Klaviatur eines modernen
Klaviers
Eine
Klaviatur
[
k?lavi?a?t?uː??
] (von
lateinisch
clavis
‚Schlussel‘
, im ubertragenen Sinne ?Taste‘;
franzosisch
clavier
,
italienisch
tastiera
, alter auch
tastatura
;
spanisch
teclado
‚Tastatur‘
,
tecla
, deutsch
‚Taste‘
,
englisch
keyboard
), auch
Tastatur
bezeichnet eine Reihe von
Tasten
, die eine Mechanik,
Traktur
oder Elektronik zum Zwecke der Tonerzeugung oder Tonhohensteuerung in Tatigkeit versetzt. Sie sind Bestandteil aller
Tasteninstrumente
wie
Klavier
,
Orgel
,
Celesta
,
Akkordeon
,
Drehleier
,
Schlusselfidel
u. v. a.
Bei Instrumenten mit mehreren Klaviaturen (Orgel,
Cembalo
) spricht man auch von
Manualen
(von
lat.
manus
?Hand“), wenn die betreffenden Klaviaturen mit den Handen zu spielen sind, und vom
Pedal
(v.
lat.
pes
?Fuß“), wenn die Klaviatur mit den Fußen gespielt wird. Instrumente mit mehreren Pedalklaviaturen sind sehr selten.
Dieser Artikel behandelt in erster Linie Klaviaturen fur die Hande.
Die englische Bezeichnung fur Klaviatur und Tastatur,
Keyboard
(von
englisch
key
‚Schlussel‘
, ?Taste‘), wird im Deutschen fur eine Gruppe von elektronischen Tasteninstrumenten verwendet.
Klaviaturen der
Orgel in Halberstadt
Abb. bei
Praetorius
(1620) ? die Untertasten im Diskantklavier sind etwa 6 cm breit. Abgebildet sind Klaviaturen mit zwei Tastenreihen, rechts unten zwei Klaviaturen mit acht und vier Tasten sowie rechts oben die fruheste bekannte Klaviatur mit sieben und funf Tasten.
Heutige
Tasteninstrumente
haben meist zwei Reihen von Tasten, die mit dem Begriffspaar
Untertasten
(meist vorne) und
Obertasten
(meist weiter vom Spieler entfernt, hoher als die Untertasten und in anderer Farbe) unterschieden werden.
Diese neuzeitlichen Klaviaturen entwickelten sich nach und nach aus einer einreihigen Tastatur, wie sie bereits fur die
Hydraulis
des
Ktesibios
angenommen wird, meist mit sieben Tasten und damit Tonen pro Oktave. Diese sieben Tone entsprechen einer bestimmten
diatonischen
Tonleiter. Um entsprechende diatonische Tonleitern auch bei anderen Grundtonen beginnen zu konnen, wurden nach und nach zusatzliche Tasten erganzt, die in der Folge eine zweite Tastenreihe bildeten. Zwei Beispiele fruher zweireihiger Klaviaturen zeigen die Abbildungen von
Praetorius
der Klaviaturen der
Orgel des Domes zu Halberstadt
von
Nicholas Faber
, 1361, erweitert 1495.
Clavichord mit
kurzer Oktave
, beschriftet
Noch bis ins neunzehnte Jahrhundert wurde in der Regel bei allen Tasteninstrumenten die tiefste (d. h. die große) Oktave nicht vollstandig mit Halbtonen versehen. Man baute stattdessen fast immer Instrumente mit sogenannter
kurzer Oktave
(C, F, D, G, E, A, B, H) oder
gebrochener Oktave
(zusatzlich mit Fis und Gis; vereinzelt finden sich auch Varianten der kurzen Oktave ab G
1
). Noch bis Mitte des 18. Jahrhunderts wurde meistens das große Cis weggelassen.
(→
Kurze Oktave
)
Eine im Vergleich zum gangigen ?7-2-3-System“ (7 weiße und 5 schwarze Tasten) symmetrische Anordnung der ?6-6-Klaviatur“ (mit 6 weißen und 6 schwarzen Tasten) wurde von Howe und Wood in den USA umgesetzt, geht aber auf den deutschen Erfinder Otto Quanz
[1]
zuruck.
[2]
Cembalo mit ?gebrochenen“ Obertasten
Cembalo universale mit 19 Tonen pro Oktave
Indem die eigentlich
gleichtonigen
Zungen
des
Akkordeons
so umgestimmt werden, dass sie
wechseltonig
im Vierteltonabstand gestimmt sind, werden mit 12 Tasten 24 Tone je Oktave spielbar. Derartige Akkordeons werden von zeitgenossischen Komponisten
ernster Musik
wie Veli Kujala eingesetzt, aber auch in Agypten in der traditionellen Musik. Einer der wichtigsten Vertreter der Tradition in Agypten ist der Akkordeonist Sheikh Taha.
Eine weitere Losung mit mehr als einem Ton pro Taste nutzt die sogenannte ?Enharmonische Pfeifenorgel“ der Orgelbaufirma Schumacher, derzeit als Dauerleihgabe im Prayner-Konservatorium in Wien. Sie besitzt eine Automatik, die die Akkorde nach Tastenbildern erkennt und Pfeifen entsprechend einer bestimmten vorgegebenen harmonischen Analyse ansteuert.
[3]
Orthotonophonium von 1914 im
Museum fur Musikinstrumente der Universitat Leipzig
Viertelton-Klaviatur nach W. Mollendorff
Um die intonatorischen Probleme des Musizierens uber wechselnden Grundtonen zu verringern oder um
Tonsysteme
mit
Mikrointervallen
nutzen zu konnen, wurden Klaviaturen uber die heute gebrauchlichen zwolf Tasten pro Oktave hinaus erweitert.
Bei einigen Losungen werden die zusatzlichen Tasten durch Teilen der Obertasten ?gewonnen“. Bei ihnen wird der Begriff
gebrochen
fur Obertasten verwendet, die mehrfach ausgefuhrt sind, um die enharmonische Verwechslung zu vermeiden. Sind Doppeltasten vorhanden (meist fur Dis/Es und Gis/As), handelt es sich um ein Subsemitonium (= ?Unter-Halbton“ im Sinne von Unterteilung). Dadurch wird erreicht, dass man bei mitteltoniger Stimmung auch in Tonarten mit mehreren Vorzeichen spielen kann, ohne dass sich die Quinten ?reiben“ (
Wolfsquinte
Gis?Es).
Nach der Beschreibung von
Michael Praetorius
(1619)
[4]
sind auf dem ?Cembalo universale“ oder ?Cimbalo cromatico“ neben den funf geteilten Obertasten auch noch Eis und His vorhanden, sodass eine Oktave uber 19 Tone verfugt: C, Cis/Des (geteilte Taste), D, Dis/Es (geteilte Taste), E, Eis, F, Fis/Ges (geteilte Taste), G, Gis/As (geteilte Taste), A, Ais/B (geteilte Taste), H, His.
Mit gebrochenen Obertasten war auch das 1555 von dem italienischen Musiktheoretiker und Komponisten
Nicola Vicentino
erfundene
Archicembalo
ausgestattet. Es hatte insgesamt 36 Tasten pro Oktave, die auf zwei Manuale verteilt waren.
Die Klaviatur des
Orthotonophoniums
verfugt uber 72 Tasten je Oktave mit ihnen zugeordneten 72 Tonstufen. So konnen in allen diatonischen Tonarten Intervalle, Akkorde und auch Modulationen in reiner Stimmung gespielt werden.
Eine Klaviatur fur
Vierteltonmusik
mit 24 Tasten pro Oktave wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von
Willi Mollendorff
entwickelt und an einem Harmonium vorgefuhrt.
Klaviaturen unterliegen einem starken Standardisierungs-Druck, da Musiker mit einem einmal erlernten Bewegungsmuster auf moglichst vielen Instrumenten spielen konnen mochten. Dadurch konnte und kann die bei heutigen Klavieren ubliche Klaviaturform eine beherrschende Stellung behaupten, obwohl es zumindest in Teilbereichen andere, bautechnisch, musikalisch und ergonomisch sinnvollere Klaviaturen gibt. So rucken durch die Anordnung der zwolf Tasten einer Klaviatur in Reihen zu zwei mal sechs Tasten die Oktaven deutlich zusammen, weite Intervalle werden leichter spielbar.
Schematische Darstellung eines Oktavausschnitts einer Standardtastatur
Die ublichen Klaviaturen neuzeitlicher Klaviere haben 12 langsrechteckige Tasten pro Oktave, so angeordnet, dass die sieben
Stammtone
eine untere, vordere Reihe (Untertasten) und die funf erganzenden chromatischen Tone eine obere, hintere Reihe (Obertasten) bilden.
Das Stichmaß dient als Anhaltspunkt beim Vergleich von Klaviaturgroßen und Tastenbreiten und umfasst drei Oktaven (21 Untertasten) im Mittelbereich der Klaviatur, wird also ublicherweise von linker Kante der Untertaste C bis zur rechten Kante der Untertaste h1 plus ein Untertastenspatium gemessen. Bei historischen Tasteninstrumenten liegt dieser Wert meist bei 47,5±0,5 cm.
[5]
Die Maße heutzutage gefertigter Klaviaturen fur Pianos und Flugel richten sich meist nach
DIN
8995.
[6]
Diese schreibt fur sieben volle Oktaven (50 Untertasten) eine Breite von 118,0±0,4 cm vor,
[7]
was umgerechnet einem Stichmaß von 49,56±0,168 cm entspricht.
Die Noten auf der Klaviatur
Der Tonumfang der Klaviaturen erhohte sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zunachst kontinuierlich. In der jungeren Gegenwart gibt es bei Spezialanwendungen wieder Instrumente mit geringerem Tonumfang der Klaviaturen.
Historische Entwicklung:
- In der Renaissance und im Fruhbarock waren Klaviaturen mit 49 Tasten (4 Oktaven) und weniger ublich.
- Um das Jahr 1750 hatte sich die Tastenanzahl auf 4 ½ bis 4 ⅔ Oktaven erhoht. Um 1750 beginnt sich die Tastenanzahl von besaiteten Tasteninstrumenten und von Orgeln zu splitten: Wahrend die Umfange bei besaiteten Tasteninstrumenten weiter wachsen, stagniert die Tastenanzahl bzw. der Manualumfang bei der Orgel bei besagten 4 ½ bis 4 ⅔ Oktaven.
- Besaitete Tasteninstrumente (Clavichorde, Kielinstrumente, Pianofort) der Mozartzeit, bis um das Jahr 1800, besitzen 61 Tasten (5 Oktaven) Tonumfang.
- Nach 1800 findet auf Anforderung der Pianisten und Komponisten eine rasche Erweiterung der Tastenanzahl statt, wobei hier zum Teil regionale Beschleunigungen und Verzogerungen auftreten: 5 ½, 6, 6 ½, 7 Oktaven, schließlich im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts auf 7 ⅓ Oktaven Umfang, wobei dann beinahe das gesamte Spektrum von in der Tonhohe vom Gehor differenziert wahrnehmbaren Tonen abgedeckt wird.
Heute umfasst die Klaviatur bei
- Klavieren
und
Digitalpianos
in der Regel 88 Tasten (7 ⅓
Oktaven
von A
2
bis c
5
);
- manchen großen Konzert-
Flugeln
bis zu 97 Tasten (8 Oktaven von C
2
bis c
5
); hierbei sind die ?Zusatztasten“ der Subkontraoktave (C
2
bis Gis
2
) haufig andersfarbig ausgefuhrt
- Einsteiger-Digitalpianos,
semi-professionellen
Keyboards
oder
Synthesizern
meistens 76 Tasten (6 ⅓ Oktaven), selten 73 (6 Oktaven);
- Keyboards fur Hobby-Musiker (?Standard-Size Keyboard“), vielen
MIDI
-Keyboards und einigen
E-Pianos
61 Tasten (5 Oktaven);
- manchen Spezial-Synthesizern (z. B. Bass-Synthesizern) und Keyboards (fur Kinder) 49 Tasten oder weniger (bis 25).
Bei
Orgeln
schwankt die Anzahl der Tasten in den Manualen sehr stark. Bestrebungen der Normierung beziehen sich in der Regel nur auf die geometrischen Maße. Bei Neubauten betragt die Anzahl der Tasten in den Manualen 56 (C bis g
3
), 58 (C bis a
3
) oder 61 Tasten (C bis c
4
). Da sind 4 ½ bis 5 Oktaven, chromatisch ab C.
Pianoteilung (Maße)
Unter Teilung versteht man die Aufteilung der Oktavbreite auf die entsprechenden Tasten. Bei der
Pianoteilung
ist jede Taste gleich breit, und die schwarzen Tasten liegen nicht alle mittig. Bei der
Riegerteilung
werden die Hintertasten von F, G und A breiter gefertigt.
Die Strahlenklaviatur war ein Versuch, die Ergonomie des Klaviers weiter zu erhohen. Zwar bildet die vordere Kante eine gerade Linie, doch die Tasten laufen schrag auf den Spieler zu und treffen sich in einem imaginaren Schnittpunkt hinter dem Spieler. Instrumente mit Strahlenklaviatur sind selten. Zur Vermarktung grundete
Ibach
eigens eine ?Strahlenklaviatur G.m.b.H. in Barmen“. Dies ist auch dem Memorial des Großherzogtums Luxemburg Nr. 32 vom 12. Juni 1909 zu entnehmen. Die Strahlenklaviatur ist dort als Patent Nr. 7933 vom 18. Mai 1909 angegeben.
[8]
Ahnliche Anordnungen haben fur
Pedalklaviaturen
bei Orgeln Verbreitung gefunden und werden als Radialpedal neben dem traditionellen Parallelpedal heute haufiger gebaut.
Die ?Goldhammer-Klaviatur“ geht zuruck auf einen Reformversuch von Otto Goldhammer, Mitarbeiter des Instituts fur Musikwissenschaft in Leipzig. Bei ihr sind die Obertasten vorne abgerundet, und deren Kanten verlaufen senkrecht, verbreitern sich also nicht nach unten, wodurch die vorderen Spielflachen der weißen Tasten etwas geraumiger werden. Die weißen Tasten der Halbtonlucken H?C und E?F sind
angefast
, so dass kein breiterer Finger mehr steckenbleiben kann. Außerdem konstruierte Goldhammer verschieden große Klaviaturen fur ein und denselben Flugel, so dass man sie fur Kinderhande auswechseln konnte. Die Goldhammer-Klaviatur konnte sich allerdings nicht durchsetzen.
Einen ahnlichen Ansatz wie Otto Goldhammer verfolgt auch der US-amerikanische Klavierbauer Steinbuhler & Company, mittlerweile umgewandelt in die Non-Profit-Organisation
DS Standard Foundation.
[9]
Steinbuhler stellt Klaviaturen in mittlerweile sieben standardisierten Breiten her: DS6.5, DS6.0, DS5.5, DS5.1, DS 4.7, DS4.3 und DS4.0. Die Zahlenangaben beziehen sich auf die Breite einer Oktave in
Inch
, wobei DS6.5 (ca. 16,5 cm) die konventionelle Oktavenbreite moderner Klaviere darstellt. Die vier kleinsten Großen mit Oktavenbreiten zwischen 10,2 und knapp 13 cm sind speziell fur Kinder gefertigt.
[10]
Die Tasten sind nicht anders geformt oder flacher als gewohnliche Klaviertasten, sondern nur schmaler als diese. DS-Standard-Klaviaturen sind entweder mit kompletter Mechanik als austauschbares Modul fur Flugel oder fest installiert in neugebauten Pianinos des Herstellers Hailun erhaltlich.
[11]
Austauschbare Klaviaturen fur bestehende Pianinos sind jedoch aus technischen Grunden nicht moglich. Der DS Standard ist bislang noch relativ unbekannt, findet aber durch Organisationen wie
Pianists for alternatively sized keyboards
, kurz PASKpiano,
[12]
zunehmende Verbreitung.
Die
chromatische Klaviatur
(von
gr.
chroma
Farbe) ist eine Klaviatur, auf der alle zwolf Halbtonstufen der
Oktave
gleichberechtigt sein sollen. Auf der chromatischen Klaviatur folgen die Ober- und Untertasten (mit selbstandigen Bezeichnungen) gleichmaßig aufeinander.
Heinrich Josef Vincent
(1819?1901) propagierte in seiner Broschure ?Die Neuklaviatur“
[13]
von 1875 radikal die chromatische Anlage der Tastatur (das C fiel danach auf eine Obertaste) und wies darauf hin, dass Bernhardt Schumann, ein Arzt in Rhinow bei Rathenow in der
Mark Brandenburg
, schon 15 Jahre zuvor die Idee einer Neuklaviatur aufgebracht habe. Die chromatische Klaviatur konnte sich damals nicht durchsetzen, Anfang 2007 wurde jedoch ein
MIDI
-Controller namens AXiS vorgestellt, der die chromatische Klaviatur besitzt.
[14]
Instrumente mit der chromatischen Klaviatur gehoren zu den
6-plus-6-Instrumenten
.
Schema der Janko-Klaviatur
Der Ungar
Paul von Janko
(1856?1919) erfand 1882 eine Klaviatur, bei der die zwolf Tasten einer Oktave in stetem Wechsel als Ober- und Untertasten angeordnet sind. Jede Taste hat dabei drei Angriffsstellen, so dass die Klaviatur sich außerlich als eine Terrasse von sechs Tastenreihen darstellt. Ihre Vorzuge sind eine geringere Spannweite der Oktave, was sehr weite Akkordgriffe und neue Figurationen ermoglicht, einfacherer Einbezug des Daumens ins Spiel sowie chromatische Glissando-Effekte.
[15]
Chromatisches Knopfakkordeon
Klaviaturen mit runden Tasten sind weltweit verbreitet. Diese runden Tasten werden meist ?Knopfe“ genannt, die Klaviaturen daher ?Knopftastaturen“, seltener ?Knopfklaviaturen“. Sie finden sich bei vielen Typen von
Akkordeons
und
Konzertinas
.
Ein wesentlicher Vorteil dieser Tastenform ist die Platzersparnis: Im Vergleich zum ublichen Klavier werden mehr Tasten auf gleicher Flache untergebracht. Das hat ergonomische Vorteile ? beispielsweise bei Oktavgriffen ? und ermoglicht kleinere Instrumente. Es gibt auch
Orgelpedalklaviaturen
, die nach diesem Prinzip angelegt sind.
Zur Belegung der einzelnen Tasten bestehen viele verschiedene Systeme.
C-Griff-System mit 3 Haupt- und 2 Hilfsreihen
|
B-Griff-System mit 3 Haupt- und 2 Hilfsreihen
|
Stradella-Bass
, Ausschnitt (nur im Bass)
|
Eine eigene Gruppe von Klaviaturen, meist Tastatur genannt, haben die verschiedenen Formen von
Schlusselfideln
.
Sie haben einen eigenstandigen Klaviaturaufbau. Die Hand greift die Tasten ?von unten“ mit nach oben zeigender Handflache. Die Tastenreihen sind in
Halbtonschritten
angeordnet mit mehreren Reihen ubereinander im
Quintabstand
oder
Quartabstand
. Bei einfachen Instrumenten kommen auch diatonische Tastaturen vor.
Details der Mechanik und Tastatur einer schwedischen Schlusselfidel mit drei Tastenreihen
|
historische Schlusselfidel aus
Mora (Schweden)
mit diatonischer Tastatur
|
Drehleier um 1700 (Germanisches Nationalmuseum Nurnberg)
Ahnlich wie bei der
Schlusselfidel
werden die Melodie-Saiten einer
Drehleier
mit einer Klaviatur verkurzt, die meist Tastatur genannt wird. Der Aufbau ahnelt dem der Klaviere, jedoch sind die sieben
Stammtone
hinter den funf chromatischen Tonen angeordnet. Die chromatischen Tone werden also durch Einrollen der Finger erreicht.
Drehleiertastaturen haben einen Tonumfang von einer None bis zu zwei Oktaven, gelegentlich auch zweieinhalb bis (sehr selten) drei Oktaven. Speziell Instrumente fur historische Auffuhrungspraxis sind gelegentlich diatonisch, also nur mit einer Tastenreihe mit den Stammtonen ausgestattet, oder es fehlen einzelne der chromatischen Tone der zweiten Reihe.
Ein Standard, der bei franzosischer Bauweise seit dem 18. Jahrhundert verbreitet ist, hat 23 Tasten, mit einer Stammtonreihe von g
1
bis g
3
, wobei das f
3
fehlt. Bei Stucken, die ein f
3
verlangen, wird das fis
3
umgestimmt nach f
3
.
Es ist ublich, Drehleiern zu transponieren, indem sie anders besaitet werden. Damit klingen in der diatonischen Siebentonreihe dann nicht mehr die Stammtone, sondern zum Beispiel die Tone von G-Dur mit einem Tonumfang von d
2
bis d
4
.
Ublicherweise sind heute bei einer Klavier-Klaviatur (z. B. bei
Flugeln
und
Klavieren
) die Untertasten (C, D, E, F, G, A, H) in einem hellen, die Obertasten (Cis/Des, Dis/Es, Fis/Ges, Gis/As, Ais/B) in einem dunklen Farbton gestaltet. Fruher war daneben aber auch die Variante mit dunklen Unter- und hellen Obertasten gebrauchlich.
Orgelklaviatur mit
Mammutelfenbein
,
Ebenholz
und
Ahorn
Das Material der Taste muss moglichst formstabil sein, um bei klimatischen Schwankungen ein Klemmen der Tasten zu verhindern. Das Material der Ober- und Untertastenbelage sollte eine hohe Resistenz gegen Handschweiß sowie eine hohe Abriebfestigkeit besitzen und sich einfach reinigen lassen. Die Tasten einer Klaviatur werden bei mechanischen Instrumenten meist aus feinjahriger Fichte mit liegenden Jahren gefertigt. Als Belag fur die Untertasten werden Kunststoffe, Knochen,
Mammut
-Elfenbein sowie alle Arten von Holzern eingesetzt. Die Verwendung von (Elefanten-)Elfenbein ist aus Grunden des Artenschutzes heutzutage in den meisten Landern verboten. Als Obertastenbelag werden Kunststoff,
Ebenholz
,
Grenadill
oder auch andere Holzer eingesetzt. Bei Knopftasten werden neben den erwahnten Materialien auch
Perlmutt
und
Schildpatt
verarbeitet.
Bei Klavieren und Flugeln verwendete man fruher
Elfenbein
(weißlicher Farbton) fur die Untertastenbelage und
Ebenholz
(schwarzer Farbton) fur die Obertastenbelage. Bei den meisten
Cembali
und einigen
Orgeln
sind hingegen die Untertastenbelage dunkel und die Obertastenbelage hell gestaltet. Hier wird die Farbe haufig durch die Wahl des Holzes bestimmt, aus dem die Tastenbelage gefertigt sind. Bei elektronischen Tasteninstrumenten sind Taste und Tastenbelag als ein homogenes Bauteil aus Kunststoff gefertigt.
Starke klimatische Schwankungen sollen bei Musikinstrumenten aus Holz grundsatzlich vermieden werden. Bei Tastaturen konnen diese zum Ablosen des Tastaturbelages von der Taste und bei zu schneller Austrocknung zur Bildung von Rissen fuhren. Eine Elfenbeintastatur sollte nach dem Spiel die von den Fingern aufgenommene Feuchtigkeit wieder abgeben konnen. Unter einem geschlossenen Klavierdeckel geschieht dieses nur unzureichend, daher sollte der Deckel geoffnet bleiben, ungefahr so lange, wie man gespielt hat. Zum Staubschutz kann derweil ein
Klavierlaufer
aufgelegt werden, der die Feuchtigkeit passieren lasst, Staub aber abhalt. Mit der Einfuhrung alternativer Tastaturbelage wurde der Klavierlaufer uberflussig.
Elektronische Straßen-Riesenklaviatur
Manche Klaviaturen von hochwertigen Digitalpianos und Masterkeyboards verfugen uber eine gewichtete
Hammermechanik
(-
Simulation
). Dadurch nahert man sich dem authentischen Spielgefuhl eines
Flugels
, zum Beispiel bei der Ausfuhrung von
Repetitionen
. Um das Spielgefuhl eines Flugels moglichst gut zu imitieren, kann die Gewichtung gestuft sein ? in den hoheren Oktaven leichter als in den tiefen, wie es sich auch auf einem akustischen Flugel durch den unterschiedlichen Energiebedarf der anzuregenden Saiten ergibt (graduierte Gewichtung). Altere Einsteiger-Digitalpianos (vor Baujahr 2003) arbeiten nur mit Gewichten und Federn. Keyboards und preiswertere Synthesizer verfugen in der Regel nur uber eine gefederte Tastatur, dafur kann die Sensorik aber auch
Aftertouch
enthalten, um z. B. das nachtragliche Anschwellen eines Blasinstrumententons zu steuern.
Da digitale Tasteninstrumente oft benutzt werden, um das Spielen auf einem traditionellen Instrument nachzuempfinden, unterscheidet sich nicht nur das Anschlagverhalten verschiedener Klaviaturen digitaler Instrumente, sondern auch die Bauform ? eine Waterfall-Tastatur wie bei der
Hammondorgel
beispielsweise mit ihrer vorn leicht abgerundeten Kante statt der klaviertypisch vorstehenden Zunge wird fur Jazz und Rock gern verwendet.
Keyboards ohne eigene Tonerzeugung nennt man
Masterkeyboards
. Diese bestehen nur aus einer Klaviatur und einem
MIDI
-Controller, uber den ein externer Synthesizer, ein Computer mit Software-Instrumenten oder Ahnliches angesteuert werden kann. Ihre Klaviatur soll ublicherweise universell nutzbar, also fur verschiedene Spielweisen geeignet sein, stellt aber immer einen Kompromiss dar. Haufig finden sie auch in Diskotheken und ahnlichen Veranstaltungsorten fur die Steuerung von Lichtanlagen Verwendung.
Auch Keyboards kennen Sonderformen, wie das
Continuum Fingerboard
, das eine stufenlose Kontrolle mehrerer Parameter (beispielsweise Tonhohe, Tonstarke und Klangfarbe) ermoglicht. Manche stellen
Portamento
zur Verfugung.
Als Sonderform gibt es sogenannte
stumme Klaviaturen
, denen die Tonerzeugung fehlt. Sie dienen ausschließlich zu Ubungszwecken.
- ↑
Otto Quantz:
Eine neue chromatische Klaviatur und Notenschrift.
1877.
- ↑
Gottfried Rehm:
Symmetrische Klaviaturanordnung bei Tasteninstrumenten.
In:
Gitarre & Laute
4, 1982, Heft 4, S. 185.
- ↑
Die Enharmonische Pfeifenorgel.
(
Memento
vom 26. Oktober 2014 im
Internet Archive
) eufonia.de; abgerufen am 26. Oktober 2014.
- ↑
De Organographia.
In: Michael Praetorius:
Syntagma musicum
.
Band 2. 1619. Nachdruck: Barenreiter, Kassel 2001,
ISBN 3-7618-1527-1
, S. 63?66. Eine Rekonstruktion des Cembalobauers
Keith Hill
befindet sich im
Organeum
in
Weener
- ↑
Pianomuseum.eu
(PDF; 141 kB)
- ↑
DIN 8995:1985-01
. Klaviatur fur Pianos und Flugel; Maße. Beuth Verlag GmbH, Januar 1885 (
beuth.de
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- ↑
Barbara Muhlenhoff:
Die Pianofortefabrik W. Neuhaus Sohne Calcar 1840?1919: Briefe in die Heimat
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, 2009,
ISBN 978-3-8370-9336-0
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Abgerufen am 17. Januar 2022
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Die Neuklaviatur. Ihre Vortheile gegenuber den Nachtheilen der alten
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Paul von Janko:
Eine neue Claviatur. Theorie und Beispiele zur Einfuhrung in die Praxis.
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