Paraurethraldruse

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Die Paraurethraldrusen (2) in der Wandung der weiblichen Harnrohre. Zwischen Harnrohre und G-Zone (4) befindet sich die Halban-Faszie (6 und 7; Skizze vorwiegend in Sagittalebene ).
Zeichnung des anatomischen Aufbaus der paraurethralen Drusen einer erwachsenen Frau. Dargestellt sind die weibliche Urethra , auf einer Lange von ca. 3 cm, ? Meatus urethrae externus unten im Bild ? mit den von ventral bzw. dorsal einmundenden Drusenausfuhrgangen. [1]

Die Paraurethraldruse ( lateinisch Glandula paraurethralis ) oder Skene-Druse (nach Alexander Skene benannt) [2] ist eine zusatzliche Geschlechtsdruse ( akzessorische Geschlechtsdruse ) der Frau.

Sie hat mehrere Ausfuhrungsgange. Diese munden in den Endabschnitt der Harnrohre sowie (moglicherweise) rechts und links derselben. Ihr Sekret (siehe weibliche Ejakulation ) ahnelt in Zusammensetzung und Enzymmustern dem mannlichen Prostatasekret . [3]

Wissenschaftsgeschichte

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Der Erstbeschreiber dieser Drusen war der franzosische Chirurg Alphonse Guerin (1817?1895 [4] ). Benannt aber wurden sie nach dem schottischen Gynakologen Alexander Skene, welcher uber sie als Erster im Jahre 1880 in der medizinischen Literatur berichtete. [2]

Der endgultigen und damit in der Medizin anerkannten Beschreibung gingen etliche Beobachtungen und Publikationen voraus. So beobachtete im Jahre 1672 der niederlandische Anatom Reinier de Graaf in unmittelbarer Nahe der Mundung der weiblichen Harnrohre ( Meatus urethrae ) gangartige Strukturen. Rudolf Virchow beschrieb 1853 pathologische Veranderungen, in ?Kanalen‘, die den Harnrohrengang umgeben. So fand er dort im Inneren steinartige Massen und vermutete, dass die Harnrohrendrusen und -gange homolog zu der mannlichen Prostata waren. Im Jahre 1889 beschrieb der Anatom und Histologe an der Universite de Toulouse Edme Joseph Frederic Tourneux (1852?1922) (F. Tourneux) [5] diese Drusen auf ahnliche Weise und bestatigte diese Hypothese. [6] Gustaf Pallin (1877?1957) hingegen behauptet 1901, dass die Paraurethraldrusen nicht in ihrer Ganze homolog zur mannlichen Prostata seien, aber in ihren jeweiligen kranialen und ventralen Anteilen. [7]

Anatomische Lokalisation und Funktion

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
Weibliches Genitale mit Eichel der Klitoris , Kleiner Schamlippe , Harnrohrenoffnung , außere (inkonstante) Mundungsoffnung der Paraurethraldruse, Scheideneingang und Mundungsoffnung der Bartholinschen Druse

Die inneren Schamlippen , Labia minora , umschließen den Scheidenvorhof , in den die Harnrohre , Urethra femina , mundet. In die Urethra und gelegentlich auch neben der Mundungsoffnung, Meatus urethrae externus , der Harnrohre munden auch die Paraurethraldrusen (auch Skene-Drusen genannt). Nach Huffman (1948/1951) ist eine Mundung der Drusen lateral der Urethramundung, Meatus urethrae externus , die Ausnahme. Er sah diesen Zustand nur in Verbindung mit einem nachgeburtlichen Zustand ( postpartal ).

Die Paraurethraldrusen, Glandulae paraurethrales , weisen mehrere Ausfuhrungsgange auf und munden sowohl in den Endabschnitt der Harnrohre (?intraluminar“) selbst sowie seitlich (?periurethral“) derselben. Die Urethra besitzt in ihrem Anfangsteil, nahe der Blase, eine Urothelschicht , die nach distal in ein mehrschichtig unverhorntes Plattenepithel ubergeht. Vereinzelt finden sich mukose Drusen , Glandulae urethrales . [8] Die Schleimhaut bildet ferner Buchten, Lacunae urethralis , sowie langsverlaufende Falten, die die verzweigten, tubularen Glandulae urethrales enthalten. Im distalen Drittel sind auch die ?intraluminaren“ Drusenausfuhrgange der Paraurethraldrusen, Glandulae paraurethrales , nachweisbar. [9]

Eine slowakische Arbeitsgruppe veroffentlichte im Jahr 2000 auf der Grundlage von 15 Autopsien die Beobachtung verschiedener anatomischer Typen. [10]

Paraurethraldruse (?Skene-Druse“) mit der G-Zone ( Punto G ); Skizze in Sagittalebene
Typ Formen der Paraurethraldrusen in Bezug auf ihre Lage zur Urethra nach Zavia?i? u. a. (2000)
1 distaler Typ
2 Proximaler Typ
3 Druse uber die gesamte Lange der Urethra
4 Rudimentare Drusen
5 Drusen in der Mitte der Urethra
6 sogenannte hantelformige Drusenkonfiguration

Die Auspragung der Paraurethraldrusen ist hochst variabel und sie konnen gelegentlich auch ganz fehlen. Dabei ist nicht nur ihre anatomische Form variabel, sondern auch das Ausmaß ihrer ? von manchen vermuteten ? Beteiligung an der weiblichen Ejakulation. [11]

2009 prasentierten zwei Wissenschaftlerinnen die Hypothese , dass das Sekret der Druse wahrscheinlich eine antibakterielle Wirkung habe. Besonders wahrend und nach dem Koitus sei der Schutz der weiblichen Harnrohre vor Infektionen ein deutlicher evolutionsbiologischer Vorteil. [12] [11]

Vergleich der Embryonalentwicklung der mannlichen Prostata und den weiblichen Skene-Drusen

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Ontogenetisch geht die mannliche Prostata aus den Epithelknospen der Pars pelvina (Wand des Beckenbodens) des Sinus urogenitalis hervor. Hierbei stimulieren Androgene die Entwicklung der mesenchymalen und epithelialen Anteile der entstehenden Prostata. Das primitive Prostataepithel differenziert sich unter dem Androgeneinfluss zu den drei glandularen Zellarten der Prostata: Basalzellen, Luminalzellen und neuroendokrine Zellen.

Die entwicklungsbiologischen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Skene-Drusen (teilweise bezeichnet als Prostata feminina , lateinisch fur ?weibliche Prostata‘) [13] und der mannlichen Prostata sind (Stand 2022) noch ungeklart und Gegenstand der Forschung. [14] [15]

Nervliche Steuerung

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Bei der mannlichen Prostata wird die Sekretion des tubuloazinosen , apokrinen Drusenepithels durch parasympathische Nervenimpulse angeregt. Hingegen wird die Kontraktion der glatten Muskelzellen und somit die konsekutive Exkretion des Prostatasekrets in das Ausfuhrungsgangsystem durch sympathische Nervenfasern stimuliert. Uber die nervliche Steuerung der zur Exkretion fahigen Typen der Skene-Drusen ist bislang (Stand 2020) nichts bekannt. Nicht einmal uber die Art des Zusammenhangs zwischen weiblichem Orgasmus und Exkretionen der Skene-Drusen gibt es gesicherte Informationen. [16]

Pathologische Veranderungen

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
Zyste seitlich am Ausfuhrungsgang der Skene’schen Druse

Gelegentlich kann es zu einer Entzundung der Paraurethraldruse kommen, der sogenannte Skenitis . Der extrem seltene Harnrohrenkrebs bei Frauen (in den USA 1,5 Falle pro 1 Million Frauen) wird ? unter anderem ? mit der Paraurethraldruse in Verbindung gebracht. [17] Die Ausfuhrungsgange der Paraurethraldruse konnen Ausgangspunkt fur die Ausbildung von Urethral- Divertikeln sein oder auch zu Retentionszysten fuhren.

Ubersichtsarbeiten

  • F. D. Rodriguez, A. Camacho, S. J. Bordes, B. Gardner, R. J. Levin, R. S. Tubbs: Female ejaculation: An update on anatomy, history, and controversies. In: Clinical anatomy. [elektronische Veroffentlichung vor dem Druck] Juli 2020, doi:10.1002/ca.23654 , PMID 32681804 (Review); ( Volltext als PDF, 290 kB (PDF; 0,3 MB) ).
  • Z. Pastor, R. Chmel: Differential diagnostics of female “sexual” fluids: a narrative review. In: International urogynecology journal. Band 29, Nr. 5, Mai 2018, S. 621?629 (Review); doi:10.1007/s00192-017-3527-9 , PMID 29285596 ; Volltext (PDF; 0,7 MB).
  • Z. Pastor: Female ejaculation orgasm vs. coital incontinence: a systematic review. In: The journal of sexual medicine. Band 10, Nr. 7, Juli 2013, S. 1682?1691 (Review); doi:10.1111/jsm.12166 , PMID 23634659 , Volltext. (PDF).

Geschichte

  • Alexander J. C. Skene : The anatomy and pathology of two important glands of the female urethra. William Wood & Co, New York 1880 ( Digitalisat ).
  • John W. Huffman: The detailed anatomy of the paraurethral ducts in the adult human female. In: American Journal of Obstetrics and Gynecology , 1948, Band 55, S. 86?101.
  • Ernst Grafenberg : The Role of Urethra in Female Orgasm. In: The International Journal of Sexology , Band 3, Nr. 3, 1950, S. 145?148.
  • John W. Huffman: Clinical significance of the paraurethral ducts and glands. In: A.M.A. archives of surgery , Juni 1951, Band 62, Nr. 5, S. 615?26, doi:10.1001/archsurg.1951.01250030625002 .
  • Renate Syed: Zur Kenntnis der ?Grafenberg-Zone“ und der weiblichen Ejakulation in der altindischen Sexualwissenschaft. Ein medizinhistorischer Beitrag. In: Sudhoffs Archiv. Zeitschrift fur Wissenschaftsgeschichte , Band 83, Heft 2, 1999, S. 171?190.

Ideengeschichte

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  • Stephanie Haerdle: Spritzen. Geschichte der weiblichen Ejakulation . Edition Nautilus, Hamburg 2020, ISBN 978-3-96054-215-5 .

Einzelnachweise

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  1. J. W. Huffman: The detailed anatomy of the paraurethral ducts in the adult human female. In: American Journal of Obstetrics and Gynecology , 1948, Band 55, S. 86?101.
  2. a b Alexander J. C. Skene: The anatomy and pathology of two important glands of the female urethra. William Wood, New York 1880 ( nlm.nih.gov ).
  3. Paraurethraldrusen. Pschyrembel-online; abgerufen am 27. November 2023.
  4. Christoph Weißer: Guerin, Alphonse-Francoise-Marie. In: Werner E. Gerabek , Bernhard D. Haage, Gundolf Keil , Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopadie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4 , S. 515.
  5. Datenbank {BnF Data der erfassten Werke des Mediziners Frederic Tourneux. Bibliotheque nationale de France ; abgerufen am 28. Oktober 2021.
  6. F. Tourneux: Sur la structure des glandes urethrales (prostatiques) chez la femme, et sur les premiers developpements des glandes prostatiques dans les deux sexes. In: Cpt. rend. des seances de la soc. de biol. Paris 1888.
  7. Gustav Pallin: Beitrage zur Anatomie und Embryologie der Prostata und der Samenblasen. In: Archiv fur Anatomie und Entwickelungsgeschichte. Jahrgang 1901, Leipzig 1901, S. 135?176.
  8. Renate Lullmann-Rauch: Taschenlehrbuch Histologie . 4. Auflage. Thieme, Stuttgart 2012, ISBN 3-13-129244-X , S. 488.
  9. Thomas Deller: Histologie - Das Lehrbuch . Elsevier Health Sciences, Munchen 2018, ISBN 978-3-437-18366-9 , S. 491 ( books.google.de ).
  10. Z. Pastor: Female ejaculation orgasm vs. coital incontinence: a systematic review. In: The journal of sexual medicine , Band 10, Nr. 7, Juli 2013, S. 1682?1691 (Review); doi:10.1111/jsm.12166 , PMID 23634659 ; Volltext (PDF).
  11. a b Z. Pastor, R. Chmel: Differential diagnostics of female “sexual” fluids: a narrative review. In: International urogynecology journal. Band 29, Nr. 5, Mai 2018, S. 621?629 (Review); doi:10.1007/s00192-017-3527-9 , PMID 29285596 ; Volltext (PDF; 0,7 MB).
  12. S. Moalem, J. S. Reidenberg: Does female ejaculation serve an antimicrobial purpose? In: Medical Hypotheses , Band 73, Nr. 6, Dezember 2009, S. 1069?1071, doi:10.1016/j.mehy.2009.07.024 , PMID 19766406 .
  13. FIPAT : Terminologia anatomica Second Edition ? International Anatomical Terminology . (PDF) 2019, S. 148.
  14. R. Toivanen, M. M. Shen: Prostate organogenesis: tissue induction, hormonal regulation and cell type specification. In: Development. Band 144, Nr. 8, April 2017, S. 1382?1398 (Review), doi:10.1242/dev.148270 , PMID 28400434 , PMC 5399670 (freier Volltext).
  15. Diane Tomalty, Olivia Giovannetti et al.: Should We Call It a Prostate? A Review of the Female Periurethral Glandular Tissue Morphology, Histochemistry, Nomenclature, and Role in Iatrogenic Sexual Dysfunction . In: Sexual Medicine Reviews . Band 10, Ausgabe 2, April 2022, S. 183?194.
  16. F. D. Rodriguez, A. Camacho, S. J. Bordes, B. Gardner, R. J. Levin, R. S. Tubbs: Female ejaculation: An update on anatomy, history, and controversies. In: Clinical anatomy [elektronische Veroffentlichung vor dem Druck], Juli 2020 (Review); doi:10.1002/ca.23654 , PMID 32681804 ; Volltext (PDF; 0,3 MB).
  17. A. Satyanarayan, L. Redd, A. Dyer, A. Wright, J. Walker: Adenocarcinoma of the urethra with mucinous features. In: Reviews in urology. Band 17, Nr. 1, 2015, S. 38?41 (Review), PMID 26029002 , PMC 4444775 (freier Volltext).