Kreuzritter
und
Kreuzfahrer
sind Weiterleitungen auf diesen Artikel.
Die
Kreuzzuge
waren von der
lateinischen Kirche
sanktionierte
, strategisch, religios und wirtschaftlich motivierte Kriege zwischen 1095/99 und dem 13. Jahrhundert. In diesem engeren Sinne bezeichnet der Begriff die Orientkreuzzuge, die sich gegen die
muslimischen
Staaten im
Nahen Osten
richteten.
[1]
Im 13. Jahrhundert wurde der Begriff fur Kreuzzuge (wie
peregrinatio
) auch auf andere militarische Aktionen ausgeweitet, deren Ziel nicht das
Heilige Land
war
(crux cismarina)
. In diesem erweiterten Sinne werden auch die Feldzuge gegen nicht christianisierte Volker wie
Wenden
,
Finnen
,
Balten
und
Esten
, gegen
Ketzer
wie die
Albigenser
,
Hussiten
und gegen die
Ostkirche
dazu gezahlt. Vereinzelt haben Papste sogar zu Kreuzzugen gegen christliche politische Gegner aufgerufen.
Nachdem ein Kreuzfahrerheer 1099 Jerusalem
erobert hatte
, wurden in der
Levante
insgesamt vier
Kreuzfahrerstaaten
gegrundet. Infolge ihrer Bedrohung durch die muslimischen Anrainerstaaten wurden weitere Kreuzzuge durchgefuhrt, denen meistens kaum ein Erfolg beschieden war. Das
Konigreich Jerusalem
erlitt 1187 in der
Schlacht bei Hattin
eine schwere Niederlage, auch
Jerusalem
ging wieder verloren. Mit
Akkon
fiel 1291 die letzte Kreuzfahrerfestung in
Outremer
.
Der Begriff ?Kreuzzug“ geht zuruck auf die Befestigung eines
Kreuzzeichens
an der Kleidung derer, die den Kreuzfahrereid ablegten. In den zeitgenossischen Quellen waren hingegen andere Bezeichnungen verbreitet, vor allem
expeditio, iter
und
peregrinatio
(wie sich Teilnehmer oft auch als
peregrini
bezeichneten und damit das Motiv einer bewaffneten Pilgerfahrt betonten).
[2]
Der franzosische Begriff
croisade
stammt aus dem 15. Jahrhundert (
okzitanisch
crozada
um 1213), die deutsche Ubersetzung ?Kreuzzug“ ist modern.
[3]
Vorbemerkungen
Allgemeines
Seit dem 7. Jahrhundert fand die
islamische Expansion
statt: Die militarische, teilweise mit Ubergriffen verbundene Unterwerfung und Besiedlung christlicher Gebiete durch arabisch-muslimische Eroberer im
Nahen Osten
, in
Nordafrika
,
Italien
(Eroberung
Sardiniens
, der Einfall in
Rom
und die Zerstorung der
Basilika St. Peter
durch die
Aghlabiden
im Jahre
846
) sowie (bis zur Ruckeroberung im Rahmen der
Reconquista
) der Einfall in
Spanien
und
Portugal
. Seit
638
stand Jerusalem unter muslimischer Herrschaft. Von christlicher Seite wurde die Eroberung des Heiligen Landes und die Zuruckdrangung der
Sarazenen
als Ruckeroberung und als ein Akt der Verteidigung des
Christentums
betrachtet, welcher durch offiziellen Beistand und die Unterstutzung der
Kirche
bekraftigt und angefuhrt wurde.
Ein weiteres Motiv war die Wiederherstellung des ungehinderten Zugangs der christlichen
Pilger
zu den heiligen Statten, der durch muslimische Ubergriffe auf die in den
levantinischen
Hafen ankommenden Pilger unmoglich gemacht wurde. Davon berichtet der Chronist al-Azimi aus Aleppo, der diese Ubergriffe auch als den Grund fur den ersten Kreuzzug angibt.
[4]
Dem
Ersten Kreuzzug
war ein Hilferuf des
byzantinischen
Kaisers
Alexios I. Komnenos
um militarische Unterstutzung gegen die
Seldschuken
vorausgegangen. Am 27. November 1095 rief Papst
Urban II.
die
Christen
auf der
Synode von Clermont
zum Kreuzzug in das ?Heilige Land“ auf. Urban II. forderte, die dort ansassigen
Muslime
zu vertreiben und in
Jerusalem
die den Christen heiligen Statten in Besitz zu nehmen.
[5]
Mehr als acht Jahrzehnte waren vergangen, nachdem es in der Regierungszeit des
fatimidischen
Kalifen
al-Hakim
zu Repressalien gegenuber der lokalen christlichen Bevolkerung, zur Zerstorung von Kirchen und Klostern sowie schließlich 1009 zur Zerstorung der
Grabeskirche
gekommen war, eines der großten Heiligtumer des
Christentums
.
Die Kreuzzuge wurden nach kurzer Zeit auch zur Verwirklichung rein weltlicher Machtinteressen instrumentalisiert, insbesondere solcher, die gegen das
Byzantinische Reich
gerichtet waren. Schon bald wurde der Begriff Kreuzzug nicht nur auf Kriege gegen Muslime, sondern auch gegen von der romischen Kirche zu ?Ketzern“ deklarierte Menschen (siehe
Albigenser
) ausgeweitet. Dieser Umstand gab dem Papsttum eine starke politische und militarische Waffe in die Hand.
Trotzdem darf der religiose Aspekt, besonders bei den Kreuzzugen in den Osten, nicht unterschatzt werden. So waren nach der
Einnahme Jerusalems
im Jahre 1099 die Gefallenen als
Martyrer
gefeiert worden. Oft lagen die Interessen der kriegsfuhrenden Parteien und die der kampfenden Truppen weit auseinander. Die beiderseitigen Machthaber verfolgten unter anderem machtpolitische Interessen. Die Kreuzfahrer selbst glaubten zumeist an einen ehrenvollen, ja heiligen Kampf fur Kirche und Gott. Dies hinderte sie allerdings nicht daran, oft so brutal gegen die Zivilbevolkerung vorzugehen, dass dies bis heute den betroffenen Volkern im Gedachtnis geblieben ist.
Schon vor dem Aufruf zum Kreuzzug zur Befreiung Jerusalems hatte die Kirche damit begonnen, Kriegszuge zu unterstutzen. So wurden im Rahmen der Eroberung Englands durch
Wilhelm den Eroberer
1066 geweihte Fahnen an den Kriegsherren ubersandt, die ihn und sein Heer im Kampf starken sollten. Auf den geweihten Fahnen war unter anderem auch der
Erzengel Michael
abgebildet, der Schutzpatron des
romisch-deutschen Reiches
und spater Deutschlands. Auch der aragonesisch-franzosische Zug gegen das maurische
Barbastro
in Spanien im Jahr 1063, den Papst
Alexander II.
unterstutzte, sowie die Kampfe gegen die Araber auf
Sizilien
1059, standen unter papstlicher Patronage und sind als Vorlaufer der Kreuzzuge anzusehen. Diese gelten im Allgemeinen als die ersten historischen Ereignisse, an welchen die katholische Kirche beginnt, Kriegszuge dogmatisch zu starken und zu rechtfertigen.
Grundlage des Kreuzzugsaufrufs
Ein Kreuzzug war zugleich Bußgang und Kriegszug, der nach Auffassung der (nicht orthodoxen, katholisch christlichen) Zeitgenossen direkt von Gott durch das Wort des Papstes verkundet wurde. Die Teilnehmer legten ein rechtsverbindliches Gelubde ab, ahnlich wie bei einer
Pilgerfahrt
. Als Folge der gottlichen und papstlichen Verkundung waren die Kreuzzuge sehr popular. Dies erklart auch die große Teilnehmerzahl. Die offiziell verkundeten Kreuzzuge (darunter fallen beispielsweise nicht die Abwehrkampfe der Kreuzfahrerstaaten in
Outremer
) wurden als Angelegenheit der gesamten abendlandisch-katholischen Christenheit begriffen. Die Kreuzfahrerheere bestanden daher in der Regel aus ?Rittern“ aus ganz Europa.
Grundlage fur die Kreuzzuge war aus christlicher Sicht der Gedanke des
?
gerechten Krieges
“
(lat.
bellum iustum
), wie er von
Augustinus von Hippo
vertreten worden war. Dies bedeutete spater, dass der ?gottgefallige Krieg“ nur von einer rechtmaßigen Autoritat verkundet werden konnte (wie dem Papst). Es musste ein gerechter Kriegsgrund vorliegen (wie die ungerechte Behandlung von Glaubigen), und der Krieg musste fur gute Absichten (wie die gottliche Liebe) gefuhrt werden.
Zeitgenossische Kritik an den Kreuzzugen
Nach dem katastrophalen Ausgang des Zweiten Kreuzzugs mehrten sich Stimmen von Theologen, die sich gegen die Idee bewaffneter Kreuzzuge wandten.
[6]
Dazu zahlen in Deutschland der Wurzburger Annalist des Zweiten Kreuzzugs und der Theologe
Gerhoch von Reichersberg
sowie der Verfasser des Schauspiels
Ludus de Antichristo
, in Frankreich der Abt von Cluny
Petrus Venerabilis
in seinen spateren Schriften, der englische Zisterzienser
Isaak von Stella
(spater Abt in Frankreich),
Walter Map
(ein Hofling Konig Heinrichs II. von England) und der Englander Radulphus Niger. Sie beriefen sich u. a. auf
Mt
26,52
ELB
, demzufolge durch das Schwert sterben solle, wer das Schwert zieht, aber auch auf
Offb
19,21
ELB
, wo prophezeit wird, dass der wiederkehrende
Messias
als
Konig der Konige
die Feinde des Christentums mit dem Hauch seines Mundes ? also nur mit Gottes Wort ? vernichten werde. Um 1200 traten auch die Kanonisten, Kirchenrechtler wie
Alanus Anglicus
, dafur ein, die Muslime zu tolerieren.
Besonders ab Ende des 13. Jahrhunderts mussten die Papste die Ablasse fur das Anhoren von Kreuzzugspredigten deutlich erhohen, was ebenfalls als Indiz fur die abnehmende Begeisterung der nicht-nahostlichen Kreuzzuge zu deuten ist. Im fruhen 14. Jahrhundert riefen einige Papste sogar zu Kreuzzugen gegen politische Gegner auf, so Ende 1321 gegen Mailand.
Kritik der neueren Kirchenhistoriker an den Kreuzzugen
Im 20. Jahrhundert haben sich trotz der Aufbruche der
okumenischen Bewegung
und des
Zweiten Vatikanischen Konzils
relativ wenige Vertreter der Kirchengeschichte in kritischer Weise mit den Kreuzzugen befasst. Auf evangelischer Seite ist z. B.
Jonathan Riley-Smith
zu nennen, der u. a. das lange vorherrschende kirchliche Verstandnis der Kreuzzuge als heiligem Krieg zur Wiedererlangung angeblich legitimer christlicher Besitzrechte einer Kritik unterzog.
[7]
Auf katholischer Seite hat z. B.
Arnold Angenendt
im Kontext seiner Kritik die Kreuzzuge als schwere Hypothek bezeichnet, die sich die Kirche aufgeladen hat, indem die Papste die Kreuzzuge nicht nur als heilige Kriege gut geheißen, sondern sie sogar initiiert haben.
[8]
Kontroversen in der Geschichtswissenschaft
In Bezug auf die Kreuzzuge sind mehrere Punkte in der modernen Forschung umstritten, so etwa hinsichtlich des Ausmaßes der Akzeptanz der Kreuzzugsidee in spaterer Zeit. Eine Einigung wird durch unterschiedliche historische ?Schulen“ erschwert.
Manche Historiker (wie
Hans Eberhard Mayer
) sehen lediglich die Orientkreuzzuge als die ?eigentlichen‘ Kreuzzuge an. Demgegenuber herrscht im anglo-amerikanischen Sprachraum gelegentlich die Tendenz vor, den Begriff inhaltlich und auch zeitlich weiter zu fassen (besonders einflussreich:
Jonathan Riley-Smith
, Norman Housley). Dabei werden auch einige Militaraktionen der
Fruhen Neuzeit
noch den Kreuzzugen hinzugerechnet. Von Riley-Smith und seinen Schulern wird diese Sichtweise als ?pluralistisch“ bezeichnet; ihnen zufolge stieß der Kreuzzugsgedanke noch im
Spatmittelalter
auf Begeisterung. Kritiker halten dieser Schule entgegen, Quellen zu ignorieren, die belegen, dass die Kreuzzugsidee im Spatmittelalter deutlich an Anziehungskraft einbußte. Eine Einigung konnte bisher nicht erzielt werden.
[9]
In der Geschichtswissenschaft der letzten Jahrzehnte werden in zunehmendem Maße Geschichte und Struktur der Kreuzfahrerstaaten berucksichtigt, so dass das Augenmerk nicht mehr allein der chronologischen Abfolge und den historischen Begebenheiten der Kreuzzuge gilt.
Motive der Kreuzritter und Situation vor den Kreuzzugen
Die Motivation der Kreuzfahrer speiste sich keineswegs allein aus religiosem Eifer; vielmehr gab es auch andere Ursachen fur ihr Handeln, die sich zudem im Laufe der Zeit anderten. Die einzelnen Beweggrunde waren:
Religiose Motive
Aufbauend auf den Kreuzzugsaufruf Papst
Urbans II.
auf der
Synode von Clermont
im Jahr 1095 (begleitet von dem Zuruf ?
Deus lo vult
“ ? Gott will es) waren viele Kreuzfahrer uberzeugt, durch die Vertreibung der Muslime aus dem Heiligen Land Gottes Willen zu erfullen und die Erlassung all ihrer Sunden zu erreichen (
Ablass
,
Gnadenschatz
). Dies muss vor dem Hintergrund christlicher Berichte und Geruchte uber Graueltaten der islamischen Machthaber gegen die christliche Bevolkerung des Heiligen Landes gesehen werden und der Verwustung christlicher Statten, beispielsweise der
Grabeskirche
1009 in Jerusalem. Auch der aus
Aleppo
stammende moslemische Chronist al-Azimi berichtet von moslemischen Ubergriffen auf Pilger, wodurch der Zugang zu den heiligen Statten verunmoglicht wurde.
[10]
Auch der Prediger
Peter der Einsiedler
war auf einer fruheren Pilgerfahrt nach Jerusalem von den Turken misshandelt und zur Umkehr gezwungen worden.
[11]
In Konkurrenz mit wirtschaftlichen Interessen traten die religiosen Motive im Laufe der Zeit teilweise in den Hintergrund ? besonders deutlich wird das bei der Eroberung und Plunderung der christlichen Stadt
Konstantinopel
im
Vierten Kreuzzug
. Bezuglich der Kreuzzuge in den Orient verschwanden sie jedoch nie ganz, sie hatten auch großen Einfluss auf die christliche Bevolkerung in Europa.
[12]
Verhaltnis zum Islam
Ein wesentliches außenpolitisches Problem fur die christliche Welt stellte der Islam dar, der in seinem Streben westwarts zunachst in der Mitte des 7. Jahrhunderts das christliche
Byzantinische Reich
angriff. Ostrom/Byzanz verlor die seit dem
monophysitischen Schisma
in religiosem Gegensatz zu den griechischen und lateinischen Reichsgebieten stehenden Provinzen
Syrien
und
Agypten
binnen weniger Jahre an die
Araber
, die dort vielleicht von Teilen der Bevolkerung als Befreier begrußt wurden (was in der Forschung umstritten ist); es behauptete jedoch weiterhin das griechisch gepragte Kleinasien. Das westliche Nordafrika leistete bis zum Ende des 7. Jahrhunderts gegen die Araber Widerstand, wahrend das spanische
Westgotenreich
um 700 binnen weniger Monate unter dem Arabersturm zusammenbrach, so dass die Araber im Westen erst durch das
Frankische Reich
aufgehalten und zuruckgedrangt wurden.
Nachdem das Byzantinische Reich 751 von den
Langobarden
aus Mittelitalien verdrangt worden war (Fall des
Exarchats von Ravenna
), war es Anfang des 8. Jahrhunderts hauptsachlich auf das orthodoxe Kernland Kleinasien, die Kusten des Balkans und Suditaliens begrenzt. In der Folgezeit fand das Reich im 9. und 10. Jahrhundert zu einem
modus vivendi
mit den Arabern, der sogar in militarische Bundnisse mit einzelnen arabischen Staaten mundete. Dem militarischen Wiederaufstieg um das Jahr 1000 folgte ein innerer Niedergang. Mit dem islamischen Turkvolk der
Seldschuken
betrat gleichzeitig eine neue, expansive Macht die politische Buhne des Nahen Ostens, die sich auf Kosten der Araber und Byzantiner ausdehnte. Dies fuhrte 1071 fur die Byzantiner zur militarischen Katastrophe in der
Schlacht von Manzikert
gegen die Seldschuken, die den Beginn der turkischen Landnahme in Anatolien markiert.
Kleinasien uberließ der byzantinische Kaiser
Alexios I. Komnenos
wegen der Abwehr der normannischen Invasion von Epiros und Makedonien (mit dem Ziel der Eroberung von Konstantinopel) schließlich 1085 gegen einen Lehenseid bis auf wenige Stutzpunkte vollstandig den Seldschuken, um nicht zwischen zwei Gegnern aufgerieben zu werden. Nach dem Sieg uber die Normannen bat Alexios den Papst um Unterstutzung zur Ruckeroberung des kleinasiatischen Reichsgebiets, das inzwischen in mehrere turkische Emirate zersplittert war, die die byzantinische Diplomatie gegeneinander ausspielte.
Der große militarische Aufwand aller christlichen Machte der damaligen Zeit ist damit zu erklaren, dass der Islam als eine große Gefahr ? nicht allein fur das Byzantinische Reich ? gesehen wurde. Schließlich grenzte das islamisch-arabische Machtgebiet an den
Pyrenaen
an Frankreich, zudem waren fast alle Mittelmeerinseln und Teile Suditaliens zeitweise von Arabern erobert worden. Letztere wurden auch nach Ruckeroberung immer wieder von ihnen angegriffen. Das byzantinische
Sizilien
wurde ab 827 von den Arabern erobert, dann von den
Normannen
, bis es 1194 an
Heinrich VI.
fiel, wodurch das Reich der
Staufer
ebenfalls direkt an den islamischen Machtbereich grenzte.
Verhaltnis zur Orthodoxie
Das
morgenlandische Schisma
von 1054 belastete von Beginn der Kreuzzuge an das Verhaltnis zwischen orthodoxen und katholischen Christen. Ein weiterer Aspekt ist das politische Verhaltnis der beiden fuhrenden Machte der katholischen bzw. orthodoxen Staatenwelt. Die Eigenbezeichnung des deutschen wie des byzantinischen Kaiserreiches war ?Romisches Reich“, und der jeweilige Kaiser leitete daraus einen Fuhrungsanspruch uber die gesamte christliche Staatenwelt ab. Byzanz betrieb im 12. Jahrhundert eine expansive Westpolitik. Dynastische Heiraten mit dem ungarischen und deutschen Herrscherhaus, aber auch militarische Interventionen in Italien mit dem Ziel, auch die (west)romische Kaiserkrone zu erringen, waren eine Grundkonstante der Außenpolitik der byzantinischen
Komnenendynastie
. Um den Einfluss Venedigs im Byzantinischen Reich zuruckzudrangen, verfolgte man in Konstantinopel in der zweiten Halfte des 12. Jahrhunderts eine scharfe anti-venezianische Politik. Dies blieb in Westeuropa naturlich nicht ohne Reaktion. Die Kreuzzuge richteten sich daher zunehmend nicht nur gegen den Islam, sondern zugleich immer mehr gegen das orthodoxe, griechisch gepragte Byzanz.
Dennoch blieb der religios motivierte Kreuzzugsgedanke auch in der Folgezeit eine immer wiederkehrende Komponente der europaischen Politik, wenn in der Forschung auch manchmal betont wird, dass die Kreuzzugsidee ab dem 13. Jahrhundert an Kraft einbußte (siehe oben den Abschnitt
Kontroversen in der Geschichtswissenschaft
). Insgesamt darf man wohl ihre Bedeutung im
Spatmittelalter
nicht mehr allzu hoch ansetzen. So wurde zwar im Jahr 1453 eine Militarexpedition erwogen, um Konstantinopel gegen Sultan
Mehmed II.
zu verteidigen. Doch startete diese halbherzige Expedition reichlich spat, namlich erst im April 1453. Der Sultan hatte aber schon im Fruhjahr 1452 mit den baulichen Vorbereitungen fur eine mogliche Belagerung begonnen und machte daraus keinerlei Geheimnis.
Ob man die konzertierte militarische Hilfe christlicher Machte, wie z. B. des Heiligen Romischen Reiches und
Polens
, bei der
Verteidigung Wiens
1683 gegen die Turken in die Kreuzzugstradition stellen darf, ist fraglich. 1528 kam es namlich zu einem wenige Jahrzehnte zuvor noch unvorstellbaren Ereignis: Frankreich und das Osmanische Reich schlossen ein Bundnis gegen das Habsburgerreich. Spatestens mit der Integration des muslimischen Staates in das Bundnissystem der christlichen Machte endete der vereinigende Anspruch der katholischen Kreuzzugsidee in der europaischen Politik.
Gesellschaftliche Faktoren in Europa
Der abendlandische
Adel
erhoffte sich durch die Eroberung neue Besitztumer. Das traf vor allem auf die jungeren Sohne des Adels zu, die nicht erbberechtigt waren und nun die Chance sahen, doch noch uber ein eigenes Gebiet herrschen zu konnen. Dies war ebenso ein Ziel der Kirche, da der
Gottesfrieden
immer wieder durch Konflikte gestort wurde, in denen es in erster Linie um Gebietsstreitigkeiten ging. So boten die Kreuzzuge auch eine willkommene Beschaftigung fur die uberzahligen Sohne, die nicht im Kloster oder im Klerus untergebracht werden konnten oder wollten.
Große Teile der Landbevolkerung sahen im Kreuzzug eine Fluchtmoglichkeit vor den harten und oft sehr ungerechten Lebensumstanden in der Heimat ? zumal der Papst ein Ende der Leibeigenschaft in Aussicht gestellt hatte fur jeden, der das Kreuz nehmen und ins heilige Land mitziehen wurde. Den Kreuzrittern schlossen sich im Tross die Nichtkombattanten an:
Frauen
, Kleriker, Alte und Arme.
Auch Verbrecher und Gesetzlose folgten den Aufrufen, weil sie sich durch ihr Kreuzzugsgelubde der Strafverfolgung entziehen konnten und sich ein neues Leben oder Beute erhofften.
Wirtschaftspolitische Motive
Wirtschaftlich profitierten auch die italienischen
Seerepubliken
(
Genua
,
Pisa
,
Venedig
und andere) vom Handel mit dem Orient. So wurde kurzzeitig uberlegt, einen Kreuzzug zur Sicherung der Gewurzstraße durchzufuhren. Die Idee wurde allerdings recht bald wieder fallen gelassen.
Das Papsttum versprach sich von der Kontrolle uber das Heilige Land eine massive Starkung seiner Machtposition. Letztlich haben die Papste wohl auch auf die Wiedervereinigung mit der bzw. auf die Kontrolle uber die Ostkirche gehofft. Daneben dominierten mit Beginn des Vierten Kreuzzuges auch wirtschaftliche Interessen. Das beste Beispiel fur dieses Motiv ist wohl der Vierte Kreuzzug selbst, der von der Handelsmetropole Venedig nach Konstantinopel umgeleitet wurde und in der Plunderung durch das Kreuzfahrerheer mit Abtransport der Beute nach Venedig mundete, um den Handelskonkurrenten auszuschalten. Hier zeigt sich die vollstandige Pervertierung des ursprunglich religiosen Kreuzzugsgedankens einerseits, andererseits auch ein Grund fur die immer geringere Wirkung der Kreuzzuge in der Verteidigung des ostromischen Reiches (siehe auch:
Lateinisches Kaiserreich
).
Die Finanzierung der Kreuzzuge in den einzelnen
Bistumern
erfolgte uber den
Kreuzzugszehnten
. Zu diesem Zweck wurden Amtsbucher wie der
Liber decimationis
angelegt.
Weitere Faktoren
Der britische Historiker
Robert Bartlett
sieht die Kreuzzuge in einem großeren, gesamteuropaischen Zusammenhang
[13]
: Im 11. Jahrhundert setzt ein starkes Bevolkerungswachstum ein, bedingt durch gunstige klimatische Umstande und neue Entwicklungen in der Landwirtschaftstechnik. Der Bevolkerungsuberschuss fuhrt zu einer Expansion in die Peripherien Europas: Iberische Halbinsel, Irland,
Germania Slavica
, Baltikum und eben auch ins Heilige Land.
Uberblick: Begriff und zeitlicher Rahmen
Im engeren Sinne versteht man unter Kreuzzugen allgemein nur die
Orientkreuzzuge
, also gegen die muslimischen Staaten des nahen Ostens gerichtete Kreuzzuge (siehe jedoch oben den Abschnitt ?Forschungsprobleme“). Daneben bzw. danach gab es folgende Arten von Kreuzzugen:
Der Kreuzzug in seiner ursprunglichen Wortbedeutung hatte ausschließlich die Befreiung der Ostkirche zum Ziel und wurde auch
passagia generalia
genannt. Aus dieser entwickelte sich die
passagia particularia
, die sich gegen jeden anderen Ort wenden konnte.
Das Symbol des Kreuzes, das an der Kleidung der Kreuzfahrer befestigt wurde, ist bereits im ersten Kreuzzug prasent.
Die
Gesta Francorum
(um 1100) beginnt mit dem Zitat des Jesuswortes aus Lukas 9:23 (?Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich taglich und folge mir nach“) und erwahnt das aufgenahte Kreuzzeichen (
Franci audientes talia protinus in dextra crucem suere scapula, dicentes sese Christi unanimiter sequi uestigia
?als die Franken dies horten, nahten sie sofort das Kreuz auf ihre rechte Schulter und sagten, sie folgten einmutig den Spuren Christi“).
Der Begriff
cruce signatus
(?mit dem Kreuz gekennzeichnet“ oder ?bekreuzigt“) nahm im 12. Jahrhundert die Sonderbedeutung ?das Kreuz nehmen; den Kreuzfahrereid ablegen“ an. Die Kreuzzuge selbst wurden bis zum Ende des 12. Jahrhunderts lediglich als ?bewaffnete
Pilgerfahrt
“, ?bewaffnete
Wallfahrt
“ bezeichnet: In den zeitgenossischen lateinischen Quellen wurde der Kreuzzug ganz uberwiegend umschrieben als
expeditio, iter in terram sanctam
(Reise ins Heilige Land) oder
peregrinatio
(Wallfahrt).
Der volkssprachliche Begriff
crozada
?Kreuzzug“ wurde im fruhen
13. Jahrhundert
gepragt.
?Propagandisten“ des Kreuzzuggedankens wie
Caesarius von Heisterbach
verwendeten um 1230 die Begriffe
crux transmarina
fur Orientkreuzzuge und
crux cismarina
fur die Eroffnung einer ?zweiten Front“ gegen Ketzer im Innern des christlichen Abendlands.
[14]
Diese ?internen“
(interius)
Kreuzzuge waren v. a. der
Katharer
- oder auch
Albigenserkreuzzug
, der in
Okzitanien
(
Sudfrankreich
) stattfand, aber auch der Feldzug der
Deutschordensritter
ins
Baltikum
1225.
Die
Hussitenkriege
wurden auch als Kreuzzug bezeichnet.
Diverse spatere als Kreuzzuge bezeichnete Feldzuge im Orient, gegen
Turken
oder
Mongolen
, erstreckten sich bis ins
15. Jahrhundert
.
Ein bleibendes Erbe der Kreuzzuge waren die
Ritterorden
, ursprunglich militarisierte
Monchsorden
.
Klassische Zahlweise der Kreuzzuge
In der Geschichtswissenschaft werden insgesamt sieben Kreuzzuge (Orientkreuzzuge) als offizielle Kreuzzuge unterschieden, wenn auch weitere kriegerische Handlungen unter dem Namen ?Kreuzzug‘ stattfanden. Die Zahlung ist in der Fachliteratur nicht ganz einheitlich, da manche Kreuzzuge nicht einhellig als eigenstandige Kreuzzuge gewertet werden.
Zeitleiste
- Erster Kreuzzug
: 1096?1099, Ziel: Jerusalem
- Volkskreuzzug
: 1096, Ziel: Jerusalem
- Deutscher Kreuzzug von 1096
, Ziel: eigentlich Jerusalem
- Kreuzzug von 1101
: Ziel: Jerusalem
- Kreuzzug Sigurds von Norwegen
: 1108?1111, Ziel: Jerusalem/Sidon
- Venezianischer Kreuzzug
: 1122?1124: Tyrus
- Zweiter Kreuzzug
: 1147?1149, Ziel: eigentlich Edessa, letztlich Damaskus
- Wendenkreuzzug
: 1147, Ziel:
Germania Slavica
- Dritter Kreuzzug
: 1189?1192, Ziel: Jerusalem
- Kreuzzug Heinrichs VI.
: 1197?1198, Ziel: Jerusalem
- Vierter Kreuzzug
: 1202?1204, Ziel: eigentlich Agypten/Jerusalem, letztlich Konstantinopel
- Kinderkreuzzug
: 1212, Ziel: Jerusalem
- Albigenserkreuzzug
: 1209?1229, Ziel: Okzitanien
- Funfter Kreuzzug:
- Kreuzzug von Damiette
: 1217?1221, Ziel: eigentlich Jerusalem, letztlich Agypten
- Kreuzzug Friedrichs II.
: 1228?1229, Ziel: Jerusalem
- Kreuzzug Theobalds IV. von Champagne
: 1239?1240, Ziel: Askalon/Damaskus
- Kreuzzug Richards von Cornwall
: 1240?1241, Ziel: Askalon/Jerusalem
- Sechster Kreuzzug
: 1248?1254, Ziel: Agypten/Jerusalem
- Hirtenkreuzzug von 1251
: Ziel: eigentlich Agypten
- Siebter Kreuzzug
: 1270, Ziel: Tunis/Jerusalem
- Kreuzzug des Prinzen Eduard
: 1270?1272, Ziel: Akkon/Jerusalem
- Aragonesischer Kreuzzug
: 1284?1285, Ziel: Girona
- Hirtenkreuzzug von 1320
: Ziel: eigentlich Andalusien
- Kreuzzug gegen Smyrna
: 1343?1347, Ziel: turkische Furstentumer an der kleinasiatischen Kuste, Eindammung der Piraterie
- Kreuzzug gegen Alexandria
: 1365, Ziel: Agypten
- Kreuzzug gegen Mahdia
: 1390, Ziel: Eindammung der Piraterie
- Kreuzzug von Nikopolis
: 1396, Ziel: Eindammung des osmanischen Vordringens in Europa
Auch die
schwedischen Eroberungsfeldzuge gegen die Heiden in Finnland
im 13. Jahrhundert werden als Kreuzzuge bezeichnet.
Im 14. Jahrhundert wurden uber 50
Kreuzzuge
gegen die damals heidnischen
Prußen
und
Litauer
gefuhrt. Diese vom Deutschen Orden organisierten Feldzuge bezeichnete man auch als ?
Preußenfahrten
“ oder ?Litauerreisen“. Das 15. Jahrhundert weist vier
Kreuzzuge gegen die Hussiten
auf. Von 1443 bis 1444 fand ein meist als ?letzter Kreuzzug“ eingestufter Feldzug gegen das
Osmanische Reich
statt, der in der
Schlacht bei Warna
scheiterte.
Geschichte
Eine detailliertere Beschreibung der Geschichte ist in den separaten Artikeln zu den einzelnen Kreuzzugen enthalten.
Erster Kreuzzug und Entstehung der Kreuzfahrerstaaten
Aufgrund der Bedrangung des
Byzantinischen Reiches
durch die muslimischen
Seldschuken
infolge der byzantinischen Niederlage in der
Schlacht von Mantzikert
1071 hatte der byzantinische
Kaiser
Alexios I. Komnenos
im Westen um Hilfe angefragt. Papst
Urban II.
hatte 1095 dann auch auf der
Synode von Clermont
zum
ersten Kreuzzug
aufgerufen, um die heiligen Statten der Christenheit zu befreien.
[15]
Allerdings war
Jerusalem
zum Zeitpunkt des ?Kreuzzugaufrufs“ im Jahr 1095 vorubergehend im Besitz der Seldschuken (1071?1098), die christliche Pilger weitgehend ungestort gewahren ließen. Eine religiose Begeisterung wurde in Westeuropa hervorgerufen, die teilweise erschreckende Zuge annahm: So wurden im
Rheinland
mehrere
judische Gemeinden von Christen regelrecht vernichtet
, und sogar einfache Leute machten sich mit Peter dem Einsiedler auf ins Heilige Land (so genannter
Volkskreuzzug
) ? sie sollten es jedoch nie erreichen.
[16]
Als die verschiedenen Kreuzfahrerheere Ende 1096 die byzantinische Hauptstadt
Konstantinopel
erreichten, traten weitere Probleme auf: Obwohl die Byzantiner einen Kreuzzug keineswegs herbeigewunscht hatten (sie hatten vielmehr auf Soldner aus Europa gehofft) und den Kreuzfahrern auch nicht ganz grundlos misstrauten ? manche von ihnen, wie die unteritalienischen
Normannen
, hatten zuvor schon gegen Byzanz gekampft ?, unterstutzte Alexios sie zunachst, zumal sie ihm einen Treueeid schworen und die Kreuzfahrer ebenfalls auf den Kaiser angewiesen waren. Im Fruhjahr 1097 machte sich das Heer auf den Weg, und bald schon stellten sich erste Erfolge ein, wie die Eroberung von
Nikaia
, das vertragsgemaß den Byzantinern uberlassen wurde. Nach schweren Kampfen, unter anderem bei der Einnahme
Antiochias
, endete dieser Kreuzzug mit der Eroberung Jerusalems im Juli 1099, bei der es zu blutigen Massakern an den verbliebenen Bewohnern kam ? ungeachtet der Religionszugehorigkeit. Allerdings wurden die Opferzahlen bei der Eroberung Jerusalems in der Vergangenheit sowohl von moslemischer als auch christlicher Seite stark ubertrieben. Gestutzt von einer hebraischen Quelle ging Thomas Asbridge 2010 nur von etwas uber 3.000 Opfern aus;
[17]
zum gleichen Ergebnis kam auch bereits Benjamin Kedar im Jahr 2004.
[18]
Es folgte die Entstehung der
Kreuzfahrerstaaten
. Byzanz hatte zwar Teile Kleinasiens zuruckgewonnen, stand der Errichtung von Staaten im Heiligen Land, die von Byzanz unabhangig waren, jedoch mit Misstrauen gegenuber, was bald schon zu Kampfen mit dem
Furstentum Antiochia
fuhrte.
Situation der Kreuzfahrerstaaten und Zweiter, Dritter und Vierter Kreuzzug
Die so genannten Kreuzfahrerstaaten erwiesen sich jedoch auf die Dauer dem moslemischen Druck nicht gewachsen: Die meisten Adligen waren schon kurz nach dem Fall Jerusalems wieder abgereist; zuruck blieb keineswegs nur die Elite. Einerseits waren die feudal organisierten Kreuzfahrerstaaten aufgrund der geringen katholisch-christlichen Bevolkerungsanzahl (wo die Mehrheit der Bevolkerung christlich war, war sie nicht katholisch, wie etwa in
Syrien
) auf Nachschub aus Europa angewiesen, was diesen Staaten einen gewissen ?kolonialen“ Charakter verlieh. Andererseits kam es zu einem durchaus bemerkenswerten Wandel im Verhaltnis zwischen Christen und Moslems: Fortan lebten sie meistens durchaus friedlich miteinander. Den Moslems wurde eine weitgehend freie Religionsausubung gestattet, und es wurde ihnen eine eigene Gerichtsbarkeit zugestanden. Auch gegenuber den anderen christlichen Konfessionen verhielten sich die katholischen ?Franken“ (so wurden die Kreuzritter vor allem in arabischen Quellen genannt
[19]
) durchaus tolerant. Diese Entwicklung war ebenfalls eine direkte Konsequenz der zu geringen Zahl zuruckgebliebener Kreuzfahrer, die sonst den eroberten Raum nicht zu kontrollieren vermocht hatten ? was aber ohnehin nur in gewissen Grenzen moglich war. Auch die
Juden
hatten in den Kreuzfahrerstaaten eine wesentlich bessere Stellung als in Europa und wurden in
Outremer
, wieder anders als in Europa, nach der Eroberung Jerusalems auch nie das Opfer von Pogromen.
[20]
Auch wenn es den Kreuzfahrern teils sogar gelang, die verfeindeten muslimischen Reiche, die sie umgaben, gegeneinander auszuspielen (die
Fatimiden
in Agypten waren den Seldschuken beispielsweise feindlich gesinnt), so war die militarische Situation doch immer außerst schwierig. Der letztendlich erfolglose
Zweite Kreuzzug
(1147?1149) hatte bereits das Ziel, die bedrangten Kreuzfahrerstaaten (nach dem Fall der
Grafschaft Edessa
) zu entlasten. Nach der
Schlacht bei Hattin
1187, in der faktisch das gesamte militarische Aufgebot des
Konigreichs Jerusalem
geschlagen worden war, fiel sogar Jerusalem wieder in muslimische Hande. Die nachfolgenden Kreuzzuge, die diese Entwicklung umkehren sollten, hatten wenig Erfolg, teils aufgrund unzureichender Planung oder strategischer Fehler, teils aufgrund der Uneinigkeit bei der Fuhrung des Oberkommandos. Lediglich im
Dritten Kreuzzug
konnten Teile Outremers entlang der Kuste zuruckerobert werden. Allerdings waren aufgrund der extremen Bedingungen weitab von Europa die Opfer unter den Kreuzfahrern hoch, allein unter der
adligen
Elite, fur die konkrete Zahlen vorliegen, starben ein
Patriarch
, sechs
Erzbischofe
und zwolf
Bischofe
, 40
Grafen
und 500 weitere namhafte Edelleute.
[21]
Der
Vierte Kreuzzug
endete gar 1204 mit der Eroberung und Plunderung
Konstantinopels
, der damals großten christlichen Stadt der Welt, durch Kreuzritter, die mit einem Teil der gemachten Beute die Verschiffung des Kreuzfahrerheers durch die Flotte
Venedigs
?bezahlten“. Der
Papst
, der sich angesichts der Graueltaten der Kreuzfahrer uberdies daruber im Klaren war, dass damit eine
Kirchenunion
mit der Orthodoxie praktisch unmoglich wurde, verurteilte diese Aktion auf das Scharfste, was praktisch jedoch folgenlos blieb.
Die
Republik Venedig
hatte somit ihren großten Konkurrenten im Orienthandel dauerhaft geschwacht, der Nimbus der Kreuzzuge nahm damit freilich dauerhaft Schaden, zumal in diesem Zusammenhang das
Byzantinische Reich
von einer intakten Großmacht zu einer (nach der
Ruckeroberung Konstantinopels 1261
) Regionalmacht degradiert wurde. Außerdem wurde das Verhaltnis der orthodoxen Volker zu Westeuropa fur Jahrhunderte schwer belastet.
Kriegsfolgen und weitere Kreuzzuge im Mittelalter
Die Kreuzzuge hatten damit endgultig ihr ursprungliches Motiv, die Ruckeroberung des Heiligen Landes, verloren. Allerdings verlor man dieses Ziel nie ganz aus den Augen, auch wenn alle weiteren Versuche ? vom diplomatischen Erfolg des
Stauferkaisers
Friedrich II.
wahrend des
Funften (bzw. nach anderer Zahlung Sechsten) Kreuzzugs
abgesehen ? keinen Erfolg hatten oder sogar in militarischen Katastrophen endeten.
Der
Stedingerkrieg
war ein Kreuzzug des
Erzbistums Bremen
gegen die Bewohner des Landes
Stedingen
, am Westufer der
Unterweser
gelegen. Erzbischof
Gerhard II.
ließ die Stedinger zu Ketzern erklaren, als sie sich neuen Steuern widersetzten, die sie leisten sollten, obwohl sie auf Grund der
Urbarmachung der Wesermarsch
eigentlich von allen Abgaben befreit sein sollten. Die Stedinger wurden also aus wirtschaftlichen Grunden bekriegt.
Papst Gregor IX.
verkundete 1233, jedem Teilnehmer am Kreuzzug gegen die Stedinger stunden die gleichen Ablasse zu, wie sie fur den Zug ins Heilige Land vorgesehen waren. Das Erzbistum Bremen versprach seinen Burgern bei einer Beteiligung das Erlassen von Zollen und Abgaben. Die Bremer Kaufleute bekamen zudem eine Befreiung vom
Militardienst
und ein Drittel der Beute angeboten. Der Kreuzzug dauerte von 1233 bis 1234 und endete am
27. Mai
bei der
Schlacht bei Altenesch
mit dem Tod mehrerer Tausend Stedinger.
Der
Albigenserkreuzzug
(1209?1229) ? wie andere, ahnlich geartete Unternehmen gegen Christen ? trug mit dazu bei, dass die Kreuzzuge oft nur als eine politische Waffe des Papsttums begriffen wurden. Der Krieg gegen die
Katharer
etwa diente dem Konig von Frankreich dazu, seine Macht in
Okzitanien
zu festigen und am Mittelmeer Fuß zu fassen. Sogar Feldzuge gegen die
Ghibellinen
(Anhanger des Kaisers) in Italien wurden noch zu Kreuzzugen erklart. Demgegenuber trugen die ?Kreuzzuge“ der
Reconquista
auf der iberischen Halbinsel bereits de facto nationale Zuge. Die
Kreuzzuge
in das
Baltikum
, die vor allem der Missionierung dienten und von den teilnehmenden Adligen auch als ?gesellschaftliches Ereignis“ begriffen wurden, gingen noch bis ins 14. Jahrhundert weiter.
Die letzten Kreuzzuge in Europa waren die gegen die
Hussiten
in den Jahren von 1419 bis 1434. Nach der Hinrichtung des Prager Theologen
Jan Hus
auf dem
Konzil von Konstanz
1415 kam es im
Konigreich Bohmen
zum Aufstand seiner Anhanger. Gegen sie rief Papst
Martin V.
funf Mal zum Kreuzzug auf, aber die Heere des romisch-deutschen Konigs
Sigismund
und anderer katholischer Herrscher wurden von den Bauernarmeen der
Taboriten
, des radikalen Flugels der Hussiten, mehrfach vernichtend geschlagen. Am Ende der
Hussitenkriege
siegte 1434 der gemaßigte Flugel der
Utraquisten
. Ihnen gelang es als erster Religionsgemeinschaft seit der Antike ? und fast 100 Jahre vor der
Reformation
Luthers
? in einem westeuropaischen Land eine von der katholischen Lehre abweichende, anerkannte Kirche zu etablieren.
Die Kreuzzuge in die
Levante
endeten 1291 mit dem
Fall Akkons
. Die spaten Kreuzzuge gegen die islamische Welt, die sich nun gegen das nach Europa vordringende
Osmanische Reich
richteten, endeten schließlich gegen Ende des 14. / Mitte des 15. Jahrhunderts. Als die beiden letzten Kreuzzuge gegen Muslime gelten die des ungarischen und spateren romisch-deutschen Konigs Sigismund (s. o.) und des polnischen Konigs
Władysław III.
Beide endeten mit Niederlagen in der
Schlacht bei Nikopolis
1396 und in der
Schlacht bei Warna
1444.
Kreuzzuge außerhalb des Mittelalters
Bereits der
Perserkrieg
des ostromischen Kaisers
Herakleios
im 7. Jahrhundert trug in gewisser Weise Charakterzuge eines christlichen Religionskrieges, wobei der Kaiser spater zum herausragenden Vorbild eines christlichen Kampfers stilisiert wurde: so wurde beispielsweise das Geschichtswerk des
Wilhelm von Tyrus
in der altfranzosischen Ubersetzung unter dem Titel
Livre d’Eracles
veroffentlicht.
Auch nach dem Ende des
Mittelalters
wurden immer wieder Militaraktionen als ?Kreuzzuge“ deklariert (so der Versuch einer
Invasion Englands
durch den katholischen Konig von Spanien,
Philipp II.
, und auch die
Schlacht von Lepanto
wurde von einer so genannten ?Kreuzzugsliga“ gefuhrt). Auch Portugals Konig
Sebastian
sah seinen
Feldzug nach Marokko
als Auftakt fur einen neuen Kreuzzug und fiel 1578. Das Papsttum unternahm noch im 17. Jahrhundert ahnliche Anlaufe, denen aber bestenfalls nur vorubergehende Erfolge beschieden waren.
Nachwirkungen
Der Begriff ?
Kreuzzug
“ beschrankt sich nicht nur auf die historischen Kreuzzuge, sondern wird heute auch im ubertragenen Sinne gebraucht.
Allgemeine Begriffsverwendung
?
Kreuzzug
“ wird im Deutschen wie im Englischen auch als Synonym fur eine gesellschaftliche Anstrengung oder organisierte
Kampagne
verwendet, die der Durchsetzung bestimmter Ziele dienen soll. Es wird beispielsweise von ?Kreuzzugen“ gegen die weltweite Kinderarmut oder gegen Krankheiten und Seuchen gesprochen. In politischen Debatten wird der Begriff nicht selten polemisch eingesetzt, um ein Vorgehen der Gegenseite als weitaus uberzogen zu brandmarken, beispielsweise wenn in einem verbalen Schlagabtausch von einem ?Kreuzzug gegen die Internet-Infrastruktur“ die Rede ist.
Politische Verwendung des Begriffs
- In den USA wurde die Beteiligung an der Befreiung Europas von der Herrschaft des Nationalsozialismus haufig mit dem Begriff ?Kreuzzug“ assoziiert. So gab etwa der US-Oberbefehlshaber und spatere US-Prasident
Dwight D. Eisenhower
seinem Kriegstagebuch den Titel
Crusade in Europe
.
- Im 20. Jahrhundert bezeichnete der evangelikale Massenprediger
Billy Graham
seine Großveranstaltungen, auch zur Truppenbetreuung im
Vietnamkrieg
, als ?Crusades“, engl. fur Kreuzzuge.
- Der US-Prasident
George W. Bush
bezeichnete den zweiten
Irakkrieg
wiederholt als ?Kreuzzug gegen Terroristen“. Auf Drangen seiner Berater verzichtete Bush jedoch schnell wieder auf diesen Begriff, vornehmlich wegen seiner historisch-inhaltlichen Bedeutung. Umgekehrt werden die westlichen Staaten, insbesondere so weit sie sich an der Eroberung und Besatzung des Irak beteiligen, in arabischen Landern haufig als ?Kreuzritter“ oder ?Kreuzzugler“ bezeichnet, denen der gesammelte Widerstand der Muslime zu gelten habe.
- Der italienische Reformenminister
Roberto Calderoli
aus der rechten Regierungspartei
Lega Nord
rief als Reaktion auf die Proteste in der islamischen Welt im
Karikaturenstreit
den Papst dazu auf, sich an die Spitze eines ?neuen Kreuzzugs“ gegen die Muslime zu stellen.
- Im Juli 2006 veroffentlichte
Al-Qaida
eine Videobotschaft mit dem Titel ?Der Zionisten-Kreuzritter-Krieg gegen Libanon und die Palastinenser“, in der gegen die angebliche ?Kreuzfahrer-Allianz“ westlicher Staaten mit
Israel
polemisiert wird.
[23]
Die Grunde, weshalb Al-Qaida offenbar wirkungsvoll zum Kampf gegen die ?Kreuzritter“ aufrufen kann, hat
Amin Maalouf
[24]
diskutiert; er zieht Parallelen zu den Vorgangen bei der Eroberung der Stadt
Maarat an-Numan
1098.
- Ganz allgemein werden in Teilen der muslimischen Welt
Kreuzzug
und
Kreuzritter
als Ausdrucke verwendet, die aggressives Auftreten des Westens gegenuber dem Islam kennzeichnen sollen. (?Turkische Regierung verurteilt ?Kreuzzugmentalitat‘ des Papstes.“
[25]
)
Rezeption im islamischen Raum
Uber Jahrhunderte war die Geschichte der Kreuzzuge in der kollektiven Erinnerung im islamischen Raum kaum prasent. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts kamen erste Anzeichen von Interesse an den Kreuzzugen auf. Um 1865 erschien in der Ubersetzung franzosischer Geschichtsbucher erstmals der Begriff
al-hurub al-Salabiyya
(die ?Kreuz-Kriege“) fur jene Ereignisse, die man davor als die Kriege der
Ifranji
(Franken) bezeichnet hatte. Es kam zu einem langsam gesteigerten Interesse, wobei erst die Grundung Israels im Jahr 1948 von Asbridge als Umschlagpunkt einer stark intensivierten Auseinandersetzung mit den Kreuzzugen identifiziert wird.
[26]
In der Folge kam es auch verstarkt zur Instrumentalisierung der Kreuzzuge und einzelner islamischer Personlichkeiten, insbesondere
Saladins
, durch nahostliche
Despoten
wie
Hafiz al-Assad
und
Saddam Hussein
.
Dabei berufen sich heute die Anhanger zweier diametral entgegengesetzter muslimischer Ideologien auf die Geschichte der Kreuzzuge: sowohl der
arabische Nationalismus
als auch der
Islamismus
versuchen in manipulativer Annaherung an die Vergangenheit diese Epoche fur ihre Ziele zu nutzen.
[27]
In der
Geistlichen Anleitung
, mit der sich die
Attentatern des 11. Septembers
auf ihre Anschlage vorbereiteten, werden als Feinde die ?Kreuzfahrer“, also die
westliche Welt
, neben den Juden und arabischen Regierungen, die mit dem Westen kooperieren, genannt.
[28]
Literatur
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Siehe auch die umfassende Bibliografie in: Kenneth M. Setton (Hrsg.):
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Originaltitel:
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Weblinks
Anmerkungen
- ↑
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- ↑
Zu der Vielzahl der gebrauchten Bezeichnungen siehe etwa Adrian Boas (Hrsg.):
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- ↑
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- ↑
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- ↑
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- ↑
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- ↑
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- ↑
Vgl. dazu etwa die kritischen Anmerkungen in den Rezensionen von Housleys Buchern
S. 283
The Avignon Papacy and the Crusades
sowie
S. 763
The Later Crusades
.
- ↑
al-Azimi:
La chronique abregee d'al-'Azimi, annees 518-538/ 1124?1144.
In:
Revue des Etudes Islamiques
59 (1991), S. 101?164.
- ↑
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.
- ↑
Vgl. Jonathan Riley-Smith,
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, in: Jonathan Riley-Smith (Hrsg.):
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- ↑
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ISBN 3-426-60639-9
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The making of Europe. Conquest, Colonization and Cultural Change.
- ↑
Christopher Tyerman,
God's War: A New History of the Crusades
(2006), S. 480.
- ↑
Philipp A. Sutner, Stephan Kohler und Andreas Obenaus (Hrsg.):
Gott will es. Der Erste Kreuzzug ? Akteure und Aspekte.
Wien 2016
- ↑
Am detailliertesten beschreibt Runciman die Geschichte der Kreuzzuge; vgl. auch Setton (Hrsg.),
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.
- ↑
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- ↑
Vgl. auch A. Khattab:
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(=
Goppinger Arbeiten zur Germanistik
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Band 505). Kummerle Verlag, Goppingen 1989,
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- ↑
Vgl. allgemein zu den inneren Verhaltnissen Mayer,
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, 10. Aufl., S. 186 ff.
- ↑
Thomas S. Asbridge:
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- ↑
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- ↑
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Zeit online
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- ↑
Thomas S. Asbridge:
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Thomas S. Asbridge:
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