Maurice Cognacq

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Maurice Charles Cognacq (* 2. Mai 1870 in Cayenne ; † 1949 ) war ein franzosischer Arzt und Kolonialbeamter. Von 1921 bis 1926 war er Gouverneur von Cochinchina , wobei seine Amtszeit als Tiefpunkt in der Geschichte der Kolonie gilt.

Karriere als Arzt

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Cognacq entstammte einer franzosischen Siedlerfamilie aus Guyana beziehungsweise Guadeloupe in der Karibik. [1] Er trat dem Sanitatsdienst der franzosischen Marine bei und studierte ab November 1889 an der Medizinschule der Marine in Bordeaux . Im November 1893 schloss er seine Doktorarbeit zum augenheilkundlichen Thema ? De la sensibilite coloree “ ab. [2] Im Anschluss wurde er als Militararzt der Kolonialtruppe zugeteilt und nach Franzosisch-Indochina entsandt, wo er (mit einer Unterbrechung) bis 1900 blieb und sich klimabedingt auf Tropenkrankheiten spezialisierte.

In den Jahren 1900 bis 1902 war er an der Niederschlagung des chinesischen Boxeraufstandes beteiligt. In Peking lernte er den franzosischen Botschafter Paul Beau kennen; als dieser kurz darauf zum Generalgouverneur von Indochina ernannt wurde, folgte ihm Cognacq dorthin zuruck. [3]

In Indochina gelang ihm dank guter Kontakte ein schneller beruflicher Aufstieg. Ab Oktober 1904 war er Direktor der Ecole de Medecine de l’Indochine in Hanoi . [4] Wahrend dieser Zeit setzte er sich fur den Ausbau der Bergstation Dalat ein, die aus seiner Sicht aufgrund der angenehmen klimatischen Bedingungen den idealen Garnisonstandort darstellte. [5]

Aufstieg zum Gouverneur von Cochinchina

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Unter dem liberalen Generalgouverneur Albert Sarraut (1911?1914 und 1917?1919) erhielt Cognacq die Verantwortung uber den sekundaren Bildungsbereich Indochinas. [6] Im Jahr 1920 wurde er Leiter des kolonialen Bildungswesens mit Sitz in Saigon . [7] Wenig spater kam es zu Schulerprotesten am College Chasseloup-Laubat , die er brutal niederschlagen ließ. [8]

Obwohl er fachlich als wenig geeignet galt, wurde Cognacq Ende 1921 als Nachfolger von Le Gallen zum Gouverneur der Kolonie Cochinchina (dem sudlichsten Teil Indochinas) ernannt. Seine Ernennung verdankte er dabei hauptsachlich seiner Freundschaft mit dem konservativen Politiker Ernest Outrey , der die Kolonie in der franzosischen Nationalversammlung reprasentierte . Bei der Wahl im Kolonialrat erhielt Cognacq auch die Stimmen der vietnamesischen Konstitutionalisten , da diese von einem ehemaligen Mitarbeiter Sarrauts eine Fortfuhrung von dessen liberaler Politik erwarteten. [6]

Nachdem sein liberaler Vorgesetzter, Generalgouverneur Maurice Long , im Jahr 1922 sterbenskrank durch den konservativen Martial Merlin ersetzt wurde, zeigte sich allerdings Cognacqs tatsachliche Einstellung: Er begann ultrakonservative und rassistische Positionen zu vertreten, wofur er einige Unterstutzung von den haufig rechts eingestellten franzosischen Siedlern erhielt. In seinem Umfeld erlangten Personen mit zwielichtiger Vergangenheit großen Einfluss. Als ? graue Eminenz “ gilt hier insbesondere der ehemalige Resident Andre Darles , der durch seine sadistische Behandlung der vietnamesischen Bevolkerung im Jahr 1917 den Thai-Nguyen-Aufstand ausgelost hatte und dafur aus dem Staatsdienst entlassen worden war. Cognacq machte ihn zum Polizeichef von Saigon; bald darauf standen Schlager aus der Unterwelt auf der Gehaltsliste der Kolonialverwaltung. Ein weiterer wichtiger Unterstutzer wurde der Metis Henry Chavigny de la Chevrotiere ? ein ehemaliger Polizeispitzel und verurteilter Erpresser ?, der in Zusammenarbeit mit Ernest Outrey die ultrakonservative populistische Zeitung L’Impartial herausgab. Durch Zusammenarbeit mit korrupten Unternehmern und Gunstlingswirtschaft dominierte die Cognacq-Clique bald auch die Saigoner Handels- und Landwirtschaftskammer und beherrschte so die gesamte Wirtschaft der Kolonie. Interne Kritiker in Verwaltung und Wirtschaft wurden durch eine Mischung aus Drohungen und Vorteilsgewahrung ruhiggestellt. Innerhalb der Grenzen der Kolonie besaß Cognacq schließlich die Machtfulle eines Herrschers und inszenierte sich ahnlich pompos. [6]

Die Vietnamesen sah Cognacq als Angehorige einer ruckstandigen Rasse an, die keine hohere Bildung erhalten sollten. In gebildeten Vietnamesen sah er primar kommunistische Agenten. So erklarte er gegenuber dem jungen Reformaktivisten Nguy?n An Ninh : ?In diesem Land brauchen wir keine Intellektuellen! Das Land ist zu primitiv. Wenn du ein Intellektueller werden willst, geh nach Moskau.“ [9] Vietnamesen, die dennoch eine hohere Schule besuchen oder ein Amt erlangen wollten, mussten Bestechungsgelder zahlen ? gerne auch in Form von Antiquitaten, die Cognacq sammelte. [7]

Widerstand gegen Cognacq

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die autoritare und korrupte Herrschaft fuhrte zu einem Schulterschluss der linken und liberalen franzosischen Kolonialpresse mit vietnamesischen Aktivisten aller politischer Lager. Junge gebildete Vietnamesen wie Nguy?n An Ninh ( La Cloche felee ) und Tr?n Huy Li?u ( đong Phap th?i bao ) wurden als Zeitungsherausgeber aktiv; etablierte Verleger wie Nguy?n Phan Long ( L’Echo Annamite ) und Bui Quang Chieu ( La Tribune Indigene ) schlugen radikalere Tone an. Ein großeres Problem als die Vietnamesen, die sich mit Zensur und Festnahmen in Schach halten ließen, stellte die franzosische Presse vor Ort dar: Die Journalisten Andre Malraux , Paul Monin und Eugene Dejean de la Batie , die bei der Zeitung L’Indochine zusammenarbeiteten, entwickelten sich zu den hartnackigsten Kritikern des Kolonialregimes. Cognacq erhielt von ihnen den Spottnamen ? Monsieur Je-Menotte “ (sinngemaß ?Herr Handschellen-Anleger“). [10] Da dieser nur eingeschrankt gegen franzosische Staatsburger vorgehen konnte, schuchterte er stattdessen die Betreiber der Druckerei ein. [11] Der Hohepunkt dieser Auseinandersetzung stellte das sogenannte Candelier -Projekt dar: Die Cognacq-Administration versuchte dabei, samtliche Hafenanlagen der Kolonie fur funfzehn Jahre an ein franzosisches Finanzkonsortium zu verpachten. Dieses Konsortium hatte dadurch ein faktisches Handelsmonopol uber ganz Cochinchina erhalten. Das Projekt wurde zunachst im von Cognacq-Anhangern dominierten Kolonialrat abgesegnet. Paul Monin ? finanziell unterstutzt von den chinesischen Unternehmern Saigons, die am schlimmsten vom Monopol betroffen gewesen waren ? ging jedoch nach Paris und brachte das franzosische Parlament durch Lobbyarbeit im Marz 1924 dazu, die Entscheidung des Kolonialrats aufzuheben. [8]

Im Jahr 1925 brachen weitere Proteste aus, nachdem Phan B?i Chau , einer der Begrunder der vietnamesischen Nationalbewegung, von franzosischen Agenten aus China verschleppt und zu lebenslanger Haft bei harter Arbeit verurteilt wurde. Die Proteste eskalierten 1926 weiter, als Phan Chau Trinh , der andere große Vordenker des vietnamesischen Nationalismus, in Saigon starb und die Kolonialbehorden offentliche Trauerfeiern zu verbieten versuchten. Es kam nun zu Massenprotesten der stadtischen Jugend, die sich als Jeune-Annam -Bewegung organisierte.

Der neue liberale Generalgouverneur Alexandre Varenne , der Ende 1925 Merlin abgelost hatte, bemuhte sich um die Beruhigung der Lage. Er ließ Cognacq 1926 wegen Fehlverhaltens absetzen und nach Frankreich zuruckschicken. Neuer Gouverneur in Saigon wurde nach einer Interimsphase unter Le Fol Ende Dezember 1926 Paul Blanchard de la Brosse . Auch Cognacqs Gegner Malraux wurde die Heimkehr ins Mutterland dringend nahegelegt, er verließ folglich ebenfalls die Kolonie. Phan B?i Chaus Strafe wurde in Hausarrest umgewandelt. Beteiligte der Jugendproteste wurden von ihren Schulen ausgeschlossen, einige wenige Fuhrungspersonen verhaftet. Durch eine umfangreiche Forderung des vietnamesischen Gesundheits- und Bildungswesens und kleinere politische Reformen versuchte Varenne schließlich, das Ansehen der Kolonialfuhrung wiederherzustellen, was ihm die Feindschaft der franzosischen Siedler einbrachte. [11] [12]

Spateres Leben und Tod

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

In Frankreich erlangte Cognacq angesichts seines ruinierten Rufes keine wichtigen Positionen mehr. Er starb 1949 und wurde auf dem Friedhof Saint-Ouen bei Paris beerdigt. Sein Grab, das er sich mit dem Komponisten Leo Pouget teilt, liegt im dritten Abschnitt des alten Teils des Friedhofs. [13]

Als aufstrebender Arzt und Kolonialverwalter hatte Maurice Cognacq zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Er war Ritter der Ehrenlegion , Officier de l’Instruction publique und Trager des Ordre du Merite agricole . [4]

Die Vogelkundler Delacour und Jabouille hatten ihm zu Ehren 1924 eine Unterart des Grunfuß-Waldrebhuhns Arborophila chloropus cognacqi benannt. [14]

Einzelnachweise

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  1. In der Literatur finden sich als Herkunftsangabe sowohl Cayenne in Franzosisch-Guyana (gemaß seiner Dissertation) als auch Guadeloupe (gemaß Peycam). Die vollig abweichende Angabe ? Reunion “ bei Justin Corfield ist sehr wahrscheinlich eine Verwechslung.
  2. Klinische Monatsblatter fur Augenheilkunde , Band 33, Verlag Ferdinand Enke, 1895, S. 418 ( Cognacq, Maurice-Charles. (Cayenne.) De la sensibilite coloree. These de Bordeaux. 1893 )
  3. Patrice Morlat: Indochine annees vingt: Le rendez-vous manque (1918-1928): La politique indigene des grands commis au service de la mise en valeur , Les Indes savantes, 2006, S. 72
  4. a b Who’s who in the Far East 1906?7 (Nachdruck des Chinese Materials Center, San Francisco 1979), S. 288 (Eintrag COGNACQ, Dr. Maurice ). Digitalisat einsehbar im WBIS South-East Asian Biographical Archive (Fiche-Nr. 81,19).
  5. Eric T. Jennings: Imperial Heights: Dalat and the Making and Undoing of French Indochina , University of California Press, Berkeley 2012, S. 52
  6. a b c Hue-Tam Ho Tai: Radicalism and the Origins of the Vietnamese Revolution , Harvard University Press, Cambridge MA 1996, S. 117?119
  7. a b Justin Corfield: Historical Dictionary of Ho Chi Minh City , Anthem Press, London 2014, S. 67 (Eintrag COGNACQ, MAURICE (1870?1949) )
  8. a b Philippe M. F. Peycam: The Birth of Vietnamese Political Journalism: Saigon, 1916-1930 , Columbia University Press, New York 2012, S. 115?121
  9. Peter Zinoman : Vietnamese Colonial Republican: The Political Vision of Vu Trong Phung , University of California Press, Berkeley 2013, S. 89 ( ?In this country, we don't need any intellectuals! The country is too simple. If you want to intellectualize, go to Moscow.“ ; franzosisch: ?Si vous voulez faire des intellectuels, allez-vous-en a Moscou.“ )
  10. Sebastien Cauquil, Universite Montpellier III: Malraux face au colonialisme: aspects du desenchantement en Indochine , Societe internationale d'etude des litteratures de l'ere coloniale (SIELEC) (abgerufen im September 2017)
  11. a b K. W. Taylor : A History of the Vietnamese , Cambridge University Press, 2013, S. 500?503
  12. Justin Corfield: Historical Dictionary of Ho Chi Minh City , Anthem Press, London 2014, S. 318 (Eintrag VARENNE, ALEXANDRE (1870?1947) )
  13. SAINT-OUEN (93): cimetiere parisien (partie ancienne) (abgerufen im September 2017)
  14. Bo Beolens, Michael Watkins, Michael Grayson: The Eponym Dictionary of Birds , Christopher Helm Bloomsbury Publishing, London 2014, Eintrag Cognacq