Lapis Niger

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Der unter dem Lapis Niger gefundene Inschriftenstein

Der Lapis Niger ( lateinisch ?Schwarzer Stein“) ist eine quadratische Flache aus schwarzen Marmorplatten auf dem Forum Romanum in Rom , unter der eine beschriftete, oben abgebrochene Stele gefunden wurde. Diese wird als Forum- Cippus und teilweise auch falschlich als Lapis Niger bezeichnet. Die in altertumlichem Latein verfasste Inschrift auf diesem Stein besteht aus Resten eines Kultgesetzes ( lex sacra ) und bezieht sich entweder auf einen Konig ( rex ) oder einen Opferkonig ( rex sacrorum ), einen in der fruhen romischen Republik fur religiose Zeremonien zustandigen Beamten. Die Angaben zur zeitlichen Einordnung schwanken stark, allerdings legen neue Forschungen eine Datierung in das 7. oder 6. Jahrhundert v. Chr., also wohl noch in die romische Konigszeit , nahe.

Lageplan des Lapis Niger . A: U-formiger Altar, B: kleiner Stein auf dem Altar, C: Rest einer runden Saule, D: Stein mit Inschrift, E: Flache vor dem Altar

Archaologischer Befund

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Der Lapis Niger wurde im Mai 1899 durch den Archaologen Giacomo Boni bei Ausgrabungsarbeiten auf dem Forum Romanum entdeckt. Er befindet sich zwischen dem Septimius-Severus-Bogen und der Curia Iulia , nahe der republikanischen Rostra des Forums. [1] Der heute noch sichtbare Teil der Anlage ist eine 3,5 × 4 m große Flache aus schwarzen, 25 bis 30 cm dicken Marmorplatten , von der sich der Name Lapis Niger herleitet. Ihre Datierung wird sehr unterschiedlich angegeben; die Vorschlage reichen vom 1. Jahrhundert v. Chr. [2] bis in das 4. Jahrhundert n. Chr. [3]

Unter dem Lapis Niger gefundene Statuetten

Etwa 1,4 m unter diesen Steinplatten fand man einen fruhromischen Baukomplex: Dieser bestand aus Resten eines Altars, [4] die ursprunglich anscheinend zu dem Volcanal , einem Heiligtum des Feuergottes Vulcanus , gehorten, [5] und aus einem viereckigen Inschriftenstein ( Cippus ). An archaologischen Funden kamen verschiedene Votivgaben , Kleinplastiken, Keramikstucke sowie zahlreiche Knochen von Rindern, Schafen und Schweinen zutage. [6]

Der Vulcanus-Altar und der Cippus sind vermutlich die einzigen Uberreste des alten Comitiums der Stadt Rom, einer fruhen Versammlungsstatte, die ein Vorganger des Forums war und wiederum aus einer archaischen Kultstatte des 8. oder 7. Jahrhunderts v. Chr. hervorgegangen war. Diese kultische Statte befand sich bereits im fruhesten Rom im Zentrum des offentlichen Lebens. [7] Dass man sie viele Jahrhunderte spater beim Ausbau des Forums nicht zerstorte, sondern sorgfaltig mit auffalligen Steinplatten abdeckte, zeigt, dass man ihr auch zu diesem Zeitpunkt noch eine besondere Bedeutung beimaß. Vermutlich wusste man noch um das besondere Alter der darunter liegenden Kultstatte und verstand sie daher als Relikt der eigenen Fruhzeit. Gleichzeitig war aber wohl schon damals nicht klar, welche Funktion die Befunde beim Lapis Niger ursprunglich gehabt hatten, da man sie mit unterschiedlichen mythologischen Personlichkeiten in Verbindung zu bringen versuchte (siehe das Kapitel Erwahnung in antiken Schriftquellen ).

Zeichnung der Befunde unter dem Lapis Niger auf dem Forum; der Inschriftenstein befindet sich hinter dem runden Saulenrest im rechten Teil der Zeichnung

Erwahnung in antiken Schriftquellen

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Mehrere antike Schriftquellen erwahnen ein Monument am Comitium beziehungsweise dem Forum Romanum und verknupfen es mit verschiedenen Personlichkeiten der mythischen romischen Fruhgeschichte. Einige der Texte nennen dabei einen Lapis Niger , andere geben lediglich die ungefahre Position an. So soll sich dem Dichter Horaz zufolge das Grab des mythischen Stadtgrunders und ersten romischen Konigs Romulus am Forum befunden haben. [8] Zwei antike Kommentare ( Scholien ) zum Werk des Schriftstellers geben prazisere Angaben dazu: Das Horaz-Scholion des Pomponius Porphyrio verortet das Romulus-Grab hinter den Rostra (?post rostra“), [9] das entsprechende Werk des ?Pseudo-Acron“ nahe den Rostra (?in Rostris“). [10] Beide berufen sich auf das Werk des Gelehrten Marcus Terentius Varro als Quelle, die entsprechende Stelle daraus ist aber nicht direkt erhalten. Pseudo-Acron erwahnt daruber hinaus zwei Lowen, die die Grabstatte flankiert haben sollen, und erklart, durch die in der Nahe liegende Grabstatte des Stadtgrunders sei der Brauch entstanden, vor den Rostra die offentlichen Leichenreden auf verstorbene Romer zu halten.

Der Lexikograph Sextus Pompeius Festus gibt in seiner Abhandlung De verborum significatu (?Zur Bedeutung der Worter“) genauere Erlauterungen zu dem ?Niger lapis“:

≪Niger lapis in comitio locum funestum significat, ut ali, Romuli morti destinatum, sed non usu obv[enisse, ut ibi sepeliretur, sed Fau]stulum nutri[cium eius, ut ali dicunt Hos]tilium avum Tu[lli Hostilii, Romanorum regis]≫

?Der schwarze Stein auf dem Comitium kennzeichnet einen Begrabnisort, der, wie die einen sagen, fur den Leichnam des Romulus bestimmt war, daß es aber nicht ge[schehen sei, daß er dort begraben wurde, sondern sein] Zieh[vater Fau]stulus, [aber, wie die anderen sagen, Hos]tilius, der Großvater des Tu[llus Hostilius, des Konigs der Romer].“ [11]

Festus zitiert also die beiden zu seiner Zeit kursierenden Vermutungen, dass unter dem Lapis Niger entweder Faustulus , der Ziehvater des Romulus und seines Bruders Remus, oder aber Hostus Hostilius , der Großvater des dritten mythischen romischen Konigs Tullus Hostilius , bestattet sei. Auch der antike Geschichtsschreiber Dionysios von Halikarnassos verortete an zwei unterschiedlichen Stellen seines Werkes sowohl eine als Bestattung des Faustulus angesehene Lowenstatue als auch das mit einer Inschrift versehene Grab des Hostus Hostilius auf dem Forum Romanum, ersteres ?nahe der Rostra“, [12] zweiteres an einer nicht weiter prazisierten Stelle im Hauptteil des Forums. [13] In einer dritten Passage nennt Dionysios einen inschriftlichen Tatenbericht des Romulus, der sich nahe einem Opferplatz fur Vulcanus befinde und in griechischen Buchstaben abgefasst sei. [14] Es wurde vermutet, dass es sich dabei um den Cippus beim Lapis Niger handele und der Geschichtsschreiber das darauf verwendete archaische Alphabet als griechische Buchstaben gedeutet habe. [15] [16]

Die archaologischen Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass die Baureste beim Lapis Niger nicht zu einem Grabmal oder einem politischen Monument (wie man es sich etwa als Aufstellungsort fur einen Tatenbericht vorstellen wurde), sondern zu einem Altar gehorten. [17] Vermutlich handelt es sich daher bei den Angaben in den antiken Schriftquellen um Atiologien , also um mythische Erzahlungen, die die Romer der spateren Zeit entwickelten, um ein altehrwurdiges Bauwerk im Stadtzentrum und eine ihnen unverstandliche Inschrift darauf irgendwie erklaren zu konnen. [5] Gleichzeitig scheinen dies alles jedoch verschiedene uneinheitliche Spekulationen eher diffusen Charakters gewesen zu sein, da man eine traditionell und allgemein als Romulus-Grab gedeutete Anlage wohl kaum einfach zugepflastert hatte. [18]

Eine andere potenzielle Verbindung zur mythischen Fruhgeschichte Roms wird durch den Bericht in der Romulus-Biographie des Plutarch hergestellt, der behauptet, Romulus sei im Heiligtum des Vulcanus (??ν τ? ?ερ? το? ?φα?στου “) ermordet worden. Dabei muss es sich jedoch nicht um das Volcanal auf dem Forum Romanum handeln, vielmehr deutet einiges darauf hin, dass dort ein von Romulus gegrundetes Vulcanus-Heiligtum außerhalb der Stadt gemeint ist. [19]

Lapis Niger : Abzeichnung der vier Seiten des Cippus

Der ?Forum-Cippus“

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Beschreibung des Steins

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Die Stele besteht aus dunklem Tuffstein aus der Gegend von Veji ; sie hat eine Grundflache von 47 cm × 52 cm und eine Hohe von zwischen 45 cm und 61 cm. Es durfte sich ursprunglich um eine rechteckige Saule gehandelt haben, deren oberer Teil abgeschlagen wurde ? vermutlich als die daruber aufgefundenen Steinplatten verlegt wurden. Die Schrift verlauft ? bustrophedon “ (wortlich: ?wie der Ochse beim Pflugen geht“), das heißt, dass die Schreibrichtung zwischen den Zeilen jeweils abwechselt. Der Cippus unter dem Lapis Niger weist die Besonderheit auf, dass die Schreibrichtung hier nicht zwischen linkslaufig und rechtslaufig wechselt, sondern der Text senkrecht von unten nach oben bzw. von oben nach unten geschrieben ist. Eine Ausnahme sind die elfte und zwolfte Zeile der Inschrift, die beide in dieselbe Richtung verlaufen. [20] Diese fur das Lesen des Textes eher unpraktische Gestaltung konnte religios-kultische Grunde gehabt haben.

Beschrieben sind alle vier Seiten des Steines, sie werden als Seiten A bis D bezeichnet. Als der Schreiber ? wohl erst im Zuge der Einmeißelung ? feststellte, dass der Platz fur den unterzubringenden Text nicht ausreichen wurde, schragte er die Ecke zwischen der Seite D und der Seite A ab und brachte die letzte Zeile in kleinerer Schrift auf dieser Kante an. Die Buchstabenhohe schwankt daher stark und betragt zwischen 12,4 und 3,5 cm. [21] Wie viel von der Inschrift durch das Abschlagen des oberen Teils verloren gegangen ist, lasst sich nicht erschließen.

Der Lapis Niger auf dem Forum Romanum.

Um die Datierung der Inschrift ist eine umfangreiche Forschungsdiskussion entstanden, bei der verschiedene historische, sprachliche und palaographische sowie archaologische Argumente ins Feld gefuhrt werden. Ein fruher Ansatz datiert den Stein in die Romische Konigszeit , die bis zum Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. reichte. Trifft diese Vermutung zu, stellt der Text darauf eine der altesten erhaltenen Inschriften in lateinischer Sprache dar. Andere Wissenschaftler widersprechen dieser These und vertreten Datierungen in deutlich spatere Epochen bis in die Zeit nach dem Galliersturm Anfang des 4. Jahrhunderts v. Chr. [22] Gelegentliche vermeintlich sehr prazise Zeitangaben zur Entstehung des Steines ? etwa Eingrenzungen auf wenige Jahrzehnte ? resultieren aus der verlockenden Kombination mehrerer unsicherer Indizien, die sich gegenseitig zu bestatigen scheinen, und sind daher reine Spekulation.

Die historischen Uberlegungen beruhen zum einen auf den Vokabeln ?recei“ (was als deklinierte Form des lateinischen ?rex“, ?Konig“ gedeutet wird) und ?kalatorem“ (von ?kalator“, lateinisch fur ?Diener, Ausrufer“). Geht man davon aus, dass mit ?rex“ der Stadtkonig der romischen Fruhzeit und mit ?kalator“ einer von dessen Beamten gemeint ist, ist die Inschrift in die Konigszeit, also spatestens das spate 6. Jahrhundert v. Chr., zu datieren. Genauso gut kann man ?rex“ aber auch auf den rex sacrorum , eines der hochsten Priesteramter der fruhen romischen Republik, beziehen, und den ?kalator“ als einen seiner Helfer verstehen. Fur die Datierung wurde dies das genaue Gegenteil, also eine Verortung in die republikanische Epoche und damit fruhestens das spate 6. Jahrhundert v. Chr. bedeuten. Eine zweite Kategorie historischer Argumente fur die zeitliche Fixierung des ?Forum-Cippus“ beruht auf der Gleichsetzung der unter dem Inschriftenstein gefundenen Bauten mit Monumenten, die in antiken Schriftquellen erwahnt werden (siehe Kapitel Erwahnung in antiken Schriftquellen ). Da diese Berichte aber untereinander bereits nicht einheitlich sind und der Ausgrabungsbefund ? ein Rest eines archaischen Heiligtums wohl des Gottes Vulcanus ? keinen von ihnen bestatigt, ist es nicht moglich, sie fur eine verlassliche Datierung heranzuziehen. [23]

An archaologischen Anhaltspunkten zur Datierung des Inschriftensteines werden zum einen die verschiedenen Begleitfunde verwendet, die bei den Ausgrabungen ans Tageslicht kamen. Von ihnen lassen sich verschiedene Scherben korinthischer Keramik besonders gut datieren, sie stammen aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. Sie haben aber ? ebenso wie die anderen Fundstucke aus dem Umfeld des Lapis Niger ? das Problem, dass nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, ob sie zum Nutzungszeitraum der Kultanlage, etwa als Votivgabe , in den Boden gelangten, oder erst spater als Material zur Aufschuttung genutzt wurden beziehungsweise durch Anschwemmungen an ihren Fundort kamen. Zum anderen wird von archaologischer Seite vor allem mit dem stratigraphischen Kontext des Steines argumentiert. Dazu gehoren dessen Hohenlage und Ausrichtung sowie die relative Position im Vergleich zu benachbarten, daruber- und darunterliegenden Befunden. Diese Anhaltspunkte kranken jedoch daran, dass auch die angrenzenden Bauten nicht sicher datiert werden konnen. Selbst, wenn sich eindeutig ergibt, dass eines von ihnen spater oder fruher als der Cippus entstand, bietet dies also auch im besten Fall nur einen relativchronologischen Anhaltspunkt. [24]

Die Inschrift selbst gibt diverse sprachliche ( Archaismen , Grammatik) [25] und außere (Schriftrichtung, Buchstabenformen, Zeichensetzung) Hinweise, die jedoch ebenfalls keine sichere Aussage zum Entstehungszeitraum, sondern allenfalls Anhaltspunkte bieten. [22] Haufig hielten sich zum Beispiel alte Buchstabenformen auch noch langere Zeit nach der Entwicklung neuer Schreibweisen, im Vergleich zweier Inschriften muss also der Text mit den formgeschichtlich fruheren Buchstaben nicht automatisch auch der tatsachlich altere sein. [26] Fur eine spatere Datierung des Forum-Cippus wurde schließlich noch angefuhrt, dass das Tuffgestein, aus dem er besteht, den Romern erst Anfang des 4. Jahrhunderts bequemer zuganglich war, als sie die Herkunftsstadt Veji erobert hatten. [27]

Alle diese Ansatze fuhren nicht zu einer eindeutigen Einordnung. Als einigermaßen sicheres Indiz fur eine fruhe Datierung gilt allerdings ein Wasserbecken, das bei erneuten Ausgrabungen im Jahr 1955 gefunden wurde und kurz vor dem Bau des Vulcanus-Altars zugeschuttet worden sein muss. Dem gefundenen Schuttgut zufolge geschah dies im 6. Jahrhundert v. Chr., was einen fruhstmoglichen Zeitpunkt ( Terminus post quem ) fur die Errichtung des Altars liefert. Eine Stelle, an der dessen Fundament an das Fundament der Inschriftensaule stoßt, gibt wiederum einen relativ sicheren Hinweis darauf, dass letztere alter ist, also wohl im 6. Jahrhundert oder fruher entstanden ist. [28] Dieser Einschatzung entsprechen auch neuere systematische Vergleiche der Buchstabenformen mit denen anderer fruhlateinischer Inschriften. [29]

Lapis Niger : Wiedergabe der Inschrift des Cippus unter Nutzung der archaischen Buchstabenformen und Transkription des Textes

Die erhaltenen Teile der Aufschriften auf den Seiten A bis D sowie auf der Flache zwischen A und D lauten (in Leserichtung, wiedergegeben nach dem Leidener Klammersystem ): [30]

Seite A: ?Quoi ho?[??] / [??] ?akros es/ed sord[??]“

Seite B: ?[??]a ?as / recei i? [??] / [??]evam / quos r?[??]“

Seite C: ?[??]? kalato/rem ha?[??] / [??]?od iouxmen/ta kapia duo tau[??]“

Seite D: ?[??]?m iter p??[??] / [??]? quoi ha/velod neq f?[??] / [??]?od iovestod“

Zwischen Seite A und D: ?loiuquiod qo[“

Einige wenige Worte lassen sich mit ziemlicher Sicherheit erkennen. Dazu gehoren ?Konig“ ( recei , siehe die klassische Form rex mit dem Dativ regi ), ?Herold“ oder ?Ausrufer“ ( kalatorem , siehe die klassische Form calator mit dem Akkusativ calatorem ), ?Zugtier“ ( iouxmenta , siehe die klassische Form iumentum mit dem Plural iumenta ) und eine Verfluchung oder Heiligung ( sakros esed , das in klassischen Formeln sacer esto ?soll geopfert sein“ lautet).

Erganzung und Interpretation

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Die Erganzungen der Inschrift sind nicht eindeutig. Einige ergeben sich nicht aus generellen sprachlichen Wahrscheinlichkeiten bei der Vervollstandigung des Erhaltenen, sondern erst aus der vermuteten Deutung der Inschrift als sakrales Gesetz. Dies trifft zum Beispiel zu auf die Erganzung der letzten beiden Buchstaben QO zu qomitium , einer archaischen Form der Bezeichnung comitium fur die romischen Volksversammlungen. Robert E. A. Palmer hat 1969 eine umfangreiche Untersuchung zur Inschrift vorgelegt und ist dabei teils durch sprachgeschichtliche Uberlegungen, aber auch durch Vergleiche mit anderen inschriftlich uberlieferten Heiligtums-Gesetzen der republikanischen Epoche zu folgenden Erganzungen gelangt: [31]

Seite A: ?quoi hon[ce louquom violasit] / [??] sakros es-/ed. sord[es nequis fundatod neve]“

Seite B: ?[kadaver proikitod ---] a has / recei io[us esed bovid piaklom fhakere.] / [moltatod moltam pr]evam. / quos re[x moltasid, boves dantod.]“

Seite C: ?[rex--- ]m kalato-/rem hab[etod.] / [iounki]tod iouxmen-/ta kapia duo tau[r---]“

Seite D: ?am iter pe[r---] / [eu]m quoi ha-/velod neq f[hakiat] / [en---]iod iovestod“

Zwischen Seite A und D: ?louquiod qo[miti---]“

Dies bringt ihn zu einer versuchsweisen englischen Ubersetzung, der hier in einer deutschen Fassung wiedergegeben wird:

?Wer immer diesen [Hain verletzt], soll verflucht sein. [Lasst niemanden] Abfall [ablegen] oder einen Korper werfen (im Sinne von: ?einen Leichnam bestatten“)… Lasst es fur den Konig rechtmaßig sein, [eine Kuh als Suhne zu opfern. Lasst ihn] eine [Strafe erheben] fur jedes [Vergehen]. Wen der Konig [bestrafen wird, lasst ihn Kuhe geben. Lasst den Konig einen …] Boten [haben. Lasst ihn ein] Gespann [einspannen] aus zwei Stuck (Vieh), unfruchtbar… Entlang des Prozessionsweges… [Ihn,] der nicht ein junges Tier [opfern wird]… in einer… rechtmaßigen Volksversammlung in einem Hain.“ [32]

(Die eckigen Klammern markieren Begriffe, von denen sich im lateinischen Text kein Stuck erhalten hat, die Palmer also rein aus historischen Erwagungen oder anhand von vergleichbaren Inschriften aus etwas spaterer Zeit rekonstruiert hat. In runden Klammern finden sich sprachliche Erganzungen, die Palmers englischen Ubersetzungsentwurf im Deutschen verstandlicher machen sollen; sie basieren auf seinen sonstigen Uberlegungen und Erlauterungen zur Inschrift.)

Es handele sich also um ein Tempelgesetz, das Suhneopfer des Konigs oder Priesterkonigs in einem heiligen Hain reglementiere. Palmer vermutet, dass sich der Herrscher beziehungsweise der Geistliche in einer Prozession dorthin habe begeben sollen. Der ebenfalls in dem Text erwahnte Bote beziehungsweise Herold sei ein Beamter, der dem (Priester-)Konig vorausgeschickt worden sei und dafur habe sorgen sollen, dass die Zeremonie nicht durch ?unreine“ Dinge entlang des Prozessionsweges beeintrachtigt werde. Diese weitreichenden Erganzungen der Inschrift durch Palmer beruhen allerdings teilweise auf inhaltlichen Interpretationen und lassen sich nicht in jedem Fall direkt aus der Inschrift selbst heraus erschließen. Daher schließen sich nicht alle Forscher Palmers Vervollstandigungs- und Ubersetzungsversuch an. Beispielsweise bemerkt Markus Hartmann in seiner 2005 veroffentlichten Untersuchung zu fruhlateinischen Inschriften uber den Forum-Cippus: ?So verschließt sich die Inschrift ? mit Ausnahme einzelner, weniger Worter […] ? einer sicheren Gesamtubersetzung.“ [21]

  • Sepulcrum Romuli. In: Samuel Ball Platner : A Topographical Dictionary of Ancient Rome. Completed and revised by Thomas Ashby . Oxford University Press, London 1929, S. 482?484, online bei LacusCurtius.
  • Johannes Stroux : Die Foruminschrift beim Lapis niger. In: Philologus . Band 86, Nummer 4, 1931, S. 460?491.
  • Zum Problem der Foruminschrift unter dem Lapis Niger (= Klio . Beihefte. Band 27 = Neue Folge Band 14, ISSN   1438-7689 ). Dieterich, Leipzig 1932 (Enthalt:
    • 1. Franz Leifer: Zwei neuere Losungsvorschlage (Graffunder und Stroux).
    • 2. Emil Goldmann: Deutungsversuch. )
  • Robert E. A. Palmer: The king and the comitium. A study of Rome's oldest public document (= Historia . Einzelschriften. Band 11). Franz Steiner, Wiesbaden 1969.
  • Filippo Coarelli : Il Foro Romano. Band 1: Periodo arcaico. Ed. Quasar, Rom 1983, ISBN 88-85020-44-5 , S. 161?188.
  • Rudolf Wachter : Altlateinische Inschriften. Sprachliche und epigraphische Untersuchungen zu den Dokumenten bis etwa 150 v. Chr. (= Europaische Hochschulschriften. Reihe 15: Klassische Sprachen und Literatur. Band 38). Peter Lang, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-261-03707-5 , S. 66?69 (zugleich Dissertation, Universitat Zurich 1986/1987).
  • Daniela Urbanova: Die zwei wichtigsten altlateinischen Inschriften aus Rom des 6. Jh. v. R. In: Sbornik praci Filozoficke fakulty brn?nske univerzity. Band 38, 1993, S. 131?139 ( PDF ).
  • Filippo Coarelli: Sepulcrum Romuli. In: Eva Margareta Steinby (Hrsg.): Lexicon Topographicum Urbis Romae . Band 4: P?S. Quasar, Rom 1999, ISBN 88-7140-135-2 , S. 295 f.
  • Hartmut Galsterer : Lapis niger. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 6, Metzler, Stuttgart 1999, ISBN 3-476-01476-2 , Sp. 1142.
  • Theodor Kissel : Das Forum Romanum. Leben im Herzen der Stadt. Artemis & Winkler, Dusseldorf u. a. 2004, ISBN 3-7608-2307-6 , S. 36?38.
  • Markus Hartmann: Die fruhlateinischen Inschriften und ihre Datierung. Eine linguistisch-archaologisch-palaographische Untersuchung (= Munchner Forschungen zur historischen Sprachwissenschaft. Band 3). Hempen Verlag, Bremen 2005, ISBN 3-934106-47-1 , vor allem S. 122?130, S. 192?197, S. 211 f., S. 217 f., S. 252?256 und S. 336?343 (zugleich Dissertation, Julius-Maximilians-Universitat Wurzburg 2003/2004).

Einzelnachweise

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  1. Zum Fundort des Lapis Niger siehe Giuseppe Lugli: Roma Antica. Il centro monumentale. Bardi, Rom 1946, S. 115?131.
  2. Oskar Viedebantt : Forum Romanum (Bauten). In: Paulys Realencyclopadie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Supplementband IV, Stuttgart 1924, Sp. 461?511, hier Sp. 490 f.
  3. Christian Hulsen : Jahresbericht uber neue Funde und Forschungen zur Topographie der Stadt Rom. Neue Folge. I: Die Ausgrabungen auf dem Forum Romanum 1898?1902. In: Mitteilungen des Deutschen Archaologischen Instituts, Romische Abteilung . Band 17, 1902, S. 1?97, hier S. 30 f.
  4. Eine knappe Beschreibung der Befunde bietet Oskar Viedebantt : Forum Romanum (Bauten). In: Paulys Realencyclopadie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Supplementband IV, Stuttgart 1924, Sp. 461?511, hier Sp. 490 f.
  5. a b Filippo Coarelli : Il Foro Romano. Band 1: Periodo arcaico. Ed. Quasar, Rom 1983, ISBN 88-85020-44-5 , S. 161?178.
  6. Theodor Kissel: Das Forum Romanum. Leben im Herzen der Stadt. Artemis & Winkler, Dusseldorf u. a. 2004, S. 36?38.
  7. Johannes Stroux: Die Foruminschrift beim Lapis niger. In: Philologus. Band 86, Nummer 4, 1931, S. 460?491, hier S. 461.
  8. Horaz , Epoden 16,13 f.
  9. Pomponius Porphyrio , Scholion zu Horaz, Epoden 16,13 ( online ).
  10. Pseudo-Acron , Scholion zu Horaz, Epoden 16,13.
  11. Markus Hartmann: Die fruhlateinischen Inschriften und ihre Datierung. Eine linguistisch-archaologisch-palaographische Untersuchung. Hempen Verlag, Bremen 2005, ISBN 3-934106-47-1 , S. 211 f.
  12. Dionysios von Halikarnassos , Romische Altertumer 1,87,2 ( englische Ubersetzung der Stelle ).
  13. Dionysios von Halikarnassos, Romische Altertumer 3,1,2 ( englische Ubersetzung der Stelle ).
  14. Dionysios von Halikarnassos, Romische Altertumer 2,54,2 ( englische Ubersetzung der Stelle ).
  15. Hartmut Galsterer : Lapis niger. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 6, Metzler, Stuttgart 1999, ISBN 3-476-01476-2 , Sp. 1142 (die dortige Angabe der Dionysios-Stelle mit Tippfehler).
  16. Carmine Ampolo: La Storiografia su Roma Arcaica e i Documenti. In: Emilio Gabba (Hrsg.): Tria Corda. Scritti in onore di Arnaldo Momigliano (= Bibliotheca di Athenaeum. Band 1). Edizioni New Press, Como 1983, S. 9?26, hier S. 19?26.
  17. Markus Hartmann: Die fruhlateinischen Inschriften und ihre Datierung. Eine linguistisch-archaologisch-palaographische Untersuchung. Hempen Verlag, Bremen 2005, ISBN 3-934106-47-1 , S. 212.
  18. Andreas Hartmann : Zwischen Relikt und Reliquie. Objektbezogene Erinnerungspraktiken in antiken Gesellschaften (= Studien zur Alten Geschichte. Band 11). Verlag Antike, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-938032-35-0 , S. 302 f. Eine deutlich großere Bedeutung fur das Selbst- und Geschichtsbewusstsein der Romer wird dem Lapis Niger von Hans Beck zugeschrieben: Hans Beck: The Discovery of Numa's Writings: Roman Sacral Law and the Early Historians. In: Kaj Sandberg, Christopher Smith (Hrsg.): Omnium annalium monumenta. Historical writing and historical evidence in Republican Rome (= Historiography of Rome and its Empire. Band 2). Brill, Leiden/Boston 2018, ISBN 978-90-04-35544-6 , S. 90?114, hier S. 91.
  19. Rene Pfeilschifter : Die Romer auf der Flucht. Republikanische Feste und Sinnstiftung durch aitiologischen Mythos. In: Hans Beck, Hans-Ulrich Wiemer (Hrsg.): Feiern und Erinnern. Geschichtsbilder im Spiegel antiker Feste (= Studien zur Alten Geschichte. Band 12). Verlag Antike, Heidelberg 2009, ISBN 978-3-938032-34-3 , S. 109?139, hier S. 121 f. mit Anm. 45 (Pfeilschifter lehnt jedoch auch die von Coarelli vorgeschlagene Gleichsetzung von Volcanal und Lapis Niger ab).
  20. Robert E. A. Palmer: The king and the comitium. A study of Rome's oldest public document. Franz Steiner, Wiesbaden 1969, S. XI.
  21. a b Markus Hartmann: Die fruhlateinischen Inschriften und ihre Datierung. Eine linguistisch-archaologisch-palaographische Untersuchung. Hempen Verlag, Bremen 2005, ISBN 3-934106-47-1 , S. 129.
  22. a b Zu den divergierenden Datierungen siehe: Markus Hartmann: Die fruhlateinischen Inschriften und ihre Datierung. Eine linguistisch-archaologisch-palaographische Untersuchung. Hempen Verlag, Bremen 2005, ISBN 3-934106-47-1 , besonders S. 130.
  23. Zu den historischen Argumenten zur Datierung siehe Markus Hartmann: Die fruhlateinischen Inschriften und ihre Datierung. Eine linguistisch-archaologisch-palaographische Untersuchung. Hempen Verlag, Bremen 2005, ISBN 3-934106-47-1 , S. 211 f.
  24. Zu den archaologischen Argumenten zur Datierung siehe Markus Hartmann: Die fruhlateinischen Inschriften und ihre Datierung. Eine linguistisch-archaologisch-palaographische Untersuchung. Hempen Verlag, Bremen 2005, ISBN 3-934106-47-1 , S. 195.
  25. Markus Hartmann: Die fruhlateinischen Inschriften und ihre Datierung. Eine linguistisch-archaologisch-palaographische Untersuchung. Hempen Verlag, Bremen 2005, ISBN 3-934106-47-1 , S. 217 f.
  26. Rudolf Wachter : Altlateinische Inschriften. Sprachliche und epigraphische Untersuchungen zu den Dokumenten bis etwa 150 v. Chr. Peter Lang, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-261-03707-5 , S. 67 f.
  27. Luciana Aigner-Foresti : Die Etrusker und das fruhe Rom. 2., durchgesehene Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009, ISBN 978-3-534-23007-5 , S. 95.
  28. Markus Hartmann: Die fruhlateinischen Inschriften und ihre Datierung. Eine linguistisch-archaologisch-palaographische Untersuchung. Hempen Verlag, Bremen 2005, ISBN 3-934106-47-1 , S. 195?197.
  29. Markus Hartmann: Die fruhlateinischen Inschriften und ihre Datierung. Eine linguistisch-archaologisch-palaographische Untersuchung. Hempen Verlag, Bremen 2005, ISBN 3-934106-47-1 , vor allem S. 252?256 und S. 336?343.
  30. Robert E. A. Palmer: The king and the comitium. A study of Rome's oldest public document. Franz Steiner, Wiesbaden 1969, S. XII.
  31. Robert E. A. Palmer: The king and the comitium. A study of Rome's oldest public document. Franz Steiner, Wiesbaden 1969, S. 49.
  32. Englische Ubersetzung Palmers: “ Whosoever [will violate] this [grove], let him be cursed. [Let no one dump] refuse [nor throw a body…]. Let it be lawful for the king [to sacrifice a cow in atonement.] [Let him fine] one [fine] for each [offense]. Whom the king [will fine, let them give cows.][Let the king have a ---] herald. [Let him yoke] a team, two heads, sterile…Along the route…[Him] who [will] not [sacrifice] with a young animal…in a…lawful assembly in a grove… ” Siehe Robert E. A. Palmer: The king and the comitium. A study of Rome's oldest public document. Franz Steiner, Wiesbaden 1969, S. 49.