Lutticher Revolution

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Die Lutticher Revolution ( franzosisch La Revolution liegeoise , wallonisch Revolucion lidjwesse ou Binameye revolucion ) war eine Aufstandsbewegung, die sich 1789 gegen den Furstbischof Casar Konstantin Franz von Hoensbroech des Hochstifts Luttich richtete. Sie wurde Anfang 1791 von der Reichsarmee im Auftrag des Heiligen Romischen Reiches niedergeschlagen.

Ursachen und Verlauf

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Osterreichische Niederlande und Bistum Luttich, 1786 (aus: William R. Shepherd : The Historical Atlas, 1926)

Wie in Frankreich fuhrten schlechte Ernten und ein strenger Winter 1788/89 zu einem starken Anstieg der Lebensmittelpreise. Dies verstarkte strukturelle Unzufriedenheiten in Luttich wie etwa uber die Steuerbefreiung fur Adel und Klerus. Diese hatten schon in den vergangenen Jahren zu Unzufriedenheit gefuhrt. Daruber hinaus wurde von Intellektuellen wie Jean-Nicolas Bassenge die politische Einflusslosigkeit von Adel und Burgertum beklagt. Nur das Domkapitel hatte gegenuber dem Furstbischof politischen Einfluss.

Von Nachrichten uber den Sturm auf die Bastille in Paris beeinflusst, drangen am 18. August 1789 protestierende Burger in das Rathaus von Luttich ein. Sie drangen in die Sitzung des Stadtrates ein und setzten neue Burgermeister ein. Danach wurde die Zitadelle der Stadt gesturmt. Die dortigen Gefangenen wurden befreit und die Festung besetzt. Der amtierende Furstbischof Konstantin-Franz von Hoensbroeck wurde gezwungen, eine Erklarung zu unterschreiben, die dieser als Entmachtung auffasste. Der Bischof verließ die Stadt und floh nach Trier .

Die Protagonisten der Revolution orientierten sich im Sommer 1789 zunachst nicht an modernen republikanischen Ideen, sondern versuchten an die mittelalterliche Standeverfassung anzuknupfen. Es galt, die im 17. Jahrhundert vollzogene Entmachtung insbesondere des Dritten Standes ruckgangig zu machen. Daher war beabsichtigt, die Verfassung von 1316 leicht modifiziert wieder einzufuhren. Die Entwicklung blieb aber dabei nicht stehen. In Luttich wurden die revolutionaren franzosischen Schriften nachgedruckt und rezipiert. Nicht zuletzt dadurch ging die Tendenz hin zu einem konstitutionellen System . Schließlich wurden auch die Bauern des Umlandes mit einbezogen.

Reaktion des Reiches

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Als Teil des Heiligen Romischen Reiches reagierten dessen ansonsten haufig schwerfallige Institutionen rasch. Das Reichskammergericht in Wetzlar wies bereits am 27. August 1789 den zustandigen Niederrheinisch-Westfalischen Reichskreis an, die alte Ordnung notfalls auch mit Gewalt wiederherzustellen. Die abgesetzten Amtstrager sollten wieder eingesetzt und die Anfuhrer der Revolte verhaftet werden. Damit beauftragt wurden die Kurfursten Maximilian Franz von Osterreich fur Kurkoln , Carl Theodor von Bayern fur die Kurpfalz und Friedrich Wilhelm II. von Preußen in seiner Eigenschaft als Landesherr des Herzogtums Kleve und der Grafschaft Mark .

Der Beauftragte des letzteren war Christian Konrad Wilhelm von Dohm . Dieser hatte allerdings bereits zuvor Sympathien fur freiheitliche Ideen erkennen lassen. Er gehorte zu den Verfassern einer Verfassung fur die Reichsstadt Aachen , die aber in dieser Form am Reichskammergericht scheiterte. Er versuchte daher auch ein gewaltsames Vorgehen zu vermeiden und zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln. Anfangs wurde dies vom preußischen Außenminister Graf Ewald Friedrich von Hertzberg mitgetragen, der so hoffte, Osterreich schwachen zu konnen. Auch befurchtete man in Berlin, dass nach der Niederschlagung der Revolution das Bistum Luttich an den aus Osterreich stammenden Kurfursten von Koln fallen konnte.

Als es aber Anzeichen fur ein Zusammengehen der Lutticher mit der Brabanter Revolution gab und Geruchte uber militarische Vorbereitungen auf Seiten der Revolutionare auftauchten, verlangten die Bevollmachtigten der Pfalz und Kurkolns den Einsatz von Militar. Nur um den Forderungen Genuge zu tun, marschierten am 30. November pfalzische und preußische Truppen sowie Einheiten aus dem Hochstift Munster , dem Herzogtum Julich und Kurmainz unter preußischem Kommando in Lutticher Gebiet ein. Die Stadt selbst wurde nicht besetzt, und die Truppen zogen sich ein halbes Jahr spater wieder zuruck. Daraufhin wurden die Preußen von den Luttichern sturmisch gefeiert. Auch deutsche Revolutionare wie Georg Forster zeigten sich von Dohms Politik beeindruckt.

Niederschlagung der Revolution

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Gegenuber den europaischen Hofen versuchte sich die preußische Regierung mit der Schrift Note sur l’affaire de Liege zu rechtfertigen. Das Reichskammergericht drangte weiter auf die Durchfuhrung seiner Verfugung. Dagegen schrieb Dohm eine Rechtfertigungsschrift. Die Revolutionare in Luttich nahmen im Juli 1790 direkte Verbindungen mit der franzosischen Nationalversammlung auf und baten diese um Unterstutzung.

Mit der Reichenbacher Konvention von 1790 begann eine Phase der Zusammenarbeit von Preußen und Osterreich. Mit der Entlassung des preußischen Außenministers Hertzberg verloren Dohm und die Revolutionare in Luttich die insgeheime Unterstutzung aus Berlin.

Zu Beginn des Jahres 1791 marschierten erneut Reichstruppen in das Lutticher Territorium ein und besetzten die Stadt. Nachdem der Furstbischof am 13. Februar 1791 zuruckgekehrt war, wurden die Anfuhrer der Revolution verhaftet und das absolutistische Regime wiederhergestellt. Allerdings wurde Luttich bereits im November 1791 von franzosischen Truppen besetzt.

  • Simon Reuter: Revolution und Reaktion im Reich. Die Intervention im Hochstift Luttich 1789?1791 . Aschendorff Verlag, Munster 2019, ISBN 978-3-402-14663-7 .
  • Wilhelm Ribhegge: Preußen im Westen. Kampf um den Parlamentarismus in Rheinland und Westfalen . Munster 2008 (Sonderausgabe fur die Landeszentrale fur politische Bildung NRW), S. 3f.
Wikisource: Luttich  ? Quellen und Volltexte