Dieser Artikel beschreibt die Heilkunst. Zu Medizin im Sinne von
Arzneimittel
siehe dort.
Die
Medizin
(von lateinisch
medicina
) ist die
Wissenschaft
der
Vorbeugung
,
Erkennung
und
Behandlung
von
Krankheiten
oder
Verletzungen
bei
Menschen
und
Tieren
.
Sie wird von medizinisch ausgebildeten
Heilkundigen
ausgeubt mit dem Ziel, die
Gesundheit
zu erhalten oder wiederherzustellen. Dabei handelt es sich meist um
Arzte
, aber auch um Angehorige weiterer
Heilberufe
. Zum Bereich der Medizin gehoren neben der
Humanmedizin
die
Zahnmedizin
, die
Veterinarmedizin
(Tiermedizin) und in einem weiteren Verstandnis auch die
Phytomedizin
(Bekampfung von Pflanzenkrankheiten und Schadlingen). In diesem umfassenden Sinn ist Medizin die Lehre vom gesunden und kranken
Lebewesen
.
Die Kulturgeschichte kennt eine große Zahl von unterschiedlichen medizinischen Lehrgebauden, beginnend mit den Arzteschulen im europaischen und asiatischen Altertum, bis hin zur modernen Vielfalt wissenschaftlicher Erkenntnisse. Die Medizin umfasst auch die anwendungsbezogene Forschung ihrer Vertreter zur Beschaffenheit und Funktion des
menschlichen
und
tierischen Korpers
in gesundem und krankem Zustand, mit der sie ihre Diagnosen und Therapien verbessern will. Die (natur)
wissenschaftliche
Medizin bedient sich dabei seit etwa 1845
[1]
zunehmend der Grundlagen, die
Physik
,
Chemie
,
Biologie
und
Psychologie
erarbeitet haben.
Als
Mediziner
bezeichnet man eine Person, die Medizin studiert hat.
[2]
In der europaischen Tradition
Das Wort
Medizin
leitet sich ab von
lateinisch
medicina
bzw.
ars medicina
, ?arztliche Kunst“ oder die ?Heilkunde“, von
mederi
, ?heilen‘ ? zu indogermanisch
med-
, ?Heilkundiger‘,
[3]
wobei die erschlossene, mit lateinisch
modus
(?Maß“) verwandte Wurzel *
med-
(auf die auch das Wort ?
Medikament
“ zuruckzufuhren ist) im Sinne von ?ermessen, geistig abmessen, ersinnen, ratgeben oder wissen“ zu verstehen ist.
[4]
Die Heilkunst (lateinisch auch
ars medicinae
[5]
) wird selten auch die
Iatrik
genannt (ausgesprochen
Iatrik
, vom
griechischen
substantivierten
Adjektiv
?ατρικ? [τ?χνη]
,
altgriechische
Aussprache
iatrik? [techn?]
, ?arztliche Kunst“ oder ?arztliches Handwerk“; haufiger in Zusammensetzungen wie ?
iatrogen
“, ?
Padiatrie
“ oder ?
Psychiatrie
“
[6]
).
Bei den nordamerikanischen Indianern
Der Begriff ?Medizin“ (als
medecine
von franzosischen Trappern erstmals fur Heilungszeremonien der von ihnen mit Arzten gleichgesetzten
Schamanen
der
Plains-Indianer
gebraucht)
[7]
wird hier nicht im Sinne von
Heilkunde
oder
Arznei
gebraucht, sondern bezeichnet im europaisch-
englischen
Sprachgebrauch eine ?geheimnisvolle, transzendente Kraft hinter allen sichtbaren Erscheinungen“. Das indianische Medizinsystem magisch-animistischer Pragung, auch das gesamte prakolumbische Amerika einschließend, fuhrt Krankheiten auf Tabuverletzungen zuruck, die zu einer Storung der Harmonie zwischen Mensch und seiner Umwelt fuhren, und lasst sich als Form des
Schamanismus
bezeichnen. Ein Schamane (als Heiler bzw. ?Medizinmann“) nutzte verschiedene bewusstseinsverandernde, eine Himmels- oder Seelenreise ermoglichende Methoden zur Versohnung mit nichtmateriellen Machten und rituelle Handlungen, um diese Harmonie wiederherzustellen.
[8]
Erst im Laufe der Zeit erkannte man, dass indianische ?Medizin“, die jedoch auch die auf Heilkrautern und physikalischen Therapieverfahren beruhende Medizin
[9]
im engeren Sinne einschließt, weit uber die Heilkunde hinausgeht
[10]
(siehe
Medizinbeutel
oder
Medizinrad
)
. Die indianische Medizin erinnert vielmehr an das polynesische
Mana
.
Die Medizin ist eine praxisorientierte
Erfahrungswissenschaft
. Ziele sind die
Pravention
(Vorbeugung) von Erkrankungen oder von deren Komplikationen, die Kuration (
Heilung
) von heilbaren Erkrankungen oder die
Palliation
(Linderung) der Beschwerden in unheilbaren Situationen. Auch die
Rehabilitation
(Wiederherstellung) der korperlichen und geistigen Fahigkeiten der Patienten ist Aufgabe der Medizin. Arzte und nichtarztliche Therapeuten erstellen dafur Behandlungsplane und uberwachen den Behandlungsverlauf. In Deutschland verpflichtet das
Patientenrechtegesetz
im
§ 630f
BGB
den Arzt oder Zahnarzt in der
Patientenakte
?samtliche aus fachlicher Sicht fur die derzeitige und kunftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklarungen.“ Die Aufzeichnungspflicht der gesamten Krankengeschichte ist im Ubrigen Bestandteil der
Berufsordnungen
. Alle patientenbezogenen Unterlagen unterliegen dem
Datenschutz
. Im medizinischen Alltag werden im Idealfall wissenschaftliche Erkenntnisse mit den Resultaten der
Anamnese
,
Befunderhebung
und
Diagnosestellung
sowie der arztlichen Intuition und Erfahrung kombiniert, um dem einzelnen Patienten gerecht zu werden.
Dabei ist die personliche
Patient-Arzt-Beziehung
wesentlich, die immer dann entsteht, wenn jemand mit einem Gesundheitsproblem bei einem Arzt Hilfe sucht. Nach Ansicht der Medizinhistoriker hat sich diese Beziehung mit dem Aufkommen der modernen Medizin fundamental gewandelt. Das Expertenwissen und die Fachautoritat der einheitlich ausgebildeten Arzte hat sie in eine dominante Rolle erhoben, die
Barbiere
,
Steinschneider
, aber auch akademische Mediziner fruherer Zeit mit ihren oft erfolglosen Krankheitstheorien nicht hatten. Die Arzteschaft hat heute die weitgehende Definitionsmacht, was
Krankheit
ausmacht und welche medizinischen und medizinisch-politischen Maßnahmen dagegen ergriffen werden sollten. Hingegen hat die burgerliche Gesellschaft (in Deutschland seit der spaten Kaiserzeit) versucht, den
paternalistischen
Ermessenspielraum der Arzte zuruckzudrangen, etwa durch die 1884 (
Richard Keßler
) erstmals veroffentlichte juristische Einstufung arztlicher Eingriffe als
Korperverletzung
, fur die die Zustimmung des Patienten unabdingbar ist. Es wird nunmehr eine
deliberative
Leistung vom Therapeuten erwartet, dessen Fachwissen die freie Entscheidungsgewalt des Patienten stutzt, nicht ersetzt. Die damit verbundene Pflicht zur
arztlichen Aufklarung
ist unangefochten; sowohl in international gultigen Dokumenten wie der
Deklaration von Helsinki
als auch im nationalen Strafrecht und den
Berufsordnungen
der Medizinalberufe findet sie ihren Niederschlag.
Sowohl Arzte als auch andere Heilberufe verwenden einen analytischen Krankheitsbegriff: die Krankheit als Funktionsstorung des Organismus. Auf Basis einer Vertrags- und Vertrauensbeziehung konnen Daten zur Krankengeschichte (
Anamnese
) erhoben werden und eine grundliche
klinische Untersuchung
durchgefuhrt werden. Technische Verfahren zur
medizinischen Untersuchung
mithilfe eines
Labors
,
bildgebender Verfahren
wie Rontgen und vieler anderer Untersuchungsverfahren wie des
Elektrokardiogramms
erganzen die gesammelten Informationen. Zur arztlichen Kunst gehort es, die Vielzahl der Fakten und Beobachtungen zur
Diagnose
zu integrieren. Dieser analytische Krankheitsbegriff der wissenschaftlichen Medizin hat ? ubernommen auch von vielen alternativen Therapeuten ? die
ontologischen
Vorstellungen fruherer Jahrhunderte weitgehend abgelost. Umstrittene Grenzfalle der Krankheitsdefinition sind
Behinderungen
und
psychische Erkrankungen
, deren Definition stets auch gesellschaftlich beeinflusst war.
Den nationalen juristischen und finanziellen Rahmen fur die Ausubung der Heilkunde stellt das jeweilige
Gesundheitssystem
eines Staates dar. Wahrend des Mittelalters leisteten Kirchen und Kommunen mit
Hospitalern
und angestellten Arzten eine rudimentare Form der Krankenfursorge. Nach dem Aufkommen der machtigen
Nationalstaaten
zogen diese zunachst die Kontrolle und Aufsicht uber die Heilberufe an sich, verabschiedeten
Approbationsordnungen
und
Gebuhrenordnungen
.
Preußen
schaffte 1852 die uberkommene Trennung des Arztestandes zwischen Chirurgen und Arzten ab und schloss die
Chirurgenschulen
. Auf Betreiben liberaler Kreise, zu denen auch
Rudolph Virchow
gehorte, erlaubte die erste
Gewerbeordnung
des
deutschen Reiches
(1871) die
Therapiefreiheit
auch fur nichtapprobierte Behandler, die mit dem bis heute gultigen
Heilpraktikergesetz
(1939) erhalten blieb.
Unter der Kanzlerschaft
Otto von Bismarcks
gab sich Deutschland das weltweit erste allgemeine soziale Sicherungssystem, mit Einschluss einer
gesetzlichen Krankenversicherung
fur alle Arbeitnehmer und deren Angehorigen, die heute 90 % der Bevolkerung umfasst. Die niedergelassenen Arzte organisierten sich gegen die zunachst ubermachtige Verwaltung (
Hartmannbund
, 1900) und setzten in
Arztestreiks
die heutige
Selbstverwaltung
durch, nach der die
Kassenarzte
fur die Sicherstellung der ambulanten Krankenversorgung allein verantwortlich sind und dafur eine
Gesamtvergutung
erhalten (Notverordnung, 1931). Nach der Wiedervereinigung wurden auch die in der DDR ublichen
Ambulatorien
aufgelost oder in Arztpraxen umgewandelt. Die
Gesundheitsamter
spielen außerhalb von Katastrophen keine Rolle in der Krankenversorgung. Die stationare Medizin in
Krankenhausern
blieb dagegen in uberwiegend staatlicher Hand. Deutsche Krankenhauser schließen
Versorgungsvertrage
mit den Krankenkassen ab und erhalten zudem Investitionskostenzuschusse aus Steuermitteln, haben also eine
duale Finanzierung
, die vollig von der kassenarztlichen Schiene getrennt ist. Zahlreiche Reformen der
Gesundheitsgesetzgebung
haben versucht, die damit drohende Doppelversorgung mit teurer Infrastruktur (etwa medizinische
Großgerate
) zu verhindern. Andere Industriestaaten haben andere Losungen erarbeitet. So gibt es entwickelte Nationen mit nationalen, steuerfinanzierten Gesundheitssystemen (so das
National Health Service
in Großbritannien) oder mit weitgehend unregulierten Anbietermarkten (so das
Gesundheitssystem der Vereinigten Staaten
). In anderen europaischen Staaten gibt es regulierte Markte mit starkem offentlichen Sektor; beispielsweise tragt im
Gesundheitssystem Deutschlands
die offentliche Hand uber die
Gesetzliche Krankenversicherung
und die staatlichen Klinikzuschusse ca. 80 Prozent der gesamten Ausgaben zur
Krankenbehandlung
.
[11]
Mit der Zunahme der Arzte und Kliniken, der verbesserten technischen Moglichkeiten und des
demographischen Wandels
, ging eine kontinuierliche Verteuerung des Gesundheitswesens einher, gegen die zahlreiche
Gesundheitsreformen
eingesetzt wurden. Diese legten nicht nur Leistungsumfang und Bezahlung fest, sondern regulierten in zunehmendem Maße auch die konkrete Leistungserbringung und Qualitatskontrolle. Uber die so eingefuhrte
Rationalisierung
(Effizienzsteigerung), implizite und explizite
Rationierung
(Leistungsbegrenzung), und die erreichte
Verteilungsgerechtigkeit
debattiert die Gesellschaft intensiv.
Eine verbreitete Klassifikation der medizinischen Versorgung unterscheidet drei Sektoren:
- Die
medizinische Grundversorgung
(englisch
primary health care
, ?primare Gesundheitsversorgung“) wird von Allgemeinmedizinern, hausarztlich tatigen Internisten und Kinderarzten (Primararzte), weniger von allgemeinen
Krankenhausambulanzen
und anderen offentlichen ambulanten Einrichtungen getragen. Etwa 90 Prozent der akuten und
chronischen
Gesundheitsprobleme sollen auf dieser kostengunstigen und flachendeckenden Ebene behandelt werden.
- Die
sekundare Versorgung
(englisch
secondary care
, Schwerpunktversorgung, ?Facharztmedizin“) bilden niedergelassene und angestellte Facharzte aller Richtungen sowie andere
Spezialisten
, die auf
Uberweisung
der Primararzte tatig werden. Die
Facharztbehandlung
findet ambulant oder
stationar
(nach Aufnahme in einem Krankenhaus) statt. Innerhalb dieses Sektors werden Notaufnahmen, Intensivstationen, Operationssale, Labor- und Rontgendiagnostik,
Physikalische Therapie
vorgehalten.
- Die
tertiare Versorgung
(
tertiary care
, Maximalversorgung) beruht auf spezialisierten Kliniken und Zentren, die großere Regionen oder mehrere Stadte mit besonders teuren und aufwendigen Leistungen versorgen, etwa Unfall- und
Verbrennungskliniken
,
Krebszentren
, Transplantationskliniken und
neonatologische
Zentren.
Daraus lassen sich fur das Gesundheitssystem relevante und messbare
Kennzahlen
bilden, wie etwa die Arztdichte (Arzte je 1.000 Einwohner) oder die Krankenhausbetten-Dichte (Krankenhausbetten je 1.000 Einwohner). Stadte die hier innerhalb Deutschlands ganz vorne liegen sind etwa
Heidelberg
und
Regensburg
.
[12]
[13]
Die Vielfalt der Gebiete und Teilgebiete sowie die Zunahme des Wissens haben zu einer Aufgliederung der Medizin in eine große Anzahl von
Fachgebieten
und Subspezialisierungen gefuhrt.
[14]
[15]
Die Grundlage der wissenschaftlichen (bzw. naturwissenschaftlichen)
[16]
Medizin bilden die Naturwissenschaften (
Biologie
,
Chemie
,
Physik
), speziell
Humanbiologie
,
Anatomie
,
Biochemie
,
Physiologie
, erganzt bzw. beeinflusst insbesondere seit der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts durch Geisteswissenschaften wie Philosophie und Psychologie
[17]
sowie Sozialwissenschaften (vgl.
Medizinsoziologie
,
Epidemiologie
,
Gesundheitsberichterstattung
und
Gesundheitsokonomie
). Im deutschen
Medizinstudium
werden diese Facher als
Vorklinik
im ersten Abschnitt zusammengefasst. Die
Ernahrungsmedizin
befasst sich mit der Physiologie und
Pathophysiologie
der menschlichen
Ernahrung
. Die
Ernahrungswissenschaft
ist in den meisten Landern nur in geringem Maße Teil des medizinischen Studiums.
[18]
Klinische Facher
befassen sich mit der Krankenbehandlung selbst. Zu ihnen gehoren die traditionellen Facher der
Inneren Medizin
und der
Chirurgie
, der
Frauenheilkunde
und
Geburtshilfe
, seit ca. 1800 der
Kinderheilkunde
und seit 1852 der Hausarztmedizin (abgelost 1966 durch Allgemeinmedizin).
Jungere Spezialisierungen sind zum Beispiel die
Augenheilkunde
,
Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde
,
Pulmonologie
,
Sozialmedizin
und
Psychiatrie
. Im 20. Jahrhundert bildeten sich technikorientierte Facher wie
Radiologie
und
Strahlentherapie
, und Fachgebiete mit integrativem Anspruch wie
Geriatrie
und
Palliativmedizin
. Zu diesen arztlichen Fachgebieten gehoren auch Subspezialisierungen wie
Kinderkardiologie
,
Neuroradiologie
,
Suchtmedizin
und viele andere, deren Inhalte zum Beispiel in Deutschland in der
Musterweiterbildungsordnung
der
Bundesarztekammer
kodifiziert sind.
Hinzu treten die Aufgabengebiete der ubrigen
Heilberufe
, etwa die
Krankengymnastik
,
Logopadie
,
medizinisch-technische Assistenz
,
medizinische Assistenz
, die ebenso wie der Arztberuf eine hohe Spezialisierung und
Professionalisierung
erlangt haben. Insbesondere die
Krankenpflege
hat sich von der rein karitativen Hilfestellung mittlerweile zu einer akademischen Wissenschaft und selbststandigen Stutze der Krankenversorgung entwickelt.
Neben dieser staatlich sanktionierten und kontrollierten Medizin steht eine Vielzahl von
alternativ- oder komplementarmedizinischen
Angeboten, die definitionsgemaß an den medizinischen Hochschulen nicht gelehrt werden. Je nach ihrem gesellschaftlichen Stellenwert konnen einige dieser Lehren und Methoden dennoch einer gewissen Standardisierung und Akademisierung (durch privatrechtliche Verbande und Schulen) unterliegen und in die staatliche Gesundheitsfinanzierung aufgenommen werden; in Deutschland zum Beispiel die
besonderen Heilverfahren
Homoopathie
,
Pflanzenheilkunde
,
Anthroposophische Medizin
und
Akupunktur
. In den USA ist die
Osteopathie
ahnlich breit verankert. Viele komplementare Methoden (Diatetik,
Ordnungstherapie
,
Naturheilkunde
) sind von weiten Teilen der praktizierenden Arzteschaft anerkannt; andere (traditionelle Medizinsysteme,
Volksheilkunde
) zumindest von vielen Arzten. Zahllose ungesicherte Methoden und Verfahren stehen am Rand des Spektrums und werden nur von einzelnen Behandlern angewendet; manche gelten als hoch gefahrlich fur die Patienten (z. B.
Clark-Therapie
,
Germanische Neue Medizin
). In den USA und in Deutschland werden Versuche, Hochschulmedizin und Komplementarmedizin miteinander zu verbinden, auch mit dem Schlagwort
Integrative Medizin
bezeichnet.
[19]
Kritisiert wird hierbei die Gefahr einer ?guruhaften Selbstinszenierung von Arzten und Therapeuten“.
[20]
Fur
Edzard Ernst
werden Prinzipien der
evidenzbasierten Medizin
untergraben, was das Patientenwohl gefahrdet und zu einer Verschlechterung der Patientenversorgung fuhrt.
[20]
Im Altertum bildeten sich in den Hochkulturen von China, Indien und im Mittelmeerraum unterschiedliche Medizinsysteme heraus, die vielfach verandert und vermischt auch in der westlichen
Alternativmedizin
eine große Rolle spielen. Die
traditionelle chinesische Medizin
entstand etwa im zweiten Jahrtausend vor Christus aus einfachen Damonen- und Ahnenheilkulten; in der nachkonfuzianischen Zeit differenzierte sie sich zu dem noch heute bestehenden naturphilosophischen System aus
dualen
und
elementaren Entsprechungen
. Die praktische Medizin stammt aus der Zeit um 300 v. Chr., die
Pharmakologie
wurde mit dem Werk von
Tao Hongjing
, die
Akupunktur
mit dem anonymen Werk
Huangdi Neij?ng
(Innerer Klassiker des Gelben Fursten) begrundet. In der Neuzeit unter Einfluss der kommunistischen Regierung und der zunehmenden westlichen Rezeption wurden die Techniken perfektioniert und standardisiert, die ursprungliche magische Damonenlehre dagegen aufgegeben.
Die
Ayurveda
-Medizin Indiens wurde ebenfalls um 500 v. Chr. aus den alteren, magisch-theistischen Glaubensinhalten definiert. Sie beruht theoretisch auf einer Temperamentenlehre verbunden mit einer Gleichgewichtsphysiologie der Lebensenergien Luft, Galle und Schleim, praktisch auf Ernahrung und Meditationsubungen. Erste schriftliche Hinweise dazu finden sich schon im
Arthashastra
; ausfuhrliche Lehrbucher stammen von
Sushruta
,
Charaka
und
Vagbhata
. Auch
Yoga
wird zur Heilbehandlung angewendet.
In der
Medizin der agyptischen, griechischen und romischen Antike
wurzelt die heute weltweit verbreitete, westliche Medizin. Historiker teilen die antike Medizin in vier Phasen ein. Die erste, theurgisch-magische Medizin behandelte Kranke in Tempeln und versuchte, gottliche Heilwunder auszulosen. Ihr Ende wird mit der Lebenszeit des
Hippokrates von Kos
(etwa 460 bis 370 v. Chr.) assoziiert, als die Medizin sich von der Philosophie abzugrenzen
[21]
versuchte. Hippokrates war Namensgeber, sicher aber nicht der einzige Ursprung einer neuen Naturphilosophie aus
Elementenlehre
und
Humoralpathologie
, die arztliches Handeln vom direkten Einfluss der Gottheiten unabhangig machte. Die hippokratische Praxis aus
Diagnose
,
Therapie
und
Prognose
ist bis heute ublich; die hippokratischen Fallbeschreibungen gelten als Ursprung der heutigen wissenschaftlichen Medizin.
[22]
In der folgenden
hellenistischen
Phase bildeten sich neben der hippokratischen weitere Arzteschulen aus, etwa die der
Empiriker
, der
Methodiker
oder der
Pneumatiker
. Schließlich folgte die griechisch-romische Phase, gekennzeichnet durch herausragende Autoren wie
Celsus
,
Dioskur
und
Galen
. Deren anatomische, pharmakologische und chirurgische Werke bestimmten neben denen des Hippokrates bis zur
Aufklarung
das medizinische Denken im
Abendland
.
In der
byzantinischen Epoche
wurden die antiken Vorbilder tradiert und durch
Pulslehre
und
Harnschau
erganzt.
Islamische Gelehrte
ubernahmen die medizinischen Traditionen und entwickelten Schulen fur
Botanik
,
Diatetik
und
Chirurgie
, darunter herausragend das Werk des
Avicenna
. Die klassischen Autoren, meist in islamischer Ubersetzung und Kompilation, blieben der Kernbestandteil der westlichen Medizin bis zum 16. Jahrhundert. Die einflussreichste Medizinschule gab es in
Salerno
, deren wissenschaftliche Tradition bis zur Mitte des 10. Jahrhunderts
[23]
zuruckreichte. Neue Beitrage der
Klostermedizin
des
Mittelalters
waren astrologische und theologische Komponenten sowie die
Signaturenlehre
, nach der Heilpflanzen durch ihre außeren Eigenschaften erkennbar sind ? eine Vorstellung, die in ahnlicher Form erst viel spater von der Homoopathie wieder aufgegriffen wurde.
Der Begriff Medizin stammt ursprunglich von den
Medicini
, die im Jahre 1302 in
Bologna
erstmals eine
Leiche
seziert
hatten
[24]
und dies ab 1306 regelmaßig durchfuhrten. Nach jahrhundertelangem Stillstand losten sich die Mediziner in der
Renaissance
von den antiken Vorbildern. Der Anatom
Andreas Vesalius
war Sinn- und Vorbild eines neuen Gelehrtentyps, der aufgrund eigener Anschauung schrieb und Widerspruche zu Hippokrates und Galen aushielt. Gleichzeitig revolutionierte
Ambroise Pare
die Chirurgie, und
Paracelsus
verwarf in seiner
Iatrochemie
die hippokratische Saftelehre. Im 17. Jahrhundert begann mit den Experimenten des
Francis Bacon
das Zeitalter der wissenschaftlichen Medizin, das bis heute andauert. Die Krankheitstheorien waren noch nicht wie heute gefestigt; erst im 19. Jahrhundert setzte sich die
Pathologie
gegen konkurrierende Lehren wie die
Humoralpathologie
oder die
Hufelandsche
Lebenskraft
endgultig durch.
Das 20. Jahrhundert war schließlich gepragt von einem enormen Wissenszuwachs und demzufolge einer Ausdifferenzierung von zahlreichen medizinischen Fachrichtungen, etwa der
Bakteriologie
, der
Hygiene
, der
Anasthesiologie
, der
Sozialmedizin
oder der
Psychiatrie
. Gleichzeitig gewannen die Industriestaaten zunehmend Aufsichtsfunktionen uber das
Gesundheitswesen
und es etablierte sich teilweise ein nationales Gesundheitssystem, wie etwa das
NHS
in England. Zerr- und Schandbild der staatlichen Uberwachung bildete die
Medizin im Nationalsozialismus
. Den gegenwartigen Endpunkt der Entwicklung bildet die
evidenzbasierte Medizin
und die flachendeckende Einfuhrung von
Qualitatsmanagementsystemen
in allen Bereichen der Patientenversorgung.
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vgl. Wirtschaftswoche, Nr. 49, 2014, Stadteranking, S. 28
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Vgl. auch Hans-Heinz Eulner:
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- ↑
Vgl. auch Martin Sperling:
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- ↑
Vgl. auch
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) und S. 32?42 (
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)
- ↑
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Heinz Goerke
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Aschoff
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7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 62.
- ↑
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doi
:
10.1016/S2542-5196(19)30171-8
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- ↑
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in F.A.Z. 11. Oktober 2011.
- ↑
a
b
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In:
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18. November 2022,
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