Lebensmittelfarbe auf einem dunnen Wasserfilm
Lebensmittelfarbstoffe
sind
Lebensmittelzusatzstoffe
, die verarbeitungsbedingte Farbveranderungen ausgleichen bzw. die Farberwartungen der
Verbraucher
befriedigen sollen. In der
EU
mussen Farbstoffe fur Lebensmittel durch die
Verordnung (EG) Nr. 1333/2008
mit einer
E-Nummer
zugelassen sein. Lebensmittel konnen mit unterschiedlichen Gruppen von Farbstoffen eingefarbt werden:
- Naturliche Farbstoffe
, die aus Pflanzen oder Tieren gewonnen werden konnen. Beispiele:
Carotinoide
(E 160a), Beerenfarbstoffe (
Anthocyane
, E 163), Beten-Farbstoffe (
Betanin
, E 162),
Karmin
(E 120),
Paprikaextrakt
(E 160c) und
Curcumin
(E 100).
Synthetisch
hergestellte Farbstoffe mit identischer chemischer Struktur bezeichnet man als naturidentisch.
- Synthetische organische Farbstoffe, die in der Natur nicht vorkommen. Dies sind im Wesentlichen verschiedene
Azofarbstoffe
wie
Tartrazin
(E 102),
Gelborange S
(E 110),
Azorubin
(E 122),
Cochenillerot A
(E 124) und
Allurarot AC
(E 129), aber auch Nichtazofarbstoffe, z. B.
Chinolingelb
(E 104), das blaue
Indigotin
(E 132) und das
Grun S
(E 142).
- anorganischen Pigmenten, wie z. B.
Eisenoxide
(E 172),
Titandioxid
(E 171),
Silber
(E 174) und
Gold
(E 175).
Die Einfarbung von Lebensmitteln ist auch mit stark farbenden Pflanzen- oder Fruchtextrakten, wie z. B.
Rote Beete
,
Spinat
- oder
Holundersaft
und
Gewurzen
wie
Safran
und
Gelbwurzel
moglich. Diese gelten per Definition (Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008) nicht als Lebensmittelzusatzstoffe und tragen daher auch keine E-Nummer.
Mit Lebensmittelfarbe eingefarbte Sußigkeiten
Folgende Grunde sprechen fur das Einfarben von Lebensmitteln mit Farbstoffen:
- Ausgleich verarbeitungsbedingter Farbverluste, z. B. bei der Konservierung von Fruchten
- Farbkorrektur bei Produkten, die aufgrund ihrer Inhaltsstoffe einen schwacheren Farbton haben als es der Konsument erwartet. (z. B. bei Getranken oder Soßen)
- Erzielung einer gleichbleibenden, standardisierten Farbe bei Produkten, die aus Rohstoffen mit wechselnder Qualitat und Farbstarke hergestellt werden.
- Erhohung der Attraktivitat bei Produkten, die farblos oder unansehnlich sind (z. B. Margarine, Sußwaren, Desserts)
- Erkennbarmachen des lebensmitteltypischen Geschmacks (z. B. rote Bonbons mit Kirschgeschmack, gelbe Bonbons mit Zitronengeschmack)
Gesetzlich nicht erlaubt ist der Einsatz von Lebensmittelfarbstoffen, um ein minderwertiges Produkt qualitativ besser erscheinen zu lassen (Tauschungsverbot).
Lebensmittelfarbstoffe werden ferner bei Anwendungen eingesetzt, bei denen die gesundheitliche, bzw. toxikologische Unbedenklichkeit wichtig ist, z. B.:
- Haufig werden Malfarben fur Kinder aus Lebensmittelfarben hergestellt und sind somit gesundheitlich unbedenklich, wenn sie in den Mund und ins Verdauungssystem gelangen.
- Beim Aufspuren von unterirdischen Wasserverlaufen durch das Anfarben und Verfolgen des gefarbten Wassers.
- Die Farbpatronen fur
Paintball
werden aus Sicherheitsgrunden mit Lebensmittelfarbstoffen gefullt.
- Verwendung von Lebensmittelfarbstoffen in der
Kosmetik
.
Angebot fur Lebensmittelfarben in einem Kochbuch 1911
Ein Arzt und ein Bestatter freuen sich uber die Farbstoffe in einer Zuckerstange (US-Karikatur 1885)
Das Einfarben von Lebensmittel war in vielen Kulturen fur Jahrtausende gangige Praxis. Bis ins 19. Jahrhundert waren nur aus Pflanzen oder Tieren gewonnene
Naturfarbstoffe
oder mineralische Pigmente verfugbar. Bereits im antiken Agypten wurde
Safran
zum Einfarben von Nahrungsmitteln verwendet. Weitere wichtige Farbstoffe waren
Koschenille
? in Sud- und Mittelamerika schon seit Jahrhunderten gebrauchlich, in Europa ab dem 16. Jahrhundert verfugbar ? und
Indigo
, beispielsweise aus
Farberwaid
gewonnen. Nach 1850 wurden viele synthetische Farbstoffe entwickelt, die hauptsachlich in der Textilfarberei eingesetzt, aber auch zum Farben von Lebensmitteln verwendet wurden. Im Vergleich zu den Naturfarbstoffen zeigten synthetische Farbstoffe eine bessere
Stabilitat
und eine hohere
Farbintensitat
. Sie waren daruber hinaus durch die Entwicklung der
chemischen Industrie
in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts in großem Maßstab und vergleichsweise kostengunstig zuganglich.
[1]
Zunachst war das Farben von Nahrungsmitteln gesetzlich nicht geregelt. Die Giftigkeit von manchen Farbstoffen, insbesondere Vertreter aus der Gruppe der Azofarbstoffe, war noch nicht bekannt oder blieb unbeachtet. So wurde
Kase
mit
Quecksilbersulfid
und
Zuckerware
mit
Bleioxid
eingefarbt. Teilweise wurden Farbmittel auch in betrugerischer Absicht verwendet, beispielsweise wurde
Rotwein
mit
Fuchsin
gefarbt, durch Gelbfarbung von Geback ein hoherer Eigehalt vorgetauscht, Orangen durch Injektion mit von roter Farbstofflosung in ?Blutorangen“ verwandelt oder auch altes Fleisch farblich ?verbessert“. Vorreiter bei den gesetzlichen Regelungen wurde das
Vereinigte Konigreich
mit dem ?Sale of Food and Drugs Act“ von 1875.
[2]
Ab 1887 verbot das erste Lebensmittelgesetz im
Deutschen Reich
den Einsatz von schwermetallhaltigen Lebensmittelzusatzstoffen. Dieses Gesetz betraf nicht die synthetischen Farbstoffe und es gab noch keine zulassigen Hochstwerte von Zusatzstoffen in Nahrungsmitteln. In den
USA
wurde das Einfarben von Lebensmitteln erstmals 1906 im
Federal Food and Drug Act
gesetzlich geregelt.
[3]
Ab 1907 wurden in den USA die insgesamt 80 damals gebrauchlichen synthetischen Lebensmittelfarbstoffe durch den deutschen Chemiker Bernhard Hesse systematisch untersucht und toxikologisch beurteilt. Viele synthetische Farbstoffe wurden aufgrund dieser Arbeiten von der Verwendung als Lebensmittelfarbstoffe ausgeschlossen. In Europa wurde durch eine
Richtlinie
1962
[4]
fur die
EWG
-Mitgliedstaaten erstmals einheitlich geregelt, welche Farbstoffe in Lebensmitteln verwendet werden durfen, welchen Reinheitsanforderungen diese dann genugen mussen und, wie sie zu nennen und mit welcher Nummer sie zu
kennzeichnen
seien. Zur Normierung bezog man sich mangels anderer Ordnungssysteme auf damals ubliche Trivialnamen, chemische Namen oder Beschreibungen zur Herkunft oder Herstellung sowie auf die
Farbstofftabellen
von
Gustav Schultz
von 1931, auf den
Rowe Colour Index
von Frederick Maurice Rowe (1891?1947) von 1924 und eine Zusammenstellung der
Farbstoff-Kommission
der
DFG
von 1957. Man begann mit 1, sortierte nach Anwendungsfeld und nach Farben und begann mit in der Masse oder auf der oberflachlich gelber Farbung (zweite Ziffer = 0). Aus diesen dreistelligen, anfangs so genannten
EWG-Nummern
entwickelte sich das System der E-Nummern.
Die von der
UN
1963 gegrundete Codex Alimentarius Kommission erarbeitet Standards und Normen fur die
Lebensmittelsicherheit
und -produktqualitat.
Die Verwendung von Lebensmittelfarbstoffen wurde ursprunglich durch die
Richtlinie 62/2645/EWG
und danach durch die
Richtlinie 94/36/EG
vom 30. Juni 1994 geregelt.
[5]
Letztere wurde dann von der
Verordnung (EG) Nr. 1333/2008
vom 16. Dezember 2008 uber Lebensmittelzusatzstoffe abgelost.
[6]
Als
EU-Verordnung
gilt diese Verordnung unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten der EU, die Umsetzung in nationales Recht ist nicht notig.
In der EU und der Schweiz durfen nur zugelassene, mit einer
E-Nummer
versehene Lebensmittelzusatzstoffe in Verkehr gebracht werden.
[7]
[8]
Diese Zusatzstoffe mussen auf dem Produkt kenntlich gemacht werden.
[9]
Bestimmte Lebensmittel durfen nicht mit Farbstoffzusatzen versehen werden. Dies sind insbesondere unbehandelte Lebensmittel und Grundnahrungsmittel, wie Milch, Zucker, Obst, Gemuse und Pilze. Fur manche Lebensmittel sind nur bestimmte Farbstoffe mit festgelegten Maximalmengen zulassig (Beispiel: Mit Fruchtgeschmack aromatisierte Fruhstucksgetreideprodukte durfen nur die Farbstoffe E 120, E 162 und E 163 mit maximal 200 mg/kg enthalten).
Lebensmittel die folgende Farbstoffe enthalten, mussen in der EU nach Anhang V, Teil B der
Verordnung (EG) Nr. 1333/2008
zusatzlich mit dem Hinweis ?Kann Aktivitat und Aufmerksamkeit bei Kindern beeintrachtigen“ gekennzeichnet werden:
Die Kennzeichnungspflicht entfallt fur (a) Lebensmittel, bei denen die Lebensmittelfarbstoffe bei Fleischerzeugnissen zur Kennzeichnung zu Gesundheits- oder anderen Zwecken verwendet werden, sowie Stempelaufdrucke und Farbverzierungen auf den Schalen von Eiern und (b) Getranke, die mehr als 1,2 Vol-% Alkohol enthalten.
Die europaischen Richtlinien sind mit dem
Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch
(LFGB) in nationales Recht umgesetzt.
[10]
Die in der EU zugelassenen Farbstoffe fur Lebensmittel sind in Anhang II, Teil B der
Verordnung (EG) Nr. 1333/2008
(Stand August 2021), die in der Schweiz zugelassen im Anhang 1 der
Zusatzstoffverordnung
(ZuV) (Stand: Juli 2020) aufgefuhrt.
[7]
[8]
Stoff
|
Nummer
|
Farbung
|
Bemerkung
|
Allurarot AC
|
E 129
|
rot
|
|
Aluminium
|
E 173
|
silbriggrau
|
anorganisches Pigment
|
Amaranth
|
E 123
|
rot
|
|
Anthocyane
|
E 163
|
rot, violett, blau
|
|
Azorubin
|
E 122
|
rot
|
|
Betanin
|
E 162
|
rot
|
|
Braun HT
|
E 155
|
rotbraun
|
|
Brillantblau FCF
|
E 133
|
blau
|
|
Brillantschwarz BN
|
E 151
|
violett, braun, schwarz
|
|
Calciumcarbonat
|
E 170
|
weiß
|
anorganisches Pigment
|
Canthaxanthin
|
E 161 g
|
rot
|
|
Carotin
|
E 160 a
|
gelb, orange, rot
|
|
i)
Annatto Bixin
, ii)
Annatto Norbixin
|
E 160 b
|
|
Paprikaextrakt (
Capsanthin
,
Capsorubin
)
|
E 160 c
|
|
Lycopin
|
E 160 d
|
|
Beta-apo-8′-Carotinal
|
E 160 e
|
|
Chinolingelb
|
E 104
|
gelb
|
|
Chlorophylle
und
Chlorophylline
|
E 140
|
grun
|
|
Cochenillerot A
|
E 124
|
rot
|
|
Curcumin
|
E 100
|
orangegelb
|
|
Eisenoxide und Eisenhydroxide
|
E 172
|
gelb, rot, braun, schwarz
|
anorganisches Pigment
|
Erythrosin
|
E 127
|
rosa-rot
|
|
Gelborange S
|
E 110
|
gelborange
|
|
Gold
|
E 175
|
goldgelb
|
anorganisches Pigment
|
Grun S
|
E 142
|
grun
|
|
Indigotin
|
E 132
|
blau
|
|
Echtes
Karmin
|
E 120
|
rot
|
|
Kupferhaltige Komplexe der Chlorophylle und Chlorophylline
|
E 141
|
grun
|
|
Litholrubin BK
|
E 180
|
rot
|
|
Lutein
|
E 161 b
|
goldgelb, orangegelb
|
|
Patentblau V
|
E 131
|
blau
|
|
Pflanzenkohle
|
E 153
|
schwarz
|
Pigment
|
Riboflovine:
Riboflavin
(Lactoflavin, Vitamin B2),
Riboflavin-5-phosphat
|
E 101
|
gelb
|
|
Silber
|
E 174
|
silbergrau
|
anorganisches Pigment
|
Tartrazin
|
E 102
|
zitronengelb
|
|
Titandioxid
|
E 171
|
weiß
|
anorganisches Pigment
|
Zuckerkulor
Sulfitlaugen-Zuckerkulor
Ammoniak-Zuckerkulor
Ammonsulfit-Zuckerkulor
|
E 150 a
E 150 b
E 150 c
E 150 d
|
schwarz
|
|
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3. Auflage. Behr’s Verlag, Hamburg 2007,
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- ↑
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- ↑
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- ↑
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(
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) (PDF), abgerufen am 16. Oktober 2018.
- ↑
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- ↑
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, abgerufen am 16. Oktober 2018.
- ↑
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- ↑
a
b
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- ↑
a
b
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.
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) auf der Seite des
Bundesministeriums fur Ernahrung und Landwirtschaft
, abgerufen am 16. Oktober 2018.
- ↑
Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch ? LFGB
(PDF; 275 kB), abgerufen am 16. Oktober 2018.