Die
Liebknecht-Luxemburg-Demonstration
ist eine jahrliche politische
Großdemonstration
zum Gedenken an die am 15. Januar 1919 ermordeten revolutionaren
Sozialisten
Karl Liebknecht
und
Rosa Luxemburg
. Sie findet jahrlich um das Datum ihres Todestages, am zweiten Januarwochenende, in
Berlin
statt und verlauft in der Regel vom
Frankfurter Tor
bis zur
Gedenkstatte der Sozialisten
auf dem
Zentralfriedhof Friedrichsfelde
.
Dieses jahrliche Gedenken wurde in der
Weimarer Republik
von 1919 bis 1933 praktiziert. Nach Verbot und Zerstorung der Gedenkstatte durch das
NS-Regime
wurde es ab 1946 in der
Sowjetischen Besatzungszone
, ab 1949 in der
DDR
als zentrale staatliche Veranstaltung fortgesetzt und propagiert. Seit der
Wiedervereinigung Deutschlands
1990 demonstrieren verschiedene Gruppen der
politischen Linken
an jenem traditionellen Gedenktag.
Seit seinem Tod (21. Januar 1924) bezog die
KPD
auch
Lenin
in das Gedenken ein und nannte es
Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Demonstration
. Diese oder eine ahnliche Bezeichnung (abgekurzt
LLL-Demonstration
) verwenden auch manche Demonstrationsteilnehmer seit 1990.
Die Demonstration entwickelte sich in der Weimarer Republik aus Gedenkveranstaltungen fur die Opfer des
Spartakusaufstands
(5. bis 12. Januar 1919). Der Berliner Magistrat verweigerte der KPD, diese Toten auf dem historischen
Friedhof der Marzgefallenen
in
Berlin-Friedrichshain
zu bestatten, und wies ihr stattdessen einen hinteren Bereich auf dem abgelegenen Friedhof Berlin-Friedrichsfelde zu. Dieser war fur gewohnliche Kriminelle vorgesehen und wurde ?Verbrecherecke“ genannt.
[1]
Die
USPD
und KPD organisierten dort eine gemeinsame Begrabnisfeier, durch die aus diesem Friedhofsbereich ein dauerhafter ?Wallfahrtsort“ entstand.
[2]
Am 25. Januar 1919 wurden 33 der Toten, darunter Karl Liebknecht, dort beerdigt. An dem Trauerzug nahmen uber 100.000 Menschen teil. Fur Rosa Luxemburg wurde neben Liebknechts Grab ein leerer Sarg beigesetzt, da ihre Leiche noch nicht aufgefunden worden war.
[3]
Am 1. Juni 1919 wurde ihre Leiche im Berliner Landwehrkanal gefunden. Am 13. Juni wurde sie nachtraglich in Friedrichsfelde beerdigt. Ein ?gewaltiger Trauerzug“ von Friedrichshain aus bildete sich. Weil der Friedhof die Menge nicht aufnehmen konnte, wurde eine begrenzte Zahl Eintrittskarten fur die Beisetzung ausgegeben.
[4]
Nach seinem Tod am 21. Januar 1924 bezog die KPD auch Lenin als Revolutionar und Begrunder der
Sowjetunion
in diese Ehrung ein.
[5]
Dabei stellte sie seinen Namen an die erste Stelle (
Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Demonstration
), weil er fur sie hohere Bedeutung hatte.
[6]
Seit 1926 veranstaltete die KPD Mitte Januar in Friedrichsfelde eine jahrliche
Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Feier
.
[7]
Diese war zentraler Teil der von der KPD in Deutschland organisierten
LLL-Wochen
.
[8]
Am 13. Juni 1926, dem Jahrestag der Beerdigung Rosa Luxemburgs, weihte die KPD das von
Ludwig Mies van der Rohe
geschaffene
Revolutionsdenkmal
fur die ermordeten Sozialisten auf dem Friedhof Friedrichsfelde ein. Es bestand aus mit roten Ziegeln verkleideten Betonblocken, trug den
Sowjetstern
mit
Hammer und Sichel
und die rote Fahne. Eingraviert waren das von Rosa Luxemburg ubernommene Zitat
Ferdinand Freiligraths
uber die Revolution ?Ich war, ich bin, ich werde sein“ und der Satz ?Den toten Helden der Revolution“.
[5]
[9]
1930 verbot Preußens Polizeiprasident
Karl Zorgiebel
die Berliner LLL-Feier. Die Polizei verhaftete und misshandelte viele Teilnehmer. 1932 legte die KPD-Fuhrung den Vorrang Lenins im Namen der Demonstration und in Rede-Formularen fur KPD-Bezirke fest. Damit bestimmte und vereinnahmte sie das Gedenken an die getoteten Sozialisten parteipolitisch und ideologisch im Sinne des von
Josef Stalin
und der
Komintern
festgelegten
Marxismus-Leninismus
. Die KPD organisierte LLL-Demonstrationen auch in vielen anderen Stadten Deutschlands und benutzte Originalzitate Liebknechts und Luxemburgs zur Agitation fur die
Sozialfaschismusthese
, die sie damals von Stalin ubernommen hatte.
[10]
Die KPD-Zeitung
Die Rote Fahne
beschrieb die haufigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizeikraften als Beleg fur eine revolutionare Stoßrichtung dieser Gedenkfeiern.
[11]
Bei der vorlaufig letzten Gedenkfeier am 17. Januar 1933 proklamierte sie einen ?Angriff“ von sechs Millionen
[12]
mit den Waffen des Leninismus bewaffneten Kommunisten inmitten einer Welt des Krieges, der reaktionaren Krafte und des faschistischen Berlin. Das ?rote Berlin“ habe seine Toten geehrt, indem es Provokateure der
SA
in die Flucht geschlagen habe.
[13]
Das seit 30. Januar 1933 herrschende
NS-Regime
nahm alle Teilnehmer der Demonstration vom 17. Januar 1933 fest und verhorte sie. Im Februar 1933 beschadigten
Nationalsozialisten
das Denkmal schwer. 1934 beschloss das NS-Regime, die Gedenkstatte in Friedrichsfelde vollstandig zu zerstoren.
[5]
Im Januar 1935 wurde der Beschluss ausgefuhrt.
[14]
Kommunisten und Antifaschisten im In- und Ausland setzten das traditionelle Gedenken fort.
Bertolt Brecht
und
Hanns Eisler
nahmen am 17. Januar 1936 an einer von deutschen Emigranten organisierten LLL-Feier in
New York City
teil, fur die Brecht die Kantate
Ein Soldat weist nach, daß Lenin gestorben ist
schrieb.
[15]
Der tschechische Autor
Julius Fu?ik
veroffentlichte 1942 in der kommunistischen Zeitung
Rude pravo
im deutsch besetzten
Prag
einen Leitartikel zur LLL-Feier und wurde kurz darauf von den Nationalsozialisten verhaftet.
[16]
Exilierte Kommunisten und Antifaschisten organisierten eine LLL-Feier am 17. Januar 1942 in
Mexiko-Stadt
.
[17]
Inhaftierte Angehorige der verbotenen KPD organisierten 1943 im Arbeitslager Gyrenbad (
Bad Urach
) eine illegale LLL-Feier.
[18]
Seit dem 13. Januar 1946 fanden wieder jahrliche Demonstrationen zu Ehren von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg statt. Die erste 1946 war Teil der damaligen Kampagne der KPD zur
Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED
.
[19]
Spater wurden sie als gemeinsame ?Gedachtniskundgebung der SPD und KPD fur Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg“ bezeichnet.
[20]
Der KPD-Vorsitzende
Wilhelm Pieck
hielt die Gedenkrede vor einer provisorischen Nachbildung des fruheren Denkmals.
[3]
Zudem organisierte die KPD in mehreren weiteren deutschen Stadten ?Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Feiern“, darunter Leipzig (27. Januar; zusammen mit der SPD)
[21]
, Dresden (21. Januar, ebenfalls mit der SPD)
[22]
und Dortmund.
[23]
Damit knupfte sie an die LLL-Feiern in der Weimarer Republik an.
[24]
Seit 1947 organisierte die
Sozialistische Einheitspartei Deutschlands
(SED) die jahrliche Massendemonstration in Friedrichsfelde. 1951 weihte der Prasident der DDR Wilhelm Pieck das neue Denkmal am Eingang des Friedhofs ein.
[25]
[26]
Die neue Gedenkstatte sollte die Vereinigung von KPD und SPD als historische Lehre aus dem Scheitern der Weimarer Republik darstellen und die politische Macht der SED symbolisieren.
Die Aufschrift ?Die Toten mahnen uns“ auf dem Gedenkstein forderte Disziplinierung, um die SED-Ziele durchzusetzen. Sie wurde von Jahr zu Jahr mit wechselnden politischen Forderungen verknupft. So richtete die SED die Mahnung der Toten 1952 gegen die
Wiederbewaffnung
der Bundesrepublik, 1961 gegen
Konrad Adenauer
,
Franz Josef Strauß
,
Fritz Erler
und
Willy Brandt
, 1971 fur den Bund mit der
KPdSU
.
[27]
Dazu gab sie entsprechende Parolen aus.
[28]
Seit 1955 nannte die SED die Gedenkfeier ?Kampfdemonstration der Berliner Werktatigen zum Gedenken an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg“
[29]
[30]
[31]
Seit 1955 nahmen auch paramilitarische ?
Kampfgruppen der Arbeiterklasse
“ daran teil.
[32]
Ihre Parade bildete fortan den Abschluss und Hohepunkt der jahrlichen Gedenkfeiern. Dabei knupfte die DDR-Fuhrung an die Tradition des
Roten Frontkampferbundes
in der Weimarer Republik an. Indem sie das Gedenken an Liebknecht und Luxemburg als ?heroisch konnotierten Totenkult“ inszenierte, erinnerte und verpflichtete sie die Arbeitermilizen, die Gesellschaftsordnung der DDR unter Einsatz ihres Lebens zu schutzen.
[33]
Die Demonstration fand zunachst zwischen dem
U- und S-Bahnhof Frankfurter Allee
und der Gedenkstatte Friedrichsfelde statt, spater begann sie bereits am
U-Bahnhof Frankfurter Tor
. An der Spitze des Zuges ging das gesamte
Politburo der SED
mit dem Generalsekretar. Am Ziel nahm die Staats- und Parteispitze die Platze auf einer Ehrentribune ein, an der dann uber hunderttausend Menschen aus Berliner Betrieben vorbeiliefen. Die Zuschauer waren vor allem aus Abordnungen von Berliner Betrieben, Schulen und weiteren Organisationen zusammengesetzt. Die Standorte der einzelnen Betriebsgruppen wurden vorher festgelegt. Zu den Aufmarschen gehorte bis etwa 1980 die Mitfuhrung außerordentlich großer Fotos der Mitglieder der Parteispitze. Danach wurde nur noch das Bild von Partei- und Staatschef
Erich Honecker
mitgefuhrt.
[34]
Durch ihre minutiose behordliche Organisation und die verordnete, weitgehend unfreiwillige Teilnahme wurde die Demonstration immer mehr zur asthetischen Hulle, die bei den Beteiligten keine echte Begeisterung erzeugte.
[35]
Die Teilnehmerzahlen wurden danach durch den ZK-Sekretar fur Agitation Joachim Herrmann festgelegt.
?Joachim Herrmann fragte uns Journalisten, wie lange die Demonstration im vergangenen Jahr gedauert und wie viele Burger daran teilgenommen hatten. Wir waren vorbereitet: "Drei Stunden, 150.000", lautete beispielsweise eine korrekte Antwort. Herrmann sah auf die Uhr und schatzte Pi mal Daumen: "Dreieinhalb Stunden, na gut, sagen wir 180.000, ach was, 200.000, weil die Sonne so schon scheint." So stand es dann in allen Zeitungen. Weniger als im Jahr zuvor durften es auf keinen Fall sein.“
[36]
Am 16. Januar 1977 demonstrierten erstmals drei Ost-Berliner bei der Demonstration mit einem Plakat, auf dem das Zitat
Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden
von Rosa Luxemburg stand stand. Sie wurden dafur zu Haftstrafen zwischen 12 und 18 Monaten verurteilt.
[37]
[38]
Am 17. Januar 1988 wollten einige Burgerrechtler und zahlreiche Ausreisewillige ebenfalls mit eigenen Plakaten an der Demonstration teilnehmen.
Bereits auf dem Weg dorthin und am verabredeten Treffpunkt am Frankfurter Tor wurden uber 100 von ihnen festgenommen. Bis zur eigentlichen Demonstration gelangte niemand. Diese Festnahmen fuhrten zu zahlreichen vielen Protesten in der DDR und im Ausland, danach zu Verhaftungen weiterer fuhrender Burgerrechtler und schließlich zur zwangsweisen Abschiebung der meisten Beteiligten in den Westen.
In Leipzig riefen Burgerrechtsgruppen unter dem fiktiven Namen
?Initiative zur demokratischen Erneuerung unserer Gesellschaft“
zu einer Gegendemonstration am 15. Januar 1989 gegen die staatlichen Gedenkfeiern auf:
?Der Tag der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht soll uns Anlaß sein, weiter fur eine Demokratisierung unseres sozialistischen Staates einzutreten.“
[39]
Damit eigneten sich erneut SED-Gegner den offiziellen Gedenktag im staatskritischen Sinne an (und forderten so den ?Zusammenbruch der legitimatorischen Geschichtskonstruktion“ der SED).
[40]
Einige wurden bereits im Vorfeld verhaftet, trotzdem konnte der Aufruf in ca. 5.000 Exemplaren verteilt werden.
Ab dem 13. Januar gab es Proteste in der DDR gegen die Verhaftungen, am 15. Januar berichteten westliche Medien daruber. Auch bei der Abschlusskonferenz der
Konferenz uber Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
in Wien am selben Tag wiesen mehrere westliche Politiker darauf hin, dass die Verhaftungen gegen die Verpflichtung der DDR auf die
Menschen- und Burgerrechte
verstoße.
Etwa 500 bis 800 Personen nahmen an der illegalen Demonstration am 15. Januar 1989 teil. 53 Teilnehmer, darunter der Redner Fred Kowasch, wurden festgenommen. Nach internationalen Protesten ließ Erich Honecker die Ermittlungsverfahren gegen sie am 24. Januar einstellen. Der Vorgang gilt als eine erfolgreiche ?Generalprobe zur Revolution“.
[41]
Dokumentiert wurde die gelungene Aktion im Marz 1989 im Leipziger Samisdatblatt
?Die Mucke“
.
[42]
Fur den 14. Januar 1990 rief die aus der SED entstandene
PDS
erneut zu einer Demonstration nach Friedrichsfelde auf, um diese als Ausweis ihres Bruchs mit der eigenen SED-Vergangenheit zu nutzen. Dazu wahlte sie das Luxemburg-Zitat von der ?
Freiheit der Andersdenkenden
“ als Motto. So prasentierte sie Rosa Luxemburg nun als Prophetin des demokratischen Sozialismus, den die SED immer als historische Illusion verurteilt hatte, und somit erneut als Ahnherrin des eigenen Parteiprogramms. Dagegen protestierte der Burgerrechtler und ehemalige SED-Mitglied Wolfgang Templin mit der Plakataufschrift ?Hande weg von Luxemburg. Ihr bleibt die Erben Stalins“ auf der Demonstration. Die Angaben zu den Teilnehmerzahlen reichen von ?einigen zehntausend“
[43]
uber 100.000
[44]
bis zu mehreren 100.000 Personen.
[45]
Die
Sozialdemokratische Partei in der DDR
demonstrierte am selben Tag vom
Alexanderplatz
, wo
Barbel Bohley
als Hauptrednerin an die Unterdruckung der Proteste von 1988 durch die SED erinnerte, zum
Friedhof der Marzgefallenen
.
[46]
Seit der
Wiedervereinigung Deutschlands
im Oktober 1990 wurde die Demonstration zu einem festen Treff- und Sammelpunkt verschiedener linksgerichteter Gruppen und Parteien. Sie wird von einem Bundnis organisiert. Die Partei
Die Linke
ruft wie ihre Vorgangerpartei PDS zum ?Stillen Gedenken“ auf. Dabei legen viele Privatpersonen am Gedenkstein der Sozialisten rote Nelken und Kranze nieder.
[47]
Im Januar 1991 protestierten einige zehntausend Demonstrationsteilnehmer unter dem Motto ?Kein Blut fur Ol!“ gegen den damaligen
Golfkrieg
. In den Folgejahren erreichte die Demonstration ahnliche Teilnehmerzahlen wie in der fruheren DDR. Ihre ?nahezu bruchlose Kontinuitat“ erklart
Barbara Konczol
nicht nur mit ?DDR-Nostalgie“, sondern auch mit der ?subversiven Symbolkraft“ des Denkens von Rosa Luxemburg, die wegen ihrer Leninkritik bleibende Popularitat und Attraktivitat erhalten habe. Das 1988 von den Burgerrechtlern verwendete Luxemburg-Zitat von der ?Freiheit der Andersdenkenden“ habe vielen ehemaligen DDR-Burgern ermoglicht, das Gedenken nicht nur mit Akklamation der SED-Herrschaft, sondern auch Infragestellung dieser Herrschaft zu verbinden. So hatten sie ihre Identitat als DDR-Burger und Unabhangigkeit vom verordneten Gedenkritual der SED bewahren und den Gedenktag weiterhin mit nonkonformem Verhalten verknupfen konnen. Ab 1990 hatten die PDS und ihre Anhanger die Rolle der Gegendemonstranten von 1988 ubernommen: Sie prasentierten sich nun als die ?Andersdenkenden“, die sich so ihrer besonderen Identitat im Alltag der Bundesrepublik vergewisserten. Zwar hielten sich die ehemaligen Burgerrechtler seither von der Demonstration fern; diese habe aber eher als andere fruhere DDR-Feiertage das Potential, verschiedene deutsche Erinnerungen und Identitaten bleibend miteinander zu verbinden.
[48]
Am 12. Januar 1992 zogen mehrere tausend Personen quer durch Berlin nach Friedrichsfelde. Der Protestzug richtete sich auch gegen den vollzogenen Abriss des
Lenindenkmals in Berlin-Friedrichshain
.
[49]
Seit 1996 findet am zweiten Januarwochenende auf Initiative der parteiunabhangigen
marxistischen
Zeitung
Junge Welt
eine jahrliche
Rosa-Luxemburg-Konferenz
zur Aktualitat ihres Werkes und sozialistischen Perspektiven statt.
[50]
Viele Teilnehmer besuchen nach Angaben der Veranstalter im Anschluss daran auch die Demonstration.
[51]
Am 15. Januar 1996 nahmen nach Angaben der Veranstalter bis zu 80.000 Personen an der Demonstration teil. Dabei sturmte die Polizei das Gelande vor dem Friedhof und nahm 14
Autonome
unter den Demonstranten fest, weil diese die als
terroristische Vereinigung
geltende
Arbeiterpartei Kurdistans
(PKK) mit Parolen unterstutzt haben sollten. Dabei kam es zu Verletzungen.
[52]
2000 wurde die damals auf den 9. Januar angesetzte Demonstration wegen einer anonymen Drohung, die Teilnehmer mit einer Maschinenpistole zu beschießen und Handgranaten auf sie zu werfen, kurzfristig von den Berliner Behorden verboten. Ein Teil der Veranstalter, darunter
Antifagruppen
und die
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes ? Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten
(VVN-BdA), demonstrierte daraufhin ohne Genehmigung am 9. Januar gegen das Demonstrationsverbot. Dabei kam es zu Zusammenstoßen mit der Polizei. Auch das ?Stille Gedenken“ war wegen der Drohung verboten worden.
[53]
Trotzdem nahmen viele Menschen daran teil. In der PDS wurde die Entscheidung, das ?stille Gedenken“ abzusagen, kontrovers diskutiert.
[54]
Die meisten Veranstalter verlegten die Demonstration auf den 15. Januar; deren Verlauf blieb weitgehend ohne Zwischenfalle.
[55]
2003 stand die Demonstration im Zeichen des bevorstehenden
Irakkrieges
. Unter den 10.000 bis 12.000 Teilnehmern waren viele Angehorige der
Friedensbewegung
. Mit dem ?stillen Gedenken“ erreichte die Ehrung Luxemburgs und Liebknechts 80.000 bis 100.000 Teilnehmer. In den Folgejahren nahm sie wieder ab, bewegte sich aber konstant bei einigen Zehntausend. Thema der uberwiegend gewaltfrei verlaufenden Proteste waren zuletzt vor allem die
Hartz IV
-Gesetze.
Am 11. Dezember 2006 weihte der Forderverein ?Erinnerungsstatte der deutschen Arbeiterbewegung“ einen Gedenkstein mit der Aufschrift ?Den Opfern des
Stalinismus
“ neben der Gedenkstatte der Sozialisten in Friedrichsfelde ein.
[56]
Dagegen protestierten einige Teilnehmergruppen der Demonstration, darunter die
Kommunistische Plattform
. Die Berliner PDS hatte die Aufstellung unterstutzt. Die Fuhrung der Linkspartei besucht bei ihrem ?Stillen Gedenken“ regelmaßig auch diesen Gedenkstein.
[47]
2008 beschrieb das
Bundesamt fur Verfassungsschutz
Traditionshintergrund und Entwicklung der Demonstration, der er einen ?hohen Symbolwert fur den deutschen
Linksextremismus
in seinen unterschiedlichen Schattierungen“ zusprach. Einerseits habe die Teilnehmerzahl seit 2000 abgenommen, andererseits pragten zunehmend Gruppen, die Rosa Luxemburgs Leninkritik ausklammerten und ?sich einer kritischen Debatte uber den Stalinismus (und dem ihm zugrunde liegenden Marxismus-Leninismus) weiterhin verweigern,“ das Erscheinungsbild. Aufgrund der beobachteten Unterschiede und Konflikte zwischen den Teilnehmergruppen schloss der Verfassungsschutz einen Wandel ihrer Positionen nicht aus.
[57]
Einige Teilnehmer fuhrten Plakate mit Abbildungen von Josef Stalin und
Mao Zedong
mit. Das Organisationsbundnis lehnte solche Plakate ab, schloss aber die, die sie mitfuhrten, nicht von der Demonstration aus. Deshalb organisierten die
Falken
, Teile der Linksjugend
'solid
, der
Naturfreundejugend Berlin
, der
Jusos
und der
DGB-Jugend
2013 eine alternative Demonstration. Sie fuhrte vom Olof-Palme-Platz (dem Standort des ehemaligen
Eden-Hotel
, wo die
Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht
geplant wurde) bis zu ihren Denkmalern im Tiergarten. Die Spaltung in zwei Demonstrationen fuhrte bei beiden Organisatorengruppen zu einer verstarkten Auseinandersetzung mit den Ideen von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg und Angeboten dazu.
[58]
[59]
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