Eine
missionierende Religion
(
lateinisch
missio
, ?(Aus-)Sendung“, ubertragen ?Auftrag“) oder
Verkundigungsreligion
ist eine
Religion
, die ihre Botschaft aktiv verbreitet. Anhanger glauben sich dazu
berufen
, Nichtglaubige und Andersglaubige von der Wahrheit ihrer Botschaft zu uberzeugen
(universale
Wahrheit
,
siehe auch:
Universalreligion
)
. Mission geschieht heutzutage vorwiegend als
Werbung
durch Predigten, Vortrage, Verbreitung von Schriften, Hausbesuche und mit Hilfe moderner Massenmedien.
Vor allem das
Christentum
und der
Islam
(
Da?wa
) zahlen zu den missionierenden Religionen, teilweise auch Bewegungen aus dem Bereich des
Hinduismus
und
Buddhismus
. Oft wird Mission ausschließlich auf die Verbreitung des christlichen Glaubens bezogen.
Einige Formen des
Monotheismus
, wie beispielsweise die Religion der
Drusen
und der
Jesiden
, sowie
polytheistische
,
pantheistische
und
animistische
Lokalreligionen
sind von ihrem Selbstverstandnis her nicht missionarisch und kennen auch keine Moglichkeit des
Ubertritts
. Bei Drusen und Jesiden spielt dabei eine Rolle, dass im Bereich des Islams keine Mission geduldet wird. Das
Judentum
spielt insofern eine Sonderrolle, als hier die Missionierung ebenfalls nicht vorgesehen, die Konversion einzelner (
Gijur
) jedoch moglich ist.
Im Christentum gilt das 19. Jahrhundert als das ?große Jahrhundert der Weltmission“. Der Yale-Professor Kenneth Scott Latourette konstatiert: ?Mit dem 19. Jahrhundert begann seine [des Christentums] großte geographische Ausbreitung weltweit.“
[1]
Er beschreibt den Zusammenhang zwischen der Ausbreitung des Christentums und der Ausdehnung des globalen Handels.
[2]
Die starke Ausbreitung des Christentums und neue Religionen wie die Bahai fuhrten 1893 zum ersten
Weltparlament der Religionen
in
Chicago
, wo u. a. der
Hinduismus
mit neuen missionarischen Anspruchen auftrat. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts und dem Aufkommen der Pfingstbewegung ab 1909 brach vor allem im Christentum eine weitere Verstarkung missionarischer Aktivitaten an.
Ethnische Religionen
kennen keinen missionarischen Auftrag.
Als alteste missionierende Religion gilt der
Zoroastrismus
, der sich unter Einfluss von
Zarathustra
Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. vom
Iran
aus zu verbreiten begann. Er war es, der erstmals in der Religionsgeschichte andere Religionen als falsch bezeichnete. Von Zarathustra wird gesagt, er habe darum gebetet, dass sein Glaube sich ausweiten moge, dass Hauser, Dorfer, Distrikte und Lander denken, sprechen und handeln mogen gemaß der Gerechtigkeit, die er predigt (Ys xlii 6). Es wird von Wanderpriestern berichtet, die Seite an Seite mit denen arbeiteten, die zu Hause ihren priesterlichen Aufgaben nachkamen (Visp. lii 3, ix 2).
[3]
Nach
rabbinischer
Interpretation soll
Abraham
als erster Missionar angesehen worden sein (
Gen
12,5
EU
). Im 8. Jahrhundert v. Chr. rief der Prophet
Jesaja
das
Volk Israel
dazu auf, ein ?Licht fur die Volker“ zu sein (
Jes
49,6
EU
). Unter der Herrschaft der
Hasmonaer
sollen verschiedene Gruppen zwangsbekehrt worden sein, so z. B. die
Idumaer
.
[4]
Kaiser Hadrian
bekampfte judische Aufstandische (Bar-Kochbar-Aufstand 132?136 n. Chr.), vertrieb viele Juden aus Palastina und untersagte die judische Mission. Den Sinn der
judischen Diaspora
sahen einige Juden darin,
Proselyten
werbung zu betreiben.
[5]
[6]
Unter dem Druck des Christentums (ab 380 Staatsreligion im Romischen Reich) und des Islams (ab dem 7. Jahrhundert) erlosch die judische Mission. Im 10. Jahrhundert schlossen sich große Teile der
Chasaren
(Sudrussland) dem judischen Glauben an. Außerdem gab es noch die judischen Reiche
Himjar
,
Adiabene
sowie im Bereich der
Punier
und
Berber
das Reich der Konigin
Kahina
[7]
. Insgesamt war die Form der judischen Mission weder organisiert noch ging sie von Herrschern aus; sie war eher ein vorsichtiges Werben von Mensch zu Mensch.
[8]
Im altesten der vier Evangelien, dem
Evangelium nach Markus
(um 70 n. Chr.), heißt es am Ende:
Dann sagte er zu ihnen: Geht hinaus in die ganze Welt, und verkundet das Evangelium allen Geschopfen!
(
Markus
16,15
EU
). Die Zeit des
Wirkens
Jesu von Nazareth sind seine drei Jahre als Wander
charismatiker
vor seinem Tod, von denen in den fruhchristlichen Schriften erzahlt wird. Jesu
messianisches
Wirken im judischen Umfeld stand in der Tradition des Judentums. Nach seinem Tod hielt die
judenchristliche
Gemeinde an seinem Angedenken im ?
Herrenmahl
“, entnommen aus dem messianischen Gedenken der
Pessachhaggada
, fest und erwartete seine
Wiederkehr
in einem Umfeld vieler judischer Gemeinden in
Kleinasien
, Griechenland und Italien. Diese Zeit war gekennzeichnet durch aktive judische
Propaganda
und
Proselyten
werbung.
Die Loslosung vom Judentum setzte mit der
paulinischen Theologie
und Mission (um 50 n. Chr.) ein ? die entscheidende neue Phase des Christentums.
[9]
Paulus von Tarsus
, der Jesus nicht leibhaftig begegnet war, seine Mitstreiter und Nachfolger grundeten neue
heidenchristliche
Gemeinden mit einem gewandelten Missionsverstandnis. Die Urgemeinde in Jerusalem, die das Judentum als Basis fur das Christentum ansah, verlor gegenuber den stark wachsenden heidenchristlichen Gemeinden zunehmend an Bedeutung und verschwand schließlich.
[10]
Die
christliche Mission
beruft sich auf
Jesu
sogenannten
Missionsbefehl
: Darum geht zu allen Volkern und macht alle Menschen zu meinen Jungern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe
(
Mt
28,19?20a
EU
, ahnlich bei
Mk
16,15
EU
). Im fruhen Mittelalter warben insbesondere die
iro-schottischen
Wandermonche
fur den christlichen Glauben.
Die
Kreuzzuge
durfen nicht als Akt der Missionierung aufgefasst werden; sie waren der Versuch, die
islamische
Expansion zuruckzudrangen und die heiligen Statten in Jerusalem fur die Christenheit zuruckzuerobern.
Die
Conquista
hingegen war ausdrucklich mit dem Auftrag zur
Christianisierung
verbunden. In Lateinamerika versuchten katholische
Missionare
vor allem aus Spanien, ?Seelen zu retten“. Dabei gab es humane Versuche wie die
Jesuitenreduktionen
, aber auch brutales Uberstulpen fremder Kultur durch die Eroberer. Spater wurde Mission in Verbindung mit dem
Kolonialismus
betrieben.
Nach den klassischen Lehren des
sunnitischen Islams
sind Muslime aufgefordert, den Islam durch
Da?wa
weltweit zu verbreiten. Klassischerweise wird die Bevolkerung uber eine Botschaft an den Herrscher aufgefordert, den Islam anzunehmen. Geschieht das nicht, wird dies als Berechtigung zur ?Offnung“ (arabisch
futuhat
), das heißt zur Eroberung der entsprechenden Lander durch militarische Anstrengung (
Dschihad
), gesehen.
[11]
Missionarische Tatigkeiten im Bereich des Islam werden als Angriff auf den Islam gewertet und sind deshalb verboten. Auch heute ist eine offene Mission in fast allen islamischen Landern unmoglich. Das gilt auch fur andere islamische Stromungen, wie beispielsweise die
Schia
oder die
Ahmadiyya-Gemeinschaft
.
[12]
Der
Manichaismus
war missionierend; er verbreitete sich bis nach
Afrika
,
Gallien
,
Syrien
und wurde im 8. Jahrhundert in
Turkestan
Staatsreligion
.
Hinduismus, Buddhismus und andere sud- und ostasiatische religiose Bewegungen
[
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In Auseinandersetzung mit sozio-kulturellen und religiosen Einflussen aus Europa und den USA bildeten sich so auch im Hinduismus und Buddhismus Reformansatze heraus, die eine dogmatische Fixierung von Lehrinhalten und heiligen Texten, einen allgemeinen Gultigkeitsanspruch und so auch aktive Missionsbestrebungen unterstutzten. Oft ging es dabei um die Ruckgewinnung fruherer Konvertiten aus der eigenen Religion, dieser Anspruch wurde jedoch zuweilen sehr weit ausgedehnt, so dass z. B. der
Arya Samaj
im Indien Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts fast alle Einwohner als fruhere Hindus und somit als legitime Missionsgruppe betrachtete. Da sich die Missionsbemuhungen des Arya Samaj jedoch auch gegen die traditionellen brahmanischen Eliten und das
Kastensystem
wandten, stießen sie auf haufig sehr entschiedenen Widerstand in weiten Teilen der Bevolkerung und gingen so ab Mitte der 1920er Jahre zuruck.
Scheiterten die Agitatoren des fruhen 20. Jahrhunderts in der Hindu-Mehrheitsgesellschaft noch weitgehend am Einfluss brahmanischer Eliten und traditioneller Wertesysteme, so haben die Missionierungsbewegungen
hindu-nationalistischer
Krafte unter den ?Stammesbevolkerungen“ Indiens (
adivasi
) seit Ende der 1980er Jahre eine tiefgreifende Wirkung fur das kulturelle Erbe der betroffenen Gruppen. Etablierte kulturelle Traditionen (vor allem auch Geschlechterbilder) werden umgedeutet hin zu einer vereinheitlichten Hindu-Kultur mit fremden Gottern (
Rama
,
Krishna
,
Hanuman
) und androzentrischen (Manner und Mannlichkeit hervorhebenden) Gesellschaftsvorstellungen und Weltbildern. Diese Art von ideologischer Einflussnahme, obwohl sie stark politisch motiviert ist (als Werbung potenzieller Wahler fur die hindunationalistische Partei der
BJP
), ist dennoch im weiteren Sinne als Missionierung zu betrachten, da eine dauerhafte Bindung an ein (stark auch religios fundiertes) Weltbild angestrebt wird, das explizit anderen Religionszugehorigkeiten gegenubergestellt wird. Immer wieder gibt es von hindu-nationalistischen Agitatoren angestiftete Ausschreitungen gegen religiose Minderheiten (vor allem Muslime und Christen).
Einige hinduistische und buddhistische, sowie andere sud- und ostasiatische Gruppen sind vor allem seit dem Ende der 1960er Jahre in westlichen Landern und zunehmend auch weltweit (Osteuropa, Japan) missionarisch tatig. Große Bekanntheit erlangt hat beispielsweise die
Internationale Gesellschaft fur Krishna-Bewusstsein
(ISKCON), im Westen besser bekannt als Hare-Krishna-Bewegung, die das Krishna-Bewusstsein verbreiten will.
International missionarisch tatig aus dem hinduistisch-buddhistischen oder weiteren ostasiatischen Bereich sind oder waren auch
Ananda Marga
,
Brahma Kumaris
?moto
,
?mu Shinriky?
,
Sahaja Yoga
,
Sant Mat
,
Shinnyo-En
,
S?ka Gakkai
,
Tenriky?
und andere, sowie weitere spirituelle Lehrer und Gurus aus diesem Bereich.
- ↑
Kenneth Scott Latourette:
Geschichte der Ausbreitung des Christentums
. Vandenhoeck & Ruprecht, Gottingen 1956,
S.
120
.
- ↑
Kenneth Scott Latourette:
Geschichte der Ausbreitung des Christentums
. Vandenhoeck & Ruprecht, Gottingen 1956,
S.
120
f
.
- ↑
Theo Sundermeier
:
Die Mission nichtchristlicher Religionen
(
Memento
vom 27. September 2007 im
Internet Archive
), S. 4.
- ↑
Pierre Grimal
(Hrsg.):
Der Hellenismus und der Aufstieg Roms
(= Fischer Weltgeschichte Bd. 6). Frankfurt 1965, S. 266.
- ↑
Rabbi Eleaser
:
Talmud: Pesahim
(
online
, englisch), 87b Absatz 5 (unter Bezug auf
Hos
2,25
EU
).
- ↑
dagegen
Rabbi Chelbo
:
Talmud: Jebamoth
(
online
, englisch), 47b (unter anderem Bezug auf
Buch Ruth
).
- ↑
Sholomo Sand
, Die Erfindung des Judischen Volkes, Israels Grundungsmythos auf dem Prufstand, Abschnitt 4, deutsche Ausgabe: Ullstein, Berlin, 2010,
ISBN 978-3-549-07376-6
- ↑
Theo Sundermeier:
Die Mission nichtchristlicher Religionen
(
Memento
vom 27. September 2007 im
Internet Archive
), S. 6.
- ↑
Walter Homolka, Walter Jacob, Tovia Ben-Chorin (Hrsg.):
Die Lehren des Judentums nach den Quellen
. Band III. Knesebeck, Munchen 1999, S. 57ff.
- ↑
Walter Homolka, Walter Jacob, Tovia Ben-Chorin (Hrsg.):
Die Lehren des Judentums nach den Quellen
. Band III. Knesebeck, Munchen 1999, S. 440ff.
- ↑
Marwan Abou-Taam:
Deutsche Sicherheit im Spannungsfeld des internationalen Terrorismus und der Weltordnungspolitik.
LIT Verlag, Munster 2007,
ISBN 978-3-8258-0662-0
, S. 133 (
eingeschrankte Vorschau
in der Google-Buchsuche).
- ↑
Die Stromungen des Islam.
16. September 2001,
abgerufen am 1. Oktober 2023
.