armeniae
.
Die
dioecesis
war in folgende
provinciae
gegliedert:
Im 7. Jahrhundert wurde die
dioecesis
aufgelost und das Gebiet auf die
Themen
Armeniakon
und
Opsikion
aufgeteilt.
Nach der
Eroberung von Konstantinopel im Vierten Kreuzzug
im Jahr 1204 bildete sich in vormals byzantinischen Gebieten an der Sudkuste des Schwarzen Meeres als byzantinischer Nachfolgestaat das
Kaiserreich Trapezunt
, das in seinen ersten Jahren von der georgischen Grenze bis nach
Amastris
reichte. Die westlichen Gebietsteile gingen bald an das
Kaiserreich Nikaia
, einen weiteren byzantinischen Nachfolgestaat, das Gebiet um die Hafenstadt
Sinope
im mittleren Bereich an das
Sultanat der Rum-Seldschuken
verloren. Der nunmehr territorial von der byzantinischen Welt getrennte Ostteil geriet unter den politischen Einfluss des mongolischen
IlKhanats
und seiner im nordwestlichen Iran herrschenden Nachfolgestaaten (
Timuriden
,
Qara Qoyunlu
Aq Qoyunlu
), ihr Reich bluhte aber durch den Handel wirtschaftlich auf. 1461 kapitulierte der letzte Herrscher vor dem osmanischen Sultan
Mehmed II.
und sein Reich wurde osmanische Provinz.
Bevolkerungsanteile im Vilayet Trabzon 1914
Die Schwarzmeerregion wurde zweimal von den Osmanen erobert, zunachst im 14. Jahrhundert durch Sultan
Bayezid I.
, dann, nach der Niederlage in der
Schlacht bei Ankara
1402 gegen
Timur
und der zeitweisen
Auflosung des Reichs
(1402?1413) erneut sukzessive im Verlauf des 15. Jahrhunderts, wobei turkische Kleinfurstentumer wie die
Candaro?ulları
und
Genueser Kolonien
in den Kustenstadten im osmanischen Reich aufgingen. Den Schlusspunkt bildete die Annexion des Reichs von Trapezunt 1462.
Die Gebiete gehorten nach der Wiedereroberung zum
Eyalet Anadolu
, bis Anfang des 16. Jahrhunderts in den Gebieten ostlich des
Kızılırmak
das
Eyalet Rum
anfanglich mit dem Zentrum
Amasya
, nach 1520 mit dem Zentrum
Sivas
[5]
(neu)gegrundet wurde. Nach der kurzlebigen (1515?1535) Existenz des Eyalets
Erzincan
[6]
bildete sich nach mehreren, nur unvollkommen datierbaren Wechseln im Osten des Pontosgebiets folgende Verwaltungsstruktur heraus:
Nach der
Vilayetsreform
ab 1846 lagen im Pontosgebiet folgende Provinzen:
Anteil an der Region hatten ferner folgende Provinzen:
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war die Bevolkerung ganz uberwiegend moslemisch geworden, lediglich um Trabzon hatte sich eine großere
griechisch-orthodoxe
Minderheit erhalten, die allerdings wirtschaftlich bedeutend war. Die Muslime waren zumeist Turken, bis auf die Bergbevolkerung in
Lazistan
.
Alliierter Aufruf von 1917 an die Pontosgriechen, sich gegen die Turken zu erheben. Darauf eine Karte des Gebietes, welches die geplante Republik Pontos darstellen sollte.
Wahrend des
Ersten Weltkrieges
hatten zeitweise russische Truppen unter dem Beifall des griechisch-orthodoxen Bevolkerungsteils Trabzon und das ostpontische Gebiet besetzt. Nach der
Oktoberrevolution
und dem
Friedensvertrag von Brest-Litowsk
zogen sich die russischen Truppen zuruck und die Osmanen ruckten wieder nach. Die Russen hatten allerdings viele Waffen in dem Gebiet hinterlassen. Nach dem
Waffenstillstand von Moudros
1918 und der darin bestimmten Demobilisierung und Entwaffnung der osmanischen Armee und einer vorubergehenden alliierten Besetzung der Kustenregion regten sich Hoffnungen der nichtislamischen Minderheit auf Unabhangigkeit vom Osmanischen Reich. In dieser Stimmung kam es im Mai 1919 zur Proklamation einer pontischen Republik. Diese fand aber nicht die Unterstutzung der Alliierten, die hier den Zugang eines armenischen Staates zum Meer planten, wie es die im Gefolge des
Vertrags von Sevres
durch den US-Prasidenten
Woodrow Wilson
verfugte Grenzziehung zeigte, und wurde auch nicht weiter verfolgt. Weil auch die vormalige jungturkische Regierung vor der Kapitulation Waffendepots angelegt hatte, kam es zu kriegerischen Zusammenstoßen der Bevolkerungsgruppen. Im
Turkischen Befreiungskrieg
drohte nach Planungen und Suggestionen von griechischer Seite eine Landung von Seeseite mit Unterstutzung durch einen Aufstand der lokalen griechischen Bevolkerung. Weil es an regularen turkischen Truppen fehlte, einer solchen Bedrohung entgegenzutreten, kam es zu einem blutigen und grausam gefuhrten Partisanenkrieg, in dem die griechischen Freischarler nicht einmal mehr die eigene Bevolkerung schutzen konnten, die in großen Teilen massakriert und ins Landesinnere deportiert wurde. Nach großen Verlusten auch unter der Zivilbevolkerung wurden nach dem 1923 geschlossenen
Vertrag von Lausanne
und dem darin vereinbarten Bevolkerungsaustausch die Angehorigen der griechisch-orthodoxen Minoritat nach Griechenland umgesiedelt.
Der Name
Pontos
wurde in der folgenden Zeit in der Turkei zum Unwort, soweit nicht das antike Konigreich und die romische Provinz damit bezeichnet wird. Das Gebiet entspricht der nunmehr als
Karadeniz Bolgesi
bezeichneten Region, insbesondere deren mittlerem und ostlichem Teil.
- Anthony Bryer
, Richard Winfield:
The Byzantine Monuments and Topography of the Pontos
. Dumbarton Oaks, Washington D.C. 1985.
- Christian Marek:
Pontus et Bithynia. Die romischen Provinzen im Norden Kleinasiens.
Philipp von Zabern, Mainz 2003.
- Eckart Olshausen
:
Pontos.
In:
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(RE). Supplementband XV, Stuttgart 1978, Sp. 396?442.
- Eckart Olshausen,
Johannes Niehoff
:
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In:
Der Neue Pauly
(DNP). Band 10, Metzler, Stuttgart 2001,
ISBN 3-476-01480-0
, Sp. 142?144.
- Leonhard Schmitz
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. In:
William Smith
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London 1854.
- Karl Strobel
,
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In:
Der Neue Pauly
(DNP). Band 2, Metzler, Stuttgart 1997,
ISBN 3-476-01472-X
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Καππαδοκ?α ? περ? τ?ν Ε?ξεινον
Polybios
Historiai
5,43,1
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? πρ?? τ? Π?ντ? Καππαδοκ?α
Strabon
Geographika
12,1,4; 3,2
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Andreas Birken:
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Andreas Birken:
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