Lebensmittelfarbstoff

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Lebensmittelfarbe auf einem dunnen Wasserfilm

Lebensmittelfarbstoffe sind Lebensmittelzusatzstoffe , die verarbeitungsbedingte Farbveranderungen ausgleichen bzw. die Farberwartungen der Verbraucher befriedigen sollen. In der EU mussen Farbstoffe fur Lebensmittel durch die Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 mit einer E-Nummer zugelassen sein. Lebensmittel konnen mit unterschiedlichen Gruppen von Farbstoffen eingefarbt werden:

Die Einfarbung von Lebensmitteln ist auch mit stark farbenden Pflanzen- oder Fruchtextrakten, wie z. B. Rote Beete , Spinat - oder Holundersaft und Gewurzen wie Safran und Gelbwurzel moglich. Diese gelten per Definition (Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008) nicht als Lebensmittelzusatzstoffe und tragen daher auch keine E-Nummer.

Mit Lebensmittelfarbe eingefarbte Sußigkeiten

Folgende Grunde sprechen fur das Einfarben von Lebensmitteln mit Farbstoffen:

  • Ausgleich verarbeitungsbedingter Farbverluste, z. B. bei der Konservierung von Fruchten
  • Farbkorrektur bei Produkten, die aufgrund ihrer Inhaltsstoffe einen schwacheren Farbton haben als es der Konsument erwartet. (z. B. bei Getranken oder Soßen)
  • Erzielung einer gleichbleibenden, standardisierten Farbe bei Produkten, die aus Rohstoffen mit wechselnder Qualitat und Farbstarke hergestellt werden.
  • Erhohung der Attraktivitat bei Produkten, die farblos oder unansehnlich sind (z. B. Margarine, Sußwaren, Desserts)
  • Erkennbarmachen des lebensmitteltypischen Geschmacks (z. B. rote Bonbons mit Kirschgeschmack, gelbe Bonbons mit Zitronengeschmack)

Gesetzlich nicht erlaubt ist der Einsatz von Lebensmittelfarbstoffen, um ein minderwertiges Produkt qualitativ besser erscheinen zu lassen (Tauschungsverbot).

Lebensmittelfarbstoffe werden ferner bei Anwendungen eingesetzt, bei denen die gesundheitliche, bzw. toxikologische Unbedenklichkeit wichtig ist, z. B.:

  • Haufig werden Malfarben fur Kinder aus Lebensmittelfarben hergestellt und sind somit gesundheitlich unbedenklich, wenn sie in den Mund und ins Verdauungssystem gelangen.
  • Beim Aufspuren von unterirdischen Wasserverlaufen durch das Anfarben und Verfolgen des gefarbten Wassers.
  • Die Farbpatronen fur Paintball werden aus Sicherheitsgrunden mit Lebensmittelfarbstoffen gefullt.
  • Verwendung von Lebensmittelfarbstoffen in der Kosmetik .
Angebot fur Lebensmittelfarben in einem Kochbuch 1911
Ein Arzt und ein Bestatter freuen sich uber die Farbstoffe in einer Zuckerstange (US-Karikatur 1885)

Das Einfarben von Lebensmittel war in vielen Kulturen fur Jahrtausende gangige Praxis. Bis ins 19. Jahrhundert waren nur aus Pflanzen oder Tieren gewonnene Naturfarbstoffe oder mineralische Pigmente verfugbar. Bereits im antiken Agypten wurde Safran zum Einfarben von Nahrungsmitteln verwendet. Weitere wichtige Farbstoffe waren Koschenille ? in Sud- und Mittelamerika schon seit Jahrhunderten gebrauchlich, in Europa ab dem 16. Jahrhundert verfugbar ? und Indigo , beispielsweise aus Farberwaid gewonnen. Nach 1850 wurden viele synthetische Farbstoffe entwickelt, die hauptsachlich in der Textilfarberei eingesetzt, aber auch zum Farben von Lebensmitteln verwendet wurden. Im Vergleich zu den Naturfarbstoffen zeigten synthetische Farbstoffe eine bessere Stabilitat und eine hohere Farbintensitat . Sie waren daruber hinaus durch die Entwicklung der chemischen Industrie in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts in großem Maßstab und vergleichsweise kostengunstig zuganglich. [1]

Zunachst war das Farben von Nahrungsmitteln gesetzlich nicht geregelt. Die Giftigkeit von manchen Farbstoffen, insbesondere Vertreter aus der Gruppe der Azofarbstoffe, war noch nicht bekannt oder blieb unbeachtet. So wurde Kase mit Quecksilbersulfid und Zuckerware mit Bleioxid eingefarbt. Teilweise wurden Farbmittel auch in betrugerischer Absicht verwendet, beispielsweise wurde Rotwein mit Fuchsin gefarbt, durch Gelbfarbung von Geback ein hoherer Eigehalt vorgetauscht, Orangen durch Injektion mit von roter Farbstofflosung in ?Blutorangen“ verwandelt oder auch altes Fleisch farblich ?verbessert“. Vorreiter bei den gesetzlichen Regelungen wurde das Vereinigte Konigreich mit dem ?Sale of Food and Drugs Act“ von 1875. [2] Ab 1887 verbot das erste Lebensmittelgesetz im Deutschen Reich den Einsatz von schwermetallhaltigen Lebensmittelzusatzstoffen. Dieses Gesetz betraf nicht die synthetischen Farbstoffe und es gab noch keine zulassigen Hochstwerte von Zusatzstoffen in Nahrungsmitteln. In den USA wurde das Einfarben von Lebensmitteln erstmals 1906 im Federal Food and Drug Act gesetzlich geregelt. [3] Ab 1907 wurden in den USA die insgesamt 80 damals gebrauchlichen synthetischen Lebensmittelfarbstoffe durch den deutschen Chemiker Bernhard Hesse systematisch untersucht und toxikologisch beurteilt. Viele synthetische Farbstoffe wurden aufgrund dieser Arbeiten von der Verwendung als Lebensmittelfarbstoffe ausgeschlossen. In Europa wurde durch eine Richtlinie 1962 [4] fur die EWG -Mitgliedstaaten erstmals einheitlich geregelt, welche Farbstoffe in Lebensmitteln verwendet werden durfen, welchen Reinheitsanforderungen diese dann genugen mussen und, wie sie zu nennen und mit welcher Nummer sie zu kennzeichnen seien. Zur Normierung bezog man sich mangels anderer Ordnungssysteme auf damals ubliche Trivialnamen, chemische Namen oder Beschreibungen zur Herkunft oder Herstellung sowie auf die Farbstofftabellen von Gustav Schultz von 1931, auf den Rowe Colour Index von Frederick Maurice Rowe (1891?1947) von 1924 und eine Zusammenstellung der Farbstoff-Kommission der DFG von 1957. Man begann mit 1, sortierte nach Anwendungsfeld und nach Farben und begann mit in der Masse oder auf der oberflachlich gelber Farbung (zweite Ziffer = 0). Aus diesen dreistelligen, anfangs so genannten EWG-Nummern entwickelte sich das System der E-Nummern.

Gesetzliche Regelungen und Kennzeichnung

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Codex Alimentarius

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Die von der UN 1963 gegrundete Codex Alimentarius Kommission erarbeitet Standards und Normen fur die Lebensmittelsicherheit und -produktqualitat.

Europaische Union

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Die Verwendung von Lebensmittelfarbstoffen wurde ursprunglich durch die Richtlinie 62/2645/EWG und danach durch die Richtlinie 94/36/EG vom 30. Juni 1994 geregelt. [5] Letztere wurde dann von der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 vom 16. Dezember 2008 uber Lebensmittelzusatzstoffe abgelost. [6] Als EU-Verordnung gilt diese Verordnung unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten der EU, die Umsetzung in nationales Recht ist nicht notig. In der EU und der Schweiz durfen nur zugelassene, mit einer E-Nummer versehene Lebensmittelzusatzstoffe in Verkehr gebracht werden. [7] [8] Diese Zusatzstoffe mussen auf dem Produkt kenntlich gemacht werden. [9] Bestimmte Lebensmittel durfen nicht mit Farbstoffzusatzen versehen werden. Dies sind insbesondere unbehandelte Lebensmittel und Grundnahrungsmittel, wie Milch, Zucker, Obst, Gemuse und Pilze. Fur manche Lebensmittel sind nur bestimmte Farbstoffe mit festgelegten Maximalmengen zulassig (Beispiel: Mit Fruchtgeschmack aromatisierte Fruhstucksgetreideprodukte durfen nur die Farbstoffe E 120, E 162 und E 163 mit maximal 200 mg/kg enthalten).

Lebensmittel die folgende Farbstoffe enthalten, mussen in der EU nach Anhang V, Teil B der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 zusatzlich mit dem Hinweis ?Kann Aktivitat und Aufmerksamkeit bei Kindern beeintrachtigen“ gekennzeichnet werden:

Die Kennzeichnungspflicht entfallt fur (a) Lebensmittel, bei denen die Lebensmittelfarbstoffe bei Fleischerzeugnissen zur Kennzeichnung zu Gesundheits- oder anderen Zwecken verwendet werden, sowie Stempelaufdrucke und Farbverzierungen auf den Schalen von Eiern und (b) Getranke, die mehr als 1,2 Vol-% Alkohol enthalten.

Die europaischen Richtlinien sind mit dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) in nationales Recht umgesetzt. [10]

Liste der zugelassenen Lebensmittelfarbstoffe

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Die in der EU zugelassenen Farbstoffe fur Lebensmittel sind in Anhang II, Teil B der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 (Stand August 2021), die in der Schweiz zugelassen im Anhang 1 der Zusatzstoffverordnung (ZuV) (Stand: Juli 2020) aufgefuhrt. [7] [8]

Stoff Nummer Farbung Bemerkung
Allurarot AC E 129 rot
Aluminium E 173 silbriggrau anorganisches Pigment
Amaranth E 123 rot
Anthocyane E 163 rot, violett, blau
Azorubin E 122 rot
Betanin E 162 rot
Braun HT E 155 rotbraun
Brillantblau FCF E 133 blau
Brillantschwarz BN E 151 violett, braun, schwarz
Calciumcarbonat E 170 weiß anorganisches Pigment
Canthaxanthin E 161 g rot
Carotin E 160 a gelb, orange, rot
i) Annatto Bixin , ii) Annatto Norbixin E 160 b
Paprikaextrakt ( Capsanthin , Capsorubin ) E 160 c
Lycopin E 160 d
Beta-apo-8′-Carotinal E 160 e
Chinolingelb E 104 gelb
Chlorophylle und Chlorophylline E 140 grun
Cochenillerot A E 124 rot
Curcumin E 100 orangegelb
Eisenoxide und Eisenhydroxide E 172 gelb, rot, braun, schwarz anorganisches Pigment
Erythrosin E 127 rosa-rot
Gelborange S E 110 gelborange
Gold E 175 goldgelb anorganisches Pigment
Grun S E 142 grun
Indigotin E 132 blau
Echtes Karmin E 120 rot
Kupferhaltige Komplexe der Chlorophylle und Chlorophylline E 141 grun
Litholrubin BK E 180 rot
Lutein E 161 b goldgelb, orangegelb
Patentblau V E 131 blau
Pflanzenkohle E 153 schwarz Pigment
Riboflovine:
Riboflavin (Lactoflavin, Vitamin B2), Riboflavin-5-phosphat
E 101 gelb
Silber E 174 silbergrau anorganisches Pigment
Tartrazin E 102 zitronengelb
Titandioxid E 171 weiß anorganisches Pigment
Zuckerkulor
Sulfitlaugen-Zuckerkulor
Ammoniak-Zuckerkulor
Ammonsulfit-Zuckerkulor
E 150 a
E 150 b
E 150 c
E 150 d
schwarz
Wiktionary: Lebensmittelfarbstoff  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Ai Hisano: The Rise of Synthetic Colors in the American Food Industry, 1870?1940. In: Business History Review. Volume 90, Special Issue 3 (A Special Issue on Food and Agriculture), Autumn 2016, S. 483?504.
  2. Sale of Food and Drugs Act , abgerufen am 16. Oktober 2018.
  3. Federal Food and Drugs Act of 1906 (The ?Wiley Act“) ( Memento vom 26. Februar 2017 im Internet Archive ) (PDF), abgerufen am 16. Oktober 2018.
  4. Richtlinie des Rats zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten fur farbende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden durfen . In: Amtsblatt der Europaischen Gemeinschaften . Nr. 115, 11. November 1962, S. 2645?2654, Anhang I mit den EWG-Nummern.
  5. Richtlinie 94/36/EG uber Farbstoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden durfen , abgerufen am 16. Oktober 2018.
  6. Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 vom 16. Dezember 2008 uber Lebensmittelzusatzstoffe , abgerufen am 28. Dezember 2021.
  7. a b Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 in der konsolidierten Fassung vom 8. August 2021
  8. a b Verordnung des EDI uber die zulassigen Zusatzstoffe in Lebensmitteln. Das Eidgenossische Departement des Innern (EDI), 1. Juli 2020, abgerufen am 20. Dezember 2020 .
  9. Zulassung und Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen ( Memento vom 17. Oktober 2018 im Internet Archive ) auf der Seite des Bundesministeriums fur Ernahrung und Landwirtschaft , abgerufen am 16. Oktober 2018.
  10. Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch ? LFGB (PDF; 275 kB), abgerufen am 16. Oktober 2018.