Mikio Sat?
(
jap.
佐藤 幹夫
,
Sat? Mikio
; *
18. April
1928
in
Tokio
; †
9. Januar
2023
[1]
) war ein japanischer
Mathematiker
, der sich vor allem mit Analysis,
mathematischer Physik
beschaftigte und auch fur eine
zahlentheoretische
Vermutung bekannt war.
Sat? war der Sohn eines Anwalts. Wahrend des Zweiten Weltkriegs wurde die Familie in Tokio ausgebombt. Sat? selbst schleppte wahrend dieser Zeit in einer Fabrik Kohlen. 1945 bis 1948 besuchte er die 1. Oberschule, die damals als Eliteschule galt.
Danach arbeitete er als Oberschullehrer, um seine Familie zu unterstutzen, und blieb Lehrer bis 1958. Er studierte daneben ab 1949 an der
Universitat Tokio
. Seine schriftliche Arbeit erhielt zwar Bestnoten, da er aber Prufungen versaumt hatte, konnte er nicht Assistent werden und studierte zunachst weiter, diesmal theoretische Physik, unter anderem bei
Shin’ichir? Tomonaga
. Sommer 1957 schrieb er eine Arbeit uber die Theorie der
Hyperfunktion
, um als Doktorand in der mathematischen Fakultat angenommen zu werden.
Sh?kichi Iyanaga
sorgte dafur, dass er als Assistent eingestellt wurde (eigentlich war er Assistent von
K?saku Yoshida
) und 1963 wurde er in Tokio bei ihm promoviert. 1960 wurde er Lehrkraft an der Padagogischen Hochschule Tokio, und 1960 bis 1962 war er am
Institute for Advanced Study
(Iyanaga hatte seine Arbeiten an
Andre Weil
geschickt). Danach war er Professor an der
Universitat ?saka
und der Universitat Tokio. 1970 wurde er Professor am Research Institute for Mathematical Sciences (RIMS) der
Universitat Ky?to
. 1987 bis 1991 war er Direktor des RIMS. Zuletzt war er Professor Emeritus an der Universitat Ky?to.
1969 erhielt er den
Asahi-Preis
und 1976 den Preis der
japanischen Akademie der Wissenschaften
. 1984 erhielt er den japanischen
Kulturorden
und 1987 den
Fujiwara-Preis
. Sat? ist seit 1993 Mitglied der amerikanischen
National Academy of Sciences
. 1997 erhielt er den
Rolf-Schock-Preis
und 2003 den
Wolf-Preis
. 1983 hielt er einen Plenarvortrag auf dem
ICM
in Warschau (
Monodromy theory and holonomic quantum fields ? a new link between mathematics and theoretical physics
) und 1970 war er Invited Speaker auf dem ICM in Nizza (
Regularity of hyperfunction solutions of partial differential equations
).
Zu seinen Doktoranden zahlte
Masaki Kashiwara
. Ein weiterer enger Mitarbeiter beim Ausbau der
mikrolokalen Analysis
war
Takahiro Kawai
.
Sat? war vor allem fur die Entwicklung seiner Theorie der
Hyperfunktionen
bekannt, Verallgemeinerungen von
Distributionen
, die mit Hilfe der
Garbentheorie
definiert werden. Definiert man
holomorphe Funktionen
in der oberen und
in der unteren komplexen Halbebene, so kann eine Hyperfunktion als Differenz
auf der reellen Achse definiert werden. Sie ist invariant bei Addition einer holomorphen Funktion
zu
und
. Er formulierte damit einen
kohomologischen
Zugang (ohne irgendwelche Grenzprozesse) zur Analysis parallel zu
Alexander Grothendieck
etwa zur gleichen Zeit. Aus seinen Arbeiten uber Hyperfunktionen entwickelte sich Sat?s Zugang zur
mikrolokalen Analysis
von
partiellen Differentialgleichungen
(uber die ?analytische Wellenfront“ von Hyperfunktionen
[2]
) und zur algebraischen Theorie der
-Moduln
(ausgebaut von seinem Schuler
Kashiwara
1969 in seiner Dissertation).
[3]
Die Idee der Analogie von
Moduln
uber kommutativen Ringen zu
Vektorbundeln
uber Mannigfaltigkeiten formulierte er schon 1960 in einem Kolloquiumsvortrag in Tokio. Sat? war mit seinen Ideen seiner Zeit voraus:
[4]
Sie schienen den Analytikern fremdartig und wurden relativ spat aufgegriffen bzw. erst in alternativen Formulierungen wie denen von
Lars Hormander
. Eine Ausnahme bildeten die franzosischen Mathematiker, wo Sat?s garbentheoretischer und algebraischer Zugang durch die Arbeiten von
Leray
,
Cartan
und Grothendieck auf vorbereiteten Boden stieß.
Sat? arbeitete auch uber Zahlentheorie. Die bis heute unbewiesenen Sat?-
Tate
-Vermutungen betreffen die Feinverteilung der Losungsanzahlen
elliptischer Kurven
modulo
und sagen eine statistische Verteilungsfunktion fur die Phasen der Koeffizienten der
Hasse-Weil-Zetafunktionen
der Kurve voraus, die die Feinverteilung bestimmen. Außerdem zeigte er 1962, wie die
Ramanujan-Petersson-Vermutungen
uber Koeffizienten von Modulformen aus den
Weil-Vermutungen
folgen, spater exakt bewiesen von
Pierre Deligne
.
1970 fuhrte er prahomogene Vektorraume ein (Prehomogeneous Vector Spaces, PVS), endlich dimensionale Vektorraume, in denen eine Untergruppe der
allgemeinen linearen Gruppe
des Vektorraums einen dichten offenen Orbit hat. Er wandte sie in der Zahlentheorie an und klassifizierte irreduzible PVS 1977 mit
Tatsuo Kimura
bis auf eine
castling
genannte Transformation.
Viele seiner Motivationen bezog Sat? aus der Physik. In der mathematischen Physik arbeitete er uber
Solitonengleichungen
(teilweise mit seiner Ehefrau Yasuko Sat?), die er als
Graßmann-Mannigfaltigkeiten
unendlicher Dimension betrachtete. Mit seiner Schule entwickelte er in den 1980er Jahren die direkte Methode zur Losung von Solitonengleichungen von
Ry?go Hirota
, wobei sie Verbindungen zu Darstellungen unendlich dimensionaler Liegruppen herstellten. Mit
Tetsuji Miwa
und
Michio Jimb?
konstruierte er explizit die
-Punkt-Korrelationsfunktionen im zweidimensionalen
Ising-Modell
mit Hilfe der Deformationstheorie (isomonodrom, das heißt bei erhaltener Monodromiegruppe) gewohnlicher Differentialgleichungen von
Schlesinger
aus dem 19. Jahrhundert.
- Theory of hyperfunctions.
Bande 1,2, Journal of the Faculty of Sciences, Universitat Tokio, Band 8, 1959/60, S. 139, 387.
- mit T. Kawai und M. Kashiwara:
Microfunctions and pseudodifferential equations.
In: Komatsu (Hrsg.):
Hyperfunctions and pseudodifferential equations.
Proceedings Katata 1971, Springer-Verlag, Lecture Notes in Mathematics Band 287, 1973, S. 265?529.
- The
Hierarchy and infinite dimensional Grassmannian Manifolds.
In:
Theta Functions.
Bowdoin 1985 Conference, Proceedings Symposia Pure Mathematics, Band 49, Teil 1, AMS 1989, S. 51.
- mit Yasuko Sato:
Soliton equations as dynamical systems on infinite dimensional Grassmann Manifold.
In:
Nonlinear partial differential equations in applied science, Tokio 1982.
North Holland 1983, S. 259.
- mit T. Miwa und M. Jimbo:
Holonomic quantum fields.
Teil 1?5, Publications RIMS, Band 14, 1978, S. 223, Band 15, 1979, S. 201, 577, 871, Band 16, 1980, S. 531.
- ↑
Todesnachricht.
In:
kyoto-u.ac.jp.
Abgerufen am 13. Januar 2023
(japanisch).
- ↑
unabhangig etwa zur gleichen Zeit von
Lars Hormander
, der die Entwicklung dann im Wesentlichen dominierte.
- ↑
unabhangig in Russland
Joseph Bernstein
- ↑
Er stieg als Außenseiter in die Analysis ein. Sein Forderer
Iyanaga
war als Schuler von
Takagi
eigentlich Zahlentheoretiker
1978:
Israel Moissejewitsch Gelfand
,
Carl Ludwig Siegel
|
1979:
Jean Leray
,
Andre Weil
|
1980:
Henri Cartan
,
Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow
|
1981:
Lars Valerian Ahlfors
,
Oscar Zariski
|
1982:
Hassler Whitney
,
Mark Grigorjewitsch Krein
|
1983/4:
Shiing-Shen Chern
,
Paul Erd?s
|
1984/5:
Kodaira Kunihiko
,
Hans Lewy
|
1986:
Samuel Eilenberg
,
Atle Selberg
|
1987:
It? Kiyoshi
,
Peter Lax
|
1988:
Friedrich Hirzebruch
,
Lars Hormander
|
1989:
Alberto Calderon
,
John Willard Milnor
|
1990:
Ennio De Giorgi
,
Ilja Pjatetskij-Shapiro
|
1991: Nicht vergeben |
1992:
Lennart Carleson
,
John Griggs Thompson
|
1993:
Michail Leonidowitsch Gromow
,
Jacques Tits
|
1994/5:
Jurgen Moser
|
1995/6:
Robert Langlands
,
Andrew Wiles
|
1996/7:
Joseph B. Keller
,
Jakow Grigorjewitsch Sinai
|
1998: Nicht vergeben |
1999:
Laszlo Lovasz
,
Elias Stein
|
2000:
Raoul Bott
,
Jean-Pierre Serre
|
2001:
Wladimir Igorewitsch Arnold
,
Saharon Shelah
|
2002/3:
Mikio Sat?
,
John T. Tate
|
2004: Nicht vergeben |
2005:
Grigori Alexandrowitsch Margulis
,
Sergei Petrowitsch Nowikow
|
2006/7:
Stephen Smale
,
Hillel Furstenberg
|
2008:
Pierre Deligne
,
Phillip Griffiths
,
David Bryant Mumford
|
2009: Nicht vergeben |
2010:
Shing-Tung Yau
,
Dennis Sullivan
|
2011: Nicht vergeben |
2012:
Michael Aschbacher
,
Luis Caffarelli
|
2013:
George Mostow
,
Michael Artin
|
2014:
Peter Sarnak
|
2015:
James Arthur
|
2016: Nicht vergeben |
2017:
Richard Schoen
,
Charles Fefferman
|
2018:
Alexander Beilinson
,
Vladimir Drinfeld
|
2019:
Jean-Francois Le Gall
,
Gregory F. Lawler
|
2020:
Simon Donaldson
,
Jakow Eliaschberg
|
2021: Nicht vergeben |
2022:
George Lusztig
|
2023:
Ingrid Daubechies