Als
Wahrsagen
oder
Wahrsagung
, abwertend
Wahrsagerei
, werden zahlreiche Praktiken und Methoden zusammengefasst, die dazu dienen sollen, zukunftige Ereignisse vorherzusagen und gegenwartige oder vergangene Ereignisse, die sich der Kenntnis des Fragenden entziehen, zu ermitteln. Die Beschreibung der Wahrsagung fallt in die Fachbereiche
Kulturgeschichte
,
Religionswissenschaft
oder
Ethnologie
. In der Literatur sind die Bezeichnungen
Mantik
(von
altgriechisch
μαντικ? τ?χνη
mantik? techn?
?Kunst der Zukunftsdeutung‘) und
Divination
(von
lateinisch
divinatio
?Wahrsagung‘, eigentlich ?Erforschung des gottlichen Willens‘) gebrauchlich. Unter Divination versteht man nicht nur Enthullung der Zukunft, sondern jede Auslegung von Zeichen der Gotter.
Ob Wahrsager tatsachlich zukunftige Ereignisse vorhersagen konnen, ist seit dem 18. Jahrhundert nicht mehr Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion. Den
Glauben
an die divinatorischen Kunste, welche bereits von den Kirchenlehrern als heidnische Relikte abgelehnt
[1]
wurden, rechnen Kirchen und Theologen dem
Aberglauben
zu. Die
katholische Kirche
und maßgebliche
evangelische
Theologen lehnen das Wahrsagen daher entschieden ab und argumentieren, es handele sich dabei um eine Anmaßung des Menschen gegenuber Gott und sei mit dem christlichen Glauben unvereinbar.
Im Unterschied zu
Prognostikern
, die sich auf normale, fur jeden grundsatzlich einsichtige Kausalzusammenhange berufen, beanspruchen Wahrsager, ein den Unkundigen verborgenes Wissen uber
okkulte
Zusammenhange zu besitzen, das ihnen den Blick in die Zukunft ermogliche. Manche Wahrsager behaupten, einen unmittelbaren
intuitiven
Zugang zu Wissen uber die Zukunft zu haben, auch ?Zweites Gesicht“ oder
Prakognition
genannt, andere interpretieren Zeichen, die sie als
Symbole
fur Kunftiges betrachten. Bei der Zeichendeutung lassen sich zwei Arten unterscheiden: Entweder deutet der Wahrsager von ihm nicht beeinflusste Ereignisse oder Sachverhalte als Anzeichen, aus denen Zukunftiges herausgelesen werden konne, oder er verursacht selbst nach bestimmten Regeln ein Ereignis, dessen Verlauf oder Ergebnis er dann als verschlusselte Information uber Zukunftiges auffasst und auslegt. Zum ersten Typus gehoren beispielsweise die Deutung von Gestirnkonstellationen (
Astrologie
) und ungewohnlichen Wettererscheinungen oder das
Handlesen
(Chiromantie), zum zweiten Typus das
Kartenlegen
oder die Wurforakel, bei denen aus dem Wurf eines Gegenstands (Wurfel, Knochen, Eier beim
Eierorakel
und andere) die Antwort auf eine gestellte zukunftsbezogene Frage gelesen wird. Die Unterscheidung zwischen ?naturlicher“ (unmittelbarer) und ?kunstlicher“ (auf Zeichendeutung durch Fachleute beruhender) Erlangung von Zukunftswissen wurde schon in der antiken Divinationstheorie vorgenommen.
[2]
Eine etwas andere, besonders an den
schamanischen
Praktiken
ethnischer Religionen
orientierte Klassifikation unterscheidet zwischen intuitiver Wahrsagung, bei der sich der Wahrsager ausschließlich auf ein intuitiv seinem eigenen Geist entnommenes Wissen beruft, ?Besessenheitswahrsagung“, bei der Gotter oder andere korperlose Wesen zeitweilig von einem Korper Besitz ergreifen sollen, um uber ihn Botschaften zu ubermitteln, und ?Weisheitswahrsagung“, bei welcher der Wahrsager den Anspruch erhebt, die Basis seines Zukunftswissens seien ihm bekannte objektive Gesetzmaßigkeiten, aus denen er im Einzelfall jeweils zutreffende Folgerungen ableite.
[3]
Vom Wahrsagen unterschieden wird die
religiose
Prophetie
oder
Weissagung
. Dabei handelt es sich um zukunftsbezogene Behauptungen, fur die eine unmittelbare gottliche
Inspiration
in Anspruch genommen wird. Der Prophet oder Weissagende tritt als beauftragter Verkunder eines gottlichen Plans auf. Weissagung betrifft gewohnlich Schicksale von Volkern oder der ganzen Menschheit, Wahrsagung Schicksale von Individuen oder kleineren Gruppen.
[4]
Die Abgrenzung der Weissagung vom Wahrsagen ist jedoch nicht immer eindeutig moglich und unpraziser Sprachgebrauch ist haufig. Ursprunglich und bis ins 16. Jahrhundert verstand man unter einem ?Wahrsager“ oder ?Weissager“ (
althochdeutsch
w?z(z)ago
,
altsachsisch
w?rsago
,
mittelhochdeutsch
w?rsage
) einen Propheten, erst in der Neuzeit erhielt das Wort ?Wahrsager“ seine heutige Bedeutung.
[5]
Den verschiedenen Formen von Wahrsagung liegt ein Weltbild zugrunde, das von einer einheitlichen Struktur des gesamten Kosmos ausgeht, die immer und uberall auf den gleichen qualitativen Prinzipien beruht. Die Welt gilt als so aufgebaut, dass ihre Teile analog strukturiert sind und einander spiegeln. Es wird angenommen, dass zwischen raumlich und zeitlich getrennten Bereichen verborgene, aber erkennbare gesetzmaßige Zusammenhange oder Analogien bestehen.
[6]
Phanomene unterschiedlicher Art, zwischen denen kein kausaler Zusammenhang aufgezeigt werden kann, werden auf ein einheitliches Organisationsprinzip der Weltordnung zuruckgefuhrt und dadurch miteinander verknupft. So wird ein strenger Parallelismus zwischen Kosmischem bzw. Himmlischem und Irdischem bzw. Menschlichem unterstellt. Im Rahmen dieses Weltbilds geht man davon aus, dass auch zwischen Wahrnehmbarem und (noch) Verborgenem detaillierte Analogiebeziehungen bestehen. Die Erkenntnis des Wesens dieser Beziehungen soll es ermoglichen, das Verborgene ? auch Zukunftiges ? zu erfassen. Diese Annahme bildet die Grundlage fur den Anspruch des Wahrsagers, zutreffende Voraussagen machen zu konnen; denn er behauptet, die einschlagigen Gesetzmaßigkeiten zu kennen. In manchen Fallen wird davon ausgegangen, dass das Zukunftswissen zwar nur einer gottlichen Instanz unmittelbar zuganglich sei, aber von der Gottheit einem Menschen uber Visionen oder Traume offenbart werde.
[7]
Meist gilt die Zukunft nicht als unabanderlich feststehend. Vielmehr soll die Wahrsagung insbesondere dem Zweck dienen, drohendes Unheil fruhzeitig zu erkennen und durch geeignete Maßnahmen abzuwenden. Dennoch fuhren die weltanschaulichen
Pramissen
, von denen die Wahrsagung ausgeht, zu philosophischen Problemen, die mit der Frage nach
Determiniertheit
(Vorherbestimmtsein, Zwangslaufigkeit) und
Willensfreiheit
zusammenhangen. Ein fur Aussagen uber die Zukunft erhobener Wahrheitsanspruch setzt voraus, dass schon in der Gegenwart feststeht, dass etwas zwangslaufig eintreten wird. Demnach ist nicht nur das vom Wahrsager Vorausgesagte determiniert, sondern auch der Umstand, dass der Wahrsager konsultiert wird. Diese Annahme fuhrt zu einer
fatalistischen
oder deterministischen Philosophie und bedroht die Vorstellung der Willensfreiheit. Das Problem kann umgangen werden, wenn angenommen wird, dass das Vorausgesagte nicht unabanderlich sei, sondern ein durch Wahrsagung Gewarnter sein kunftiges Schicksal noch beeinflussen konne. Damit wird aber der Wahrheitsanspruch der Wahrsagung mehr oder weniger stark relativiert und eingeschrankt und eine Uberprufung ihrer Richtigkeit verunmoglicht.
[8]
Der Sozial- und Religionshistoriker
Georges Minois
hat eine umfassende Darstellung der Geschichte der Wahrsagung vorgelegt. Nach seinen Angaben sind 25 verschiedene Vorhersagemethoden gang und gabe, ?von der
Kristallkugel
bis zum
Kaffeesatz
, von der
Geomantie
bis zur
Numerologie
, von der
Chiromantie
bis zur
Kartomantie
“.
[9]
Minois erklart die andauernde weite Verbreitung der Praktiken
sozialpsychologisch
. Den Hauptgrund fur die anhaltende Beliebtheit des Wahrsagens in der Moderne sieht er nicht im Bedurfnis, Wissen uber die Zukunft zu erlangen, sondern in der sozialen Funktion der Beziehung zwischen dem Wahrsager und seinem Orientierung suchenden Kunden. Der Kunde suche in unruhigen und unbestandigen Zeiten trostlichen menschlichen Kontakt. Eine Vorhersage sei niemals neutral, sondern es gehe um die Thematisierung von Absichten, Wunschen und Befurchtungen des Kunden und um einen Anstoß zum Ergreifen von Maßnahmen. Die Vorhersage impliziere stets eine Anweisung zum Handeln, sie sei untrennbar mit den Schritten verknupft, zu denen sie fuhre. Einer Vorhersage, die ?hilft, erleichtert, beruhigt und zum Handeln anregt“, komme die Funktion einer Therapie zu.
[10]
Ahnlich urteilt der Religionshistoriker
Walter Burkert
. Er meint, der ?Gewinn an Lebensmut, den die ?Zeichen‘ als Entscheidungshilfe einbringen“, sei ?so betrachtlich, dass gelegentliche
Falsifizierung
durch Erfahrung dagegen nicht aufkommt“
[11]
, und kommt zum Ergebnis, dass ?die Entscheidungshilfe, die Starkung des Selbstvertrauens wichtiger ist als eigentliches Vorherwissen“
[12]
.
In den Hochkulturen des
Alten Orients
wurde Wahrsagung insbesondere im Auftrag der Herrscher praktiziert. Zahlreiche Quellen aus
Mesopotamien
uberliefern eine Fulle von Einzelheiten. Das wichtigste Verfahren war die schon um die Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. inschriftlich bezeugte
Eingeweideschau
. Dabei wurde meist aus der Beschaffenheit der Leber eines geschlachteten
Opfertiers
auf den Willen der Gotter und den zu erwartenden Ausgang eines Vorhabens geschlossen. Der Erkenntniswert der verwendeten Wahrsagemethoden wurde unterschiedlich eingeschatzt, das Prinzip als solches aber nicht angefochten.
[13]
Im antiken Griechenland waren besonders die Vogelschau (Deutung des Vogelflugs, Ornithomantie), die
Leberschau
(Hepatomantie), die Traumdeutung und das Orakelwesen verbreitet. An den beruhmten Orakelstatten wurden Orakelspruche als Antworten auf den Gottern gestellte Fragen verkundet. Oft enthielten die Orakelspruche keine klaren Aussagen uber Zukunftiges, sondern ratselhaft formulierte Auskunfte oder Anweisungen, die unterschiedlich interpretierbar waren.
[14]
Im
Romischen Reich
gehorten ebenfalls Vogelschau
(augurium)
und Eingeweideschau zu den wichtigsten Methoden, sie wurden von Staats wegen praktiziert. Bezweckt wurde damit nicht ein direkter Blick in die Zukunft, sondern die Beantwortung der Frage, ob die Gotter mit einem politischen oder militarischen Vorhaben einverstanden waren und dieses daher als aussichtsreich gelten konnte.
[15]
Neben dieser staatlichen Wahrsagung, die von Priesterkollegien betrieben wurde, gab es die private zur Erkundung kunftiger Schicksale einzelner Individuen. Die von berufsmaßigen Wahrsagern betriebene Wahrsagung außerhalb staatlicher Institutionen war den romischen Behorden suspekt. Vielen Personen kundigten Wahrsager die Erlangung der Kaiserwurde an, was vom regierenden Herrscher als Subversion aufgefasst wurde. Die unerwunschten Folgen politisch relevanter Divination ? darunter Voraussagen uber den Tod des Kaisers ? fuhrten dazu, dass das Wahrsagen durch die Gesetzgebung reglementiert und eingeschrankt oder verboten wurde.
[16]
Gegen die Wahrsagung erhob sich in der Antike heftige und verbreitete Kritik. Von fundamentaler Ablehnung erzahlt schon
Homer
.
[17]
Jedoch kommen bei Homer haufig Orakel vor, welche in Erfullung gehen, so in der
Odyssee
(9.504), wo der Kyklop
Polyphem
zugibt, dass ihm einst von einem Seher geweissagt worden sei, dass ihn Odysseus blenden werde. In Philosophenkreisen wurde die Vorstellung einer voraussagbaren Zukunft aus grundsatzlichen Erwagungen problematisiert und teils radikal abgelehnt. Gegner des Wahrsagens waren insbesondere die
Kyniker
[18]
, die
Skeptiker
und die
Epikureer
sowie viele
Peripatetiker
und
Cicero
[19]
. Abgesehen von grundsatzlichen philosophischen Einwanden entzundete sich die Kritik an der Unzuverlassigkeit der Vorhersagen
[20]
und vor allem an den kommerziellen Interessen der berufsmaßigen Wahrsager
[21]
, die als Scharlatane angegriffen wurden. Auch die bewusste Produktion von angeblichen Vorzeichen zum Zweck der Manipulation wurde thematisiert.
[22]
Schriftsteller wie der
Satiriker
Lukian von Samosata
griffen die Skepsis auf und verarbeiteten die Kritik an Betrug und Leichtglaubigkeit literarisch. In der
griechischen Komodie
wurden Wahrsager als geldgierige Betruger verspottet, ihr politischer Einfluss wurde als kriegstreiberisch und verhangnisvoll angeprangert.
[23]
Die christliche Kirche betrachtete die biblische Prophetie als authentische, gottlich legitimierte Ubermittlung von Wissen uber die Zukunft. Der Anspruch der Wahrsager, Kunftiges voraussagen zu konnen, stieß aber bei den antiken
Kirchenvatern
auf radikale Ablehnung. Sie sahen darin eine Anmaßung, einen menschlichen Ubergriff in eine Gott vorbehaltene Sphare. Außerdem hing das Wahrsagewesen mit der alten griechischen und
romischen Religion
zusammen, die den Christen verhasst war, und galt als Teufelswerk. Im Verlauf der
Christianisierung
des Romischen Reichs im 4. Jahrhundert kam es zu scharfen gesetzlichen Wahrsageverboten. Auch
spatantike
Konzilien
verhangten Verbote. Allerdings war das staatliche Einschreiten gegen die Wahrsagung in der Spatantike kein ausschließlich religioses Anliegen christlicher Herrscher, sondern die Maßnahmen setzten auch eine restriktive Politik fort, die schon der christenfeindliche Kaiser
Diokletian
eingeleitet hatte.
[24]
Die haufige Wiederholung der Verbote lasst erkennen, dass sie die gewunschte Wirkung nur teilweise erzielten und das Thema aktuell blieb.
[25]
Im Mittelalter und in der
Fruhen Neuzeit
war die Wahrsagung weit verbreitet. Von kirchlichen Behorden und manchen theologischen Autoritaten wurde sie weiterhin bekampft und zuruckgedrangt,
[26]
doch fand sie unter den mittelalterlichen Philosophen und Theologen auch Verteidiger. Im spateren Mittelalter gewannen Wahrsager nicht nur an Furstenhofen, sondern auch im kirchlichen Raum betrachtlichen Einfluss. Manche Herrscher, darunter Kaiser
Friedrich II.
, beschaftigten Hofastrologen. Ab dem 14. Jahrhundert waren Astrologen sogar an der papstlichen
Kurie
tatig, in der
Renaissance
ließen sich Papste und Kardinale astrologisch beraten.
[27]
Außerdem gab es seit der Antike christliche Formen des Voraussagens, die in kirchlichen Kreisen akzeptiert waren und insbesondere in der
Hagiographie
breiten Raum einnahmen. Oft wurde Heiligen die Fahigkeit zugeschrieben, dank gottlicher Eingebung Kunftiges (beispielsweise einen Todesfall) vorauszusehen. Die reichhaltige mittelalterliche
Visionsliteratur
berichtete uber gottliche Offenbarungen, die oft auch Voraussagen enthielten. Eine teils philosophisch, teils physikalisch oder historisch argumentierende Kritik an den Zukunftsvoraussagen nahm ab dem Ende des 16. Jahrhunderts zu und erganzte die traditionelle religios motivierte Kritik, rief aber auch eine Fulle von Gegenschriften hervor.
[28]
Ab 1820 kamen in der westlichen Zivilisation dokumentierte Konstruktionen von
Wahrsageautomaten
auf.
[29]
Diese Automaten suggerieren, in der Regel gegen Geldeinwurf, die Zukunft vorhersagen zu konnen.
Am ublichsten war die Ausgabe der Prophezeiung als Text auf einem Kartchen. Besonders beliebt waren die Automaten um die 1930er in den USA,
[30]
doch auch in Deutschland waren Gerate aufgestellt.
[31]
Zu den erklarten Gegnern des Wahrsagens gehort die Katholische Kirche, die in ihrem
Katechismus
unter anderem festhalt:
?Samtliche Formen der Wahrsagerei sind zu verwerfen: Indienstnahme von
Satan
und
Damonen
,
Totenbeschworung
oder andere Handlungen, von denen man zu Unrecht annimmt, sie konnten die Zukunft ?entschleiern‘. Hinter
Horoskopen
, Astrologie, Handlesen, Deuten von Vorzeichen und Orakeln, Hellseherei und dem Befragen eines Mediums verbirgt sich der Wille zur Macht uber die Zeit, die Geschichte und letztlich uber die Menschen, sowie der Wunsch, sich die geheimen Machte geneigt zu machen. Dies widerspricht der mit liebender Ehrfurcht erfullten Hochachtung, die wir allein Gott schulden.“
?
Katechismus der Katholischen Kirche
[32]
Konzilianter ist die Haltung protestantischer Kirchen. Die Evangelische Informationsstelle sieht in der Inanspruchnahme von Wahrsagung die Befriedigung eines menschlichen Grundbedurfnisses, mit dem sich jede Religion zu befassen habe. Das Wahrsagen konne jedoch fur die evangelischen Landeskirchen kein Weg sein, weil diese Kirchen ?bewusst mit der rational-wissenschaftlichen Erfassung der Welt in Ubereinstimmung stehen“ wollen. Stattdessen wird empfohlen, ?sich der Ungewissheit der Zukunft zu stellen im Wissen, dass Gott die Glaubigen, egal wie das Kommende aussehen mag, nicht alleinlasst“.
[33]
Die
Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften
(GWUP) veroffentlicht alljahrlich einen ?Prognosencheck“, der auf einem
Blog
des Privatmanns Michael Kunkel basiert und in dem eine Reihe offentlich getroffener Vorhersagen von Astrologen, Wahrsagern und Hellsehern kommentiert werden.
[34]
Zu dem Umstand, dass Wahrsager sich großer Beliebtheit erfreuen und dass Klienten oft von verbluffenden ?Treffern“ berichten, wahrend in ?kontrollierten Experimenten keine uber den Zufall hinausgehenden Trefferquoten ermittelt werden konnten“, weist die GWUP auf die Erklarungsmuster des
Cold Readings
, des
Barnum-Effekts
und der
Selbsterfullenden Prophezeiung
hin.
[35]
Nach dem
Altorientalisten
Stefan Maul
war die grundlegende Einbeziehung des Wahrsagens und von
Orakeln
in okonomische, militarische und politische Entscheidungen ein wichtiger Faktor fur den uber zwei Jahrtausende anhaltenden Erfolg
Mesopotamiens
. Dabei sei allerdings entscheidend gewesen, welche
Frage
wie und zu welchem Zeitpunkt gestellt wurde.
[36]
Nachdem das berufsmaßige Wahrsagen in Deutschland, insbesondere in der
Zeit des Nationalsozialismus
, zunachst vielfach verboten war, wurde es 1965 durch das
Bundesverwaltungsgericht
der durch
Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG
grundrechtlich verburgten
Berufsfreiheit
zugeordnet und zugelassen. Dass das Wahrsagen aus ?weltanschaulichen, religiosen, wissenschaftlichen oder sonstigen Grunden umstritten ist und von einem Teil der Gesellschaft nicht als eine wirklich sinnvolle Arbeit und als ein Beitrag zur gesellschaftlichen Gesamtleistung gewertet“ werde, fuhre fur sich genommen nicht dazu, es schlechthin von der 1949 neu verburgten Berufsfreiheit ebenso auszuschließen wie die Betatigung als ?Berufsverbrecher“ oder die ?Ausubung der Gewerbsunzucht“.
[37]
[38]
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:
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Friedrich Kluge
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Etymologisches Worterbuch der deutschen Sprache
, 21. Auflage, Berlin 1975, S. 832, 850; Wolfgang Pfeifer:
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- ↑
Zum Analogiedenken siehe
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- ↑
Zu den weltanschaulichen Grundlagen siehe
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. In:
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Band 3, Metzler, Stuttgart 1997, Sp. 703?706; Francesca Rochberg:
The Heavenly Writing.
Cambridge 2004, S. 1?13; Michael A. Flower:
The Seer in Ancient Greece.
Berkeley 2008, S. 104?114.
- ↑
Zur antiken Diskussion uber diese Problematik siehe Francois Guillaumont:
Le De divinatione de Ciceron et les theories antiques de la divination.
Bruxelles 2006, S. 214?253.
- ↑
Georges Minois:
Geschichte der Zukunft
, Dusseldorf 1998, S. 712.
- ↑
Georges Minois:
Geschichte der Zukunft
, Dusseldorf 1998, S. 19f., 716.
- ↑
Walter Burkert:
Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche
, Stuttgart 1977, S. 181.
- ↑
Walter Burkert:
Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche
, Stuttgart 1977, S. 184.
- ↑
Stefan Maul:
Divination. I. Mesopotamien
. In:
Der neue Pauly
, Band 3, Stuttgart 1997, Sp. 703?706. Fur Einzelheiten der Wahrsagung bei den verschiedenen Volkern siehe
Manfried Dietrich
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Oswald Loretz
:
Mantik in Ugarit
, Munster 1990; Giovanni Pettinato:
Die Olwahrsagung bei den Babyloniern
, 2 Bande, Rom 1966;
Annelies Kammenhuber
:
Orakelpraxis, Traume und Vorzeichenschau bei den Hethitern
, Heidelberg 1976; Frederick H. Cryer:
Divination in Ancient Israel and its Near Eastern Environment
, Sheffield 1994; Ann Jeffers:
Magic and divination in ancient Palestine and Syria
, Leiden 1996; Willem H. Ph. Romer:
Zukunftsdeutungen in sumerischen Texten
. In:
Otto Kaiser
(Hrsg.):
Texte aus der Umwelt des Alten Testaments
, Bd. 2:
Orakel, Rituale, Bau- und Votivinschriften, Lieder und Gebete
, Gutersloh 1986?1991, S. 17?55; Rosel Pientka-Hinz:
Akkadische Texte des 2. und 1. Jahrtausends v. Chr. 1. Omina und Prophetien
. In:
Texte aus der Umwelt des Alten Testaments
, Neue Folge Band 4:
Omina, Orakel, Rituale und Beschworungen
, Gutersloh 2008, S. 16?60.
- ↑
Fur Einzelheiten siehe David E. Aune:
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, Grand Rapids 1983, S. 23?79;
Sarah Iles Johnston
:
Ancient Greek Divination
, Malden 2008, S. 125?143; zur offentlichen Inanspruchnahme von Orakeln Christian Oesterheld:
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, Gottingen 2008 (besonders S. 534?569 uber Orakel als Steuerungsinstanzen sozialen Handelns).
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Zur staatlichen Wahrsagung siehe Veit Rosenberger:
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, Stuttgart 1998, S. 46?71.
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Michael A. Flower:
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, Berkeley 2008, S. 133?135.
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:
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, Frankfurt 1988 (Edition mit Einleitung und Kommentar).
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Zur philosophischen Kritik siehe Friedrich Pfeffer:
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, Meisenheim 1976, S. 104?112; speziell zu Cicero Francois Guillaumont:
Le De divinatione de Ciceron et les theories antiques de la divination
, Bruxelles 2006, S. 214?354.
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Eine Fallstudie bietet Michael A. Flower:
The Seer in Ancient Greece
, Berkeley 2008, S. 114?119; vgl. S. 132, 138f.
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Michael A. Flower:
The Seer in Ancient Greece
, Berkeley 2008, S. 135f.
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Michael A. Flower:
The Seer in Ancient Greece
, Berkeley 2008, S. 175f.
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Nicholas D. Smith:
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Fur Einzelheiten siehe die ausfuhrliche Darstellung von
Marie Theres Fogen
:
Die Enteignung der Wahrsager. Studien zum kaiserlichen Wissensmonopol in der Spatantike
, Frankfurt am Main 1993, S. 11ff.
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Zur Haltung der antiken Christen siehe Pierre Courcelle:
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Reallexikon fur Antike und Christentum
, Band 3, Stuttgart 1957, Sp. 1235?1251, hier: 1241?1250; Jorg Hille:
Die Strafbarkeit der Mantik von der Antike bis zum fruhen Mittelalter
, Frankfurt 1979, S. 64?81.
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Zu den fruhmittelalterlichen Verhaltnissen siehe Jorg Hille:
Die Strafbarkeit der Mantik von der Antike bis zum fruhen Mittelalter
, Frankfurt 1979, S. 81?116.
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, Stuttgart 2005, S. 161?273.
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Zur mittelalterlichen und fruhneuzeitlichen Wahrsagung siehe Margarethe Ruff:
Zauberpraktiken als Lebenshilfe
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Klaus Bergdolt
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(Hrsg.):
Zukunftsvoraussagen in der Renaissance
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III: ?Du sollst neben mir keine anderen Gotter haben“
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Georg Otto Schmid 1995 bei
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Prognosencheck der GWUP fur 2011
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Inge Husgen, Wolfgang Hund:
Wahrsager
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Deutschlandfunk
, 5. April 2015,
Interview, mit
Stefan Maul
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?Eine Ohrfeige fur den modernen, aufgeklarten Menschen“
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BVerwG, Urt. v. 4. November 1965, Az. I C 6.63 = BVerwGE 22, 286
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Martin Rath:
Ruinenstadt Berlin verbietet esoterische Geschafte.
In:
Legal Tribune Online.
11. Oktober 2020,
abgerufen am 11. Oktober 2020
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