Medizin

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Statue des Asklepios , dem griechischen Gott der Medizin, der den symbolischen Asklepiosstab mit seiner gewundenen Schlange halt

Die Medizin (von lateinisch medicina ) ist die Wissenschaft der Vorbeugung , Erkennung und Behandlung von Krankheiten oder Verletzungen bei Menschen und Tieren .

Sie wird von medizinisch ausgebildeten Heilkundigen ausgeubt mit dem Ziel, die Gesundheit zu erhalten oder wiederherzustellen. Dabei handelt es sich meist um Arzte , aber auch um Angehorige weiterer Heilberufe . Zum Bereich der Medizin gehoren neben der Humanmedizin die Zahnmedizin , die Veterinarmedizin (Tiermedizin) und in einem weiteren Verstandnis auch die Phytomedizin (Bekampfung von Pflanzenkrankheiten und Schadlingen). In diesem umfassenden Sinn ist Medizin die Lehre vom gesunden und kranken Lebewesen .

Die Kulturgeschichte kennt eine große Zahl von unterschiedlichen medizinischen Lehrgebauden, beginnend mit den Arzteschulen im europaischen und asiatischen Altertum, bis hin zur modernen Vielfalt wissenschaftlicher Erkenntnisse. Die Medizin umfasst auch die anwendungsbezogene Forschung ihrer Vertreter zur Beschaffenheit und Funktion des menschlichen und tierischen Korpers in gesundem und krankem Zustand, mit der sie ihre Diagnosen und Therapien verbessern will. Die (natur) wissenschaftliche Medizin bedient sich dabei seit etwa 1845 [1] zunehmend der Grundlagen, die Physik , Chemie , Biologie und Psychologie erarbeitet haben.

Als Mediziner bezeichnet man eine Person, die Medizin studiert hat. [2]

Zum Medizinbegriff [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

In der europaischen Tradition

Das Wort Medizin leitet sich ab von lateinisch medicina bzw. ars medicina , ?arztliche Kunst“ oder die ?Heilkunde“, von mederi , ?heilen‘ ? zu indogermanisch med- , ?Heilkundiger‘, [3] wobei die erschlossene, mit lateinisch modus (?Maß“) verwandte Wurzel * med- (auf die auch das Wort ? Medikament “ zuruckzufuhren ist) im Sinne von ?ermessen, geistig abmessen, ersinnen, ratgeben oder wissen“ zu verstehen ist. [4]

Die Heilkunst (lateinisch auch ars medicinae [5] ) wird selten auch die Iatrik genannt (ausgesprochen Iatrik , vom griechischen substantivierten Adjektiv ?ατρικ? [τ?χνη] , altgriechische Aussprache iatrik? [techn?] , ?arztliche Kunst“ oder ?arztliches Handwerk“; haufiger in Zusammensetzungen wie ? iatrogen “, ? Padiatrie “ oder ? Psychiatrie [6] ).

Bei den nordamerikanischen Indianern

Der Begriff ?Medizin“ (als medecine von franzosischen Trappern erstmals fur Heilungszeremonien der von ihnen mit Arzten gleichgesetzten Schamanen der Plains-Indianer gebraucht) [7] wird hier nicht im Sinne von Heilkunde oder Arznei gebraucht, sondern bezeichnet im europaisch- englischen Sprachgebrauch eine ?geheimnisvolle, transzendente Kraft hinter allen sichtbaren Erscheinungen“. Das indianische Medizinsystem magisch-animistischer Pragung, auch das gesamte prakolumbische Amerika einschließend, fuhrt Krankheiten auf Tabuverletzungen zuruck, die zu einer Storung der Harmonie zwischen Mensch und seiner Umwelt fuhren, und lasst sich als Form des Schamanismus bezeichnen. Ein Schamane (als Heiler bzw. ?Medizinmann“) nutzte verschiedene bewusstseinsverandernde, eine Himmels- oder Seelenreise ermoglichende Methoden zur Versohnung mit nichtmateriellen Machten und rituelle Handlungen, um diese Harmonie wiederherzustellen. [8] Erst im Laufe der Zeit erkannte man, dass indianische ?Medizin“, die jedoch auch die auf Heilkrautern und physikalischen Therapieverfahren beruhende Medizin [9] im engeren Sinne einschließt, weit uber die Heilkunde hinausgeht [10] (siehe Medizinbeutel oder Medizinrad ) . Die indianische Medizin erinnert vielmehr an das polynesische Mana .

Heilkunde [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Vater der Medizin (Manuskript, 15. Jhdt.)

Die Medizin ist eine praxisorientierte Erfahrungswissenschaft . Ziele sind die Pravention (Vorbeugung) von Erkrankungen oder von deren Komplikationen, die Kuration ( Heilung ) von heilbaren Erkrankungen oder die Palliation (Linderung) der Beschwerden in unheilbaren Situationen. Auch die Rehabilitation (Wiederherstellung) der korperlichen und geistigen Fahigkeiten der Patienten ist Aufgabe der Medizin. Arzte und nichtarztliche Therapeuten erstellen dafur Behandlungsplane und uberwachen den Behandlungsverlauf. In Deutschland verpflichtet das Patientenrechtegesetz im § 630f BGB den Arzt oder Zahnarzt in der Patientenakte ?samtliche aus fachlicher Sicht fur die derzeitige und kunftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklarungen.“ Die Aufzeichnungspflicht der gesamten Krankengeschichte ist im Ubrigen Bestandteil der Berufsordnungen . Alle patientenbezogenen Unterlagen unterliegen dem Datenschutz . Im medizinischen Alltag werden im Idealfall wissenschaftliche Erkenntnisse mit den Resultaten der Anamnese , Befunderhebung und Diagnosestellung sowie der arztlichen Intuition und Erfahrung kombiniert, um dem einzelnen Patienten gerecht zu werden.

Dabei ist die personliche Patient-Arzt-Beziehung wesentlich, die immer dann entsteht, wenn jemand mit einem Gesundheitsproblem bei einem Arzt Hilfe sucht. Nach Ansicht der Medizinhistoriker hat sich diese Beziehung mit dem Aufkommen der modernen Medizin fundamental gewandelt. Das Expertenwissen und die Fachautoritat der einheitlich ausgebildeten Arzte hat sie in eine dominante Rolle erhoben, die Barbiere , Steinschneider , aber auch akademische Mediziner fruherer Zeit mit ihren oft erfolglosen Krankheitstheorien nicht hatten. Die Arzteschaft hat heute die weitgehende Definitionsmacht, was Krankheit ausmacht und welche medizinischen und medizinisch-politischen Maßnahmen dagegen ergriffen werden sollten. Hingegen hat die burgerliche Gesellschaft (in Deutschland seit der spaten Kaiserzeit) versucht, den paternalistischen Ermessenspielraum der Arzte zuruckzudrangen, etwa durch die 1884 ( Richard Keßler ) erstmals veroffentlichte juristische Einstufung arztlicher Eingriffe als Korperverletzung , fur die die Zustimmung des Patienten unabdingbar ist. Es wird nunmehr eine deliberative Leistung vom Therapeuten erwartet, dessen Fachwissen die freie Entscheidungsgewalt des Patienten stutzt, nicht ersetzt. Die damit verbundene Pflicht zur arztlichen Aufklarung ist unangefochten; sowohl in international gultigen Dokumenten wie der Deklaration von Helsinki als auch im nationalen Strafrecht und den Berufsordnungen der Medizinalberufe findet sie ihren Niederschlag.

Sowohl Arzte als auch andere Heilberufe verwenden einen analytischen Krankheitsbegriff: die Krankheit als Funktionsstorung des Organismus. Auf Basis einer Vertrags- und Vertrauensbeziehung konnen Daten zur Krankengeschichte ( Anamnese ) erhoben werden und eine grundliche klinische Untersuchung durchgefuhrt werden. Technische Verfahren zur medizinischen Untersuchung mithilfe eines Labors , bildgebender Verfahren wie Rontgen und vieler anderer Untersuchungsverfahren wie des Elektrokardiogramms erganzen die gesammelten Informationen. Zur arztlichen Kunst gehort es, die Vielzahl der Fakten und Beobachtungen zur Diagnose zu integrieren. Dieser analytische Krankheitsbegriff der wissenschaftlichen Medizin hat ? ubernommen auch von vielen alternativen Therapeuten ? die ontologischen Vorstellungen fruherer Jahrhunderte weitgehend abgelost. Umstrittene Grenzfalle der Krankheitsdefinition sind Behinderungen und psychische Erkrankungen , deren Definition stets auch gesellschaftlich beeinflusst war.

Gesundheitssystem [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Ausgaben der deutschen Krankenkassen 1993?2006 in Milliarden

Den nationalen juristischen und finanziellen Rahmen fur die Ausubung der Heilkunde stellt das jeweilige Gesundheitssystem eines Staates dar. Wahrend des Mittelalters leisteten Kirchen und Kommunen mit Hospitalern und angestellten Arzten eine rudimentare Form der Krankenfursorge. Nach dem Aufkommen der machtigen Nationalstaaten zogen diese zunachst die Kontrolle und Aufsicht uber die Heilberufe an sich, verabschiedeten Approbationsordnungen und Gebuhrenordnungen . Preußen schaffte 1852 die uberkommene Trennung des Arztestandes zwischen Chirurgen und Arzten ab und schloss die Chirurgenschulen . Auf Betreiben liberaler Kreise, zu denen auch Rudolph Virchow gehorte, erlaubte die erste Gewerbeordnung des deutschen Reiches (1871) die Therapiefreiheit auch fur nichtapprobierte Behandler, die mit dem bis heute gultigen Heilpraktikergesetz (1939) erhalten blieb.

Unter der Kanzlerschaft Otto von Bismarcks gab sich Deutschland das weltweit erste allgemeine soziale Sicherungssystem, mit Einschluss einer gesetzlichen Krankenversicherung fur alle Arbeitnehmer und deren Angehorigen, die heute 90 % der Bevolkerung umfasst. Die niedergelassenen Arzte organisierten sich gegen die zunachst ubermachtige Verwaltung ( Hartmannbund , 1900) und setzten in Arztestreiks die heutige Selbstverwaltung durch, nach der die Kassenarzte fur die Sicherstellung der ambulanten Krankenversorgung allein verantwortlich sind und dafur eine Gesamtvergutung erhalten (Notverordnung, 1931). Nach der Wiedervereinigung wurden auch die in der DDR ublichen Ambulatorien aufgelost oder in Arztpraxen umgewandelt. Die Gesundheitsamter spielen außerhalb von Katastrophen keine Rolle in der Krankenversorgung. Die stationare Medizin in Krankenhausern blieb dagegen in uberwiegend staatlicher Hand. Deutsche Krankenhauser schließen Versorgungsvertrage mit den Krankenkassen ab und erhalten zudem Investitionskostenzuschusse aus Steuermitteln, haben also eine duale Finanzierung , die vollig von der kassenarztlichen Schiene getrennt ist. Zahlreiche Reformen der Gesundheitsgesetzgebung haben versucht, die damit drohende Doppelversorgung mit teurer Infrastruktur (etwa medizinische Großgerate ) zu verhindern. Andere Industriestaaten haben andere Losungen erarbeitet. So gibt es entwickelte Nationen mit nationalen, steuerfinanzierten Gesundheitssystemen (so das National Health Service in Großbritannien) oder mit weitgehend unregulierten Anbietermarkten (so das Gesundheitssystem der Vereinigten Staaten ). In anderen europaischen Staaten gibt es regulierte Markte mit starkem offentlichen Sektor; beispielsweise tragt im Gesundheitssystem Deutschlands die offentliche Hand uber die Gesetzliche Krankenversicherung und die staatlichen Klinikzuschusse ca. 80 Prozent der gesamten Ausgaben zur Krankenbehandlung . [11]

Mit der Zunahme der Arzte und Kliniken, der verbesserten technischen Moglichkeiten und des demographischen Wandels , ging eine kontinuierliche Verteuerung des Gesundheitswesens einher, gegen die zahlreiche Gesundheitsreformen eingesetzt wurden. Diese legten nicht nur Leistungsumfang und Bezahlung fest, sondern regulierten in zunehmendem Maße auch die konkrete Leistungserbringung und Qualitatskontrolle. Uber die so eingefuhrte Rationalisierung (Effizienzsteigerung), implizite und explizite Rationierung (Leistungsbegrenzung), und die erreichte Verteilungsgerechtigkeit debattiert die Gesellschaft intensiv.

Eine verbreitete Klassifikation der medizinischen Versorgung unterscheidet drei Sektoren:

  • Die medizinische Grundversorgung (englisch primary health care , ?primare Gesundheitsversorgung“) wird von Allgemeinmedizinern, hausarztlich tatigen Internisten und Kinderarzten (Primararzte), weniger von allgemeinen Krankenhausambulanzen und anderen offentlichen ambulanten Einrichtungen getragen. Etwa 90 Prozent der akuten und chronischen Gesundheitsprobleme sollen auf dieser kostengunstigen und flachendeckenden Ebene behandelt werden.
  • Die sekundare Versorgung (englisch secondary care , Schwerpunktversorgung, ?Facharztmedizin“) bilden niedergelassene und angestellte Facharzte aller Richtungen sowie andere Spezialisten , die auf Uberweisung der Primararzte tatig werden. Die Facharztbehandlung findet ambulant oder stationar (nach Aufnahme in einem Krankenhaus) statt. Innerhalb dieses Sektors werden Notaufnahmen, Intensivstationen, Operationssale, Labor- und Rontgendiagnostik, Physikalische Therapie vorgehalten.
  • Die tertiare Versorgung ( tertiary care , Maximalversorgung) beruht auf spezialisierten Kliniken und Zentren, die großere Regionen oder mehrere Stadte mit besonders teuren und aufwendigen Leistungen versorgen, etwa Unfall- und Verbrennungskliniken , Krebszentren , Transplantationskliniken und neonatologische Zentren.

Daraus lassen sich fur das Gesundheitssystem relevante und messbare Kennzahlen bilden, wie etwa die Arztdichte (Arzte je 1.000 Einwohner) oder die Krankenhausbetten-Dichte (Krankenhausbetten je 1.000 Einwohner). Stadte die hier innerhalb Deutschlands ganz vorne liegen sind etwa Heidelberg und Regensburg . [12] [13]

Spektrum der Medizin [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Patient auf der Intensivstation einer Klinik in Mannheim
Moderne Intensivstation in Bagdad

Die Vielfalt der Gebiete und Teilgebiete sowie die Zunahme des Wissens haben zu einer Aufgliederung der Medizin in eine große Anzahl von Fachgebieten und Subspezialisierungen gefuhrt. [14] [15] Die Grundlage der wissenschaftlichen (bzw. naturwissenschaftlichen) [16] Medizin bilden die Naturwissenschaften ( Biologie , Chemie , Physik ), speziell Humanbiologie , Anatomie , Biochemie , Physiologie , erganzt bzw. beeinflusst insbesondere seit der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts durch Geisteswissenschaften wie Philosophie und Psychologie [17] sowie Sozialwissenschaften (vgl. Medizinsoziologie , Epidemiologie , Gesundheitsberichterstattung und Gesundheitsokonomie ). Im deutschen Medizinstudium werden diese Facher als Vorklinik im ersten Abschnitt zusammengefasst. Die Ernahrungsmedizin befasst sich mit der Physiologie und Pathophysiologie der menschlichen Ernahrung . Die Ernahrungswissenschaft ist in den meisten Landern nur in geringem Maße Teil des medizinischen Studiums. [18]

Klinische Facher befassen sich mit der Krankenbehandlung selbst. Zu ihnen gehoren die traditionellen Facher der Inneren Medizin und der Chirurgie , der Frauenheilkunde und Geburtshilfe , seit ca. 1800 der Kinderheilkunde und seit 1852 der Hausarztmedizin (abgelost 1966 durch Allgemeinmedizin).

Jungere Spezialisierungen sind zum Beispiel die Augenheilkunde , Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde , Pulmonologie , Sozialmedizin und Psychiatrie . Im 20. Jahrhundert bildeten sich technikorientierte Facher wie Radiologie und Strahlentherapie , und Fachgebiete mit integrativem Anspruch wie Geriatrie und Palliativmedizin . Zu diesen arztlichen Fachgebieten gehoren auch Subspezialisierungen wie Kinderkardiologie , Neuroradiologie , Suchtmedizin und viele andere, deren Inhalte zum Beispiel in Deutschland in der Musterweiterbildungsordnung der Bundesarztekammer kodifiziert sind.

Hinzu treten die Aufgabengebiete der ubrigen Heilberufe , etwa die Krankengymnastik , Logopadie , medizinisch-technische Assistenz , medizinische Assistenz , die ebenso wie der Arztberuf eine hohe Spezialisierung und Professionalisierung erlangt haben. Insbesondere die Krankenpflege hat sich von der rein karitativen Hilfestellung mittlerweile zu einer akademischen Wissenschaft und selbststandigen Stutze der Krankenversorgung entwickelt.

Traditionelle Heilmittel in China, Hongkong 2007

Neben dieser staatlich sanktionierten und kontrollierten Medizin steht eine Vielzahl von alternativ- oder komplementarmedizinischen Angeboten, die definitionsgemaß an den medizinischen Hochschulen nicht gelehrt werden. Je nach ihrem gesellschaftlichen Stellenwert konnen einige dieser Lehren und Methoden dennoch einer gewissen Standardisierung und Akademisierung (durch privatrechtliche Verbande und Schulen) unterliegen und in die staatliche Gesundheitsfinanzierung aufgenommen werden; in Deutschland zum Beispiel die besonderen Heilverfahren Homoopathie , Pflanzenheilkunde , Anthroposophische Medizin und Akupunktur . In den USA ist die Osteopathie ahnlich breit verankert. Viele komplementare Methoden (Diatetik, Ordnungstherapie , Naturheilkunde ) sind von weiten Teilen der praktizierenden Arzteschaft anerkannt; andere (traditionelle Medizinsysteme, Volksheilkunde ) zumindest von vielen Arzten. Zahllose ungesicherte Methoden und Verfahren stehen am Rand des Spektrums und werden nur von einzelnen Behandlern angewendet; manche gelten als hoch gefahrlich fur die Patienten (z. B. Clark-Therapie , Germanische Neue Medizin ). In den USA und in Deutschland werden Versuche, Hochschulmedizin und Komplementarmedizin miteinander zu verbinden, auch mit dem Schlagwort Integrative Medizin bezeichnet. [19] Kritisiert wird hierbei die Gefahr einer ?guruhaften Selbstinszenierung von Arzten und Therapeuten“. [20] Fur Edzard Ernst werden Prinzipien der evidenzbasierten Medizin untergraben, was das Patientenwohl gefahrdet und zu einer Verschlechterung der Patientenversorgung fuhrt. [20]

Geschichte [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Harnschau im 17. Jahrhundert

Im Altertum bildeten sich in den Hochkulturen von China, Indien und im Mittelmeerraum unterschiedliche Medizinsysteme heraus, die vielfach verandert und vermischt auch in der westlichen Alternativmedizin eine große Rolle spielen. Die traditionelle chinesische Medizin entstand etwa im zweiten Jahrtausend vor Christus aus einfachen Damonen- und Ahnenheilkulten; in der nachkonfuzianischen Zeit differenzierte sie sich zu dem noch heute bestehenden naturphilosophischen System aus dualen und elementaren Entsprechungen . Die praktische Medizin stammt aus der Zeit um 300 v. Chr., die Pharmakologie wurde mit dem Werk von Tao Hongjing , die Akupunktur mit dem anonymen Werk Huangdi Neij?ng (Innerer Klassiker des Gelben Fursten) begrundet. In der Neuzeit unter Einfluss der kommunistischen Regierung und der zunehmenden westlichen Rezeption wurden die Techniken perfektioniert und standardisiert, die ursprungliche magische Damonenlehre dagegen aufgegeben.

Die Ayurveda -Medizin Indiens wurde ebenfalls um 500 v. Chr. aus den alteren, magisch-theistischen Glaubensinhalten definiert. Sie beruht theoretisch auf einer Temperamentenlehre verbunden mit einer Gleichgewichtsphysiologie der Lebensenergien Luft, Galle und Schleim, praktisch auf Ernahrung und Meditationsubungen. Erste schriftliche Hinweise dazu finden sich schon im Arthashastra ; ausfuhrliche Lehrbucher stammen von Sushruta , Charaka und Vagbhata . Auch Yoga wird zur Heilbehandlung angewendet.

In der Medizin der agyptischen, griechischen und romischen Antike wurzelt die heute weltweit verbreitete, westliche Medizin. Historiker teilen die antike Medizin in vier Phasen ein. Die erste, theurgisch-magische Medizin behandelte Kranke in Tempeln und versuchte, gottliche Heilwunder auszulosen. Ihr Ende wird mit der Lebenszeit des Hippokrates von Kos (etwa 460 bis 370 v. Chr.) assoziiert, als die Medizin sich von der Philosophie abzugrenzen [21] versuchte. Hippokrates war Namensgeber, sicher aber nicht der einzige Ursprung einer neuen Naturphilosophie aus Elementenlehre und Humoralpathologie , die arztliches Handeln vom direkten Einfluss der Gottheiten unabhangig machte. Die hippokratische Praxis aus Diagnose , Therapie und Prognose ist bis heute ublich; die hippokratischen Fallbeschreibungen gelten als Ursprung der heutigen wissenschaftlichen Medizin. [22] In der folgenden hellenistischen Phase bildeten sich neben der hippokratischen weitere Arzteschulen aus, etwa die der Empiriker , der Methodiker oder der Pneumatiker . Schließlich folgte die griechisch-romische Phase, gekennzeichnet durch herausragende Autoren wie Celsus , Dioskur und Galen . Deren anatomische, pharmakologische und chirurgische Werke bestimmten neben denen des Hippokrates bis zur Aufklarung das medizinische Denken im Abendland .

In der byzantinischen Epoche wurden die antiken Vorbilder tradiert und durch Pulslehre und Harnschau erganzt. Islamische Gelehrte ubernahmen die medizinischen Traditionen und entwickelten Schulen fur Botanik , Diatetik und Chirurgie , darunter herausragend das Werk des Avicenna . Die klassischen Autoren, meist in islamischer Ubersetzung und Kompilation, blieben der Kernbestandteil der westlichen Medizin bis zum 16. Jahrhundert. Die einflussreichste Medizinschule gab es in Salerno , deren wissenschaftliche Tradition bis zur Mitte des 10. Jahrhunderts [23] zuruckreichte. Neue Beitrage der Klostermedizin des Mittelalters waren astrologische und theologische Komponenten sowie die Signaturenlehre , nach der Heilpflanzen durch ihre außeren Eigenschaften erkennbar sind ? eine Vorstellung, die in ahnlicher Form erst viel spater von der Homoopathie wieder aufgegriffen wurde.

Der Begriff Medizin stammt ursprunglich von den Medicini , die im Jahre 1302 in Bologna erstmals eine Leiche seziert hatten [24] und dies ab 1306 regelmaßig durchfuhrten. Nach jahrhundertelangem Stillstand losten sich die Mediziner in der Renaissance von den antiken Vorbildern. Der Anatom Andreas Vesalius war Sinn- und Vorbild eines neuen Gelehrtentyps, der aufgrund eigener Anschauung schrieb und Widerspruche zu Hippokrates und Galen aushielt. Gleichzeitig revolutionierte Ambroise Pare die Chirurgie, und Paracelsus verwarf in seiner Iatrochemie die hippokratische Saftelehre. Im 17. Jahrhundert begann mit den Experimenten des Francis Bacon das Zeitalter der wissenschaftlichen Medizin, das bis heute andauert. Die Krankheitstheorien waren noch nicht wie heute gefestigt; erst im 19. Jahrhundert setzte sich die Pathologie gegen konkurrierende Lehren wie die Humoralpathologie oder die Hufelandsche Lebenskraft endgultig durch.

Das 20. Jahrhundert war schließlich gepragt von einem enormen Wissenszuwachs und demzufolge einer Ausdifferenzierung von zahlreichen medizinischen Fachrichtungen, etwa der Bakteriologie , der Hygiene , der Anasthesiologie , der Sozialmedizin oder der Psychiatrie . Gleichzeitig gewannen die Industriestaaten zunehmend Aufsichtsfunktionen uber das Gesundheitswesen und es etablierte sich teilweise ein nationales Gesundheitssystem, wie etwa das NHS in England. Zerr- und Schandbild der staatlichen Uberwachung bildete die Medizin im Nationalsozialismus . Den gegenwartigen Endpunkt der Entwicklung bildet die evidenzbasierte Medizin und die flachendeckende Einfuhrung von Qualitatsmanagementsystemen in allen Bereichen der Patientenversorgung.

Siehe auch [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

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Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

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Zeitschriften [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Axel W. Bauer : Medizin, naturwissenschaftliche (1850?1900). In: Werner E. Gerabek , Bernhard D. Haage, Gundolf Keil , Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopadie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4 , S. 938?942, hier: S. 938.
  2. Duden | Mediziner | Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Herkunft. Abgerufen am 25. Januar 2024 .
  3. Friedrich Kluge : Etymologisches Worterbuch der deutschen Sprache. De Gruyter, Berlin 1975, S. 470.
  4. Rudolf Schmitz : Der Arzneimittelbegriff der Renaissance. In: Rudolf Schmitz, Gundolf Keil : Humanismus und Medizin. Acta humaniora, Weinheim 1984 (= Deutsche Forschungsgemeinschaft: Mitteilungen der Kommission fur Humanismusforschung. Band 11), ISBN 3-527-17011-1 , S. 1?21, hier: S. 3 f.
  5. Rudolf Laux: Ars medicinae. Ein fruhmittelalterliches Kompendium der Medizin. In: Kyklos. Band 3, 1930, S. 417?434.
  6. Duden Deutsches Universalworterbuch . Verlag Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, 5. Auflage, Mannheim 2003 online-Fassung
  7. Norbert Kohnen: Medizinmann. In: Werner E. Gerabek , Bernhard D. Haage, Gundolf Keil , Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopadie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4 , S. 956 f.; hier: S. 956.
  8. Doris Schwarzmann-Schafhauser: Indianermedizin, nordamerikanische. In: Werner E. Gerabek u. a. (Hrsg.): Enzyklopadie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4 , S. 665.
  9. Doris Schwarzmann-Schafhauser (2005), S. 665.
  10. Norbert Kohnen: Medizinmann. 2005, S. 956.
  11. krankenbehandlung. Abgerufen am 1. November 2021 .
  12. Regionalatlas Deutschland Indikatoren des Themenbereichs "Gesundheits- u. Sozialwesen" , auf www-genesis.destatis.de
  13. vgl. Wirtschaftswoche, Nr. 49, 2014, Stadteranking, S. 28
  14. Vgl. auch Hans-Heinz Eulner: Die Entwicklung der medizinischen Spezialfacher an den Universitaten des deutschen Sprachgebietes (Medizinische Habilitationsschrift Frankfurt am Main 1963). Stuttgart 1970 (= Studien zur Medizingeschichte des neunzehnten Jahrhunderts. Band 4).
  15. Vgl. auch Martin Sperling: Spezialisierung in der Medizin im Spiegel der Wurzburger Geschichte. In: Wurzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 3, 1985, S. 153?184.
  16. Vgl. auch Robert Jutte : Geschichte der Alternativen Medizin. Von der Volksmedizin zu den unkonventionellen Therapien von heute. C.H. Beck Verlag, Munchen 1996, ISBN 3-406-40495-2 , S. 27?32 ( ?Naturheilkunde“ kontra ?naturwissenschaftliche“ Medizin (1850?1880) ) und S. 32?42 ( ?Kurpfuscherei“ kontra ?Schulmedizin“ (1880?1932) )
  17. Paul Diepgen , Heinz Goerke : Aschoff /Diepgen/Goerke: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 62.
  18. Jennifer Crowley, Lauren Ball, Gerrit Jan Hiddink: Nutrition in medical education: a systematic review . In: The Lancet. Planetary Health . Band   3 , Nr.   9 , September 2019, ISSN   2542-5196 , S.   e379?e389 , doi : 10.1016/S2542-5196(19)30171-8 , PMID 31538623 .
  19. Joachim Muller-Jung: ?Integrative Medizin“ in F.A.Z. 11. Oktober 2011.
  20. a b Anouschka Wasner: Integrative Medizin als Scheinlosung fur Defizite der konventionellen Medizin? In: Medical Tribune . 18. November 2022, abgerufen am 23. Mai 2023 .
  21. Jutta Kollesch , Diethard Nickel : Antike Heilkunst. Ausgewahlte Texte aus dem medizinischen Schrifttum der Griechen und Romer. Philipp Reclam jun., Leipzig 1979 (= Reclams Universal-Bibliothek. Band 771); 6. Auflage ebenda 1989, ISBN 3-379-00411-1 , S. 14.
  22. Max Pohlenz : Hippokrates und die Begrundung der wissenschaftlichen Medizin. Berlin 1938.
  23. August Buck : Die Medizin im Verstandnis des Renaissancehumanismus. In: Deutsche Forschungsgemeinschaft: Humanismus und Medizin. Hrsg. von Rudolf Schmitz und Gundolf Keil , Acta humaniora der Verlag Chemie GmbH, Weinheim 1984 (= Mitteilung der Kommission fur Humanismusforschung. Band 11), ISBN 3-527-17011-1 , S. 181?198, hier: S. 185.
  24. Gill Davies, The Illustrated Timeline of Medicine , 2011, S. 49