Melchior Khlesl

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Kupferstich mit dem Portrat Melchior Khlesls aus dem Werk Theatrum Europaeum von 1662
Wappen als Bischof von Wiener Neustadt
Melchior Klesl als Kardinal (nach 1615; Portrat in Ol)

Melchior Kardinal Khlesl , auch Klesl und Klesel [1] (* 19. Februar 1552 in Wien ; † 18. September 1630 in Wiener Neustadt ) war Bischof von Wien von 1602 bis 1630, Verwalter des Bistums Wiener Neustadt von 1588 bis 1630, Gunstling-Minister des Kaisers Matthias und Friedenspolitiker vor dem Dreißigjahrigen Krieg.

Leben [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Melchior Khlesl war der Sohn eines Backers und wuchs als Protestant auf. Wohl 1569 konvertierte er ? beeindruckt von den Jesuiten in Wien ? zum katholischen Glauben. 1570 schrieb er sich an der philosophischen Fakultat der Universitat ein. 1574 trat er in das papstliche Alumnat in Wien ein, um Priester zu werden. Auf Betreiben des Kaisers Rudolf II., der sich den vielversprechenden Alumnus Khlesl fur seine Plane in Niederosterreich sichern wollte, bekam Khlesl 1579 die Stelle des Dompropstes von St. Stephan in Wien und empfing die Priesterweihe [2] . Der Kaiser und seine Berater setzten den Furstbischof des Bistums Passau , Urban von Trennbach , unter Druck, damit er Khlesl zu seinem Offizial in Wien macht und eine Reform des Klerus ermoglicht. Trennbach ernannte Khlesl 1580 zu seinem Offizial fur Niederosterreich und 1581 zu seinem Generalvikar . Seine Aufgabe war, den verlotterten oder protestantischen Klerus des Bistums und des Landesherrn in die romisch-katholische Pflicht zu nehmen. Als Dompropst und damit Kanzler der Universitat bemuhte sich Khlesl, im Auftrag des Kaisers den romisch-katholischen Glauben fur Professoren und Studenten verpflichtend zu machen. Als Offizial bekam er von Rudolf II. die Aufgabe, die landesherrlichen Stadte und Markte Niederosterreichs zu katholisieren. Diese Kampagne, die ?Religionsreformation“, erlebte ihren Hohepunkt in den Jahren 1585 bis 1588. Wegen seines moderaten Vorgehens stand er mit Jesuiten wie Georg Scherer in standiger Rivalitat bis hin zum offenen Streit. Um die Wogen zu glatten, behauptete Khlesl zeitweise, Scherer habe ihn bekehrt. 1588 ernannte ihn der Kaiser zum Administrator des Bistums Wiener Neustadt . Da Stutzen der ?Religionsreformation“ am Wiener Hof wie Leonhard IV. von Harrach und Adam von Dietrichstein am Kaiserhof in Prag, sowie Gubernator Erzherzog Ernst mit dem Ende der Dekade ganz oder zunehmend wegfielen, fehlte der ?Religionsreformation“ mehr und mehr die Unterstutzung gegen die Feinde in der Wiener Regierung. Rudolf II. versuchte, die Kampagne durch ein Machtwort zu retten. Doch der Widerstand besonders seitens Kanzler Wolfgang Unverzagt , der in der Wiener Regierung des neuen Wiener Gubernators Erzherzog Matthias als allmachtig galt, war zu groß. Gegen Unverzagts Vorschlag, Khlesl zum Bischof des maroden Zwergbistums Wien zu machen und ihm so den Wind aus den Segeln zu nehmen, konnten auch Khlesls Unterstutzer am Kaiserhof, Oberstkammerer Wolf Rumpf und Obersthofmarschall Paul Sixt III. von Trautson , nichts ausrichten. Khlesl bemuhte sich, eine einflussreiche Stelle um den Gubernator Matthias zu ergattern [3] . Doch er scheiterte. 1598 gab Erzherzog Maximilian III. , der seinen Bruder auf dem ungarischen Reichstag vertrat, von Pressburg aus Khlesls Nominierung zum Bischof von Wien bekannt. Nach einem von Khlesl provozierten Eklat wurde die Nominierung zuruckgezogen. Nachdem Khlesls Forderungen, das Bistum finanziell besserzustellen erfullt waren, wurde er im Januar 1602 als nominierter Bischof installiert. Die Bischofsweihe erhielt er am 30. Marz 1614 im Stift Kremsmunster von Placido de Marra , Bischof von Melfi , Nuntius am Kaiserhof.

Der beginnende Bruderzwist und die Ambitionen des Erzherzogs Matthias, die Nachfolge Rudolfs II. anzutreten, boten Khlesl neue Moglichkeiten, in Wien an Einfluss zu gewinnen. Er bemuhte sich uber sieben Jahre um das Einverstandnis der Herzoge von Bayern zu einer Heirat von Prinzessin Magdalena mit Erzherzog Matthias. Letztlich scheiterte das Vorhaben an Magdalena selbst. Seit 1605, infolge des Aufstandes von Stefan Bocskai , praktizierten Kaiser und Gubernator einen moderaten Kurs gegenuber der protestantischen Standeopposition. Khlesl konnte sich seit Beginn 1606 als Gegner von Zugestandnissen im Umfeld von Matthias in Stellung bringen. Doch das Sagen hatten kaiserliche Rate um Matthias und zunehmend Karl I. von Liechtenstein , Geheimer Rat Rudolfs II. und zeitweise dessen Obersthofmeister. Liechtenstein dominierte zunehmend die Politik von Erzherzog Matthias bis hin zum Putsch gegen den Kaiser und den Zugestandnissen an die verbundeten Stande des Matthias, nachdem dieser Osterreich, Mahren und Ungarn ubernommen hatte. Im Fruhjahr 1609 gelang es Khlesl, die Macht in Wien an sich zu reißen und zum Gunstling-Minister des Matthias aufzusteigen. Der Kampf mit Furst Liechtenstein um die Position des dominierenden Beraters in Wien dauerte bis Dezember 1611, als Liechtenstein sich geschlagen gab. 1609 versuchte Khlesl die Zugestandnisse der Liechtenstein-Partei an die Standeoppositionen ruckgangig zu machen. Doch der Streit mit dem Kaiser und die politische wie auch wirtschaftliche Schwache von Konig Matthias ließen ihn zunehmend konzilianter gegenuber den Protestanten, auch gegenuber den Calvinisten werden. Er setzte sich dafur ein, dass Matthias der kunftige Kaiser wird. Dafur brauchte er die protestantischen Kurfursten. Die geistlichen Kurfursten favorisierten Erzherzog Albrecht VII , Regent der spanischen Niederlande und Bruder des Matthias. Nach dem Tod Rudolfs II. gelang es, dass Matthias dank der protestantischen Kurstimmen zum romisch-deutschen Konig gewahlt wurde. Khlesl verfolgte als Gunstling-Minister des Kaisers Matthias zuerst die Absicht, durch die Mobilisierung der Reichsstande fur einen neuen Turkenkrieg eine verbindende Kaiserpolitik auf die Beine zu stellen. Da dies nicht fruchtete, begann er 1614 auf einen neuen Turkenfrieden hinzuarbeiten. Der Friedensvertrag von Wien mit dem Osmanischen Reich im Jahr 1615 durfte sein großter politischer Erfolg sein. Seine Versuche, die konfessionellen Lager im Romisch-Deutschen Reich zu vergleichen, scheiterten. Seine Anlaufe zu einer Reform des Finanzwesens und Auflosung von katholischer Liga und protestantischer Union zugunsten einer Kaiserpartei trafen auf zu viel Widerstand. Seit der Kaiserkronung des Matthias war dessen Nachfolge ein Politikum. Der spanische Konig wollte seinen Sohn zum Kaiser und Konig von Bohmen und Ungarn machen. Erzherzog Ferdinand von Innerosterreich beanspruchte diese Kronen fur sich und fand in Erzherzog Maximilian III. einen umtriebigen Forderer. Die Verhandlungen mit Philipp III. uber die Nachfolge dauerte bis zum Onate-Vertrag im Fruhjahr 1617. Die Erzherzoge Maximilian lll. und Ferdinand drangten seit 1613 darauf, dass Ferdinand schon vor der Einigung der Habsburger zum romisch-deutschen Konig gewahlt wird. Khlesls Politik zielte allerdings darauf ab, durch Vergleichsgesprache mit den reformierten Kurfursten diese Wahl zu ermoglichen. Diese Politik legte ihm besonders Maximilian III. als subversive Verhinderungstaktik aus. Gegen die Anfeindungen aus dem katholischen Lager und dem Haus Osterreich sollte die Erhebung Khlesls zum Kardinal helfen. Am 2. Dezember 1615 erhob Papst Paul V. Melchior Khlesl in pectore zum Kardinal , was im Konsistorium am 11. April 1616 offentlich gemacht wurde. Er erhielt als Titelkirche Santa Maria degli Angeli zugewiesen, 1623 wechselte er zur Titelkirche San Silvestro in Capite . Maximilian III. schmiedete bereits 1616 Mordplane gegen Khlesl, wurde jedoch von seinem Vetter Ferdinand gebremst. Das Ende als Gunstling-Minister brachte der Aufstand in Bohmen. Khlesl favorisierte eine zuruckhaltende Antwort, weil dem Kaiser das Geld fur eine durchschlagende militarische Antwort fehlte und aus Madrid keine Unterstutzungszusagen kamen. Am 20. Juli 1618 ließen Maximilian III., Ferdinand II. , inzwischen Konig von Bohmen und Ungarn, zusammen mit dem spanischen Botschafter Inigo Velez de Guevara, Conde de Onate den Gunstling-Minister gefangen nehmen und nach Tirol bringen. Der Papst schickte den Sondergesandten Fabrizio Verospi , um in Sachen Khlesl und seiner Verhaftung zu ermitteln. Verospi drangte im Namen des Papstes auf kirchliche Gefangenschaft des Kardinals. Nach Aufenthalt in Schloss Ambras und in der Innsbrucker Hofburg wurde er 1619 in das Kloster St. Georgenberg uberstellt, wo er in kirchlichen Gewahrsam aber unter Aufsicht der Regierung in Innsbruck gefangen gehalten wurde. Dank papstlicher Diplomatie, insbesondere des en Ludovico Ludovisi , konnte Khlesl am 23. Oktober 1622 nach Rom , in die Engelsburg, uberfuhrt werden. Die Anklagen wurden dabei so abgemildert, dass praktisch keine Legitimation fur seine Verhaftung mehr bestand. Am 18. Juni 1623 entließ ihn Papst Gregor XV. aus der Haft. In Rom betrieb Kardinal Khlesl Politik zugunsten seiner fruheren Feinde Maximilian I. von Bayern und Johann Schweikhard von Cronberg , Kurfursten von Mainz, was man ihm in Wien als Rache am Kaiser auslegte. Um Khlesl aus Rom zu entfernen, nahm Kaiser Ferdinand II. eine umfassende, auch wirtschaftliche Satisfaktion Khlesls hin. Papst Urban VIII. sprach Khlesl von jeder Schuld frei und im Herbst 1626 konnte er Rom verlassen. Am 25. Januar 1628 zog Kardinal Khlesl im Wiener Stephansdom ein und konnte sein Bischofsamt wieder aufnehmen. Obwohl das katholische Lager im Romisch-Deutschen Reich auf der Siegesstraße schien und Ferdinand II. unter dem Einfluss seines jesuitischen Beichtvaters Wilhelm Lamormaini die Erfolge auf den Schlachtfeldern fur ein großtmogliches Zuruckdrangen des Protestantismus nutzen wollte, blieb Khlesl bei seiner Haltung, der Krieg sei nicht zu gewinnen und dem Kaiser wie auch der romisch-katholischen Kirche sei mit Augenmaß mehr geholfen.

Sarkophag Kardinal Khlesls in der Bischofsgruft des Wiener Stephansdoms

Khlesl ist in der Bischofsgruft des Wiener Stephansdoms begraben, sein Herz wurde getrennt bestattet und ist im Dom von Wiener Neustadt beigesetzt.

Wurdigung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Der Khleslplatz in Altmannsdorf im 12. Wiener Gemeindebezirk ist nach ihm benannt, weil er auf seinen Reisen zwischen Wien und Wiener Neustadt gerne im Wirtschaftshof der Augustiner-Eremiten am heutigen Khleslplatz Rast machte. In Wiener Neustadt ist neben dem Domplatz eine kleine Gasse und in Munchen eine Straße nach ihm benannt.

Trivia [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Ein seinerzeit beliebter protestantischer Scherz knupfte an den Namen des Kardinals an (in der Schreibung Clesel ):

?Das Rathsel. ? Kardinal Clesel nahm an der Tafel des Churfursten von Sachsen den Professor Taubmann sehr mit. Dieser, um sich fur die unverdiente Krankung zu rachen, fragte den Kardinal, wie man 150 Esel mit einem Worte schreiben konne? Nach der Erklarung des Kardinals, daß er es nicht wisse, schrieb Taubmann zum allgemeinen Gelachter auf den Tisch: CL esel .“

? Senfkorner. Anekdoten und Erzahlungen zur Aufheiterung in betrubter Zeit. Leipzig 1845, S. 7. [4]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Melchior Klesl  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Die Schreibweise Khlesl verwendet er selbst in seiner deutschsprachigen Korrespondenz: Victor Bibl, Klesl's Briefe an K. Rudolfs II. Obersthofmeister Adam Freiherrn von Dietrichstein (1583-1589). Ein Beitrag zur Geschichte Klesl's und der Gegenreformation in Niederosterreich, in: Archiv fur osterreichische Geschichte 88 (1900) 473-580.
  2. Haberer, Ohnmacht und Chance 210ff.
  3. Haberer, Kardinal Khlesl 110ff. Angeblich hat Rudolf II. ihn 1590 zu seinem Geheimen Rat gemacht (NDB 12 51) oder Erzherzog Matthias ihn 1599 zu seinem Kanzler (Markus Reisenleitner, Fruhe Neuzeit; Reformation und Gegenreformation, Innsbruck/Wien/Munchen 2000 (= Handbuch zur neueren Geschichte Osterreichs, hg.v. Helmut Reinalter, Bd. 1) 90). Doch Khlesl war nie Geheimer Rat Rudolfs II. und hatte auch nie die Stelle eines Kanzlers von Gubernator, Konig oder Kaiser Matthias.
  4. Senfkorner. Anekdoten und Erzahlungen zur Aufheiterung in betrubter Zeit. Leipzig 1845, S. 7 ( eingeschrankte Vorschau in der Google-Buchsuche).
    Die alteste Fassung der Geschichte ist zu finden in: Taubmanniana. Oder des launigen Wittenberger Professors Friedrich Taubmann aus Wansens Leben Einfalle u. Schriftproben. Johann Wilhelm Meyer, Frankfurt/Leipzig 1704, S. 124 ( PDF auf uni-halle.de).
    Zum feindlich-witzigen Wortstreit zwischen Khlesl und Taubmann vgl. Leopold Schmidt: Melchior Khlesl in der zeitgenossischen Schwank-Anekdote. In: Jahrbuch fur Landeskunde von Niederosterreich. Neue Folge 30, 1949/52, S. 170?176 ( zobodat.at [PDF]).
Vorganger Amt Nachfolger
Johann Caspar Neubeck Bischof von Wien
1602?1630
Anton Wolfradt
Martin Radwiger Bischof von Wiener Neustadt
1588?1630
Matthias Geißler