Kirchenkritik

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Kirchenkritik setzt sich kritisch mit kirchlichen Institutionen auseinander.

Grundsatzliche Arten von Kirchenkritik

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Kirchenkritik ist eine besondere Form der Religionskritik , die speziell auf den institutionalisierten Glauben abzielt. Sie wird sowohl von innerhalb ( immanente Kritik ) als auch von außerhalb der Kirche ( externe Kritik ) geubt. Bei der immanenten Kritik ist zu beobachten, dass

  1. sie zwar zunachst unangenehm ist, aber auch Chancen zu kirchlichen Verbesserungen gibt,
  2. manche Kritik als geduldeter Widerspruch gesehen und teilweise angenommen wird,
  3. andere jedoch als autoritativ (also institutionell sanktioniert) oder gar als Haresie gesehen wird.

Kirchenkritik lasst sich analytisch nach ihrem spezifischen Gegenstand klassifizieren: Kritisiert werden:

  • die von Kirchen vertretenen Ideologien , als Ganzes oder teilweise, und die Interpretation zentraler Schriften und Grundsatze
  • die Umsetzungen dieser Ideologien in und durch die politisch/soziale Institution Kirche
  • immanente Anspruche der Institution Kirche an den Einzelnen und die Gesellschaft, sowohl ihre Anhanger als auch Nicht-Anhanger betreffend
  • Handlungen von Mitgliedern des Klerus
  • das Auseinanderklaffen von kirchlicher Lehre ( Dogma ) und Lebenspraxis

Kirchenkritik lasst sich auch nach ihren Außerungsformen unterscheiden:

  • in Form schriftlicher Werke und Auseinandersetzungen, die hauptsachlich geistes- und naturwissenschaftlich verwurzelt sind. Diese Form der Kritik hat ihren Ort vor allem im akademischen und fachspezifischen Milieu.
  • in Werken der klassischen Kunste wie Musik, Literatur, bildende und darstellende Kunst einschließlich der heutigen Medienkunst . Aktuelle Beispiele fur Letztere sind etwa die Musik-Video-Melange der Punkband Pussy Riot [1] und der Opernsangerin Sybille Witkowski . [2]

Sanktionierte immanente Kritik entsteht, wo ein Abweichen von der fur die Institution gemeinsam als verbindlich anerkannten Norm festgestellt und sanktioniert wird. Die Kritik richtet sich gegen Reprasentanten wie auch ihre Anhanger. Derartige sanktionierte, institutions-immanente Kritik findet sich schon in fruhchristlichen Aufzeichnungen. In der Geschichte der immanenten Kirchenkritik gibt es in verschiedenen Kirchen immer wieder sowohl Aufrufe zu mehr Liberalitat als auch Aufrufe zu mehr radikalen und fundamentalistischen Auslegungen sowie deren Umsetzung.

Schließlich wird Kritik geubt von denen, die dezidiert unterschiedliche Normen vertreten, oder eine allgemeine Normen-, Religions- und Gesellschaftskritik uben. So wurde und wird unter anderem die oben genannte Kritik von Vertretern aufklarerischer Philosophie geubt, ebenso wie von Vertretern eines liberalen Laizismus und/oder Antiklerikalismus .

Zu bekannten Figuren der Kirchenkritik gehoren:

Immanente (interne) Kritik

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Oftmals wurde Kirchen-, Religions- oder Ideologiekritik von Kirchen in gesellschaftlich-politischen Machtstellungen als Anlass gesehen um Kritiker (intern wie extern) als Hexen , Ketzer oder Unglaubige zu zensieren, unterdrucken, verfolgen oder anderweitig zu bestrafen. In der katholischen Kirche besteht uber 1500 Jahre lang eine verbindliche Liste mit Schriften, die der kirchlichen Lehre widersprachen und von der Kirche aus diesem Anlass als ideologie- und institutionsgefahrdend zensiert, oder bei großer Machtstellung der Kirche auch verboten oder zerstort wurden (siehe dazu Index Librorum Prohibitorum ).

Die Kritik an solchen Praktiken fallt sowohl in die Kategorie ?institutionelle Kritik“, als auch in die Kategorie ?Ideologiekritik“.

Interne Kritik ist Bestandteil der okumenischen Konzilien der fruhen Kirche, die zunehmend verbindlichere Glaubensaussagen ( Dogmen ) formulieren, ein Vorgang, der mit der Kritik abweichender Meinungen einhergeht, welche jeweils in Verdammung von Haresien mundet. Die jeweils als Haretiker betrachteten Personen nehmen ihrerseits in Anspruch, die ?wahre Kirche“ zu sein. Siehe die Marcioniten , Ebioniten , Novatianer etc.

Zu scharfen externen Kritikern wurden u. a. der Satiriker Lukian von Samosata , der im Roman Uber den Tod des Peregrinus (um 170) die christliche Bruderliebe und Martyriumsbereitschaft kritisiert, und der Philosoph Celsus , der 178 seine Schrift Der wahre Logos gegen die Unsinnigkeit des christlichen Glaubens richtet, welchen er zugleich der Ablehnung des Kaiserkultes wie auch der Kriegsdienstverweigerung anklagt. Die umfassendste Kirchenkritik verfasste der Neuplatoniker Porphyrios († 304) mit der 15-bandigen Schrift Gegen die Christen .

Im 2. Jahrhundert richtete die Gnosis im Streben nach einem hohergeistigen Christentum ihre Kirchenkritik gegen den ?ubermaßig anthropomorphen Gottesglauben“ wie auch gegen die Vorstellung einer Offenbarung Gottes in Christus als ?zeitgebunden“ und ?uberholt“.

Kirchenkritik auf interreligioser Ebene erwuchs seit dem 8. Jahrhundert aus der Begegnung der ostlichen (bilderverehrenden) Kirche mit dem Islam , welcher den Vorwurf erhob, dass die Bilderdarstellung im Gegensatz zum geistigen Charakter des Kultus und zum Bilderverbot der Schrift stehe.

Ab dem 12. Jahrhundert traten verschiedene Sekten , beispielsweise die Katharer und die Waldenser , als elementare Kirchenkritiker in Wort und Tat in Erscheinung. Die meisten Abspaltungen der Katharer, so z. B. die Albigenser , vertraten ein dualistisches Weltbild, in dem sie die katholische Kirche und das Alte Testament als Werk des Teufels sahen, sich selbst als neue gottliche Ordnung. Die Waldenser hingegen legten ihren Schwerpunkt auf die biblische Tradition; sie wollten die Laienpredigt starken, die gemeinsame Bibellesung festigen und vertraten ein radikaleres Armutsideal.

Zu sozialer Kirchenkritik kam es mit Arnold von Brescia gegen die feudalistische Papstkirche verbunden mit der Forderung nach Armut und Wanderpredigt. Ahnlich verhalt es sich mit dem schwarmerischen, millenaristischen Prophetentum , das in der Reformation eine starke Wurzel besaß und in Thomas Muntzer einen seiner prominentesten Vertreter. Daraus erwuchsen Forderungen, die spater in kritischen Ansatzen des Puritanismus und des Pietismus Gestalt gewannen.

Im 15. Jahrhundert kamen in der Lateinischen Kirche die ersten kirchenkritischen Forderungen nach landessprachlichen Bibelubersetzungen auf. Zwischen 1380 und 1393 ubersetzten Anhanger John Wyclifs die Vulgata ins Englische und schufen damit die erste vollstandige englische Bibelubersetzung. Wyclif kritisierte in seinen Schriften immer wieder, dass sich die katholische Kirche immer weiter von der Heiligen Schrift entferne. Seine Anhanger, vom Volk Lollarden genannt, zogen als Wanderprediger durchs Land und erhielten viel Zuspruch aus allen gesellschaftlichen Schichten.

Martin Luther , Ulrich Zwingli und andere Reformatoren kritisierten den Ablasshandel , mit dem Menschen der Sundenerlass verkauft wurde, sowie die Tatsache, dass die Bibel nur in unverstandlichem Latein gelesen werden durfte. Der glaubige Christ konnte also die Behauptungen der Priester anhand der Bibel weder bestatigen noch widerlegen. Im 16. Jahrhundert kam es als Folge der von Herrschern beschutzten Kritik an der westlichen Kirche zur Reformation : Dadurch entstanden neben der romisch-katholischen auch die reformierten , lutherischen und anglikanischen Kirchen.

Im 19. Jahrhundert, der Zeit drastischer Zuspitzung sozialer Gegensatze, ging die interne Kritik der Kirche uber Ansatze nicht hinaus und leistete somit der externen Kritik Vorschub. Das atheistische oder agnostische Humanitatsideal, das zum einen auf den Menschenrechten , zum anderen auf Aufklarung und Idealismus basiert, richtete seinen kritischen Anspruch gegen die Kirche, welcher in der Formel ?[Religion] ist das Opium des Volks “ ( Karl Marx ) seinen Ausdruck fand. In den Augen der Kritiker erschien die Kirche zur Bewaltigung der gesellschaftlichen Probleme nicht in der Lage. Demnach greife die Bevolkerung zu den Mitteln der Kirche, um sich Illusionen hinzugeben oder um von einer Gesellschaftsschicht betrogen zu werden.

Søren Kierkegaard warf dem kirchlichen Christentum Versagen vor. Das echte Christentum sei außerhalb der Kirche anzutreffen.

Ludwig Feuerbach schrieb 1830 in seinen ?Gedanken uber Tod und Unsterblichkeit“, dass Religion ausschließlich eine Selbstbespiegelung des Menschen sei. Gott sei lediglich eine Erfindung des Menschen, um zur Vollkommenheit zu gelangen. Gott sei lediglich eine Projektion des menschlichen Geistes. Friedrich Nietzsche sah dies ahnlich und hob den fundamentalen Unterschied zwischen den Lehren Christi und denen der Kirche hervor. Im Gegensatz zu Kierkegaard schatzte er aber deswegen das ?echte“ Christentum nicht mehr, sondern sah es nur als eine andere Form der Dekadenz .

Die heutige Kirchenkritik steht in einer kontinuierlichen, in stetigem Wandel begriffenen Tradition. Sehr stark vereinfacht lassen sich zwei Kritikmuster formulieren:

  • die fundamentalistische Kritik, die als immanente Kritik dem Haresiemuster folgt
  • die aufklarerische Kritik, die als externe Kritik in Nietzsche den konsequentesten Ausdruck findet.

Eine prominente Figur letzterer seit der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts ist der deutsche Historiker, Religions- und Kirchenkritiker Karlheinz Deschner , der zu diesem Thema etliche Werke veroffentlicht hat. Er ist unter anderem der Autor der Kriminalgeschichte des Christentums . Dieses zehn Bande umfassende, sehr umfangreiche Werk, das unter Berufung auf viele uberprufbare Quellen Kritik am Verhalten christlicher Gemeinschaften und Kirchen ubt, beleuchtet in geschichtlicher Abfolge bisher eine Zeitspanne von den Anfangen des Alten Testaments bis Anfang des 18. Jahrhunderts. In anderen Werken, wie z. B. ?Mit Gott und den Faschisten“, kritisiert Deschner die Unterstutzung faschistischer Systeme und Individuen durch die Kirchen. Die Punkte der sich als aufklarerisch-progressiv verstehenden Kritik, die im Folgenden dargestellt wird, werden fast ganzlich auch von Deschner vertreten.

Die fruhchristlichen Verteidiger großkirchlicher Positionen werden als Apologeten , ihr Unternehmen als Apologetik (dt. ?Verteidigung“) bezeichnet, ein Ausdruck, welcher auch die spat- und barockscholastische Disziplin benennt, welche im Rahmen einer naturlichen Theologie Argumente fur die Plausibilitat religioser und insbesondere christlicher Uberzeugungen und Lebensformen fuhrt, insbesondere im Zuge der Konfessionsstreitigkeiten auch Argumente fur und wider spezifisch christliche und spezifisch katholische oder reformatorische Positionen formuliert und dabei spatestens seit dem 14. Jahrhundert auch außere Glaubwurdigkeitsgrunde auszuweisen sucht. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der Ausdruck ?Apologetik“ fur eine derartige Disziplin in weiten Teilen des deutschen Sprachraums durch Fundamentaltheologie abgelost. Bei betrachtlichen Unterschieden fundamentaltheologischer Ansatze ist zumindest weithin gemeinsam, dass die teilweise polemisch-aggressive Ausrichtung der klassischen Apologetik dabei uberwunden wurde und stattdessen integrativere Optionen zu entwickeln versucht werden: beispielsweise wird von vielen Fundamentaltheologen zugestanden, dass atheistische Positionen nicht per se irrational seien.

Gegenwartige Kritikpunkte

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Romisch-katholische Kirche

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Beispielsweise wird der romisch-katholischen Kirche folgendes vorgeworfen:

  • Sie sei undemokratisch, [3]
    • da die Gemeinden ihre Pfarrer nicht selber wahlen und
    • da die Pfarrer der Gemeinden nicht die Bischofe wahlen.
  • Das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubensfragen sei anmaßend und selbstherrlich. [4]
  • Sie diskriminiere Frauen, [5] u. a. da sie sie nicht zum Priesteramt zulasse. [6]
  • Nachdem lange Zeit vor allem die katholische Sexualmoral umstritten war, ist seit den 1990er Jahren vermehrt die durch einige katholische Wurdentrager praktizierte Sexualitat, insbesondere der sexuelle Missbrauch von Kindern in der romisch-katholischen Kirche kritisiert worden. Nach einer Studie des John Jay Centre of Criminal Justice in New York, die von der Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten in Auftrag gegeben worden war, gab es zwischen 1950 und 2002 10.667 Falle von Anschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs gegen 4.392 Priester. Nicht alle Anschuldigungen waren jedoch begrundet. Offenbar handelt es sich nicht um ein auf die USA begrenztes Phanomen, da ahnliche Vorgange, wenn auch nicht im gleichen Umfang, in Irland und Osterreich sowie in Deutschland bekannt wurden. Erschwerend kommt hinzu, dass zahlreiche Priester, deren Vergehen ihren Bischofen bekannt geworden waren, nicht aus dem Priesteramt entfernt, sondern lediglich in andere Gemeinden versetzt wurden, wo sie neuerlich Kinder missbrauchten.
  • Die Forderung an gleichgeschlechtlich liebende Menschen , auf das Ausleben ihrer Sexualitat vollstandig zu verzichten, wird von vielen Menschen abgelehnt, da auch Homosexuelle ein Recht hatten, ihre Sexualitat auszuleben (siehe auch: Homosexualitat und romisch-katholische Kirche ). Durch Liebesbeziehungen vermittelte menschliche Nahe und Geborgenheit bleibt ihnen zwar seitens der katholischen Kirche nicht verwehrt, sexuelle Befriedigung außerhalb der Ehe ist laut amtlicher Kirchenlehre fur homosexuelle Menschen ebenso wenig vorgesehen wie fur heterosexuelle Unverheiratete. Die staatliche, rechtliche Anerkennung von homosexuellen Paaren wahrend der letzten 15 Jahre in vielen westlichen Industriestaaten fuhrte seitens der katholischen Kirchenleitung in Rom zu massiver Kritik in den jeweiligen Staaten ( Lebenspartnerschaftsgesetz ). Ebenfalls wird der Umgang mit Homosexuellen innerhalb der Kirche kritisiert. [7] [8]
  • Die Ablehnung von Kondomen wegen ihrer Wirkung als Empfangnisverhutungsmittel fuhre zur Ausbreitung von Krankheiten, insbesondere von Aids . [9]
  • Sie habe sich in ihrer Geschichte immer wieder als intolerant und gewalttatig erwiesen, beispielsweise durch Verfolgung von Juden , Heiden und Ketzern . Ein zeitgenossisches Beispiel fur diese Kritik stellt Karlheinz Deschners umfangreiche Kriminalgeschichte des Christentums dar. Mitunter gipfelt diese Kritik in dem Vorwurf an die Kirche, die ?großte Verbrecherorganisation der Geschichte“ zu sein. [10]
  • Die Kirche widersprache einem unterstellten christlichen Armutsgebot . In Deutschland werden Priester analog den Beamten vergleichbarer Ausbildungsstufe ( Hoherer Dienst mit Eingangsvoraussetzung Abschluss eines Universitatsstudiums oder vergleichbar) besoldet: So werden z. B. Gemeinde pfarrer nach den Besoldungsgruppen A13 und A14 und Bischofe nach den Besoldungsgruppen B2 bis B11 entlohnt, beide stehen in einem unkundbaren offentlich-rechtlichen Dienstverhaltnis. Die Kirche handelt mit Aktien und besitzt Immobilien. [11] Diese Kritik ist schon jahrhundertealt, siehe Kierkegaard , Savonarola .
  • Die Kirche als Arbeitgeber diskriminiere Anders- und Nichtglaubige. Mit ungefahr einer halben Million Mitarbeitern ist der Deutsche Caritasverband einer der großten Arbeitgeber in Deutschland, dort durfen gemaß Tendenzschutz nur jene arbeiten, die formal der Kirche zugehorig sind. Das Antidiskriminierungsgesetz gilt fur die Kirche nur eingeschrankt. [12] [13] Durch das Arbeitsrecht der Kirchen sind die Arbeitnehmerrechte zudem deutlich starker eingeschrankt als in der freien Wirtschaft. So sind Privatangelegenheiten der Angestellten wie z. B. Abtreibung , Scheidung und Wiederheirat Kundigungsgrunde [14] , was laut Europaischem Gerichtshof fur Menschenrechte gegen die Achtung der Privatsphare verstoßt. [15]

Des Weiteren wird der Ausschluss wiederverheirateter Katholiken von der Kommunion (siehe Kommunion#Romisch-katholisches Verstandnis ) kritisiert. [16]

Evangelische Kirchen

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Auch den in der EKD vereinten evangelischen Landeskirchen bleibt Kritik nicht erspart. Wenn auch Glaubenszweifel sowie individueller Arger uber Kleriker eine große Rolle spielen, [17] kommt diese Kritik meist aus einem anderen Lager. Im Gegensatz zu der Kritik an der romisch-katholischen Kirche, die haufig von Verfechtern des Liberalismus und des Freidenkertums , von Kommunisten , linksorientierten Parteien/Gruppen und homosexuellen Menschen geaußert wird, stammen die Einwande an die evangelischen Kirchen meist von Pietisten, Evangelikalen und (protestantischen) Fundamentalisten . Die wesentlichen Kritikpunkte richten sich an die zunehmende Anpassung an die Moderne: [18]

  • Sexualitat vor und außerhalb der Ehe werde nicht mehr deutlich genug kritisiert.
  • Praktizierende Homosexualitat werde nicht mehr als sundhaft abgelehnt. [19]
  • Die Frauenordination sei mit den Traditionen der Kirche nicht vereinbar.
  • Abtreibung werde zunehmend toleriert.
  • Scheidungen und ?wilde Ehen“ von Pfarrpersonal seien zu kritisieren, denn diesen komme in den Gemeinden eine Vorbildfunktion zu.
  • Die Wiederheirat nach einer Scheidung sei nicht zu befurworten.
  • Die Okumene wird als ? Ruckkehr nach Rom “ verstanden und stehe daher im Widerspruch zu den Lehren Martin Luthers .
  • Die Bibelauslegung vieler Theologen sei zu sehr vom ? Zeitgeist “ beeinflusst.
  • Die Kirche widerspreche dem christlichen Armutsgebot . In Deutschland verdient eine Pfarrperson so viel wie ein Studienrat bzw. Oberstudienrat am Gymnasium und ein Bischof 10.500 Euro/Monat, beide stehen in einem unkundbaren offentlich-rechtlich vergleichbaren Dienstverhaltnis. Die Kirche handelt mit Aktien und besitzt Immobilien etc. Diese Kritik ist in ahnlicher Form schon jahrhundertealt, siehe Søren Kierkegaard , Girolamo Savonarola .
  • Die Kirche als Arbeitgeber diskriminiere Anders- und Nichtglaubige. Mit ungefahr 400.000 Mitarbeitern sei die Diakonie einer der großten Arbeitgeber in Deutschland. Dort sollen gemaß Tendenzschutz hauptsachlich Menschen arbeiten, die formal der Kirche zugehorig sind, um die christliche Ausrichtung der kirchlichen Einrichtungen zu gewahrleisten. Das Antidiskriminierungsgesetz gilt fur die Kirche nur eingeschrankt.

Politische Kritik

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Die enge Verbindung christlicher Kirchen mit der Regierung verschiedener Reiche (Rom, Byzanz, Russland, England, Teile Deutschlands usw.) fuhrte ebenso wie die weltliche Machtausubung der romisch-katholischen Kirche in vielen Fallen dazu, dass aus machtpolitischen Grunden wesentliche Teile der christlichen Ethik durch fuhrende Kirchenmanner nicht beachtet wurden.

Die meisten dieser eng mit einer Regierung verbundenen Kirchen profitierten auch finanziell von den herrschenden Verhaltnissen. Das fuhrte oft dazu, dass Kirchenfuhrer soziale Reformen verurteilten und nicht unterstutzten. Die meisten sozialen Aktivitaten im Christentum wurden nicht von oben, sondern von unten initiiert, oft gegen den Wunsch der Kirchenleitungen.

Kritisiert wird insbesondere die Rolle, die die katholische und die evangelische Kirche (siehe Deutsche Christen , Bischof Otto Dibelius , Bischof Hans Meiser ) zur Zeit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 in Deutschland gespielt haben (siehe Ermachtigungsgesetz ), fur die Stabilisierung des faschistischen Regimes in Italien (siehe Lateranvertrage ), im spanischen Burgerkrieg usw.

Seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine im Jahr 2022 richtet sich die weltweite politische Kirchenkritik vor allem gegen die Russisch-Orthodoxe Kirche und ihrem Vorsteher Kyrill I. als Patriarch von Moskau und Russland. Geaußerte Kritikpunkte sind die Parallelitat staatlicher und kirchlicher Interessen, die Transzendierung des Kriegs, Großmachtsfantasien, Agententatigkeit von Kirchenvorstehern fur den russischen Geheimdienst, der luxuriose Lebensstil Kyrills und die Mithilfe am Aufbau des Personenkults um Prasident Wladimir Putin . [20]

Kritik an Kirchen als soziale Institutionen

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Kritisiert werden sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche hinsichtlich ihrer sogenannten Selbstdarstellung als soziale Institutionen. Demnach versuchen die Kirchen ihre Existenz bzw. die Erhebung der Kirchensteuer vor allem bei den konfessionell nicht uberzeugten Teilen der Bevolkerung mit dem Argument zu rechtfertigen, dass sie wichtige soziale Einrichtungen in einer von okonomischen Zwangen bestimmten Welt darstellen. Tatsachlich seien aber die entsprechenden Einrichtungen der Kirchen ebenso nach okonomischen Prinzipien ausgerichtet und verwehrten zudem ihren Mitarbeitern solche Mittel, die in der sozialen Marktwirtschaft gerade als Schutz vor Ausbeutung geschaffen wurden. So existierten aufgrund der arbeitsrechtlichen Sonderstellung der Kirchen keine Tarifvertrage , es gelte ein Streikverbot , es gebe keine akzeptable Personalvertretung und keine Moglichkeit zur Mitbestimmung. [13] Es gibt in der deutschen Rechtsprechung allerdings eine Tendenz, Kirchen weniger Spielraum fur religios motivierte Stellenanforderungen außerhalb des verkundigungsnahen Bereichs zu geben. [21]

Der Theologe und Soziologe Horst Herrmann pragte den Begriff der Caritas-Legende und kritisierte einen ?Etikettenschwindel“ [22] , dass nur ein Bruchteil der Kirchensteuer im sozialen Bereich verwendet werde. Soziale Dienstleister erhalten demnach nur einen marginalen Teil der Kirchensteuer ? so seien dies beim Diakonischen Werk etwa nur 3,8 Prozent der Gesamtfinanzierung gegenuber staatlichen Zuschussen von 82 Prozent, weiteren 10,8 Prozent aus Spenden und Mitgliedsbeitragen sowie anderen Eigenmitteln von 3,4 Prozent. Insgesamt wurden die Kirchensteuereinnahmen bei der evangelischen Kirche lediglich zu 13,1 Prozent fur soziale Arbeit verwendet, in der katholischen Kirche zu 16,7 Prozent. [23]

Reaktion der Kirchen

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Aufgrund der vielfaltigen Kritik und der sehr unterschiedlichen Erwartungen an die Kirchen werden innerkirchlich stetig Anpassungen diskutiert.

Benedikt XVI. (damals noch Joseph Kardinal Ratzinger) wies in seinem Buch Salz der Erde darauf hin, dass die Lutheraner bezuglich Frauenordination , Empfangnisverhutung , Zolibat und Wiederverheiratung Geschiedener alle Forderungen der Kirchenvolksbewegung erfullt hatten, aber deshalb der Losung des Problems (wie in der heutigen Zeit Kirche den christlichen Glauben leben konne) nicht naher gekommen seien, wobei jedoch nicht Kirche, sondern letztlich das Individuum christlichen Glauben leben musse. [24] Auf das Individuum bezogen und einen menschenfreundlichen Jesus voraussetzend, sei mit dieser Konzeption ein Naherkommen an Deus caritas est offensichtlich.

Fur Klassiker des Atheismus oder der Apologetik bzw. der fruhchristlichen Apologeten, sowie der Naturlichen Theologie oder zur Fundamentaltheologie , sowie fur allgemeine Darstellungen der Kirchengeschichte siehe jeweils dort.

Innerkirchliche Kritik

Externe Kritik

Weitere Links

  1. Thorsten Winter: Russische Freiheitsschreie im Herzen der Natur . In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. Juni 2022. Abgerufen am 11. Juni 2022.
  2. WAR CHILD/Ave Maria - a music video with Sybille Witkowski . Abgerufen am 11. Juni 2022.
  3. Wir sind Kirche. Ziele und Forderungen . www.wir-sind-kirche.de. Abgerufen am 6. September 2011.
  4. Hans Kung : Unfehlbar? Eine Anfrage ; Frankfurt am Main, Berlin, Wien 1980.
  5. Oliver Das Gupta: Streit um Mixas Außerungen: ?2000 Jahre Geringschatzung der Frau“ . Interview mit Uta Ranke-Heinemann in der Suddeutschen Zeitung vom 23. Februar 2007. Abgerufen am 6. September 2011.
  6. Frauen in kathol. Kirche diskriminiert ( Memento vom 5. September 2012 im Webarchiv archive.today ); Artikel auf www.newspoint.cc vom 18. Mai 2011. Abgerufen am 6. September 2011.
  7. David Berger: Homosexualitat in der Kirche: ?Ich darf nicht langer schweigen“ ( Memento vom 28. November 2011 im Internet Archive ). Frankfurter Rundschau, 23. April 2010. Abgerufen am 6. September 2011.
  8. Kirche will lesbischer Erzieherin kundigen . In: Suddeutsche Zeitung , 15. Juni 2012. Abgerufen am 15. Juni 2012.
  9. Auch die rom.-kath. Kirche muss Kondome zur Verhutung von HIV/AIDS zulassen ; ?Wir sind Kirche“-Pressemitteilung vom 29. November 2008 zum 20. Welt-AIDS-Tag am 1. Dezember 2008. Abgerufen am 9. Oktober 2011.
  10. Zu dem Vorwurf, Zitaten desselben, dessen Rechtfertigung, Anklagen diesbezuglich und deren Erfolg, siehe Bildblog: ?Verbrecherorganisation“ ; 7./8. Februar 2006
  11. Viel Geld fur Gottes Segen derstandard.at, abgerufen am 7. September 2012
  12. Catrin Gesellensetter: Arbeitgeber Kirche. Von Nachstenliebe keine Spur . Artikel auf Focus Online vom 7. Januar 2010, zuletzt aktualisiert am 9. September 2011. Abgerufen am 9. Oktober 2011.
  13. a b Achim Killer: Arbeitgeber Kirche. Angestellte in Gottes Hand . Artikel auf Spiegel Online vom 23. September 2009. Abgerufen am 6. September 2011.
  14. Kirche kundigt Erzieherin nach Partnertausch . In: Die Welt , 21. Marz 2012. Abgerufen am 22. Marz 2012.
  15. Arbeitsrichter kippen Chefarzt-Entlassung . In: Spiegel Online , 8. September 2011. Abgerufen am 22. Oktober 2011.
  16. Hansjakob Stehle: ?Wir sind das Kirchenvolk“ . In: Die Zeit, Ausgabe 29/1995. Abgerufen am 6. September 2011.
  17. Thomas Witzel: Immer mehr Kirchenaustritte. Jedes Jahr eine Pfarrei weniger . In: Frankfurter Rundschau, 20. April 2011. Abgerufen am 9. Oktober 2011.
  18. Barbara Hans, Christian Wiesel: Christlicher Fundamentalismus. Kirche der Extreme . In: Spiegel , 5. Februar 2009. Abgerufen am 9. Oktober 2011.
  19. Wolf Schmidt: Pfarrerin uber Evangelikale: ?Evangelikale schuchtern massiv ein“ . Interview mit Kathinka Kaden in der taz vom 1. Marz 2009. Abgerufen am 9. Oktober 2011.
  20. Patriarch Kirill und Putin: Wie die russisch-orthodoxe Kirche den Kriegskurs stutzt (in Kulturzeit , 3sat vom 28. April 2022).
  21. Kirche als Arbeitgeber. Hauptsache Christ . In: Frankfurter Allgemeine Zeitung , 24. Dezember 2012. Abgerufen am 24. Dezember 2012.
  22. Redaktion: Sozialinstitution Kirche. Milliardenschwere Mogelpackung. In: FOCUS Magazin | Nr. 13 (1993). 13. Juli 2016, abgerufen am 16. Oktober 2023 .
  23. Horst Herrmann: Die Caritas-Legende. Wie die Kirchen die Nachstenliebe vermarkten ; Rasch und Rohring, Hamburg, 1993; ISBN 978-3-89136-328-7 . Internationaler Bund der Konfessionslosen und Atheisten e.V. (IBKA): Privilegien der Kirchen in Deutschland abschaffen!
  24. penguinrandomhouse.de