Lothar (Frankreich)

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Buste von Lothar

Lothar (* Ende 941 ; † 2. Marz 986 in Laon ; franzosisch Lothaire ), Konig des westfrankischen Reichs (954?986), war der Sohn Ludwigs IV. des Uberseeischen und der Gerberga , Tochter des ostfrankischen Konigs Heinrich I. Er stammte aus dem Konigsgeschlecht der Karolinger , das damals im Ostfrankenreich bereits ausgestorben war und sich im Westfrankenreich nur mit großer Muhe als Dynastie an der Macht halten konnte.

Erste Regierungsphase in außerem Frieden

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Nach dem Unfalltod seines Vaters, Konig Ludwigs IV., wurde der dreizehnjahrige Lothar auf Betreiben seiner Mutter Gerberga und ihrer drei Geschwister ( Otto I. der Große , Herzogin Hadwig von Franzien und Erzbischof Brun von Koln) zum Konig gewahlt und am 12. November 954 in Reims von Erzbischof Artold von Reims geweiht und gekront. Sein erst einjahriger Bruder Karl , der spatere Herzog von Niederlothringen , wurde dabei ubergangen. Der Herzog von Franzien, Hadwigs Gatte Hugo der Große aus dem einflussreichen Adelsgeschlecht der Robertiner , der damals die westfrankische Politik dominierte, erhielt fur seine Zustimmung weitreichende Konzessionen: Lothar verlieh ihm nach der Kronung die Herzogtumer Aquitanien und Burgund , was auf die Entrechtung von deren Herzogen hinauslief, die damit zu Vasallen Hugos heruntergestuft wurden. Dies bedeutete eine einzigartige Sonderstellung fur den ohnehin bereits sehr machtigen Robertiner. Das Vorhaben gluckte nur in Burgund, wo Hugo seine Lehnshoheit durchsetzen konnte. 955 blieb ein Feldzug Lothars und Hugos gegen den Herzog von Aquitanien, Wilhelm III. Werghaupt , trotz eines militarischen Teilerfolgs politisch ergebnislos.

Als Hugo der Große 956 starb, trat Gerberga als Regentin in den Vordergrund; sie handelte im Einvernehmen mit ihrer Schwester Hadwig, der Mutter von Hugo Capet , und ihrem Bruder Erzbischof Brun von Koln, der zugleich Herzog von Lothringen war. Brun war faktisch Mitregent im Westfrankenreich und griff dort auch bei Bedarf militarisch ein. Lothars jungerer Bruder Karl lebte am Hof; als er heranwuchs, kam es zu Spannungen, da ihm vom Erbe seines Vaters nichts zugekommen war. Diese Phase war durch ein enges Einvernehmen zwischen den im Ostfrankenreich herrschenden Ottonen und den westfrankischen Karolingern gekennzeichnet. Dabei fiel Otto dem Großen eine dominierende Position zu, die er noch festigte, indem er seine Stieftochter Emma mit Lothar verheiratete. Hugo Capet wurde erst 960 von Lothar zum Herzog von Franzien erhoben und trat damit in die Stellung seines vier Jahre zuvor verstorbenen Vaters ein. Otto der Große konnte als Onkel sowohl Lothars als auch Hugo Capets seiner traditionellen Politik folgen, die auf einen Ausgleich und ein Gleichgewicht zwischen Karolingern und Robertinern ausgerichtet war.

Konflikt mit Otto II.

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Nachdem Brun 965 und Gerberga 969 gestorben waren, konnte Lothar beginnen, eine eigenstandige Politik zu treiben, und nach dem Tod Ottos des Großen (973) kam es zu einem volligen außenpolitischen Kurswechsel. Das Einvernehmen mit den Ottonen zerbrach, und der neue Herrscher im Osten, Otto II. , wurde zum politischen und militarischen Gegenspieler Lothars, wahrend der traditionelle Gegensatz zwischen Karolingern und Robertinern in den Hintergrund ruckte.

Schon Lothars Großvater Karl III. der Einfaltige und sein Vater Ludwig IV. hatten mit unterschiedlichem Erfolg versucht, im regnum Lotharii ( Lotharingien ), dem Ursprungsland ihrer Dynastie, den ostfrankischen Einfluss zuruckzudrangen und das Gebiet fur ihr Reich zuruckzugewinnen, wobei sie auch zu den Waffen griffen. Den Ausgangspunkt der Konflikte zur Zeit Konig Lothars bildete der Streit um die Grafschaft Hennegau , die zum Herzogtum Lothringen gehorte, das damals der Hoheit des ostfrankischen Reichs unterstand. Herzog Brun hatte den Grafen Reginar III. Langhals geschlagen und im Jahr 958 verbannt; Reginars damals noch unmundige Sohne Reginar IV. und Lambert I. bußten dadurch ihr Erbrecht ein und flohen ins Westfrankenreich. Als sie herangewachsen waren, versuchten sie ab 973, sobald Otto der Große nicht mehr am Leben war, ihre Erbguter gewaltsam wiederzuerlangen. Fur dieses Anliegen fanden sie am Hof Lothars und im westfrankischen Adel breite und tatkraftige Unterstutzung. Ein erster Angriff auf den Hennegau verlief zunachst erfolgreich, wurde dann aber von Otto II. personlich zuruckgeschlagen; an einem zweiten im Jahr 976, der die volle Unterstutzung des westfrankischen Hofes hatte, beteiligten sich Gefolgsleute Hugo Capets und sogar Karl, der jungere Bruder Konig Lothars, so dass der Feldzug wie ein gemeinsames Unternehmen der westfrankischen Fuhrungsschicht erschien. Die Invasionsstreitmacht erlitt jedoch bei Mons eine Niederlage.

Danach gelang es Otto II., den Konflikt durch geschicktes Nachgeben zu entscharfen; er gab im Mai 977 Reginar und Lambert ihre Erbguter mit Ausnahme von Mons zuruck. Uberdies konnte er sogar Karl auf seine Seite hinuberziehen. Der ehrgeizige Konigssohn Karl war weiterhin ohne eigenen Herrschaftsraum; er zerstritt sich mit seinem Bruder, Konig Lothar, dessen Frau Emma er des Ehebruchs mit Bischof Adalbero von Laon beschuldigte. Lothar reagierte auf den Skandal, indem er Karl des Landes verwies. Otto II. nahm den Verbannten auf und belehnte ihn mit dem Herzogtum Niederlothringen (dem nordlichen Teil des Herzogtums Lothringen). So brachte er es fertig, den traditionellen Anspruch der Karolinger auf Lothringen teilweise zu befriedigen und zugleich dort einen Feind des Westfrankenkonigs zu installieren. Lothar wertete dies als feindlichen Akt und unternahm 978, unterstutzt von Hugo Capet, einen Uberraschungsangriff auf Aachen , um Otto gefangen zu nehmen, der sich dort nichtsahnend aufhielt. Der Handstreich missgluckte nur knapp; Otto musste mit seiner schwangeren Gemahlin Theophanu hastig nach Koln fliehen. Nach der Einnahme Aachens wurde die alte Kaiserpfalz geplundert und Lothar ließ den auf ihrem Dach angebrachten Adler, der nach Westen gerichtet stand, nach Osten drehen, um seine Uberlegenheit und seinen Herrschaftsanspruch augenfallig zu demonstrieren. [1] Daruber hinaus vermochte er jedoch nichts auszurichten; er zog sich wieder zuruck und entließ sein Heer.

Lothars Handstreich war nicht nur gescheitert, sondern fuhrte zu einem massiven Gegenschlag Ottos, der ? um sich propagandistisch von der Hinterlist seines Widersachers abzusetzen ? seinen Gegenangriff auf Lothars Reich fur den 1. Oktober formlich ankundigte. Auf einer Reichsversammlung in Dortmund wurde ein entsprechender Beschluss gefasst und der Feldzug begann planmaßig. Die westfrankische Seite ließ es nicht auf eine Feldschlacht ankommen. Das Invasionsheer konnte zwar die Pfalzen Attigny und Compiegne einnehmen und in Brand stecken und auch die Stadt Laon erobern, scheiterte aber bei der Belagerung von Paris, das von Hugo Capet verteidigt wurde. Der Wintereinbruch und Krankheiten zwangen das ottonische Heer zum Ruckzug, und beim Ubergang uber die Aisne wurde Ottos Nachhut von Lothar angegriffen und geschlagen. Lothars Bruder Karl von Niederlothringen hatte an dem Feldzug auf Ottos Seite teilgenommen; der Plan, ihn zum Gegenkonig zu erheben, scheiterte jedoch an mangelnder Resonanz im Westfrankenreich. Im Mai 980 trafen sich Lothar und Otto an der Grenze in Margut-sur-Chiers und schlossen Frieden; Lothar musste auf Lothringen verzichten.

Der Verlauf dieses Krieges wird von manchen Historikern als wichtige Etappe auf dem Weg zur Entstehung Deutschlands und Frankreichs angesehen, weil sich im Westfrankenreich anscheinend ein deutliches quasi ?nationales“ Zusammengehorigkeitsgefuhl zeigte, im Gegensatz zu den traditionellen, durch personliches Machtstreben der Adligen veranlassten Allianzbildungen quer uber die Reichsgrenzen hinweg. Wahrend fruher gewohnlich die ostfrankische Seite entweder mit rebellischen Vasallen des westfrankischen Herrschers verbundet war oder im Einvernehmen mit dem Westfrankenkonig gegen dessen innere Widersacher vorging, trug diesmal der westfrankische Adel die Kriegspolitik seines Herrschers einhellig mit. Es ist davon auszugehen, dass dieser Konflikt zur Auspragung eines eigenstandigen Identitatsbewusstseins im Westfrankenreich beigetragen hat, doch ist strittig, in welchem Ausmaß dies der Fall war. Eine Ausnahme bildete das Verhalten Karls von Niederlothringen, der im herkommlichen Stil aus personlichem Ehrgeiz die Front wechselte.

Letzte Regierungsphase (983?986)

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Nach dem 983 eingetretenen Tod Ottos II. nahm Lothar seine aggressive Ostpolitik wieder auf. Er besetzte 984 Verdun , einen wichtigen Handelsplatz, und unterstutzte eine ostfrankische Adelsopposition gegen Ottos minderjahrigen Nachfolger Otto III. Zwar musste er zunachst einem Gegenangriff des Grafen Gottfried von Verdun und des Herzogs Dietrich I. von Oberlothringen weichen, doch gelang es ihm im Marz 985, Verdun erneut zu erobern und Gottfried und Dietrich gefangen zu nehmen. Mitten in der Planung neuer Unternehmungen zur Expansion nach Osten starb Lothar, erst vierundvierzigjahrig, am 2. Marz 986 nach kurzer Krankheit. Er wurde in Reims in der Basilika Saint-Remi beerdigt.

Seine Nachfolge hatte Lothar gesichert, indem er bereits am 8. Juni 979 seinen noch minderjahrigen Sohn Ludwig V. zum Mitkonig erheben ließ. Sein Versuch, in Aquitanien ein Unterkonigtum fur Ludwig einzurichten, blieb aber erfolglos.

Lothar war seit Anfang 966 mit Emma von Arles (* wohl 948; † 12. Oktober eines unbekannten Jahres nach 988) verheiratet, der Tochter von Konig Lothar II. von Italien und Adelheid von Burgund . Mit ihr hatte er zwei Kinder:

Außerdem hatte Lothar uneheliche Kinder, darunter:

  • Walther Kienast : Deutschland und Frankreich in der Kaiserzeit (900?1270) (= Monographien zur Geschichte des Mittelalters. Bd. 9,1) Teil 1, Hiersemann, Stuttgart 1974. ISBN 3-7772-7428-3
  • Ferdinand Lot : Les derniers Carolingiens: Lothaire, Louis V, Charles de Lorraine (954?991) (= Bibliotheque des Hautes Etudes. Bd. 87). Bouillon, Paris 1891 (veraltete, aber sehr grundliche Untersuchung eines hervorragenden Gelehrten)
  • Carlrichard Bruhl : Die Geburt zweier Volker: Deutsche und Franzosen (9.?11. Jahrhundert). Bohlau, Koln u. a. 2001, ISBN 3-412-13300-0
  • Karl Ferdinand Werner : Vom Frankenreich zur Entfaltung Deutschlands und Frankreichs. Thorbecke, Sigmaringen 1984, ISBN 3-7995-7027-6
  1. Richer von Reims , Historiae 4,71 online .
Vorganger Amt Nachfolger
Ludwig IV. der Uberseeische Konig des Westfrankenreichs
954?986
Ludwig V.