Macbeth (Verdi)

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Werkdaten
Titel: Macbeth

Theaterzettel der Urauffuhrung, 1847

Originalsprache: Italienisch (1847) ? Franzosisch (1865)
Musik: Giuseppe Verdi
Libretto : Francesco Maria Piave und Andrea Maffei
Literarische Vorlage: Macbeth von Shakespeare
Urauffuhrung: 1) 14. Marz 1847

2) 21. April 1865

Ort der Urauffuhrung: 1) Teatro della Pergola Florenz

2) Theatre-Lyrique Paris

Spieldauer: ca. 2 ¾ Stunden
Ort und Zeit der Handlung: Schottland, 11. Jahrhundert
Personen

Schreibweise der Erstfassung; hinter dem Schragstrich ggf. die Schreibweise der Zweitfassung von 1865

  • Duncano/Duncan, Konig von Schottland (stumme Rolle)
  • Macbeth, General in Konig Duncanos Armee ( Bariton )
  • Banco/Banquo General in Konig Duncanos Armee ( Bass )
  • Lady Macbeth, Gattin des Macbeth, (dramatischer Sopran )
  • Dame der Lady Macbeth ( Mezzosopran )
  • Macduff, schottischer Adliger, Lord of Fife ( Tenor )
  • Malcolm, Duncanos Sohn (Tenor)
  • Fleanzio/Fleance, Bancos Sohn (stumme Rolle)
  • Arzt (Bass)
  • Diener Macbeths (Bass)
  • Sicario, Morder (Bass)
  • Aroldo, Herold (Bass)
  • drei Erscheinungen (Bariton, Sopran, Sopran)
  • Ecate/Hecate, Gottin der Nacht (stumme Rolle)
  • Hexen, Gesandte des Konigs, schottische Adlige und Fluchtlinge, Morder, englische Soldaten, Barden ( Chor )
  • Hexen und Luftgeister (Ballett)

Macbeth ist eine Oper in vier Akten von Giuseppe Verdi . Das Libretto wurde von Francesco Maria Piave und Andrea Maffei nach dem Drama Macbeth von William Shakespeare geschrieben. In der Urauffuhrung am 14. Marz 1847 im Teatro della Pergola in Florenz sangen Felice Varesi die Titelrolle und Marianna Barbieri-Nini die Partie der Lady. [1] [2] Eine revidierte Fassung wurde am 21. April 1865 im Theatre-Lyrique in Paris uraufgefuhrt, mit Jean-Vital Ismael als Macbeth und Agnes Rey-Balla als Lady. [3]

Birgit Nilsson als Lady Macbeth, 1947

Die Handlung spielt im Schottland des 11. Jahrhunderts. Sie beginnt mit der ersten Prophezeiung der Hexen und endet mit dem Tod Macbeths durch Macduff und der Thronbesteigung Malcolms . Im Hinblick auf den historischen schottischen Konig entspricht diese Zeitspanne seiner Regierungszeit von 1040 bis 1057. Sie erscheint in der Opernhandlung jedoch auf knapp drei Monate verkurzt, weil nur der Anfang und das Ende seiner Herrschaft thematisiert werden.

Erstes Bild: Ein Wald

Die Feldherren Macbeth und Banco kehren von einer siegreichen Schlacht zuruck. Hexen weissagen, dass Macbeth Than von Cawdor und Konig, Banco aber Vater von Konigen sein werde. Boten verkunden, der Konig habe Macbeth zum Than von Cawdor erhoben. Beide Feldherren ergreift ein Schauder.

Zweites Bild: Macbeths Schloss

Lady Macbeth liest einen Brief ihres Gatten, in dem dieser die Ereignisse und die Ankunft des Konigs mitteilt. Macbeth selbst trifft ein, er ist dem Konig, der heute bei ihm ubernachten will, vorausgeeilt. Die machthungrige Lady kann ihren Mann uberreden, den Konig, der gerade mit seinem Gefolge das Schloss betritt, in der Nacht zu ermorden, um die Weissagung der Hexen zu befordern. Nachdem Macbeth die Tat vollbracht hat, farbt Lady Macbeth die Kleider der Wachen mit Blut, um den Verdacht auf sie zu lenken. Als der Mord entdeckt wird, sind alle entsetzt und verfluchen den Tater.

Erstes Bild: Zimmer in Macbeths Schloss

Macbeth ist Konig geworden, doch die Prophezeiung, dass sein Thron Bancos Erben zufallen wird, lasst ihn nicht zur Ruhe kommen. Er beschließt, Banco und dessen Sohn Fleanzio ermorden zu lassen.

Zweites Bild: Ein Park in der Nahe des Schlosses

Der Anschlag gelingt nur unvollstandig. Wahrend die Morder Banco toten, kann Fleanzio in der Dunkelheit entkommen.

Drittes Bild: Glanzender Saal

Bancos Tod durch einen Morder wird dem Konig gemeldet, der an demselben Abend ein glanzendes Fest gibt. Heuchlerisch bedauert Macbeth Bancos Fehlen. Als er sich an dessen Platz begeben mochte, erscheint ihm der Geist des Toten. Der entsetzte Konig ist fassungslos und muss durch seine Gattin beruhigt werden. Schaudernd entfernen sich die Gaste.

Eine Hohle

Macbeth befragt noch einmal die Hexen nach der Zukunft und seinem Schicksal. Diese warnen ihn vor Macduff, doch der Konig beruhigt sich schnell, als er erfahrt, dass ihn niemand uberwinde, den ein Weib geboren hat, und seine Herrschaft erst dann wanke, wenn der Wald von Birnam gegen ihn vorrucke. Lady Macbeth kann den Konig leicht dazu uberreden, Macduff, seine Familie und andere Feinde zu vernichten.

Erstes Bild: Ode Grenze zwischen Schottland und England

Macduff ist entkommen und hat sich an der Grenze von Schottland mit Malcolms Truppen vereinigt. Er schwort Macbeth, der seine Kinder toten ließ, bittere Rache. Malcolm befiehlt, dass jeder seiner Soldaten beim Angriff auf Macbeth einen Ast aus dem Wald von Birnam als Tarnung vor sich hertragen solle.

Zweites Bild: Macbeths Schloss

Arzt und Kammerfrau warten spat in der Nacht auf die Konigin, die ihr boses Gewissen wahnsinnig werden ließ. Auch an diesem Abend erscheint sie nachtwandelnd und irre redend, gesteht den entsetzten Lauschern ihre Taten und stirbt.

Drittes Bild: Saal in der Burg

Macbeth lasst der Tod seiner Frau gleichgultig, er gerat aber außer sich, als gemeldet wird, dass der Wald von Birnam gegen ihn anrucke.

Viertes Bild: Eine Ebene, von Hugeln und Waldern umgeben

Auf dem Schlachtfeld begegnet der Konig Macduff und erfahrt, dass dieser nicht geboren, sondern aus dem Mutterleib geschnitten wurde. Macbeths Schicksal erfullt sich, er fallt im Zweikampf. Macduff und die Krieger grußen Malcolm, den neuen Konig.

Verdi: Macbeth ? Erster Akt, zweites Bild ? Illustration zur Auffuhrung von 1865 im Theatre-Lyrique

Erster Akt

  • Nr. 1. Preludio
  • Nr. 2. Introduktion
    • Chor: Che faceste? Dite su! (Hexen)
    • Szene: Giorno non vidi mai si fiero e bello! (Macbeth, Banco, Hexen, Boten)
    • Duett: Due vaticini compiuti or sono… (Macbeth, Banco)
    • Chor: S’allontanarono! ? N’accozzeremo (Hexen)
  • Nr. 3. Cavatine Lady Macbeth
    • Szene: Nel di della vittoria io le incontrai… (Lady)
    • Cavatina: Vieni! t’affretta! (Lady)
    • Tempo di mezzo: Al cader della sera il re qui giunge (Servo, Lady)
    • Cabaletta: Or tutti sorgete, ministri infernali (Lady)
  • Nr. 4. Rezitativ und Marcia
    • Szene: Oh donna mia! ? Caudore! (Macbeth, Lady)
    • Marsch
  • Nr. 5. Große Szene und Duett
    • Große Szene: Sappia la sposa mia (Macbeth, Lady)
    • Duett: Fatal mia donna! un murmure (Macbeth, Lady)
    • Tempo di mezzo: Allor questa voce m’intesi nel petto (Macbeth, Lady)
    • Cabaletta: Vieni altrove! ogni sospetto (Lady, Macbeth)
  • Nr. 6. Finale I
    • Szene: Di destarlo per tempo il re m’impose (Macduff, Banco, Lady, Macbeth)
    • Sextett: Schiudi, inferno, la bocca, ed inghiotti (Macduff, Banco, Lady, Macbeth, Malcolm, Dame, Chor)

Zweiter Akt

  • Nr. 7. Szene und Arie Lady Macbeth
    • Szene: Perche mi sfuggi, e fiso (Lady, Macbeth)
    • Arie: La luce langue… il faro spegnesi (Lady)
  • Nr. 8. Chor und Szene Bancos
    • Chor: Chi v’impose unirvi a noi? (Morder)
    • Szene: Studia il passo, o mio figlio!… (Banco)
    • Adagio: Come dal ciel precipita (Banco)
  • Nr. 9. Convito, Vision, Finale II
    • Convito: Salve, o re! ? Voi pur salvete (Chor, Macbeth, Lady)
    • Brindisi: Si colmi il calice (Lady, Chor)
    • Tempo di mezzo: Tu di sangue hai brutto il volto (Macbeth, Morder)
    • Apparizione und Brindisi: Che ti scosta, o re mio sposo (Lady, Macbeth, Chor)
    • Quartett: Sangue a me quell’ombra chiede (Macbeth, Lady, Macduff, Dame, Chor)

Dritter Akt

  • Nr. 10. Introduktion
    • Chor: Tre volte miagola la gatta in fregola (Hexen)
  • Nr. 11. Ballo
  • Nr. 12. Szene und Finale III
    • Szene: Finche appelli, silenti m’attendete (Macbeth, Hexen, Vision)
    • Szene: Fuggi, regal fantasima (Macbeth, Hexen)
    • Chor und Tanz: Ondine e Silfidi (Hexen)
    • Szene: Ove son io?… Svaniro!… (Macbeth, Lady)
    • Duett: Ora di morte e di vendetta (Macbeth, Lady)

Vierter Akt

  • Nr. 13. Introduktion
    • Chor: Patria oppressa! il dolce nome (Fluchtlinge)
  • Nr. 14. Szene und Arie Macduff
    • Szene: O figli, o figli miei! (Macduff)
    • Arie: Ah, la paterna mano (Macduff)
    • Tempo di mezzo: Dove siam? che bosco e quello? (Malcolm, Macduff, Chor)
    • Cabaletta: La patria tradita (Macduff, Malcolm, Chor)
  • Nr. 15. Schlafwandelszene Lady Macbeth
    • Rezitativ: Vegliammo invan due notti (Arzt, Dienerin)
    • Szene: Una macchia e qui tuttora… (Lady, Dienerin, Arzt)
  • Nr. 16. Szene und Finale IV
    • Szene: Perfidi! All’anglo contro me v’unite! (Macbeth)
    • Arie: Pieta, rispetto, amore (Macbeth)
    • Szene: Ella e morta! (Dame, Macbeth, Chor)
    • Szene: Via le fronde, e mano all’armi! (Malcolm, Soldaten, Macduff)
    • Szene: Carnefice de’ figli miei, t’ho giunto (Macduff, Macbeth)
    • Finale: Vittoria! Vittoria! (Macduff, Malcolm, Soldaten, Volk)

Instrumentierung

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Die Orchesterbesetzung der Oper enthalt die folgenden Instrumente: [4]

Das Libretto der ersten Fassung folgt, wo immer es geht, der literarischen Vorlage. Aber ?die komplizierte Handlungsfuhrung der Vorlage wurde geopfert und in wenige ?operntaugliche‘ Tableaus zusammengefasst“. [5] Neben deutlichen Kurzungen (Shakespeares erster und zweiter Akt werden bei Verdi im ersten Akt zusammengefasst) bzw. Streichungen ganzer Szenen (z. B. halb-komische Szene mit dem Pfortner, Szene von Lady Macduff mit ihrem Sohn usw.) fallt vor allem die andere Akzentsetzung auf: Die Rolle der Lady ist aufgewertet, sie ist prasenter, ihre Wirkung dramatischer. ?Viele Satze, die Macbeth bei Shakespeare spricht, werden bei Verdi von Lady Macbeth ubernommen (z. B. Bankettszene). Shakespeare beschreibt die Uberlegungen und den gedanklichen Prozess, der zur Tat fuhrt, wahrend Verdi sein Gewicht auf die nachtragliche Erfahrung setzte. Bei Shakespeare ist Macbeth Stifter des Bosen und gleichzeitig das Opfer, bei Verdi liegen die entscheidenden Motoren fur das Handeln bei Lady Macbeth und den Hexen, also außerhalb von Macbeth. Dies ist auch der Grund, wieso Verdi im dritten Akt in der zweiten Fassung die Hexen aufgewertet hat“ [6] und im ersten Akt eine zusatzliche Hexenszene einfugte.

Zweite Fassung von 1865

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In der zweiten, (zunachst) franzosischen Fassung aus dem Jahre 1865 uberarbeitete Verdi einige Nummern. So fugte er im ersten Akt einen Hexenchor ein und ersetzte im zweiten Akt die Cabaletta der Lady durch die Arie ?La luce langue“. Im dritten Akt kommt neu das Ballett, welches er aufgrund der Gepflogenheiten der Pariser Opera einfuhren musste, hinzu. Der Akt endet mit dem Duett Lady/Macbeth ?Ora di morte e di vendetta“ anstelle der Cabaletta ?Vada in fiamme!“ des Macbeth. Im vierten Akt komponierte Verdi den Eroffnungschor neu und stellte die Orchestration der Schlachtszene um. Den Monolog des sterbenden Macbeth ersetzte er durch die Siegeshymne ?Salve, o re!“ des Chores.

Macbeth ist die zehnte der 26 Opern Verdis, außerdem die zweite von sieben Literaturopern (vier nach Friedrich Schiller , drei nach William Shakespeare), und ihre Entstehung fallt in das Jahrzehnt, das Verdi als seine ?Galeerenzeit“ bezeichnet hat, in der er noch um kunstlerische Anerkennung kampfen und personliche Schicksalsschlage verkraften musste. Um die Bedeutung von Macbeth wurdigen zu konnen, gilt es, sich die zeitgenossische Oper vor Augen zu fuhren. In Italien beherrschte in den zehner bis in die funfziger Jahre hinein die Belcanto -Oper die Szene (Rossini, Bellini, Donizetti, fruher Verdi). Dieses Opernkonzept zielte auf die Gesangssolisten mit ihrem schonen, gefuhlsgeladenen oder leidenschaftlichen Gesang. Das Orchester hatte meist Begleitfunktion, die nicht sehr komplizierte Handlung konzentrierte sich auf ein Dreiecksverhaltnis, in der eine Figur als Storfaktor gegenuber zwei Liebenden auftritt (Modell: Sopran und Tenor lieben sich und Bariton/Bass tritt als Storfigur auf). Die Handlung wurde seit Rossini zunehmend in einer Reihe von Buhnenbildern organisiert, die jeweils als ?tableau vivant“ [7] (lebendes Bild) musikalisch groß angelegte Szenen nach einer von Rossini entwickelten standardisierten Struktur ( solita forma , wortlich ?ubliche Form“) waren. Eingeleitet wird das (meist ?Szene [8] und Arie/Duett“ genannte) Tableau durch ein Handlungsmoment, das musikalisch rezitativisch mit ariosen Momenten (bei großerer formaler Strenge, wenn es nicht rezitativisch gestaltet ist: tempo d’attacco) oder dramatischen Akzenten gestaltet ist. Danach folgt ein langsamerer Abschnitt, das so genannte Cantabile, danach wieder eine kleine szenische Phase (tempo di mezzo), deren neue Information den Anlass gibt fur den nun folgenden schnellen Abschnitt, die so genannte Cabaletta (in Arien und Duetten, evtl. weiteren Ensembles) bzw. Stretta (großformatig angelegte Aktfinali sowie Introduktionen). Die kurzen szenischen Phasen schaffen als Handlungsgerust den jeweiligen Anlass fur das, um was es in der Belcanto-Oper eigentlich nur geht: das ausdrucksvolle Aussingen von Gefuhlen und Leidenschaften in ?schonem Gesang“; in den Worten von Carl Dahlhaus besteht diese ?Opernformel“ ?in dem Nebeneinander sich ubersturzender […] Ereignisse einerseits und Augenblicken der lyrischen oder martialischen Emphase andererseits“. [7] Variationen entstanden durch kleinschrittigere szenische Einschube oder Chorunterstutzung als Multiplikator fur Jubel oder Entsetzen.

?Verdi schrieb diese Oper nach sechs Monaten von forcierten Ruheferien. Diese Oper war Verdis Versuch, sich von den auf Rossini zuruckgehenden Konventionen zu trennen. Die Neuerungen betrafen die Anlage der Szenen, die Disposition des Ganzen, die Tonartendisposition und die subtile Instrumentation. Die Handlung ist auf dem dramatischen Kern konzentriert.“

? Jolanda Giardiello : Giuseppe Verdi: Macbeth. Eine Analyse [6]

Macbeth ist eine der wenigen Opern, die keine Liebeshandlung hat, sondern von Machtgier und ihren Konsequenzen bestimmt wird. Damit fehlt die wichtigste Grundlage des Belcanto-Konzepts. Dennoch zeigt der Aufbau von Macbeth, dass Verdi dieses Konzept nicht grundsatzlich infrage stellt, insofern er an der Tableau-Struktur festhalt, sie nach innen jedoch gravierend verandert. So erfahren gleich zu Anfang des ersten Akts Macbeth und Banco ihre Aufstiegsprognosen durch eingestreute Prophezeiungen der Hexen, die jeweils den Dialog der beiden Kampfgefahrten unterbrechen. Als dann ein Gesandter gleich darauf Macbeths Beforderung mitteilt, verarbeiten er und Banco im folgenden Duett jeder ?fur sich“ und ? sotto voce “ das uber sie hereingebrochene Geschehen. Der erste, charakteristische Eindruck, den Lady Macbeth bei ihrem ersten Auftritt im ersten Akt hinterlasst, ist, dass sie ?die ganze, die ungeteilte Macht, im Grunde ausschließlich fur sich“ will, ?und Macbeth soll ihr dabei nur helfen“. [5] Verdi bemuht sich um eine genaue Charakterzeichnung der Lady und legt den (Szene und Kavatine genannten) siebenminutigen Auftritt kleinschrittig an: Instrumentale Einleitung: gibt als Vorwegnahme die innere Erregung der Lady wieder. Melodram: sie liest den Brief ihres Gatten und erfahrt von den Prophezeiungen und dem Aufstieg. Rezitativ: sie gesteht sich ihren Ehrgeiz ein und akzeptiert fur sich, dass man ohne Verbrechen nicht an die Macht kommt. Kavatine (1. Teil, Andantino, 6/8, Des-Dur): sie will Macbeth Mut zur kuhnen Tat machen, er soll herrschen. Botenbericht: unterbricht die Kavatine mit der Ankundigung der nahen Ankunft des Konigs und Macbeths. Rezitativ: wieder allein bittet sie die ?ministri infernali“ (Diener der Holle) um Hilfe bei dem Mord, der fur sie hier schon klar ist. Kavatine (2. Teil, Allegro maestoso, 4/4, E-Dur): sie beschwort die Nacht, den Mord zu verhullen. ?Dass Shakespeares Macbeth allein den Entschluss fasst, Banco beseitigen zu lassen, passte Verdi nicht ins Konzept. Bei ihm trifft die Lady alle Entscheidungen, sie ist zweifellos die Hauptperson der Oper. Sie ist ihrem schwachlichen Gatten nicht nur in jeder gemeinsamen Aktion an Willenskraft und Ausstrahlung uberlegen, sondern sie erhalt auch ofter als er Gelegenheit, ihr damonisches Inneres im Monolog auszubreiten, namlich in Cavatina, Arie, Trinklied und Nachtwandlerszene, wobei sie sich in den ersten drei Fallen derart leidenschaftlich außert, dass sie den stummen, emotionslosen Wahnsinn der Shakespeare-Figur vergessen lasst. Verdi hatte die Oper nach ihr benennen sollen.“ [9]

Nach dem Marsch (Duncanos Ankunft) ist die ?Große Szene und Duett“ fein gestuft angelegt und zeigt in uber zehn Minuten noch mehr Tempo-, Takt- und Tonartwechsel. In einem uber dreiminutigen Rezitativ mit sieben Tempowechseln fuhlt Macbeth die Notwendigkeit des Mordes, aber zugleich die Tatsache, dass er der Aufgabe nicht gewachsen ist. Er geht schließlich in Duncanos Zimmer (Instrumentalmusik, Mord im Hintergrund) und kommt vollig verstort und gegen die Absprache mit dem blutigen Dolch noch in der Hand wieder heraus, wo er auf die Lady trifft. Das nachfolgende Duett wird immer wieder durch Ausbruche (Rezitative) Macbeths unterbrochen, wahrend die Lady ihm Mut zuspricht und den Dolch in das Zimmer des Konigs bringt, womit sie ab jetzt auch handelnd die beherrschende Figur und treibende Kraft ist.

Der Anfang des zweiten Aktes (Szene und Arie, 6 Minuten) beginnt mit einem Rezitativ (6/8, f-Moll), in dem Macbeth und seine Frau sich der Notwendigkeit des Mordes an Banco und seinen Kindern vergewissern, um diesen Teil der Hexenprophezeiung zu unterlaufen. Dabei entfahrt ihr schon der Ausruf ?O volutta del soglio“ (O Wollust der Macht). In der anschließenden Arie (Allegro, 3/4, e-Moll), die sie als Monolog singt und die uberwiegend aus Ausrufen besteht, bekraftigt Lady Macbeth noch mal die Notwendigkeit des Verbrechens: ?Nuovo delitto! E’ necessario!“ (Ein neues Verbrechen! Es muss sein!), um sich anschließend ?con trasporto“ (mit Begeisterung) Allmachtsfantasien hinzugeben (Allegro vivo, E-Dur): ?O scettro, alfin sei mio! / Ogni mortal desio / Tace e s’acquieta in te.“ (O Szepter, endlich bist du mein! / Jedes irdische Verlangen / verstummt und wird durch dich gestillt.). ?Sie ist die Inkarnation des Bosen, die andere, destruktive Seite ihres Mannes, die weiß, um ein Wort Jacob Burckhardts zu zitieren, ?dass Macht an sich bose ist’, auch, wie Lord Acton formuliert hat: dass ?Macht korrumpiert, absolute Macht absolut korrumpiert’, und die deshalb bereit ist, um der ganzen und ungeteilten Macht Willen sich hinsichtlich der Mittel des Machterwerbs nicht eben zimperlich zu zeigen. die Innenseite einer entmoralisierten Aggressionsbereitschaft kehrt sich nach außen, um im immer erneuten Anlauf das einmal definierte Ziel zu realisieren.“ [5]

Im Finale des zweiten Aktes (Bankettszene) erweist sich Lady Macbeth als umtriebige Managerin der guten Feststimmung. Ihr spritziges Brindisi (Trinklied), das nicht bei Shakespeare zu finden ist, schafft die Gemeinschaft des Feierns (die Gaste stimmen ein), das Brindisi wird allerdings unterbrochen durch das Auftreten von Bancos Mordern, die den Teilerfolg melden (Banco ist tot, sein Sohn entkommen) und das zweimalige Erscheinen von Bancos Geist, den nur Macbeth wahrnehmen kann. Als er fassungslos und wirr reagiert, gelingt es der Lady zunachst, die Situation zu uberspielen und die Feststimmung mithilfe des Brindisi wiederherzustellen. Auch hier baut Verdi die fast 16-minutige Szene wieder filigran mit zahlreichen Tempo-, Takt- und Tonartwechseln auf. Sie beginnt mit dem Allegro brillante der Festmelodie in F-Dur und landet in einem Largo in E-Dur (also genau daneben, wie ver-ruckt), in dem der Chor sein lahmendes Entsetzen ausdruckt und die Lady ihren Mann Feigling schimpft.

Erst am Ende der Oper, in der zwolfminutigen ?Großen Szene des Schlafwandelns “ (vierter Akt), ?nach den Morden am Konig und an Banco, nach dem peinigenden Auftritt des eigenen Gewissens als Erscheinung des Gemeuchelten, wird offenbar, dass auch die Lady von allem, was sie angerichtet hat, psychisch nicht unbeschadigt geblieben ist. Die Schuld meldet sich, wird sichtbar als Blut an ihren Handen, will nicht vergehen und lastet schwer, verstarkt den Druck so, dass die Lady vollstandig darunter zusammenbricht.“ [5] Im einleitenden Rezitativ (Largo, 2/4, f-Moll) beschreiben der Arzt und die Kammerzofe die ganz apathische Lady, die mit starren Augen dasitzt und sich standig die Hande reibt. In der langen Arie (Andante assai sostenuto, sotto voce, 4/4, Des-Dur), die immer wieder von den entsetzten Kommentaren des Arztes und der Kammerzofe unterbrochen wird, gestaltet Verdi den Verfall und Wahnsinn mithilfe eines freien Monologs, der keinem festen, vorgepragten Formschema folgt. Die Vortragsbezeichnung ?sotto voce“ (mit gedampfter Stimme) entruckt den Gesang in eine weltabgewandte, quasi autistische Sphare. ?Dazu kommt, dass viele Partien deklamatorisch sind, wodurch diese Partien eine große Sprachnahe aufweisen. Diese beiden Merkmale bei der Gestaltung der Melodie der Singstimme zeigen, dass es Verdi besonders auf die dramatische Aussage ankam und er zugunsten der realistischeren Wirkung zumeist auf ?bel canto’-Gesang verzichtete“. [10] Werner Oehlmann fasst die Figur der Lady [11] deshalb so auf: ?Ihr traumwandlerisches Stammeln deckt auf, was hinter der Fassade […] steht: Schwache, Schuldgefuhl, hoffnungslose Verlorenheit. Verdi hat hier die Chance erkannt und genutzt, die hier der Musik, der Sprache des Un- und Unterbewussten gegeben war; die Szene ist ein Meisterwerk der Seelenschilderung, eine Enthullung von Abgrunden, in die das Wort nicht abzutauchen vermag.“ [12]

Die Hexen sind neben dem Ehepaar Macbeth die dritte Kraft, die die Handlung vorantreibt. Ihre Weissagungen am Anfang des ersten Aktes und die zweideutigen Prophezeiungen im dritten Akt uben erheblichen Einfluss auf Macbeth aus, der sich ? auch unter dem Druck seiner Frau ? zum willfahrigen Vollstrecker der prophezeiten Umwalzungen macht, zumindest so wie er die Voraussagen auffasst. Bereits im Vorspiel erklingt jeweils ein Thema aus den beiden Akten: das spater vom Hexenchor gesungene (?Tre volte“ / Dreimal) Thema und das Fortethema bei den Erscheinungen im vollig neu konzipierten dritten Akt. Sie schaffen zunachst eine Atmosphare des Bizarren, Skurrilen (erster Akt), dann des Bedrohlichen, Machtigen (dritter Akt), ?gemeint ist hier der Einfluss des Ubernaturlichen bzw. der Macht des Bosen, die hinter den Erscheinungen steckt“. [13] Mit dem fur die zweite Fassung von 1866 neu komponierten Hexenchor [14] am Ende des ersten Bildes (vierter Auftritt) wertet Verdi die Hexen gegenuber Shakespeare um. ?Dramaturgisch ist diese Szene (I/4) Konsequenz einer bei Verdi vollig veranderten Position der Hexen: Sie stehen uber dem Schicksal Macbeths, begegnen Macbeth wissend und absichtsvoll und sind weder Reflexe noch ahnungslose Katalysatoren einer in diesem bereits angelegten Lust zur Macht und zur Vernichtung.“ [15]

?Die Florentiner Urauffuhrung vom 14. Marz 1847, die von Verdi selbst dirigiert wurde, wurde vom Publikum enthusiastisch aufgenommen. […] Verdi kummerte sich auch um die szenische Realisierung. Er legte Wert auf die historische Genauigkeit der Kostume und Buhnenbilder. Verdi strebte nach einem Gesamtkunstwerk. […] Die Kritik war eher zuruckhaltend, bemangelte das Fehlen einer Liebesszene. […] Trotzdem eroberte sie [die Oper] schnell die Buhnen der ganzen Welt. In den 1880er Jahren verschwand diese Oper aus der italienischen Szene und wurde praktisch bis 1931 nicht mehr aufgefuhrt. Heute gehort diese Oper zum traditionellen Verdi-Repertoire.“ [6] Dagegen bemerkt Knaurs Opernfuhrer, dass die Oper sowohl bei ihrer Urauffuhrung 1847 als auch in der Neufassung 1865 ?zwar nicht ablehnend, aber mit etwas unsicherer Zuruckhaltung aufgenommen wurde“. [16]

Macbeth ist vielfach auf Tontrager erschienen. Operadis nennt 127 Aufnahmen im Zeitraum von 1943 bis 2009. [17] Daher werden im Folgenden nur die in Fachzeitschriften, Opernfuhrern oder Ahnlichem besonders ausgezeichneten oder aus anderen Grunden nachvollziehbar erwahnenswerten Aufnahmen aufgefuhrt.

Einzelnachweise

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  1. S. 4 im Originallibretto von 1847 , online im Internet Archive
  2. Ada Zapperi: Barbieri, Marianna , in: Dizionario biografico degli Italiani , Vol. 6, 1964 (italienisch; Abruf am 21. August 2021)
  3. Anselm Gerhard, Uwe Schweikert (Hrg.): Verdi Handbuch , Metzler/Barenreiter, 2001, S. 357
  4. Kurt Malisch: Macbeth. In: Pipers Enzyklopadie des Musiktheaters. Band 6: Werke. Spontini ? Zumsteeg. Piper, Munchen / Zurich 1997, ISBN 3-492-02421-1 , S. 411.
  5. a b c d Materialmappe Macbeth des Landestheaters Detmold ( Memento vom 22. Dezember 2015 im Internet Archive ). Kapitel: Das Politische in Verdis ?Macbeth“
  6. a b c Giuseppe Verdi: Macbeth. Eine Analyse auf jolandanews.blogspot.de
  7. a b Carl Dahlhaus: ?Die Musik des 19. Jahrhunderts“ (Neues Handbuch der Musikwissenschaft, hrsg. von Carl Dahlhaus, Band 6), Wiesbaden und Laaber 1980, S. 170.
  8. Begriffsklarung: Der Ausdruck ?Szene“ ist tripeldeutig. Im Klavierauszug und der Inhaltsangabe oben meint er Handlungsort bzw. Buhnenbild, in Verdis Komposition der Musik meint er im Verein mit einer weiteren Form wie Arie, Duett, Marsch usw. eine geschlossene musikalische Einheit (das Tableau) und innerhalb all dessen findet sich im Libretto der Ausdruck im ursprunglichen Sinne, namlich als Auf- oder Abtritt von Figuren, die damit fur den weiteren Verlauf neue Figurenkonstellationen schaffen. So gibt es z. B. im ersten Akt zwei Bilder, wobei das zweite Bild eingeteilt ist in vier musikalische Einheiten (Szene und Kavatine, Szene und Marsch, Große Szene und Duett, Szene und Sextett ? erstes Finale) mit insgesamt 15 Auftritten (Szene 5?19).
  9. Materialmappe Macbeth des Landestheaters Detmold ( Memento vom 22. Dezember 2015 im Internet Archive ). Kapitel: Wahnsinn kennt keinen Gesang
  10. Melanie Kramer: Die ?Macbeth“-Opern von Giuseppe Verdi und Ernest Bloch, S. 104
  11. Eigentlich wollte Verdi fur diese Hauptrolle Sofia Loewe, die sich jedoch nach einer schweren Stimmkrise von der Buhne zuruckzog. Gegen den Willen Verdis sang Eugenia Tadolini die Erstauffuhrung in Neapel. Daher schrieb er in einem dem Brief an den Dirigenten Salvatore Cammarano vom 23. November 1848: ?… Die Tadolini hat eine schone und gute Figur, und ich mochte die Lady hasslich und bose. Die Tadolini singt vollkommen; ich aber mochte, dass die Lady nicht singt. Die Tadolini hat eine phantastische Stimme, klar, rein, kraftig; und ich mochte fur die Lady eine raue, erstickte, dumpfe Stimme. Die Stimme der Tadolini hat etwas Engelhaftes: ich mochte, dass die Stimme der Lady etwas Teuflisches hat.“ Das Zitat findet sich in allen Interpretationen, hier zitiert nach Errico Fresis: Verdis MACBETH ( Memento vom 28. Marz 2014 im Internet Archive ) auf fresis.org .
  12. Werner Oehlemann, Oper in vier Jahrhunderten, S. 578.
  13. Melanie Kramer: Die ?Macbeth“-Opern von Giuseppe Verdi und Ernest Bloch, S. 82
  14. Nicht nur bei der Textentstehung spielte Verdi die entscheidende Rolle, er sorgte sich genau so viel um die szenische Umsetzung. Eine der neuesten Buhnenerfindungen, die Phantasmagorie (ein Projektionsapparat nach dem Prinzip der Laterna Magica) sollte eingesetzt werden, der Intendant des Theaters sollte weder daran noch an der Anzahl der Hexen Kosten scheuen! Furs letztere verlangt Verdi 18 Damen, eine Anzahl, die damals offensichtlich sehr hoch war. Zitiert nach Errico Fresis: Verdis MACBETH ( Memento vom 28. Marz 2014 im Internet Archive )
  15. Markus Engelhardt : Die Chore in den fruhen Opern Giuseppe Verdis, S. 85.
  16. Knaurs Großer Opernfuhrer, S. 490.
  17. Diskographie auf Operadis
  18. a b c d e f Andreas Ommer : Verzeichnis aller Operngesamtaufnahmen. Zeno.org , Band 20.
  19. a b c Harenberg Opernfuhrer. 4. Auflage. Meyers Lexikonverlag, 2003, ISBN 3-411-76107-5 , S. 955.
  20. a b c Recommended recordings of Verdi’s Macbeth auf gramophone.co.uk , abgerufen am 25. April 2016.