Marcel Paul

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Marcel Paul

Marcel Paul (* 12. Juli 1900 in Paris ; † 11. November 1982 in L’Ile-Saint-Denis ) war ein franzosischer Politiker ( PCF ) und Gewerkschafter. Er kampfte in der Resistance und gehorte als Industrieminister drei aufeinanderfolgenden Regierungen an.

Jugend und fruhe Jahre

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Marcel Paul war ein Findelkind , das am 12. Juli 1900 im 14. Pariser Arrondissement an der Place Denfert-Rochereau aufgefunden wurde. Das Kind wurde darauf in der Gemeinde Monce-en-Belin in Pflege gegeben. Dort besuchte Marcel Paul die gesamte Primarschule und begann im Alter von 13 Jahren auf einem Bauernhof im Departement Sarthe zu arbeiten. Mit 15 Jahren begann er sich bei den Jungsozialisten gegen den Ersten Weltkrieg zu engagieren. Nachdem er zum Dienst bei der Marine eingezogen wurde, beteiligte er sich an einem Matrosenaufstand in Brest , und danach am Widerstand der Seeleute gegen die gewaltsame Inbetriebnahme eines von Arbeitern bestreikten Kraftwerkes in Saint-Nazaire .

Nach seiner Demobilisierung lebte er zunachst in Saint-Quentin , wo er im Baugewerbe Arbeit und Zugang zur gewerkschaftlichen Tatigkeit fand. Danach wurde er als Elektriker bei den stadtischen Verkehrsbetrieben Societe des transports en commun de la region parisienne eingestellt. Diesen Beruf hatte er zuvor bei der Marine erlernt. Ab 1923 war er Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs .

Zwischen 1931 und 1936 war Marcel Paul Generalsekretar des Gewerkschaftsbundes fur die Offentlichen Dienste Confederation generale du travail unitaire (CGTU). Danach wurde er stellvertretender und ab 1937 erster Sekretar der Elektrizitatsarbeiter-Gewerkschaft Federation reunifiee de l'eclairage . 1932 wurde er beim Verlassen einer Versammlung des Pflegepersonals des Spitals Hotel-Dieu de Marseille tatlich angegriffen. Die Krankenschwester Edmee Dijoud, die ihn begleitet hatte, starb bei dem Ubergriff. Als enger Mitstreiter von Maurice Thorez wurde er von der Kommunistischen Partei fur die Gemeindewahlen im 14. Arrondissement von 1935 aufgestellt, wo er gemeinsam mit Leon Mauvais ins Amt gewahlt wurde.

Widerstand und Deportation

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1939 wurde Paul fur die Infanterie mobilisiert, weil die Marine seine Einberufung verweigerte. Nach der Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Pakts wurde er, ebenso wie andere Kommunisten, aus verantwortlichen Stellungen der Federation de l'eclairage entfernt. Seine Funktion in der um einen legalen Status bemuhten Gewerkschaft ubernahm von nun an Clement Delsol. Nach dem Einmarsch der Deutschen in Frankreich wurde er gefangen genommen, zwei Mal gelang ihm jedoch die Flucht. Er schlug sich in die Bretagne durch, wo er mit Auguste Havez die interregionale Arbeit der Kommunistischen Partei koordinierte. Zunachst sammelte er Waffen und Sprengstoff, um Zwischenlager anzulegen. Danach erhielt er im November 1940 den Auftrag der Parteileitung, nach Paris zuruckzukehren, war aber bis Januar 1941 weiter fur die Aktionen im Westen zustandig. Arbeiter der Energieversorgung und der Offentlichen Dienste der Region Paris organisierte er zu Aktionsgruppen. Als Mitarbeiter der Untergrundgruppe Organisation speciale erlernte er im Juli 1941, zusammen mit France Bloch-Serazin , den Umgang mit Sprengstoff und unternahm im August 1941 einen misslungenen Angriff auf einen deutschen Dienstzug.

Im November 1941 wurde Paul nach einer Denunziation festgenommen. Die ersten Stationen seiner Gefangenschaft waren eine Polizeiwache, das Hopital de Saint-Denis ? wo er gefoltert wurde und versuchte sich das Leben zu nehmen ?, sowie das Gefangnis La Sante . Von einem Sondertribunal wurde er darauf zu vier Jahren Gefangnis verurteilt. Im Sommer 1943 wurde er mit anderen Gefangenen in das als Haftanstalt dienende ehemalige Kloster Abbaye Notre-Dame de Fontevraud verlegt. Bei seiner Uberstellung an die Deutschen im Februar 1944 misslang ihm ein weiterer Fluchtversuch. Am 27. April 1944 erreichte sein Transport das Vernichtungslager in Auschwitz , wo ihm eine Nummer eingestochen wurde. Am 14. Mai erfolgte der weitere Transport der franzosischen Gefangenen ins Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar .

Als hochrangiger politischer Gefangener unterlag Marcel Paul relativ schonenden Haftbedingungen. Zusammen mit Andre Leroy (1913?1982) und Jean Lloubes (1909?1994) organisierte er in Buchenwald weiteren Widerstand im Untergrund im sogenannten ≪comite des interets francais≫, dessen Vorstand aus funf Personen er angehorte. Sein Handlungsspielraum umfasste im Wesentlichen aber auch die Weitergabe von Befehlen der Lagerleitung. Dies ermoglichte ihm, zahlreiche Mitgefangene, wie beispielsweise Marcel Dassault , vor dem sicheren Tod zu retten, bedeutete aber auch, dass er uber die Zuteilung von schwerer Zwangsarbeit entscheiden musste. Ein betroffener war das Resistance-Mitglied Jean Bertin. Der Lageruberlebende Pierre-Henri Teitgen hat in einem im Januar 1985 in der Zeitung Ouest France erschienenen Artikel an die ambivalente Position Pauls erinnert. Paul leistete, laut den ubereinstimmenden Aussagen der Zeitzeugen, im April 1945 einen bedeutenden Beitrag zum Aufstand der Lagerinsassen, der der Befreiung des KZ Buchenwald durch die 3. US-Armee voranging.

Nach der Niederlage Nazideutschlands wurde Paul als politische Personlichkeit rasch nach Frankreich zuruckgefuhrt, kehrte aber nach kurzem Aufenthalt in Paris bald darauf nach Buchenwald zuruck, um die Heimkehr der weiteren uberlebenden Franzosen zu beschleunigen. Auf dem 10. Parteitag der Kommunistischen Partei im Juni 1945 in Paris wurde Marcel Paul in die Parteileitung gewahlt. Er nahm seine gewerkschaftliche Arbeit wieder auf und wurde zum Mitglied der Provisorischen Konsultativversammlung ( Assemblee consultative provisoire ) ernannt. Im selben Jahr grundete er mit Henri Manhes die Veteranen- und Uberlebendenorganisation Federation nationale des deportes et internes resistants et patriotes (FNDIRP), deren Vorsitz Marcel Paul bis zu seinem Lebensende ausubte. Der burgerliche Unternehmer und getaufte Jude Marcel Dassault, der in seinen politischen Standpunkten denkbar weit von denen Marcel Pauls entfernt war, hatte in Buchenwald, trotz der Differenzen, dank Pauls Protektion uberleben konnen. Er forderte spater die FNDIRP mit umfangreichen Spenden.

Nach einem innerparteilichen Konflikt um den mit Vorwurfen konfrontierten Georges Guingouin in der zentralfranzosischen Region Limousin , wurde Paul im Oktober 1945 im Departement Haute-Vienne als unumstrittener Ersatzmann zur Wahl fur die Verfassungsgebende Versammlung aufgestellt. Er erhielt zusammen mit Alphonse Denis (1906?1997) einen Stimmenanteil von 33,95 %, doch blieb er damit hinter dem Ergebnis der Section francaise de l’Internationale ouvriere (SFIO), unter der Leitung von Adrien Tixier , die mit einem Anteil von 50,53 % drei Parlamentssitze errang. Marcel Paul wurde Mitglied im Ausschuss fur nationale Infrastruktur, Produktion und Kommunikation, sowie in den Arbeitsgruppen fur Inneres, Offentliche Gesundheit, Kriegsgefangene und Deportierte, und der Standigen Kommission fur die Planung der Sozial- und Wirtschaftspolitik. Am 3. August 1945 sprach er sich in der Abstimmung fur die anschließend erfolgte Verstaatlichung von Gas und Strom aus.

Am 21. November 1945 wurde er von Charles de Gaulle zum Industrieminister ernannt, ein Amt, das er von Robert Lacoste ubernahm, und auch in den nachfolgenden Regierungen von Felix Gouin und Georges Bidault bis im Dezember 1946 ausubte. Am 2. Dezember 1945 stimmte er fur die Verstaatlichung der Banque de France und weiterer Kreditinstitute. Am 27. Marz 1946 legte er einen Gesetzesentwurf fur die Bildung der staatlichen Unternehmen Electricite de France - Gaz de France vor, der am 8. April 1946 zur Abstimmung kam. Dem neuen offentlichen Unternehmen kam durch die Bemuhungen Marcel Pauls eine soziale Vorbildfunktion zu. Im Rahmen der Verstaatlichung grundete er am 8. April 1946 namlich die Caisse centrale d'activites sociales (CCOS), die den Mitarbeitern umfassende soziale Leistungen, wie beispielsweise Verpflegung am Arbeitsplatz und Ferienangebote, zukommen ließ. Das Sozialwerk wurde mit einem garantierten Anteil von 1 % am Gewinn nach Abzug der Mehrwertsteuer aus dem Verkauf von Gas und Strom finanziert. In der Folge wurde verschiedentlich der Vorwurf erhoben, die CCOS finanziere heimlich die Gewerkschaft CGT. Als Industrieminister veranlasste Paul mehrere Gesetzesentwurfe, darunter beispielsweise arbeitsrechtliche Bestimmungen zum Bergbau und den damit verbundenen verarbeitenden Betrieben, zum Wahlverfahren der Berufsverbande, sowie zum Zugang zur Tatigkeit als Friseur. Am 19. April 1946 stimmte er fur die Annahme eines Verfassungsartikels uber die Verstaatlichung von Versicherungsgesellschaften.

Bei den Wahlen zur 2. Verfassungsgebenden Nationalversammlung im Juni 1946 wurde Marcel Paul erneut als Kandidat der Kommunistischen Partei fur das Departement Haute-Vienne aufgestellt. Die kommunistische Liste erreichte dort diesmal das beste Resultat, mit 66.815 von insgesamt 175.214 gultigen Stimmen. Marcel Paul und Alphonse Denis waren damit im Amt bestatigt. Die SFIO erhielt hingegen mit 63.942 Stimmen nur noch zwei Sitze. Im Amt halten konnten sich die SFIO-Abgeordneten Jean Le Bail (1904?1965) und Andre Foussat (1911?1969). Der weitere Sitz fur das Departement ging an Robert Schmidt (1909?1955) vom Mouvement republicain populaire , der auf dem ersten Listenplatz 36.977 Stimmen erhielt.

Im November 1946 wurde Paul in die Nationalversammlung gewahlt. Er wurde Mitglied eines Ausschusses fur Industriefragen. Die Leitung des Ministeriums gab er im darauf folgenden Monat ab. Nachdem sich die Regierung wahrend eines Monats nur aus Sozialisten zusammengesetzt hatte, wurden danach einzelne Posten erneut mit Kommunisten besetzt. Marcel Paul ging dabei jedoch leer aus. Ab Januar 1947 nahm er daher wieder seine alte Arbeit an der Spitze der Gewerkschaft CGT auf. Formal hatte er diese Funktion bis 1966 inne, allerdings wurde er 1963 de facto als Leiter der Energie-Sektion abgelost.

Mit der Regierungsubernahme des SFIO-Politikers Paul Ramadier ab Januar 1947 endete die Regierungsbeteiligung der Kommunisten im darauf folgenden Mai erneut. Marcel Paul war zu diesem Zeitpunkt Prasident des CCOS. Diese Funktion behielt er bei, bis die Organisation am 17. Februar 1951 auf Veranlassung Rene Plevens aufgelost wurde. Am nachsten Tag sturmte die Polizei die Buros der CCOS an der Rue de Calais 22 im 9. Arrondissement von Paris und vertrieb die Mitarbeiter.

Am 20. April 1948 trat Paul von seinem Amt in der Nationalversammlung zuruck und ließ sich bei den Wahlen von 1951 nicht mehr als Kandidat aufstellen. Nach parteiinternen Querelen rund um die von ihm gegrundeten Sozialwerke bei Electricite de France und Gaz de France, wurde Paul 1964 nicht mehr ins Zentralkomitee seiner Partei gewahlt. Die beiden Staatsbetriebe wurden ab 1951 wieder privatwirtschaftlich gefuhrt und die Regierung machte fur eine erneute gewerkschaftliche Prasenz in den EDF-GDF-Betrieben den Gewerkschaftsausschluss Marcel Pauls zur Bedingung, was die CGT-Leitung 1962 akzeptierte.

In Anerkennung seiner Leistungen fur Frankreich wurde Marcel Paul im April 1982 zum Officier de la Legion d’Honneur ernannt und in einer offentlichen Zeremonie am 11. November 1982 auf der Place Charles-de-Gaulle , das heißt unter dem Triumphbogen Arc de Triomphe de l’Etoile , mit dem Orden ausgezeichnet. Direkt nach der Veranstaltung ergriff ihn ein schweres Unwohlsein und er starb wenige Stunden spater in seinem Zuhause in L'ile-Saint-Denis, in der Nahe von Paris.

Zwei Jahre spater entbrannte nach dem Erscheinen eines Artikels des Autors und Lokalpolitikers Laurent Wetzel ( CDS ) in der Zeitung Courrier des Yvelines ein Streit um die Rolle Pauls im Konzentrationslager Buchenwald. Im Artikel legte Wetzel dar, dass er nicht bereit sei, sich am Einweihungsakt fur die Benennung einer Marcel-Paul-Straße in seiner Gemeinde zu beteiligten. Er schrieb: ≪Kaum war er nach Buchenwald deportiert, wurde Marcel Paul in die interne Fuhrung des Lagers aufgenommen. Er entschied somit uber das Schicksal ? das heißt uber Leben und Tod ? zahlreicher Genossen. In Ausubung dieser Funktion berucksichtigte er hauptsachlich die Interessen seiner Partei.≫ Die Dora-Buchenwald-Vereinigung in der Veteranen- und Uberlebendenorganisation Federation nationale des deportes et internes resistants et patriotes reagierte auf die Anschuldigung mit einer Klage wegen Ehrverletzung . Dieselben Vorwurfe gegen Paul waren schon 1946 erhoben worden. Beim Prozess am Gericht in Versailles wurden mehrere fruhere Deportierte befragt. Am 17. Januar 1985 wurde Laurent Wetzel von der Klage freigesprochen. Das Gericht sah sich außer Stande, uber historische Wahrheiten zu befinden. Wetzel wurde spater zum Burgermeister der Gemeinde Sartrouville gewahlt und ordnete die Umbenennung der dortigen rue Marcel Paul sowie zahlreicher anderer Straßen an, die nach kommunistischen Politikern benannt waren.

  • Marcel Paul war Offizier der Franzosischen Ehrenlegion .
  • Zahlreiche Straßen Frankreichs tragen seinen Namen.
  • Die deutsche Stadt Weimar hat in DDR-Zeiten die Marcel-Paul-Straße nach ihm benannt.