Der
Minotauros
(auch
Minotaurus
,
altgriechisch
Μιν?ταυρο?
Min?tauros
,
lateinisch
Minotaurus
, deutsch
Minotaur
) ist eine Gestalt der
griechischen Mythologie
: ein Wesen mit menschlichem Korper und Stierkopf.
Minos
, ein Sohn des
Zeus
und der
Europa
, der auf der Insel
Kreta
wohnte, bat seinen Onkel, den Meeresgott
Poseidon
, ihm zur Erlangung der Konigswurde und Abschreckung anderer Thronanwarter ein Wunder zu gewahren. Er gelobte, was immer dem Meer entsteige, dem Gott zu opfern. Poseidon sandte ihm daraufhin einen
prachtigen Stier
, und Minos wurde Konig von Kreta. Der Stier gefiel ihm jedoch so gut, dass er ihn in seine Herde aufnahm und stattdessen ein minderwertiges Tier opferte.
[1]
Poseidon ergrimmte und schlug Minos’ Frau
Pasiphae
mit dem Begehren, sich mit dem Stier zu vereinen. Sie ließ sich von
Daidalos
ein holzernes Gestell bauen, das mit Kuhhaut verkleidet war. Darin verbarg sie sich und ließ sich so von dem Stier begatten. Als Frucht dieser Vereinigung gebar sie den Minotauros (Minosstier) mit Namen ?Asterios“. Minos ließ fur das Mischwesen durch Daidalos ein Gefangnis in Form eines
Labyrinthes
erbauen.
[2]
Als Minos die Nachricht erhielt, sein Sohn
Androgeos
sei durch Zutun des Konigs
Aigeus
von
Athen
ums Leben gekommen, brach er zu einem Rachefeldzug gegen Athen auf. Er konnte die Athener besiegen und erlegte ihnen einen grausamen Tribut auf: Alle neun Jahre mussten sie sieben Junglinge und sieben Jungfrauen nach Kreta senden, wo sie in das Labyrinth des Minotauros geschickt und so diesem geopfert wurden.
[3]
Schließlich loste
Theseus
? Sohn des Aigeus und spater sein Nachfolger als Herrscher ? das Problem, indem er sich selbst mit der dritten Tributfahrt auf den Weg machte, um das Ungeheuer zu toten. Minos’ Tochter
Ariadne
verliebte sich in den Helden und half ihm mit ihrem
Ariadnefaden
, den Theseus am Eingang befestigte und abrollte.
[4]
Theseus totete den Minotauros und fand mit Hilfe des Fadens aus dem Labyrinth heraus. Mit Ariadne, den Junglingen und Jungfrauen machte er sich auf die Heimreise.
[4]
Zur Strafe ließ Minos den Architekten Daidalos samt seinem Sohn
Ikaros
in das Labyrinth sperren. Manche sagten namlich, es sei Daidalos’ Hinweis gewesen, den Faden vom Eingang her abzurollen. Daidalos kannte jedoch den Ausgang. Zur Flucht von der Insel baute er fur sich und seinen Sohn Flugel; er selbst konnte mit Hilfe dieser Schwingen nach Sizilien entkommen, Ikaros aber sturzte ins Meer.
Als historische Vorlage fur das Labyrinth gilt die Palastanlage von
Knossos
, ein mehrstockiges Gebaudeensemble mit komplexer
Architektur
.
Der Minotauros ist bis in die Gegenwart ein beliebtes Motiv der
bildenden Kunst
. Darstellungen eines
Mischwesens
mit Stierkopf und menschlichem Korper finden sich bereits auf Relikten der
minoischen Kultur
Kretas. Der Sagenkreis um den Minotaurus mit Theseus, Ariadne und Dionysos ist auch ein beliebtes Motiv der Fresken im antiken
Pompeji
. Eine beruhmte
Minotauromachie
stammt von
Picasso
. In
Max Ernsts
großer Skulptur aus dem Jahr 1948,
Capricorn
, bildet eine dem Minotauros ahnliche Figur den Mittelpunkt des Werks.
In der Literatur hat
Friedrich Durrenmatt
den Minotaurus in seiner
gleichnamigen Ballade
neu interpretiert: Vom menschenfressenden Ungeheuer wird er hier zum Opfer undurchschaubarer Umstande und zum Sinnbild gegenwartiger Orientierungslosigkeit. Die Ballade bildete die Vorlage fur die Oper
Minotauro
der italienischen Komponistin
Silvia Colasanti
aus dem Jahr 2018. Der Minotaurus ist der Ich-Erzahler in
Das Haus des Asterion
von
Jorge Luis Borges
.
- Kirsten Dickhaut:
Minotauros.
In:
Maria Moog-Grunewald
(Hrsg.):
Mythenrezeption. Die antike Mythologie in Literatur, Musik und Kunst von den Anfangen bis zur Gegenwart
(=
Der Neue Pauly
. Supplemente.
Band 5). Metzler, Stuttgart/Weimar 2008,
ISBN 978-3-476-02032-1
, S. 433?435.
- Johannes Hugo Helbig
:
Minotauros
. In:
Wilhelm Heinrich Roscher
(Hrsg.):
Ausfuhrliches Lexikon der griechischen und romischen Mythologie
. Band 2,2, Leipzig 1897, Sp. 3004?3011 (
Digitalisat
).
- Alfred Scheidegger (Hrsg. und Nachwort):
Picasso: ?Minotauros“. 30 grafische Blatter.
Insel, Frankfurt 1963 und ofter, zuletzt 1996,
ISBN 3-458-08789-3
.
[5]
- ↑
Bibliotheke des Apollodor
3,1,3?4
- ↑
Bibliotheke des Apollodor
3,1,4;
Hyginus
,
Fabulae
40
- ↑
Diodorus Siculus
,
Bibliotheca historia
4,61
- ↑
a
b
Plutarch
,
Theseus
19;
Bibliotheke des Apollodor
, Epitome 1,9;
Ovid
,
Metamorphosen
8, 172?176; Hyginus,
Fabulae
42. Nach einer anderen Erzahlung soll sie ihm zudem Pillen aus Pech und Haaren gegeben haben, die in den Rachen des Minotauros zu werfen waren. Es heißt auch, sie habe selbst den Helden begleitet, um ihm mit ihrem Kranz in der Dunkelheit zu leuchten; der Schmuck ? vielleicht ein Geschenk ihres Verehrers
Dionysos
? wurde spater unter die Sternbilder gesetzt.
- ↑
Das Nachwort von 53 Seiten geht auf den Mythos ein. Ferner Ausstellungsubersicht von Picassos Zyklus bis 1962.