Michael Aloysius Alfons Kuhnen
(*
21. Juni
1955
in
Beuel
; †
25. April
1991
in
Kassel
) war ein Anfuhrer der
deutschen
Neonazi
-Szene in den 1980er Jahren.
Kuhnen wuchs in einem burgerlichen, beguterten,
[1]
liberalen
und
katholischen
Elternhaus als Einzelkind auf.
[2]
Er besuchte das katholische
Collegium Josephinum Bonn
, an dem er 1974 das
Abitur
ablegte
[3]
und
Schulersprecher
war.
[4]
Von 1974 an diente er als
Zeitsoldat
bei der
Bundeswehr
[4]
und studierte an der
Universitat der Bundeswehr
Hamburg
,
[5]
wurde aber 1977 als
Leutnant
aufgrund seiner
rechtsextremen
politischen Tatigkeit fristlos entlassen.
[6]
Er engagierte sich schon seit den spaten 1960er-Jahren in verschiedenen rechtsextremen Organisationen, so war er bereits mit 14 Jahren
[4]
bei den
Jungen Nationaldemokraten
(JN) und der
NPD
aktiv.
[7]
[8]
Danach wirkte er bei der
Aktion Widerstand
,
Aktion Neue Rechte
(ANR), zeitweise war er aber auch Mitglied bei der
Jungen Union
und bei der
maoistischen KPD-AO
(der
Kulturrevolution
fuhlte er sich auch noch 1989 verbunden
[2]
).
[4]
[9]
Kuhnens Eltern missbilligten die politischen Aktivitaten ihres Sohnes.
[1]
[10]
1976, wahrend seiner Zeit bei der Bundeswehr, intensivierten sich seine neonazistischen Kontakte. Nach seiner Entlassung 1977 war er ausschließlich im rechtsextremen Politspektrum aktiv.
[7]
Am 8. Mai 1977 grundete er gemeinsam mit zwei weiteren
Rechtsextremisten
eine Unterorganisation der von
Gary Lauck
gegrundeten neonazistischen
NSDAP-Aufbauorganisation
namens ?SA-Sturm Hamburg“. Aus dieser Unterorganisation entstand am 26. November 1977 die Organisation
Aktionsfront Nationaler Sozialisten
(ANS), der er mit einer von ihm organisierten Aktion im Mai 1978 bundesweite Publizitat verschaffte: Mehrere ANS-Mitglieder posierten mit Eselsmasken und
den Holocaust leugnenden
Pappschildern (?Ich Esel glaube noch, daß in deutschen
KZs
Juden
vergast
wurden“) vor den Kameras von Journalisten.
[11]
Kuhnen wurde schnell zum fuhrenden Kopf der militanten deutschen
Neonazi
-Szene. Zu seinen damaligen Anhangern gehorten u. a.
Thomas Brehl
(
Wehrsportgruppe
Fulda),
Christian Worch
,
Gottfried Kussel
(der ihn wahrend seiner Haftaufenthalte als Anfuhrer der
Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front
(GdNF) vertrat),
Steffen Hupka
und
Arndt Heinz Marx
. Wahrend seiner zweiten Haft wurde nach einem verbandsinternen Appell zur Ausrottung der ?Homosexuellen, Perversen und Verrater“ am 26. Mai 1981 das ehemalige ANS-Mitglied Johannes Bugner (* 1955) aufgrund ?erwiesener
Homosexualitat
“ von funf ANS-Leuten in der Feldmark bei
Stemwarde
erstochen. Kuhnen distanzierte sich von der Tat und widmete Bugner seine 1986 fertiggestellte 67-seitige Broschure
Nationalsozialismus
und Homosexualitat
.
[12]
Kuhnen leitete das
Komitee zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers
des
Collegium Humanum
.
[13]
Im Jahr 1978 wurde er wegen der
Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen
zu sechs Monaten Haft verurteilt. Dem folgte am 13. September 1979 eine Verurteilung zu einer vierjahrigen Haftstrafe wegen
Volksverhetzung
und Verbreitung von neofaschistischen Propagandamaterialien im sogenannten
Buckeburger Prozess
.
[14]
Wahrend der Haft schrieb er an einer weit gefassten Propagandaschrift
Die zweite Revolution
. Nach der Haftentlassung 1982 ubernahm er abermals die Leitung der ANS. Nach Erkenntnissen der Hamburger
Behorde fur Inneres
bemuhte sich Kuhnen in Folge der Haftentlassung verstarkt darum,
Fußballanhanger
und
Skinheads
als Mitstreiter zu gewinnen.
[15]
Die ANS wurde am 7. Dezember 1983 vom
Bundesinnenministerium
verboten. Darauf setzte sich Kuhnen nach Frankreich ab. 1984 wurde er dort verhaftet und nach Deutschland ausgeliefert.
[2]
Im Januar 1985 wurde Kuhnen wegen
Verbreitung von NS-Propagandamitteln
zu drei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt.
[12]
[16]
Im Gefangnis erhielt Kuhnen einen funfstundigen Besuch vom osterreichischen Dichter
Erich Fried
.
[17]
Ein 2016 aufgetauchter Bericht der
Stasi
enthalt Indizien dafur, dass zur Zeit seiner Haftentlassung 1982 ein Kontakt zum
niedersachsischen Verfassungsschutz
bestand.
[18]
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Siehe Diskussionsseite.
Auf das Verbot der ANS am 7. Dezember 1983 reagierte Kuhnen, unterstutzt von
Thomas Brehl
und
Christian Worch
, indem er zunachst die ANS/NA-
Kameradschaften
in ?Leserkreise“ umbenannte. Diese wurden, zusammen mit anderen Organisationen, dann 1984 in der
Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front
(GdNF) vereint. Weitere Nachfolgeorganisation war, neben anderen, die ebenfalls rechtsextremistische
Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei
(FAP). Kuhnen grundete außerdem die
Wehrsportgruppe Werwolf
. 1990 verfasste er den
Arbeitsplan Ost
, in dem er den Aufbau militanter rechtsextremer Strukturen auf dem Gebiet der ehemaligen
DDR
beschrieb. Der ?Widerstandsgruß“, ursprunglich von der
Aktion Widerstand
benutzt, wurde von ihm ubernommen und spater mediengerecht eingesetzt und als
Kuhnengruß
bezeichnet. Dieser sollte bewusst provozieren, ohne dabei strafrechtliche Konsequenzen nach sich zu ziehen, wie es mit dem ahnlichen
Hitlergruß
der Fall gewesen ware. Er verstand es, die
Massenmedien
zu benutzen, um immer wieder Offentlichkeit fur seine Politik zu bekommen. Kuhnen gelang es, sowohl eine getreue Gefolgschaft als auch Kontakte zu fast allen neonazistischen Gruppierungen und Parteien im In- und Ausland aufzubauen.
1991 kundigte Michael Kuhnen an, eine internationale Einheit aus
Freiwilligen
aufstellen zu wollen, die im
Zweiten Golfkrieg
auf der Seite des
Irak
kampfen sollte.
[19]
Wahrend seiner Haft ab 1985 brach innerhalb der GdNF ein harter Richtungsstreit aus. Kuhnens interner Rivale
Jurgen Mosler
rief zur Ausmerzung aller ?Schweine, Kranken und Perversen“ auf. Jeder Schwule sei ein ?Verrater am Volk“ und mitverantwortlich fur die Ausbreitung von
AIDS
. Angegriffen und ausgeschlossen wurde auch das franzosische ?Ehrenmitglied“ Michel Caignet, Herausgeber der rechtsextremen Homosexuellenzeitung
Gaie France
und der Auslandszeitung der ANS.
[20]
Mosler und andere kundigten Kuhnen die Gefolgschaft ?wegen seines Bekenntnisses zur Homosexualitat“ auf, so der Rechtsextremismusforscher
Jens Mecklenburg
.
[21]
Auch andere Wissenschaftler bestatigen Kuhnens Homosexualitat.
[22]
Kuhnen verteidigte die Vereinbarkeit von Homosexualitat mit dem Nationalsozialismus und erklarte am 1. September 1986 zusammen mit seinen Freunden den Austritt aus der GdNF, was zur Spaltung der Organisation fuhrte.
[12]
In Broschuren und Rundschreiben entfaltete er seine an
Hans Bluher
und
Ernst Rohm
orientierte Theorie der
Mannerbunde
:
?Die Kultur- und Staatswerdung beruhe auf ordensahnlichen, mannerbundischen Prinzipien; die sexuelle Betatigung der ?Volksgenossen‘ entspringe der liebevollen Hingabefahigkeit an die Gemeinschaft des nationalen Volkes und stehe nicht im Widerspruch zum neuen Nationalsozialismus.“
[23]
Seiner Ansicht nach hatten Manner kulturell lernen mussen, ihre ??uberschussige‘ Sexualitat so zu gebrauchen, daß sie nicht zum Schaden, sondern nach Moglichkeit sogar zum Nutzen der kulturellen Gemeinschaften sich auswirkt“; denn es entspreche fur den Mann ganz offensichtlich ?nicht seiner biologischen Bestimmung, seine Sexualitat ausschließlich zur Fortpflanzung zu benutzen“.
[24]
Eine Moglichkeit der nutzbringenden Sexualitat sah Kuhnen in ?sexuelle[n] Beziehung[en] zu anderen Mannern oder geschlechtsreifen Knaben“.
[25]
Kuhnen bestritt im Ubrigen, dass er mit seinen Publikationen ein
Coming-out
seiner sexuellen Orientierung vorgenommen habe, da ?ausschließlich Haltung und Leistung im Kampf zahlen und nichts anderes ? schon gar keine privaten Bettgeschichten“, und außerte sich angeblich nie offentlich zu seiner eigenen sexuellen Orientierung.
[26]
Der Austritt konnte jedoch seinen Einfluss auf das Neonazimilieu nicht merklich schmalern. Im Januar 1989 ließ sich Kuhnen erneut zum ?Fuhrer“ der FAP ausrufen. Schon korperlich gezeichnet, nahm Kuhnen als ?Fuhrer der Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ 1990 an den ?Gedenkfeiern“ fur
Rudolf Heß
und am ?Gauleitertreffen“ in Fulda teil.
[12]
Nachdem Kuhnen im April 1991 an den Folgen seiner
Aids-Erkrankung
im
Stadtischen Krankenhaus Kassel
gestorben war,
[27]
loste sich die Organisation, die er aufgebaut hatte, weitgehend auf. Die Mitglieder engagierten sich jedoch in verschiedenen anderen rechtsextremen Gruppierungen weiter. Christian Worch kolportiert dazu die
Verschworungstheorie
, Kuhnen sei nach seiner Auslieferung aus Frankreich durch die bundesdeutschen Behorden mittels einer Spritze gezielt mit dem
HI-Virus
infiziert worden.
[28]
Kuhnen wurde im Krematorium des Kasseler Hauptfriedhofes eingeaschert und am 3. Januar 1992
[29]
auf dem
Kasseler Westfriedhof
beigesetzt.
[30]
Seine Beerdigung gestaltete sich problematisch: Kuhnen hatte testamentarisch verfugt, in
Langen
bei Offenbach beerdigt zu werden, und seiner Familie verboten, sich um seine Beerdigung zu kummern.
[10]
Stattdessen verpflichtete er seine Verlobte
Esther Simone Wohlschlager
(genannt ?Lisa“, ab 1990 Vorsitzende der
Deutschen Frauenfront
[31]
) und
Christian Worch
schriftlich dazu, seine Asche nach Langen zu bringen.
[32]
[10]
Lange Zeit waren jedoch weder Langen noch andere dafur infrage kommende Stadte bereit, Kuhnen bei sich beerdigen zu lassen.
[10]
Im April 1992 wurde die
Urne
angeblich vom Kasseler Westfriedhof entwendet.
[30]
Ein entsprechender Beitrag von
Michael Born
in
Spiegel TV Magazin
, in dem ?
Autonome
“ die Urne ausgruben, war jedoch gefalscht.
[33]
[34]
Kuhnen bekannte sich offen zum
Nationalsozialismus
. Sein klares Bekenntnis und sein Wunsch, nahtlos an die
Zeit des Nationalsozialismus
anzuschließen, desillusionierte die Teile der deutschen Gesellschaft, die geglaubt hatten, mit dem Aussterben der Kriegsgeneration wurde sich das Problem des Rechtsradikalismus in der Bundesrepublik von alleine erledigen. Insbesondere knupfte er dabei an den sozialrevolutionaren Stromungen innerhalb der
NSDAP
und namentlich an die
SA
Ernst Rohms an, den er imitierte. Kuhnen vertrat offen Positionen des
Antisemitismus
, den er mitunter als
Antizionismus
kaschierte. Eine von ihm gegrundete ?Antizionistische Aktion“ bekannte sich offen zum nationalsozialistischen
Vernichtungsantisemitismus
: ?Ohne
Losung der Judenfrage
, keine Erlosung der Menschheit“.
[35]
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Als Gegenbewegung zur ?Kulturrevolution“ seitens der
68er-Bewegung
propagierte Michael Kuhnen eine ?
volkische
“ oder ?Deutsche Kulturrevolution“, gepragt von Antisemitismus, Anti-
Materialismus
und
Antiamerikanismus
. Die
USA
wurden dabei als Marionette
Israels
und des
Judentums
dargestellt und die ?volkische Kulturrevolution“ als Allheilmittel gegen den Amerikanismus bezeichnet: ?Der
Amerikanismus
ist die extremste Auspragung burgerlich-materialistischer Lebenshaltung […] und damit die Hauptkraft der heutigen
Dekadenz
.“ Materialismus sei dabei das ?Werkzeug“ fur die ?Endziele des
Zionismus
bei seinem Kampf um die
Weltherrschaft
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