Die
Kegelrobbe
(
Halichoerus grypus
) ist neben dem
Seehund
die zweite an deutschen Kusten verbreitete
Robbenart
und daneben das großte in Deutschland freilebend vorkommende
Raubtier
(bis zu 300 kg schwer und 2,5 Meter groß). Der Name leitet sich von den kegelformigen Zahnen und der Kopfform der Robbe ab.
[1]
[2]
[3]
Vom
Seehund
unterscheidet sich die Kegelrobbe durch ihre viel massigere Gestalt. Außerdem haben Seehunde einen rundlichen, Kegelrobben einen eher spitz zulaufenden Kopf. Die Mannchen sind auf dunkelgrauem Grund hell gefleckt, Weibchen dagegen sind dunkelgrau gefleckt auf silbergrauen Grund. Jungtiere kommen mit einem weißen Embryonalhaar (
Lanugo
) zur Welt, das nach etwa funf Wochen durch normales Fell ersetzt wird.
Mit einer Große von 230 Zentimetern und einem Gewicht von 220 Kilogramm ist eine mannliche Kegelrobbe deutlich großer als ein Seehund, aber auch als eine weibliche Kegelrobbe (180 cm, 150 kg). Mannchen haben außerdem eine großere Nase als Weibchen. Der
Geschlechtsdimorphismus
ist nur bei wenigen Hundsrobben so ausgepragt.
-
weibliche Kegelrobbe
-
3 Tage alte Kegelrobbe
-
10 Tage altes Jungtier
-
wenige Wochen alte Kegelrobbe
-
vermutlich 5 Monate altes Mannchen
-
links eine etwa einjahrige Kegelrobbe im verschlissenen Fell, rechts ein Seehund
-
Gebiss der Kegelrobbe
-
weibliche (links) und mannliche Kegelrobben (rechts)
Kegelrobben treten in drei voneinander getrennten Populationen auf:
- Die ostatlantischen Kegelrobben leben hauptsachlich an den Kusten
Großbritanniens
,
Irlands
, Nordfrankreichs,
Islands
und der
Faroer
, selten in der
Nordsee
oder Ostsee.
- Die westatlantischen Kegelrobben leben an den
kanadischen
Kusten von
Labrador
,
New Brunswick
und
Nova Scotia
.
- Die
Ostsee-Kegelrobbe
(
H. g. balticus
) gilt als eigenstandige Unterart. Sie war fruher in der gesamten
Ostsee
verbreitet, ist aber durch intensive Bejagung in die nordlichsten Teile (Kusten
Schwedens
,
Finnlands
,
Lettlands
und
Estlands
) zuruckgedrangt worden. Inzwischen kommen aber ofter wandernde ? zumeist jungere ? Kegelrobben an die Kusten
Polens
und
Mecklenburg-Vorpommerns
und sind regelmaßige Gaste im
Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft
sowie dem
Greifswalder Bodden
, wo ein Bestand von mindestens 290 Tieren festgestellt wurde.
[4]
Im
Wattenmeer
[5]
gibt es mehrere Kolonien mit Jungenaufzuchten: eine bei der
westfriesischen Insel
Terschelling
, auf der
Kachelotplate
westlich von
Juist
,
[6]
eine weitere auf dem
Jungnamensand
, einer
Sandbank
westlich der
nordfriesischen Insel
Amrum
. Seit dem Jahr 2001 gibt es auch auf der
Dune
bei
Helgoland
Jungenaufzuchten der Kegelrobbe; auch hier scheint sich eine Nordsee-Kolonie zu etablieren. Außerhalb der Fortpflanzungszeit halten sich die Robben dieser Kolonien an verschiedenen Orten innerhalb der Nordsee auf und vermischen sich dann auch mit Seehunden. Im Winter trifft man sie zum Beispiel im
ostfriesischen
Wattenmeer an.
Kegelrobben sind im Wattenmeer, verglichen mit Seehunden, echte Raritaten. Aus archaologischen Funden weiß man, dass noch im Mittelalter Kegelrobben und Seehunde gleichermaßen haufig waren, vielleicht sogar ein Ubergewicht zugunsten der Kegelrobbe bestanden hat. Auf den Jagddruck, der durch Menschen auf die Robben ausgeubt wurde, reagierte die Kegelrobbe allerdings weit empfindlicher als der Seehund, so dass sie beinahe vollstandig aus dem Wattenmeer verschwand.
Erst in der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts erfolgte die allmahliche Ruckkehr der Kegelrobben, die an felsigen und unzuganglichen Kusten der britischen Inseln uberlebt hatten. Auch heute konnten nach der Einschatzung von Zoologen die Kegelrobben im Wattenmeer ohne bestandigen Nachschub aus Großbritannien nicht uberleben. Die Geburt junger Kegelrobben ist heute noch ein hochst seltenes Ereignis. Um den Nachwuchs vor neugierigen
Wattwanderern
zu schutzen, versuchen die Mitarbeiter der Wattenmeer-
Nationalparks
, nach Moglichkeit alle bekannt gewordenen Jungtiere zu bewachen beziehungsweise ihre Liegeplatze abzusperren.
Dass es in der westlichen Ostsee bis vor wenigen Jahren, abgesehen von einigen verirrten Einzeltieren, keine Kegelrobben mehr gab, hangt mit einer Ausrottungskampagne des spaten 19. und fruhen 20. Jahrhunderts zusammen. Weil die Fischer der Kusten versicherten, dass wegen der Robben ihre Existenzgrundlage bedroht sei, wurde fur jede getotete Robbe eine Pramie gezahlt. Bis 1930 wurden der
Seehund
und die Kegelrobbe in der westlichen Ostsee vollstandig ausgerottet.
Von 1998 bis 2000 ließ das
Bundesamt fur Naturschutz
eine Analyse durchfuhren, ob eine Wiedereinburgerung der Kegelrobbe an deutschen Ostseekusten moglich sei. Dass die Kegelrobben eigenstandig zuruckkehren, ist wegen des ungenugenden Populationsdrucks in ihrer jetzigen Heimat in der ostlichen Ostsee nicht zu erwarten. Zahlreiche Kustenabschnitte wurden untersucht und mehrere potenzielle Liegeplatze ausgemacht, zum Beispiel die Halbinsel
Wittow
(Nord-
Rugen
) oder die
Greifswalder Oie
. Wahrend die Fischer einer Wiederansiedlung weiterhin ablehnend gegenuberstehen, steht der großte Teil der ansassigen Bevolkerung dem Projekt wohlwollend entgegen. So stimmte die Gemeindevertretung von
Altenkirchen
im Oktober 2012 einer Wiederansiedlung zu und spekulierte bereits auf eine kunftige Bekanntheit als
Kegelrobben-Gemeinde Altenkirchen
. Daruber hinaus gab es Plane, die fruhere Insel
Stubber
, die durch die Entnahme von Baumaterialien unter anderem fur den Straßenbau in
Greifswald
nur noch bei Niedrigwasser erkennbar ist, durch das Auftragen von Sand wieder uber den Wasserspiegel zu heben. Auf der existierenden Sandbank leben bereits seit Mitte der 2000er Jahre mehrere Kegelrobben.
[7]
Trotzdem scheiterte ein Wiederansiedlungsprojekt bisher am Widerstand der Fischer.
2019 wurden wieder mehr als 38.000 Kegelrobben in der Ostsee gezahlt.
[8]
Vor der Kuste Estlands wurden bis Ende 2023 mehr als 6.300 Kegelrobben registriert ? ein neuer Rekordwert.
[9]
Außerhalb der Fortpflanzungszeit wandern vor allem jugendliche Kegelrobben weit umher, kehren aber offensichtlich immer wieder zu denselben Fortpflanzungsstatten zuruck. Bei ihren bis zu 20 Minuten dauernden Tauchgangen erreichen Kegelrobben Tiefen von 140 Meter und jagen nach Fischen. Jede ausgewachsene Kegelrobbe benotigt etwa zehn Kilogramm Fisch pro Tag. Zu den erbeuteten Fischen gehoren
Lachse
,
Dorsche
,
Heringe
,
Makrelen
und
Schollen
. Es wurde auch beobachtet, dass Kegelrobben
Schweinswale
,
[10]
junge
Seehunde
[11]
und Jungtiere der eigenen Art
[12]
[13]
attackieren und fressen.
Zur Fortpflanzungszeit finden sich Kegelrobben an den Kusten zu kleinen Kolonien zusammen. Diese bestehen aus durchschnittlich sechs Weibchen und einem Mannchen. Bei großeren Kolonien gibt es mehrere Mannchen, die jeweils einen Harem zusammenzuhalten versuchen. Die erfolgreichen Mannchen verteidigen bis zu zehn Weibchen mitsamt deren Jungen und paaren sich mit ihnen, sobald die Jungen entwohnt sind. Dies geschieht, wenn die Jungen etwa vier Wochen alt sind.
Die Fortpflanzungszeit variiert mit dem Verbreitungsgebiet. Im Ostatlantik liegt sie zwischen September und Dezember, im Westatlantik im Januar und Februar. Die Ostsee-Kegelrobben werfen im Februar und Marz. Die Tragzeit betragt elfeinhalb Monate. Geschlechtsreife wird mit vier bis funf Jahren erreicht, Mannchen sind aber vor ihrem achten Lebensjahr nicht stark genug, eine Gruppe von Weibchen zu bewachen. Die Lebenserwartung betragt meistens zwanzig Jahre, in Ausnahmefallen uber 45 Jahre.
Kegelrobben waren fur Robbenjager nur von geringem kommerziellen Interesse; viele wurden aber von Fischern getotet, die sie als Konkurrenz empfanden. Inzwischen sind sie in den meisten Landern geschutzt; die Bestande sind auf etwa 100.000 Kegelrobben im ostlichen Atlantik angewachsen. 40 Prozent des weltweiten Kegelrobben-Bestands leben an den Kusten
Großbritanniens
.
Der Weltbestand der Kegelrobben wird von der Weltnaturschutzunion
IUCN
in ihrer
Roten Liste
mit ?nicht gefahrdet“ (
Least Concern
) angegeben. Die Bundesrepublik Deutschland stellt diese Robbenart in der nationalen Roten Liste
[14]
in Kategorie 2 und beurteilt sie damit als sehr gefahrdet. Das Land Schleswig-Holstein stellt sie in ihren Roten Listen als gefahrdet dar; Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen sehen sie als gefahrdete Wandertiere ihrer Region.
[15]
Unter Schutz gestellt wird die Kegelrobbe durch die
Berner Konvention
des
Europarates
, die sie in Appendix III
[16]
stellt und damit als streng geschutztes Wildtier kennzeichnet, das nur ausnahmsweise genutzt werden darf.
Die
Europaische Union
ubernimmt diese Diktion uber die
Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie
Nr. 92/43/EWG
[17]
bzw. der Neufassung Nr. 2006/105/EG, Anhang V.
[18]
Zusatzlich wird die Kegelrobbe wie alle Arten der Gattung
Phocidae
in Anhang II gestellt, wodurch die Einrichtung von Schutzgebieten gefordert wird.
In der Bundesrepublik Deutschland wird die Robbenart im
Bundesnaturschutzgesetz
[19]
als besonders geschutzt bezeichnet.
Insbesondere die Entwicklung bei der Unterart der Ostsee-Kegelrobben erregt Besorgnis. Am Ende der 1980er-Jahre war der Bestand auf 1500 Tiere gefallen. Neben der Verfolgung durch den Menschen kam als Ursache hier die Einleitung von Giften wie
DDT
hinzu. In den 1990er-Jahren begann der Bestand in der Ostsee durch strenge Schutzmaßnahmen und geringeren Verschmutzungsgrad wieder anzusteigen. Im Jahr 2000 gab es in den nordlichen und ostlichen Bereichen der Ostsee wieder etwa 15.000 Kegelrobben. Aufgrund einer durchschnittlichen Bestandsvergroßerung von 8 % pro Jahr wurde die Population 2005 auf 22.000 Exemplare geschatzt.
[20]
An mehreren Stellen wurden Schutzzonen eingerichtet, bei denen absolutes Besuchsverbot besteht.
[21]
In Schweden und Finnland kommt es fortwahrend zu Problemen bei Fischern, deren
Reusen
durch Kegelrobben beschadigt werden. Die jahrlichen Verluste werden allein in Schweden auf 50 Millionen
Kronen
beziffert. Deshalb erlaubten die Naturschutzbehorden dieser Lander eine begrenzte Kegelrobbenjagd von jahrlich etwa 200 Tieren.
[22]
Zusatzlich zu den Schutzbestimmungen der Nominatart wird die Unterart der Ostsee-Kegelrobbe durch Listung in Anhang II der
Bonner Konvention
CMS,
[23]
dem Ubereinkommen zur Erhaltung der wandernden wild lebenden Tierarten, unter Schutz gestellt. Hier wird festgehalten, dass zur Erhaltung der Art internationale Zusammenarbeit erforderlich ist.
- Ronald M. Nowak:
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Memento
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Internet Archive
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B. Jensen:
Nordens daggdjur.
2. Auflage, Prisma Verlag, 2004,
ISBN 91-518-4432-X
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Begrenzte Jagd auf Kegelrobben
@1
@2
Vorlage:Toter Link/www.naturvardsverket.se
(
Seite nicht mehr abrufbar
, festgestellt im April 2019.
Suche in Webarchiven
)
Info:
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Anleitung
und entferne dann diesen Hinweis.
, schwedische Naturschutzbehorde, besucht 1. Mai 2009.
- ↑
CMS Appendixe I und II.
(PDF; 88,75 kB) UNEP-WCMC, Marz 2009,
abgerufen am 18. Januar 2010
(Suche nach Halichoerus grypus).