Ostseegouvernements
(
russisch
Остзейские губернии
,
Ostsejskije gubernii
) hießen im
Russischen Kaiserreich
die
deutschbaltisch
gepragten und an der
Ostsee
gelegenen
Gouvernements
Estland
,
Livland
und
Kurland
.
Die offizielle Bezeichnung in deutscher Sprache war
Ostseeprovinzen Russlands
. In Lexika aus dem
Deutschen Reich
sind weiterhin die Begriffe
Ostsee-Provinzen
(einschließlich St. Petersburg),
[1]
Baltische Gouvernements
[2]
oder
Baltische Provinzen
[3]
zu finden.
Wappen
|
Flagge
|
Russisch
|
Transliteration
|
Deutsch (Historisch)
|
Deutsch (Modern)
|
|
|
Эстляндская губерния
|
Estljandskaja gubernija
|
Est(h)landisches Gouvernement
|
Gouvernement Estland
|
|
|
Лифляндская губерния
|
Lifljandskaja gubernija
|
Livlandisches Gouvernement
|
Gouvernement Livland
|
|
|
Курля?ндская губерния
|
Kurljandskaja gubernija
|
Kurlandisches Gouvernement
|
Gouvernement Kurland
|
Die drei Gouvernements hatten im Russischen Reich eine Sonderstellung, da sie infolge der jahrhundertelangen Herrschaft des
deutsch-baltischen
Adels protestantisch und deutsch gepragt waren. Die stadtische
Selbstverwaltung
war weiter entwickelt als im ubrigen Zarenreich und die
Leibeigenschaft
bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts abgeschafft worden.
Fur Russland hatten die Gouvernements neben ihrer strategischen und wirtschaftlichen Bedeutung auch einen gewissen Modellcharakter. Die Bezeichnung ?Fenster nach Westen“ lasst sich ebenso gut wie auf
Sankt Petersburg
auf sie anwenden. Großgrundbesitz und Stadtburgertum waren durchwegs deutschsprachig, doch auch
Esten
und
Letten
wurden vom
lutherischen
Protestantismus
beeinflusst.
Historisch gesehen entsprachen diese Gouvernements dem Gebiet des
Schwertbruderordens
, der
1237
im
Deutschen Orden
aufging. Die Bezeichnung Livland wurde im Spatmittelalter oft auch fur Livland, Kurland und Estland zusammen angewandt. 1561 wurde der
Ordensstaat
Livland in ein weltliches Herzogtum umgewandelt. Spater wurde Nordestland
schwedisch
, und der Rest Livlands mit Kurland unterstellte sich der Oberhoheit
Polen-Litauens
, allerdings wurde der großte Teil Livlands 1620 ebenfalls schwedisch.
Nach dem
Frieden von Nystad
1721
kamen diese beiden nordlichen Gebiete zu Russland, Kurland blieb ein autonomes Herzogtum unter polnischer Oberhoheit (
Lehen
) bis zur Auflosung der polnisch-litauischen
Adelsrepublik
1795
.
Im Jahr 1919 bildeten sich als selbstandige Staaten
Estland
aus dem
Gouvernement Estland
und dem Nordteil Livlands sowie
Lettland
aus dem sudlichen Teil Livlands und Kurland.
Die Ostseegouvernements unterstanden zeitweise zusammen mit dem Gouvernement Pleskau der zivilen Oberverwaltung des Kriegsgouverneurs von Riga als General-Gouverneur.
[4]
Die Ostseegouvernements gehorten zum
Lehrbezirk Riga
.
Die Deutsch-Balten grundeten verschiedene wissenschaftlich historisch oder literarisch ausgerichtete Gesellschaften,
[5]
z. B.:
- Revalsche Post-Zeitung
, 1689?1710, Reval
- Baltische Wochenschrift fur Landwirtschaft, Gewerbefleiß und Handel
, 1863?1915, Dorpat
- Duna-Zeitung
, 1887?1909, Riga
- Das Inland
, 1836?1863, Riga
- Libausche Zeitung
, 1824?1939, Libau
- Revalsche Zeitung
, 1860?1940, Reval
- Rigasche Rundschau
, 1894?1939, Riga
- Rigaische Stadtblatter
, 1810?1907, Riga
- Volksblatt fur Stadt und Land der baltischen Provinzen
, 1864?1865, Mitau
- Rigaer Tagblatt
siehe auch:
Deutschbaltische Zeitungen in Estland
- Karsten Bruggemann
:
Licht und Luft des Imperiums. Legitimations- und Reprasentationsstrategien russischer Herrschaft in den Ostseeprovinzen im 19. und fruhen 20. Jahrhundert
Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2018,
ISBN 978-3-447-10820-1
.
- Provinzialrecht der Ostseegouvernements. Zusammengestellt auf Befehl des Herrn und Kaisers Nikolai Pawlowitsch (und Alexander II.).
- Band 1:
Behordenverfassung
. Sankt Petersburg 1845.
- Band 2:
Standerecht der Ostseegouvernements
. Sankt Petersburg 1845.
- Band 3:
Liv-, Est- und Curlandisches Privatrecht
. Buchdruckerei der Zweiten Abtheilung Seiner Kaiserlichen Majestat eigener Kanzlei, Sankt Petersburg 1864.
- ↑
Ostsee-Provinzen
. In:
Heinrich August Pierer
, Julius Lobe (Hrsg.):
Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit
. 4. Auflage.
Band
12
:
Nishnei-Nowgorod?Pfeufer
. Altenburg 1861,
S.
505
(
Digitalisat.
zeno.org
).
- ↑
Ostseeprovinzen
. In:
Meyers Großes Konversations-Lexikon
. 6. Auflage.
Band
15
:
Ohmichen?Plakatschriften
. Bibliographisches Institut, Leipzig / Wien 1908,
S.
241
(
Digitalisat.
zeno.org
).
- ↑
Baltische Provinzen
. In:
Brockhaus’ Kleines Konversations-Lexikon
. 5. Auflage.
Band
1
. Brockhaus, Leipzig 1911,
S.
145
(
Digitalisat.
zeno.org
).
- ↑
digitale-bibliothek-mv.de
- ↑
Hellmuth Weiss
:
Die historischen Gesellschaften.
In:
Georg von Rauch
(Hrsg.):
Geschichte der deutschbaltischen Geschichtsschreibung
. Bohlau, Koln/ Wien 1986, S. 121?139.