Melchior Heger

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Melchior Heger (* 1522 in Brux , Nordbohmen ; † 1568 ) [1] [2] war von 1553 bis 1564 Thomaskantor in Leipzig .

Leben [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Heger studierte ab 1542 in Leipzig, [3] [4] der 1409 gegrundeten und damit zweitaltesten durchgangig betriebenen Universitat auf dem Boden der heutigen Bundesrepublik . Im Jahr 1544 wird er unter der Kombination von Namen und Herkunftsregion als ?Melchior Heger Boemus“ als eingeschriebener Student der Universitat Wittenberg gefuhrt. [5] Es wird vermutet, dass Heger in Wittenberg ? wie auch Heinrich Faber oder Johann Reusch ? Schuler des deutschen Komponisten Sixt Dietrich (* um 1494, † 1548) war, da sie sich zeitgleich dort aufhielten und uberschneidende musikalische Interessen hatten. [6]

1553 ubernahm er ? 180 Jahre vor Johann Sebastian Bach als beruhmtesten Vertreter ? das Amt als Thomaskantor . [3] Schon lange vor dem bis heute anhaltenden Reputationsgewinn durch Bach hatte ?das bedeutendste protestantische Kantorat“ einen Ruhm, den es auch seiner bis ins 13. Jahrhundert zuruckreichenden Vergangenheit verdankte. [7] Daher legte der Stadtrat, der seit der Reformation in Absprache mit der Kirchgemeinde St. Thomas den Cantor zu St. Thomae et Director Musices Lipsiensis ernennt, schon zu Hegers Zeiten ?besonderes Gewicht“ auf die Stellenbesetzung, ?denn an dem Inhaber dieses Amtes hing der Ruf des Chors und damit der Schule als musikalisches Institut“. Uber seine tagliche Arbeit hinaus hinterließ Heger auch einen bleibenden Wert: Durch seinen Einsatz wurde die Notenbibliothek ?betrachtlich“ vermehrt. [2] Insgesamt enthalt die von ihm mit der Jahresangabe 1558 zusammengestellte Sammlung von Manuskripten 243 mehrstimmige Messen , Einzugsgesange , Motetten und Chorale , die auf funf Stimmbucher ( Discantus , Altus , Tenor , Bassus , Vagans [8] ) verteilt sind. [9] [10] Zu den durch Heger uberlieferten Stucken gehoren auch verschiedene Werke des ?Urkantors der evangelischen Kirchenmusik“ Johann Walter . Dazu gehort u. a. die siebenstimmige Torgauer Kirchweih-Motette, die bis heute aufgefuhrt wird, so etwa in Torgau im Oktober 2017 anlasslich einer Feier zum 500-jahrigen Jubilaum der Reformation. [11] [12] Wahrend sein Vorganger Wolfgang Figulus noch ohne Adjunktus auskommen musste, wurde Heger 1559 Simon Wiedemann aus Oschatz zur Seite gestellt ? so wie spater u. a. auch Valentin Otto einen Assistenten erhielt. [13]

Heger blieb insgesamt elf Jahre bis 1564 Kantor der Thomaskirche. [3] Als er schließlich freiwillig auf ? sein Schulampt und Dinst der Cantorei bei Ehrbarem Rath resgnirte “, wurde sein Abzug ? aus freundlichem und geneigten Willn mit 50 Thalern verehret “. [14] Seinen Abschied aus dieser Position hatte Heger schon 1562 angekundigt und fur Reminiscere 1563 angestrebt. [15] [2] Anschließend ubernahm er eine Pfarre in Wiederau , so wie es zuvor ublich war ? erst die Nachfolger starben als Thomaskantoren. [16] Mit seiner Herkunft aus Bohmen und seiner beruflichen Laufbahn, die ihn schließlich zum Pfarrer machte, steht Heger in einer zeitweiligen Tradition seiner Heimat, die ihre Sohne zur akademischen Ausbildung nach Sachsen schickte und dort oft als Pfarrer bleiben ließ. [17] Daruber hinaus stellten die Bohmen neben Heger auch eine Reihe weiterer Thomaskantoren. [18]

Das Gehalt als Thomaskantor betrug um 1550 jahrlich 40 Gulden und stieg erst nach Hegers Ausscheiden 1564 auf 50 Gulden. Weitere Einkunfte entstanden Heger u. a. durch das von den Schulern zu zahlende Schulgeld, einen Anteil an den Kantoreieinnahmen sowie aus Begrabnis- und Hochzeitseinnahmen. Daruber hinaus flossen hin und wieder Sonderzahlungen, so 1554 eine ?einmalige Zulage von 4 Schock und 54 Groschen“, im Winter 1559 eine Zulage von 10 Gulden fur Holz, 1561 eine ? Zulage diß Jahr aus Gutwilligkeit geben umb seines Fleisses willen “ und "zu Holz weil es izo alo thewer und ander seiner Enthaltung" sowie 1563 ? auß Gutwilligkeit “. [19] Dazu kamen seltene Sonderverdienste aus ungewohnlichen musikalischen Leistungen zu Ehren der Stadt Leipzig wie beispielsweise 1561, als Wilhelm von Oranien die damals sechzehnjahrige sachsische Prinzessin Anna als zweite Ehefrau heiratete und Heger ?samt seinen Musici, das die Geseng deste fleissiger des Prinzen Hochzeit uber halten“ 5 Gulden und 15 Groschen erhielt. [20]

Privates [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Seine Wohnung hatte er in einem Renaissance -Neubau aus Stein aus dem Jahr 1553: der Alten Thomasschule , dem zweiten Schulgebaude samt Alumnat der Thomasschule zu Leipzig am westlichen Thomaskirchhof . In seiner Leipziger Zeit vermahlte er sich 1553 mit Regina Otto, die ihm 1560 die gemeinsame Tochter Regina gebar, und 1561 mit Margarethe Lungwitz, mit der 1563 den gemeinsamen Sohn Hans zeugte. [2] Die gesellschaftliche Stellung des Thomaskantors zeigte sich auch daran, dass bei Regina die Frau des damaligen Burgermeisters "Gevatterin", sprich Patin wurde. [16]

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Laura Youens (Hrsg.): Selected introits from Leipzig 49/50 (1558) . A-R Editions, 1984, ISBN 0-89579-195-1 ( Volltext/Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. a b c d Rudolf Wustmann : Musikgeschichte Leipzigs in drei Banden. Erster Band: Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts. Vieweg+Teubner Verlag, 1909, ISBN 978-3-663-15295-8 ( Volltext/Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. a b c Melchior Heger (Thomaskantor) ? Short Biography Bach Cantatas (englisch)
  4. Deutsche Gesellschaft fur Musikwissenschaft (Hrsg.): Archiv fur Musikforschung, 3. Jahrgang . Breitkopf & Hartel, 1938 ( Vorschau in der Google-Buchsuche). ( Volltext via Internet Archive ).
  5. Carolus Eduardus Foerstemann (Hrsg.): Album Academiae Vitebergensis ab a. Ch. MDII usque ad a. MDCLX (1502?1560) . Band   1 , 1841, ISBN 3-511-05221-1 ( Volltext/Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Marie Schluter: Musikgeschichte Wittenbergs im 16. Jahrhundert: Quellenkundliche und sozialgeschichtliche Untersuchungen . V&R Unipress, 2010, ISBN 978-3-89971-727-3 ( Volltext/Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. Carsten Lange: Struktur, Funktion und Bedeutung des deutschen protestantischen Kantorats im 16. bis 18. Jahrhundert: Bericht uber das Wissenschaftliche Kolloquium am 2. November 1991 in Magdeburg . Ziethen, 1997 ( eingeschrankte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  8. Im 16. Jahrhundert trat zum vierstimmigen Satz eine funfte Stimme dazu, die aufgrund ihres vagabundierenden Charakters ? sie konnte ?bald hier, bald dort“ auftauchen, ? vagans “ genannt wurde, siehe: Bruno Aulich : Alte Musik fur Hausmusikanten . Heimeran, 1968 ( eingeschrankte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  9. Iain Fenlon (Hrsg.): The Renaissance: From the 1470s to the end of the 16th century . Macmillan Press, 1989, ISBN 978-0-333-52652-1 ( Volltext/Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. Ulrich Johannes Schneider (Hrsg.): Ein Kosmos des Wissens: Weltschrifterbe in Leipzig . Universitatsbibliothek Leipzig, 2009, ISBN 978-3-86583-343-3 ( eingeschrankte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  11. Stadt Torgau: Torgau feiert ?Luthers Kirchweih“ . ( Memento des Originals vom 17. November 2017 im Internet Archive )   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/www.torgau.eu (PDF; 202 kB) Pressemitteilung vom 22. September 2017; abgerufen am 16. November 2017.
  12. Walter Blankenburg: Johann Walter: Leben und Werk . Verlag Hans Schneider, 1991 ( eingeschrankte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  13. Otto Kaemmel : Geschichte des Leipziger Schulwesens: Vom Anfange des 13. bis gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts (1214?1846) . Springer Fachmedien, 1909, ISBN 978-3-663-15402-0 ( Volltext/Vorschau in der Google-Buchsuche).
  14. zit. nach: Rudolf Wustmann, ebd. S. 116 ( Volltext/Vorschau in der Google-Buchsuche)
  15. Laura Youens (Hrsg.): ebd. ( Volltext/Vorschau in der Google-Buchsuche).
  16. a b Rudolf Wustmann, ebd. S. 114 ( voller Text im Internet Archive ).
  17. Siegfried Sieber: Geistige Beziehungen zwischen Bohmen und Sachsen zur Zeit der Reformation , Teil 1: Pfarrer und Lehrer im 16. Jahrhundert . @1 @2 Vorlage:Toter Link/www.bohemia-online.de ( Seite nicht mehr abrufbar , festgestellt im Marz 2022. Suche in Webarchiven )     Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prufe den Link gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF) S. 4.
  18. Jorn Peter Hiekel, Elvira Werner: Musikkulturelle Wechselbeziehungen zwischen Bohmen und Sachsen . 2007 ( eingeschrankte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  19. zit. nach Rudolf Wustmann, ebd. S. 115f ( voller Text im Internet Archive ).
  20. zit. nach Rudolf Wustmann, ebd. S. 117 ( voller Text im Internet Archive ).