Musikalisches Opfer

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Das Musikalische Opfer ( BWV 1079) ist eine Sammlung von uberwiegend kontrapunktischen Satzen , die Johann Sebastian Bach drei Jahre vor seinem Tod schrieb. Alle Satze beruhen auf einem einzigen Thema des preußischen Konigs Friedrich II .

Anfang des sechsstimmigen Ricercars aus dem Musikalischen Opfer (Bachs Autograph)

Die Komposition gehort zum kontrapunktischen Spatwerk Bachs, [1] zusammen mit Werken wie den Kanonischen Veranderungen uber Vom Himmel Hoch , den Vierzehn Kanons uber die ersten Fundamentalnoten der Goldberg-Variationen und der Kunst der Fuge . Das Musikalische Opfer enthalt

  1. zwei in der Druckausgabe mit Ricercar uberschriebene Fugen ,
  2. eine weitere Fuge, deren beide Oberstimmen im Kanon gefuhrt sind,
  3. eine Reihe kurzer, kunstvoll gearbeiteter Kanons (bis auf einen ohne Besetzungsangabe),
  4. eine Triosonate fur Traversflote , Violine und Basso continuo , an deren vier Satze ebenfalls noch ein Kanon angehangt ist.

Das Werk entstand aus dem Besuch Bachs bei Konig Friedrich II. am 7. Mai 1747 im Potsdamer Stadtschloss . [2] Bach war einer Einladung Friedrichs an dessen Hof gefolgt, wo sein Sohn Carl Philipp Emanuel als Hofmusiker tatig war. Uber die Begegnung mit dem Konig berichteten die Berlinischen Nachrichten vom 7./8. Mai 1747. [3] Demnach spielte Friedrich das Thema auf dem Fortepiano vor und forderte Bach auf, daruber eine Fuge zu improvisieren. Bach improvisierte eine dreistimmige Fuge, und zwar so meisterhaft, dass, ?nicht nur Se. Majest. Dero allergnadigstes Wohlgefallen daruber zu bezeigen beliebten, sondern auch die samtlichen Anwesenden in Verwunderung gesetzt wurden.“

Daraufhin fragte der Konig, ob Bach aus dem Thema nicht eine sechsstimmige Fuge machen konne. Erst hier musste Bach resignieren, versprach aber, dass er das Thema ?in einer ordentlichen Fuga zu Papiere bringen, und hernach in Kupfer stechen lassen“ wolle.

Zuruck in Leipzig arbeitete er das konigliche Thema in je einer Fuge fur drei und sechs Stimmen aus und fugte eine Anzahl von Kanons (ohne Besetzungsangaben) sowie eine Triosonate fur Flote, Violine und Generalbass hinzu, in denen das ?konigliche Thema“ ebenfalls erscheint. Die Flote wahlte er als ?konigliches Instrument“ aus, weil Friedrich II. ein begeisterter Flotist war. Am 7. Juli schloss er das Werk ab. Auf der Titelseite der ersten Druckfassung ist das Werk folgendermaßen bezeichnet: Musicalisches / Opfer / Sr. Koniglichen Majestat in Preußen &c. / allerunterthanigst gewidmet / von / Johann Sebastian Bach. [4] Das mit verziertem Initialbuchstaben und durch großeren Schriftgrad ausgezeichnete Wort Opfer , von welchem der voranstehende erklarende Zusatz Musicalisches durch Zeilenumbruch, wesentlich kleineren Schriftgrad und Verzicht auf Initiale deutlich abgesetzt ist, weist das Werk als Widmungsgabe aus. [5] Die Widmung galt, wie im Anschluss an den Titel auch ausgesprochen, selbstverstandlich dem preußischen Konig. Ob Bach dafur vom preußischen Hof irgendeine Anerkennung erfuhr, ist nicht bekannt. Ende September lag die Sammlung im Druck vor. Die meisten der 200 Exemplare verteilte Bach ?an gute Freunde gratis“, die ubrigen wurden fur 1 Taler das Stuck verkauft. [6]

Das ?Konigliche Thema“ (Thema regium)

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Wie zahllose barocke Mollthemen beginnt dieses Thema mit dem Tonika -Dreiklang, fugt die Sexte hinzu und fallt von dort um eine verminderte Septime in den unteren Leitton. Eine eigene Charakteristik erhalt es anschließend durch die absteigende chromatische Tonleiter vor der Schlusskadenz. Diese Chromatik macht jede Form von Engfuhrung unmoglich, was die kontrapunktische Verwendbarkeit deutlich einschrankt.

Friedrich II. von Preußen: Thema des Musikalischen Opfers (moglicherweise von J. S. Bach modifiziert)

In seiner Widmung an Friedrich II. beschreibt Bach die Herkunft des "Koniglichen Themas" wie auch Anlass und Ziel des gesamten Werks: [7]

?Allergnadigster Konig, Ew. Majestat weyhe hiermit in tiefster Unterthanigkeit ein Musicalisches Opfer, dessen edelster Theil von Deroselben hoher Hand selbst herruhret. Mit einem erhfurchtsvollen Vergnugen erinnere ich mich annoch der ganz besondern Koniglichen Gnade, da vor einiger Zeit, bey meiner Anwesenheit in Potsdam, Ew. Majestat selbst, ein Thema zu einer Fuge auf dem Clavier mir vorzuspielen geruheten, und zzugleich allergnadigst auferlegten, solches alsobald in Deroselben hochsten Gegenwart auszufuhren. Ew. Majestat Befehl zu gehorchen, war meine unterthanigste Schuldigkeit. Ich bemerkte aber gar bald, daß wegen Mangels nothiger Vorbereitung, die Ausfuhrung nicht so gerathen wollte, als es ein so treffliches Thema erforderte. Ich fassete demnach den Entschluß, und machte mich sogleich anheischig, dieses recht Konigliche Thema vollkommender auszuarbeiten, und sodann der Welt bekannt zu machen. [...] Ich erkuhne mich dieses unterthanigste Bitten hinzuzufugen: Ew. Majestat geruhen gegenwartige wenige Arbeit mit einer genadigen Aufnahme zu wurdigen, und Deroselben allerhochste Konigliche Gnade noch fernerweit zu gonnen.“

Wer das ?Konigliche Thema“ komponiert hat, ist unklar. Der Komponist und Musiktheoretiker Arnold Schonberg vermutete, an Friedrichs Hof habe allein Bachs eigener Sohn Carl Philipp Emanuel die notigen Kenntnisse des Kontrapunktes besessen, um eine derart komplizierte musikalische Figur zu entwickeln. Fur diese These finden sich jedoch keine unmittelbaren Quellenbelege.

Das Stichwort Ricercar

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Kernstucke der Sammlung sind zwei großangelegte kontrapunktische Stucke fur Cembalo , die Bach mit dem Namen Ricercar uberschrieb. Dazu enthalt das Werk eine Zwischenuberschrift, die diesen Namen als ein Wortspiel interpretiert:

Regis Iussu Cantio Et Reliqua Canonica Arte Resoluta
(?Auf Geheiß des Konigs die Melodie und der Rest durch kanonische Kunst erfullt“)

Die Anfangsbuchstaben ergeben als Akrostichon das Wort RICERCAR . Die musikalische Form des Ricercar gilt als eine der Vorformen der Fuge; bei Bach taucht die Bezeichnung nur an dieser Stelle auf.

Die einzelnen Teile

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Dreistimmiges Ricercar

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Das dreistimmige Ricercar wirkt recht frei komponiert, mit deutlich improvisatorischen Zugen. Obwohl Bach keine ausdruckliche Instrumentenangabe beifugt, wird dieser Satz allgemein als Cembalowerk akzeptiert, da er vollstandig mit zwei Handen spielbar ist. Auffallig ist an zwei Stellen die unmotiviert auftretende Triolenbewegung ? besonders, da sie sogleich wieder verlassen wird. Da dies keine Parallelen in Bachs ubrigem Werk hat, vermutete bereits Albert Schweitzer , dass es sich bei dem Satz um eine Transkription der Originalimprovisation handelt, die Bach anschließend aus dem Gedachtnis niederschrieb. Einige Passagen werden spater auf anderer Tonstufe wiederholt, so dass der Satz mehr Ahnlichkeit mit manchen Chorfugen Bachs besitzt als mit anderen Cembalofugen.

Canon perpetuus

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Die Mittelstimme bringt das Originalthema nach Art eines Cantus firmus , zwei andere Stimmen bilden einen Kanon in der Doppeloktav. Der Titel (?ewiger Kanon“) spielt darauf an, dass Bach eine Wiederholung notierte, aber das Ende nicht markierte, so dass die Spieler selbst einen geeigneten Schlusspunkt finden mussen. Der kurze Satz ist auf einem Cembalo mit zwei Handen nicht spielbar, wohl aber mit einem zusatzlichen Instrument oder durch das Instrumentarium der Triosonate.

Canones diversi

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Die Partitur fugt hier den Halbsatz super Thema Regium ( deutsch ?uber das konigliche Thema“ ) hinzu. Es sind funf Kanons, die das Originalthema mit unterschiedlichen Kontrasubjekten kombinieren.

  1. Canon a 2 : Das Partiturbild deutet an, dass die einstimmig notierte Linie dieses Kanons zugleich ruckwarts gespielt werden soll ( Krebskanon ), beginnend auf dem gleichen Ton. Die Linie besteht in der ersten Halfte aus dem Thema und danach aus einem freien Kontrapunkt. Man wird den Satz vom Cembalo oder von zwei gleichen oder ahnlichen Instrumenten spielen lassen, etwa von Flote und Violine.

Wahrend dieser Kanon nur eine zweite Stimme hinzufugt, sind die folgenden vier dreistimmig: Hier spielt immer eine Stimme das Thema, und eine zweite fugt ein freies Kontrasubjekt hinzu, dem die dritte Stimme dann im Kanon folgt. Auch hier enthalt die Partitur Wiederholungszeichen, und Bach notiert das Ende nicht.

  1. a 2 Violini in unisono : Wieder zwei Stimmen, die kanonisch dem Cantus firmus hinzugefugt wurden und die, wie die Partitur erwahnt, auf dem gleichen Ton beginnen ( in unisono ). In diesem Fall schreibt die Partitur auch die Besetzung vor: zwei Violinen, dazu eine Bassstimme (beispielsweise ein Violoncello) mit dem Thema des Konigs.
  2. a 2 ? Per motum contrarium : Die beiden hinzugesetzten Stimmen sollen in Gegenbewegung laufen, die zweite also die Intervalle der ersten umkehren. Die Schlussel der Partitur verdeutlichen die Anfangstone und Intervalle. Hinzu kommt ? als dritte Stimme ? das Thema in der Oberstimme.
  3. a 2 ? Per augmentationem, contrario motu : In der Vergroßerung, in Gegenbewegung . Die zweite Stimme soll also im halben Tempo spielen und dabei wieder die Intervalle umkehren. Naturlich mussen erste Kanonstimme und Cantus firmus zweimal gespielt werden, bis die zweite Stimme mit ihrem Part einmal zum Ende gekommen ist. Um dies horbar zu machen, hat Bach viele charakteristische, ausgeschriebene Verzierungen eingearbeitet, die der Horer dann in der anderen Stimme im langsamen Tempo wiederfindet. Entsprechend ist auch das Originalthema mit Verzierungen versehen. Moglicherweise spielt der Satz auf die Einleitung einer franzosischen Ouverture an und ware so eine auffallige Parallele zu Contrapunctus 6 der Kunst der Fuge , der ebenfalls die Themenvergroßerung einfuhrt. ? In dem Exemplar, das er dem Konig sandte, fugte Bach zu diesem Kanon handschriftlich hinzu: ?Notulis crescentibus crescat Fortuna Regis.“ (?Mit den wachsenden kleinen Noten[werten] wachse auch das Gluck des Konigs“).
  4. a 2 : Bach hat hier die Dreiklangstone des Themas ab der Terz chromatisch aufgefullt, so dass der gesamte Satz durch auf- und absteigende chromatische Tonleitern gepragt ist. Dies verschleiert die Finesse des Satzes: Er moduliert unauffallig, so dass jede nachste Wiederholung einen Ganzton hoher beginnen muss. Der Titel der Druckausgabe weist nicht darauf hin; heutige Ausgaben erganzen meist ?per tonos“ (?durch die Tonarten“); dies geht wohl auf Kirnberger zuruck. Bach schrieb in die Widmungspartitur fur den Konig: ?Ascendenteque Modulatione ascendat Gloria Regis.“ (?…und mit der aufsteigenden Modulation steige der Ruhm des Konigs“).

Fuga canonica in Epidiapente

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Hier wird das Thema weitergesponnen und kann selbst im Kanon gespielt werden: Die zweite Stimme beginnt ? wie Schlussel und Titel anzeigen ? eine Quinte hoher. Im spateren Verlauf kommt das Thema dann ein weiteres Mal vor ? eine Quinte tiefer, so dass es im Kanon dann wieder in der Grundtonart des Werks auftritt. Nach den bisherigen knappen und strengen Kanons enthalt dieser Satz auch langere Zwischenspiele und fuhrt so eine gewisse spielerische Leichtigkeit ein.

Hinzugefugt hat Bach eine bewegte Bassstimme, die das Thema erst kurz vor Schluss selbst aufnimmt. Derartige zunachst unthematische Bassstimmen setzt Bach in Fugen nur ein, wenn es sich um ein Ensemblewerk handelt, niemals in Fugen fur Cembalo oder Orgel; Beispiele finden sich in den Brandenburgischen Konzerten 2, 4 und 5. Auch dies konnte ein Indiz dafur sein, dass Bach hier an eine Ausfuhrung durch Instrumente dachte.

Sechsstimmiges Ricercar

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Das sechsstimmige Ricercar prasentiert zwar zu Beginn nach Art einer Fugenexposition das Thema nacheinander in allen sechs Stimmen, fuhrt danach aber immer neue Motive ein und lasst das Grundthema nur noch in großeren Abstanden quasi als Cantus firmus im Hintergrund auftreten. Der damalige Leser verband mit dem Begriff Ricercar eine historische und schon ehrwurdige Form; diese Assoziation an einen Stile antico [8] verstarkt Bach im sechsstimmigen Ricercar noch durch die Notation in altertumlichen großen Notenwerten und (in der Druckversion) 4/2-Takt, wie haufig in seinem Spatwerk.

Dieser Satz ist als einziger auch in Bachs Handschrift erhalten ? dort auf zwei Systemen notiert, in der Druckausgabe als sechsstimmige Partitur. Die Partiturnotation von Musik fur ein Tasteninstrument war im achtzehnten Jahrhundert nicht ungewohnlich und liegt fur ein Werk mit einem derart stark theoretischen Aspekt nahe. Dennoch zeigt die konsequente Beschrankung auf das mit zwei Handen Greifbare deutlich, dass es sich um eine Komposition fur Cembalo handelt, wie Bach es dem Konig versprochen hatte.

Canon a 2 und a 4

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Hier folgen zwei weitere Kanons. ?Sucht, und ihr werdet finden“, zitiert der Untertitel des ersten die Bergpredigt . In den vorangegangenen Kanons hatte Bach sowohl die Schlussel mitgeliefert, in denen die Noten zu lesen sind, als auch die Stellen markiert, wo die nachste Stimme einsetzt. In beiden Kanons sind nur die Schlussel vorgezeichnet, nicht aber die Einsatzstellen ? diese muss der Spieler (oder die Person, die das Notenmaterial vorbereitet) selbst finden. Das Thema verwendet wieder eine ahnliche chromatische Auffullung wie im letzten Kanon unmittelbar vor der Fuga canonica .

Der einzige vierstimmige Kanon der Sammlung ist ebenfalls ein Ratselkanon. Das Thema variiert das konigliche Thema weiter, indem es zu Beginn die Dreiklangstone zu einer diatonischen Tonleiter ausfullt und die Tone der absteigenden Chromatik mit einem Auftakt aus drei Noten versieht. Durch seinen charakteristischen Sprung der verminderten Septime bleibt es dennoch erkennbar. Wie die Schlussel zeigen, sollte er in der Doppeloktave gespielt werden, aber wieder muss der Spieler (oder Arrangeur) die Einsatzstellen selbst finden. Ubrigens hat Bachs Schuler Johann Philipp Kirnberger Losungen fur diese Kanons in seinem Buch Die Kunst des reinen Satzes in der Musik geliefert.

Triosonate 1. Satz, Largo
Triosonate 2. Satz, Allegro
Triosonate 3. Satz, Andante
Triosonate 4. Satz, Allegro

Zum Abschluss folgt eine Triosonate fur Flauto Traverso, Violine und Basso continuo, die der Form der Kirchensonate folgt ? sie hat also vier Satze in der Folge langsam ? schnell ? langsam (in der Paralleltonart ) ? schnell . Bach fugt abschließend wieder einen unendlichen Kanon hinzu.

  1. Largo 3/4 c-Moll
  2. Allegro 2/4 c-Moll
  3. Andante c Es-Dur
  4. Allegro 6/8 c-Moll
  5. Canone perpetuo c-Moll

Der Stil orientiert sich deutlich an der Musik, die der Konig schatzte; sie ubernimmt viele Elemente des musikalischen Stils, den Johann Joachim Quantz und der Konig selbst am Hof vertraten. Dies kann auch der heutige Horer an den geradezu endlosen Ketten von Seufzermotiven in der zweiten Halfte des dritten Satzes deutlich nachvollziehen. Bach verbindet diesen Stil mit der standigen dichten Imitation und ausgedehnten Chromatik, fur die er bekannt war und die der Konig mit seiner Aufgabe herausgefordert hatte.

Das Thema wird an vielen Stellen nur leicht angedeutet (wie etwa im ersten Satz in den ersten Noten des Basses oder im Oberstimmenthema zu Beginn des zweiten Satzes), tritt aber ebenso haufig wie eine Art Choral in langen Notenwerten unter dichten Konfigurationen hervor. Deutlich wird das Thema auch im abschließenden funften Satz, einem Umkehrkanon, in dem Bach wieder darauf verzichtet, das Ende zu markieren (der Titel bedeutet ?ewiger Kanon“) ? die Spieler werden es selbst finden mussen.

Das Werk ist eine eher lose Sammlung aus einerseits mehr theoretisch orientierten Abschnitten (den Kanons), den beiden Solosatzen fur Cembalo (der ursprunglichen Improvisation und der Losung der gestellten Aufgabe) sowie kammermusikalischem Material fur den Konig als praktischen Musiker (der Sonate und der Fuga Canonica). Bach wird sich wohl nicht vorgestellt haben, das Werk als Ganzes aufzufuhren. Da die Partiturseiten nicht nummeriert sind und die Partitur nicht in gebundener Form, sondern in losen vierseitigen Lagen uberliefert ist, ist an der intendierten Reihenfolge oft gezweifelt worden; dennoch liegt die oben aufgefuhrte Folge am nachsten.

Folgt man ihr, so ist die Sammlung zweiteilig: Jeder dieser Teile beginnt mit einem Cembalosolo, lasst dann eine musiktheoretische Ubung in Form einer Anzahl von Kanons folgen und endet mit Kammermusik ? der erste Teil umfasst also das dreistimmige Ricercar, die meisten Kanons und endet mit der Fuga Canonica ; der zweite Teil fangt mit dem sechsstimmigen Ricercar an, bringt zwei Ratselkanons und endet mit der funfsatzigen Triosonate. Dieser Aufbau wirkt recht logisch. Der zweite Teil fuhrt planvoll den Anspruch des ersten Teils weiter ? der Cembalosatz wird schwieriger, fur den theoretischen Teil liefert Bach die Losungen nicht mehr, und die Triosonate ist eine großere spielerische Herausforderung.

Dagegen vertritt Ursula Kirkendale die Meinung, die Formprobleme ließen sich aufgrund eines von ihr entdeckten literarischen Modells losen. Dabei handelt es sich um die Bucher IV?VI der Institutio oratoria des romischen Rhetoriklehrers Quintilian (35?ca. 100), welche die verschiedenen Teile der Gerichtsrede behandeln. Bachs Komposition lasse sich in ihren Teilen exakt mit den Abschnitten Quintilians in Beziehung setzen. Das Ergebnis des Vergleichs fuhre zur Bestatigung der oben angefuhrten, von Philipp Spitta vorgenommenen Anordnung der Teile, der aber ohne Kenntnis der Quelle die Sinnhaftigkeit dieser Anordnung nicht habe verstehen konnen. Samtliche anderen davon abweichenden Vorschlage zur Anordnung der Teile, auch die der seinerzeit maßgeblichen kritischen Edition von Christian Wolff, [9] hatten damit als widerlegt zu gelten. [10] Bei Bachs Musikalischem Opfer handle es sich demnach um eine Umsetzung der Anweisungen des Rhetoriklehrers in das Medium der Musik, das von Bach, wie zuvor schon beispielsweise von Gallus Dreßler , Johann Mattheson und Girolamo Frescobaldi , [11] als eine Art Sprache verstanden und deshalb denselben Regeln unterworfen werde. Die Einheit der Komposition ergebe sich aus derjenigen der absichtsvoll verborgen gehaltenen, von zeitgenossischen Kennern des verbreiteten Lehrbuchs aber durchaus aufzuspurenden literarischen Vorlage. Ihr Anspruch beruhe auf deren Klassizitat und kanonischem Rang und damit darauf, jener im Medium der Musik ein Aquivalent von eigenem Rang gegenubergestellt zu haben.

Bearbeitungen (Auswahl)

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  • 1933: Heinrich Besseler richtete das Werk fur das Heidelberger Musikwissenschaftliche Institut ein; Auffuhrung durch Wolfgang Fortner . [12]
  • 1937: Roger Vuataz schuf mehrere Fassungen fur Gruppen aus Holzblasern, Streichern und Cembalo (solistisch oder als Orchester); Hermann Scherchen fuhrte die Orchesterbearbeitungen mehrfach auf.
  • 1949/50: Igor Markevitch bearbeitete das Werk fur Quartett (Violine, Flote, Violoncello, Cembalo) und drei Orchestergruppen.
  • 1964: Hermann Scherchen legte eine Einspielung einer eigenen Version vor. [13]
  • 1976: Isang Yun schrieb ein umfangreiches, virtuoses Violinsolo (Konigliches Thema) uber das Thema regium .
  • 1981: Sofia Gubaidulina verwendete in ihrem Violinkonzert Offertorium das Thema regium und veranderte es, bis es einer russisch-orthodoxen Hymne ahnelte.
  • Reinhard Boß: Die Kunst des Ratselkanons im ?Musikalischen Opfer“. 2 Bande (Band 1: Text; Band 2: Noten). Noetzel ?Ars Musica“, Wilhelmshaven 1991, ISBN 3-7959-0530-3 .
  • Julio Cortazar : Queremos tanto a Glenda. Alfaguara, Buenos Aires 1996, ISBN 950-511-228-9 , S. 122?127, Nota sobre el tema de un rey y la venganza de un principe
  • Ursula Kirkendale: The Source for Bach’s ?Musical Offering“: The ?Institutio oratoria“ of Quintilian. In: Journal of the American Musicological Society. 33, 1, 1980, S. 88?141.
    • Ursula Kirkendale: Bach und Quintilian. Die Institutio oratoria als Modell des Musikalischen Opfers. In: Michael von Albrecht, Werner Schubert (Hrsg.): Musik in Antike und Neuzeit (= Quellen und Studien zur Musikgeschichte von der Antike bis in die Gegenwart. ) Peter Lang, Frankfurt am Main 1987, ISBN 978-3-8204-8272-0 , S. 86?107.
  • James R. Gaines: Evening in the Palace of Reason. Bach meets Frederick the Great in the Age of Enlightenment. Fourth Estate, New York NY 2005, ISBN 0-00-715658-8 .

Einzelnachweise

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  1. Christoph Wolff : Musikalisches Opfer. BWV 1079 (Urtext der Neuen Bach-Ausgabe 9, 1?3), Bd. 1?3. Barenreiter, 7. und 9. Aufl. Kassel u. a. 2012?2015.
  2. Gerd Heinrich : Friedrich II. von Preußen. Leistung und Leben eines großen Konigs. Duncker & Humblot, Berlin 2009, ISBN 978-3-428-12978-2 , S. 413.
  3. Karl Geiringer : Johann Sebastian Bach. 3. Auflage. C. H. Beck, Munchen 1985, ISBN 3-406-03204-4 , S. 105?106.
  4. Vgl. die Abb. Titelblatt des 1747 Friedrich dem Großen gewidmeten ?Musikalischen Opfers“ von Johann Sebastian Bach im Eintrag Bach House Eisenach 2020 auf der Seite Artefact Kulturkonzepte Eintrag Bach House Eisenach 2020. The Berlin Bach Family auf der Seite Artefact Kulturkonzepte .
  5. Opfer . In: Jacob Grimm , Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Worterbuch . Band   13 : N, O, P, Q ? (VII). S. Hirzel, Leipzig 1889, Sp.   1294 ( woerterbuchnetz.de ). ?… eine der Gottheit oder einer Gottheit dargebrachte Gabe zum Ausdrucke der Verehrung, der Bitte, des Dankes, der Versohnung usw.“ Von diesem Ausgangspunkt kommt es unter dem Einfluss des ?antike(n) Topos fur Widmungen“ ( votum und vovere ) zur Bedeutung Widmung , vgl. Ursula Kirkendale: The source (s. unten Literatur) S. 128; Ursula Kirkendale: Bach und Quintilian (s. unten Literatur) S. 105.
  6. Christoph Wolff: Johann Sebastian Bach. Aktualisierte Neuausgabe. Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt am Main 2005, S. 470.
  7. Literatur |Autor=Arnold Werner-Jensen. Unter Mitarb. von Franz Josef Ratte |Titel=Das Reclam Buch der Musik |Verlag=Philipp Reclam jun. |Ort=Stuttgart |Datum=2001 |ISBN=3-15-010484-X |Seiten=119
  8. Christoph Wolff: Der stile antico in der Musik Johann Sebastian Bachs. Studien zu Bachs Spatwerk (= Archiv fur Musikwissenschaft . Beiheft 6, ISSN   0570-6769 ). Steiner, Wiesbaden 1968 (zugleich: Erlangen-Nurnberg, Universitat, Dissertation, 1966).
  9. Christian Wolff (Ed.): Johann Sebastian Bach. Neue Ausgabe samtlicher Werke , Serie VIII, Bd. 1. Barenreiter, Kassel 1974.
  10. Vgl. Ursula Kirkendale: The source (s. unter Literatur), S. 89 (zu Spittas Anordnung); S. 95?137 (zum Nachweis von Quintilian als Quelle); S. 138?141 (Konkordanz); Ursula Kirkendale: Bach und Quintilian (S. unten Literatur) S. 86; S. 87?106.
  11. Vgl. Ursula Kirkendale: The source (s. unten Literatur) S. 94; S. 129f.f.; Ursula Kirkendale: Bach und Quintilian (s. unten Literatur) S. 88.
  12. Ingrid Fuchs : Johann Sebastian Bach: Beitrage zur Wirkungsgeschichte . Osterreichische Gesellschaft fur Musikwissenschaft, Wien 1992
  13. Westminster XWN 19089 (mono) und WST 17089 (stereo), gemaß Diskografie Lawrence Friedmann (PDF) fonoteca.ch
  14. Regina Bauer: Anton Webern und Johann Sebastian Bach: Zur Bearbeitung des Ricercar aus dem ?Musikalischen Opfer‘. In: Marcel Dobbertstein (Hrsg.): Artes liberales: Karlheinz Schlager zum 60. Geburtstag . Tutzing: Hans Schneider, 1998, S. 359?378
  15. Simon Haasis: Bach im Gewande des fortgeschrittensten Komponierens. Betrachtungen zur Asthetik der Ricercar-Bearbeitung Anton Weberns . Abgerufen am 4. Mai 2018.
  16. Rainer Schmusch: Klangfarbenmelodie . In: Handworterbuch der musikalischen Terminologie , 22. Auslieferung, 1994, S. 1 u. 7?13; vifamusik.de abgerufen am 6. Mai 2018.
  17. Thomas von Randow : Denken in seltsamen Schleifen . In: Die Zeit , Nr. 17/1985.