Mangelernahrung

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Klassifikation nach ICD-10
E40 Kwashiorkor
E41 Alimentarer Marasmus
E42 Kwashiorkor- Marasmus
E43 Nicht naher bezeichnete erhebliche Energie- und Eiweißmangelernahrung
E44 Energie- und Eiweißmangelernahrung maßigen (E44.0) und leichten (E44.1) Grades
E45 Entwicklungsverzogerung durch Energie- und Eiweißmangelernahrung
E46 Nicht naher bezeichnete Energie- und Eiweißmangelernahrung
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Mangelernahrung ist die Bezeichnung fur eine ungenugende oder falsch zusammengestellte Ernahrung , die im Gegensatz zur Diat nicht arztlich verordnet (indiziert) ist.

Bei der Mangelernahrung unterscheidet man grundsatzlich quantitative Form ( Unterernahrung ) und eine qualitative Form ( Fehlernahrung ), aber es gibt auch Mischformen, aufgrund von Nahrungsmittelunvertraglichkeiten oder konsumierenden Erkrankungen , die die Ernahrung erschweren.

Quantitative Mangelernahrung (Unterernahrung)

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Die quantitative Mangelernahrung (Unterernahrung) ist vor allem in den Entwicklungslandern weit verbreitet. Der Energiebedarf der Menschen wird durch die Nahrung nicht gedeckt. Unterernahrung kann, besonders im Kindesalter, zum Zuruckbleiben in der korperlichen und geistigen Entwicklung (Retardierung), zu schweren Krankheiten ( Dystrophie ) und im Extremfall zum Tod fuhren. Damit einhergehend leiden Betroffene meist unter Eiweiß- , Fett- , Vitamin- und Mineralstoffmangel .

Daneben kommt in den Industrielandern haufig Unterernahrung durch Essstorungen ( Anorexia nervosa , Bulimia nervosa , Orthorexie ) vor. Auch altere, allein lebende Menschen und Patienten in Alten- und Pflegeheimen sowie Obdachlose sind gefahrdet.

Jorg Baten , Dorothee Crayen und Hans-Joachim Voth [1] analysierten die Langzeitfolgen von Mangelernahrung und fanden 2014 nicht nur Hinweise auf Auswirkungen auf die kognitiven (Rechen-)Fahigkeiten, sondern auch auf die spateren Beschaftigungsmoglichkeiten der Betroffenen.

Qualitative Mangelernahrung (Fehlernahrung)

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Die qualitative Mangelernahrung (Fehlernahrung) bedeutet eine Unterversorgung mit Vitaminen - und Mineralstoffen . Bei Kindern erfolgt eine verzogerte korperliche und geistige Entwicklung, die irreparabel sein kann. Haufig essen Fehlernahrte zu wenig Obst und Gemuse (enthalt Vitamine), Milchprodukte (enthalten Calcium ), Seefisch (enthalt Jod ) und Vollkornbrot, Hulsenfruchte und Kartoffeln (enthalten Ballaststoffe ). Besonders bequeme Menschen oder solche unter Zeitdruck neigen zu Fehlernahrung mit Dosen- oder Fertiggerichten und verzichten hiermit auf ausgewogene Ernahrung, wenn sie fehlende Nahrungsbestandteile nicht anderweitig ausgleichen. Fehlernahrung kann zu haufigen Infekten (Schnupfen, Erkaltungen usw.), zu Verstopfung, zu Jodmangel und Knochenentkalkung ( Osteoporose ) fuhren. Fehlernahrung kommt außer in Entwicklungslandern auch haufig in Alten- und Pflegeheimen sowie bei allein lebenden Menschen ( Singles ), bei Obdachlosen und sonstiger sozialer Armut vor.

Ebenfalls zur Fehlernahrung gehort die Dehydratation , also der unzureichende Flussigkeitsausgleich bei krankheitsbedingtem oder durch Korperausdunstungen (z. B. beim Schwitzen) zustande gekommenen Flussigkeitsverlust. Eine Dehydratation kann zum Schlaganfall oder zu Blutarmut und damit zum Tode fuhren, darum ist es wichtig, rechtzeitig gegenzusteuern.

Interventionsmoglichkeiten

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Voraussetzungen

Der von Mangelernahrung Betroffene muss der Intervention zustimmen. Fur Kunstliche Ernahrung bei Hungerstreik und Demenz [2] mussen rechtliche Regeln beachtet werden. [3]

Intervention bei Mangelernahrung durch fehlende Nahrung erfolgt in Entwicklungslandern und Katastrophengebieten durch Hilfsprogramme wie das Welternahrungsprogramm der Vereinten Nationen . [4]

Intervention bei Fehlernahrung kann durch Schulung und Aufklarung der Betroffenen und im Falle von Heimen und Pflegeeinrichtungen des Pflegepersonals/der Heimleitung uber das Missverhaltnis zwischen Nahrstoffzufuhr und Nahrstoffbedarf entgegengewirkt werden. [5]

Kriterien

Als Faustformel gelten der Body-Mass-Index und die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft fur Ernahrungsmedizin (DGEM): Bei der Flussigkeitszufuhr kann man sich nach folgenden Leitlinien richten: Der tagliche Normalbedarf eines Menschen betragt 25 ml/kg. In sudlichen Landern bzw. bei Leistungssportlern sind jeweils 5 ml/kg zusatzlich zu veranschlagen. [5]

Neben einer besseren Ernahrung mit ausreichend Zufuhr von Energie (Brennwert), Vitaminen und Mineralstoffen (Mengen- und Spurenelemente) zeigte eine Studie an Kindern in Malawi, dass eine zusatzliche antibiotische Therapie die Gewichtszunahme verbessert und die Mortalitat senkt. [6]

Zu den Risikogruppen zahlen vor allem Arme, alte Menschen und Kinder.

Arme

Armut erhoht das Risiko von Mangelernahrung. [7]

Alte

Mangelernahrung kann bei alten Menschen auf verschiedene Ursachen zuruckgehen. Zum einen lassen im Alter der Geschmacks- und der Geruchssinn nach, so dass die Betroffenen oft weniger Appetit verspuren. Daruber hinaus senken wenig Bewegung, wenig frische Luft und ein abnehmendes Durstempfinden das Hungergefuhl. Vor allem aber konnen auch Erkrankungen und Medikamente den Appetit maßgeblich beeintrachtigen. [8] Die Betroffenen geraten so leicht in einen Teufelskreis: aufgrund von Erkrankungen essen sie weniger, wodurch dem Korper Nahrstoffe fehlen. Dadurch wiederum steigt dann die Anfalligkeit fur Krankheiten. [9]

Kinder

Bei Kindern stellt sich eine Mangelernahrung schnell ein, weil sie uber sehr kleine Protein- und Energievorrate verfugen. Ein Kind mit 10 kg Korpergewicht verbraucht beispielsweise ein Drittel seiner Proteinvorrate in funf Tagen. Bei einem Erwachsenen ist der gleiche Anteil hingegen erst nach 21 Tagen aufgebraucht. [10] Im Falle einer Erkrankung, wahrend der die Nahrstoffzufuhr reduziert oder unterbrochen wird, kann der Ausfall an Nahrstoffen also nur bedingt und uber einen vergleichsweise kurzen Zeitraum mit den Korperreserven kompensiert werden. [11] Eine Mangelernahrung von Schwangeren, Sauglingen und Kleinkindern ist besonders problematisch, da in den ersten Jahren die Grundlagen fur die Gesundheit, das Wachstum und die neurologische Entwicklung uber die gesamte Lebensspanne hinweg geschaffen werden. [12] [13]

Mangelernahrung in Europa

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Schatzungen zufolge besteht bei funf Prozent der Bevolkerung in Europa die Gefahr einer Mangelernahrung. Wesentlich hohere Zahlen wurden wiederholt aus verschiedenen Pflegesituation gemeldet, insbesondere bei alteren Menschen, von denen mindestens 10 Prozent von Mangelernahrung betroffen oder gefahrdet sind. Die durch Mangelernahrung verursachten Kosten in Europa wurden im Jahr 2009 auf mindestens 170 Milliarden Euro jahrlich geschatzt. [14]

Verschiedene Studien aus mehreren europaischen Landern haben die Haufigkeit von Mangelernahrung von Patienten bei der Aufnahme (Inzidenz) ins Krankenhaus oder wahrend des Aufenthalts dort (Pravalenz) untersucht. Ein im Jahr 2009 durchgefuhrtes Review, das Studien mit Daten von insgesamt 60.000 Patienten ausgewertet hat, ergab als gewichtetes Mittel 21 Prozent fur die Inzidenz-Studien und 37 Prozent fur die Pravalenz-Studien. Hinsichtlich der unterschiedlichen Zahlen ist zu beachten, dass in den beiden Datensatzen weder die gleichen Patientengruppen noch die gleichen Methoden verwendet wurden. [15]

Mangelernahrung in den USA

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Nach Angaben des Economic Research Service des USDA litten im Jahr 2022 in den USA 12,8 Prozent der Haushalte (17,0 Millionen) unter Ernahrungsunsicherheit, d. h. sie hatten zu manchen Zeiten des Jahres Schwierigkeiten, alle Haushaltsangehorigen ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen, weil sie nicht uber genugend finanzielle Mittel verfugten. In diesen Haushalten leben schatzungsweise 44,2 Millionen Menschen. In diese Zahlen eingeschlossen sind die 6,8 Millionen Haushalte (5,1 Prozent aller Haushalte) mit einer sehr geringen sehr Ernahrungssicherheit, wo die Haushalte angaben, regelmaßig Mahlzeiten auszulassen oder die Nahrungsaufnahme zu reduzieren, weil sie sich nicht mehr Lebensmittel leisten konnten. [16]  

Unter den Haushalten mit Kindern waren 8,8 Prozent (3,3 Millionen Haushalte) zeitweise von Ernahrungsunsicherheit betroffen. Diese Haushalte waren zeitweise nicht in der Lage, ihren Kindern ausreichend nahrhafte Lebensmittel zur Verfugung zu stellen. In diesen Haushalten leben 7,3 Millionen Kinder. In 381.000 Haushalten waren neben den Erwachsenen auch Kinder von einer sehr geringen Ernahrungssicherheit betroffen. Diese Haushalte berichteten, dass die Kinder hungrig waren, eine Mahlzeit ausließen oder einen ganzen Tag lang nichts aßen, weil nicht genug Geld fur Lebensmittel vorhanden war. In diesen Haushalten leben 1,1 Prozent aller Kinder (783.000) in den USA. [17]

  • Maria Magdalena Schreier, Sabine Bartholomeyczik: Mangelernahrung bei alten und pflegebedurftigen Menschen: Ursachen und Pravention aus pflegerischer Perspektive. Schlutersche, Hannover 2004, ISBN 3-89993-110-6 .
  • J. M. Bauer, R. Wirth, D. Volker, C. Sieber: Malnutrition, Sarkopenie und Kachexie im Alter ? Von der Pathophysiologie zur Therapie. In: Deutsche Medizinische Wochenschrift. Band 133, 2008, S. 305?310.

Einzelnachweise

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  1. Jorg Baten, Dorothee Crayen, Hans-Joachim Voth: Numeracy and the impact of high food prices in industrializing Britain, 1780?1850. In: Review of Economics and Statistics. 96.3, 2014, S. 418?430.
  2. Zwangsbehandlung und Zwangsernahrung in der stationaren Altenhilfe? Abgerufen am 29. Juni 2016 .
  3. Zwangsernahrung unter juristischen Aspekten. Archiviert vom Original am 29. Juni 2016 ; abgerufen am 29. Juni 2016 .
  4. Hans-Jurgen Hassler, Christian von Heusinger: Kultur gegen Krieg, Wissenschaft fur den Frieden . Hrsg.: Konigshausen u. Neumann. Wurzburg, ISBN 3-88479-401-9 . darin H. Ziegert, Hamburg, ?Entwicklungs-Hilfe“ ? Motive, Programme und Realitat S. 115 f.
  5. a b Fachportal fur Pflegeberufe Flussigkeitsbedarf berechnen. Abgerufen am 27. Juni 2016 .
  6. I. Trehan, H. S. Goldbach, L. N. LaGrone, G. J. Meuli, R. J. Wang, K. M. Maleta, M. J. Manary: Antibiotics as Part of the Management of Severe Acute Malnutrition. In: N Engl J Med. 2013; 368, S. 425?435.
  7. Stephanie H. Lehmkuhler: Die Gießener Ernahrungsstudie uber das Ernahrungsverhalten von Armutshaushalten (GESA) : qualitative Fallstudien. Dissertation, 24. September 2002, urn : nbn:de:hebis:26-opus-8252
  8. Maria Magdalena Schreier, Sabine Bartholomeyczik: Mangelernahrung bei alten und pflegebedurftigen Menschen. Ursachen und Pravention aus pflegerischer Perspektive . Hannover 2004, S. 32?49.
  9. Umfassende und wirksame Bekampfung der Fehlernahrung in Deutschland. Abgerufen am 27. Juni 2016 .
  10. Ist mein Kind unterversorgt? Nutrini.de, abgerufen am 16. Dezember 2015
  11. Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland ? RKI. Abgerufen am 27. Juni 2016 .
  12. Kathrin Gießelmann: Fruhkindliche Ernahrung: Die ersten 1000 Tage entscheiden. Deutsches Arzteblatt, 28. Oktober 2016, abgerufen am 11. September 2021 .
  13. Anthony Lake: The first 1,000 days of a child's life are the most important to their development - and our economic success. In: weforum.org. 14. Januar 2017, abgerufen am 11. September 2021 (englisch).
  14. Ljungqvist, O.; de Man, F.: Under nutrition - a major health problem in Europe . In: Nutricion hospitalaria . Band   24 , Nr.   3 , 2009, S.   369–370 .
  15. Kondrup, Jens; Sorensen, Janice M.: The magnitude of the problem of malnutrition in Europe . In: The Economic, Medical/Scientifi c and Regulatory Aspects of Clinical Nutrition Practice: What Impacts What? Band   12 , 2009, S.   1–14 .
  16. USDA Economic Research Service: Food Security Status of U.S. Households in 2022. Abgerufen am 18. Februar 2024 .
  17. USDA Economic Research Service: Food Security Status of U.S. Households with Children in 2022. Abgerufen am 18. Februar 2024 .
Wiktionary: Mangelernahrung  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen