Kartenkunst

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Sprudeln der Karten von einer Hand in die andere (engl.: the Spring)

Die Kartenkunst ist eine Disziplin der Zauberkunst und beschaftigt sich mit Zauberkunststucken, die mit Spielkarten durchgefuhrt werden.

Der Ursprung von Kunststucken mit Spielkarten liegt bei den Tricks der Falschspieler . Kartenkunststucke, die zu Unterhaltungszwecken gezeigt wurden, beschrieb erstmals Horatio Galasso: Giochi di carte belissimi di regola, e di memoria = Schone Kartenspiele in der Regel und Erinnerung (1593). Insbesondere Zauberkunstler wie Jean Eugene Robert-Houdin und John Nevil Maskelyne fuhlten sich herausgefordert, ihre Umwelt durch Aufklarungsschriften uber Falschspielertricks aufzuklaren. In den USA machte sich als Autor Jonathan Harrington Green einen Namen als und mit The Reformed Gambler (1858). Die Kartenkunst erfuhr im 19. Jahrhundert eine Aufwertung durch den Wiener Johann Nepomuk Hofzinser , der bahnbrechende Kunstgriffe und Techniken erfand sowie die Prasentation revolutionierte. Im englischsprachigen Raum etablierte sich Kartenkunst insbesondere durch das von ?Professor Hoffmann“ (eigentlich Angelo J. Lewis) veroffentlichte Buch Modern magic: a practical treatise on the art of conjuring . Nicht zuletzt durch das 1902 unter dem Pseudonym ? S. W. Erdnase “ in Chicago erschienene Standardwerk The Expert at the Card Table wurden Kartenkunste in den USA eine verbreitete Kunst, die naturgemaß in Spielerkreisen kultiviert wurde. Der Großillusionist Howard Thurston erfand das Genre Kartenmanipulationen als Buhnendarbietung, etwa das Erscheinen- und Verschwindenlassen von Spielkarten in den Handen, welches Cardini perfektionierte. In den 20er und 30er Jahren wurden Kartenkunste in spleenigen New Yorker Zirkeln perfektioniert, als deren bekanntester Vertreter Dai Vernon bekannt wurde. Viele Kartenkunststucke wurden durch die Bucher von John Scarne bekannt, der im Kino und in den fruhen Tagen des Fernsehens insbesondere Ziergriffe (Flourishes) popular machte.

In der uberwiegend englischsprachigen Fachliteratur gehen Beschreibungen von Kartenkunststucken meist von einem in den USA ublichen Pokerblatt mit 52 Karten aus.

Die Kartenkunst erfreut sich nicht zuletzt deshalb großer Beliebtheit, weil man mit Karten alle auch sonst in der Zauberkunst ublichen Effekte darstellen kann, jedoch meist mit deutlich geringerem Aufwand und dem Kartenspiel als einem dem Zuschauer vertrauten Requisit.

?Verschwindetricks“

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Viele einfache Kartenkunststucke basieren darauf, Karten, die an einer Stelle verschwinden, an einem anderen Ort wieder auftauchen zu lassen.

Mit dieser Kategorie verwandt sind die zahlreichen Effekte, bei denen eine in das Spiel hineingemischte Karte auf magische Weise wieder aufgefunden wird (Card Control). Ein Klassiker ist ein in die Luft geworfenes Kartenspiel, bei dem durch Hineinstechen in die Kartenwolke die Karte auf einem Degen erscheint. Ahnliches zeigte Joseph Pinetti (1750?1800), der mit einer Pistole eine gewahlte Karte an die Wand schoss.

Vorhersagen, Gedankenlesen und Ubereinstimmungen (?Mentalzauberei“)

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Bei der zweiten großen Kategorie von Kunststucken scheint der Vorfuhrende uber hellseherische Krafte zu verfugen, indem er vom Zuschauer gewahlte Karten errat oder vorhersagen kann. Hierzu werden manchmal zur Steigerung der Effekte auch speziell praparierte Kartenspiele verwendet, wie etwa das so genannte Brainwave Deck , das es erlaubt, jede beliebig gedachte oder gewahlte Karte beim Auffachern des Spiels verkehrt herum und bei Bedarf mit anderem Ruckenmuster zu prasentieren.

Verwandlungen (?Kartenfarben“) (eng. colour change )

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Bezeichnet Kunststucke, bei denen sich der Kartenwert bzw. die komplette Karte andert, meist geschieht das durch ein Daruberstreichen mit der Hand. Zu den drei einfachsten und bekanntesten Colour Changes gehoren der ?Snap Change“, der ?Twirl Change“ und der ? Erdnase Change“. Es werden standig neue Colour Changes erfunden, so dass es eine große Anzahl von Verwandlungstechniken gibt.

Falschspielerkunststucke

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Der Kunstler demonstriert seine Fahigkeit, ein Glucksspiel in jeglicher Hinsicht manipulieren zu konnen. Ein Klassiker ist die Kunst, eine gewahlte Karte an eine beliebige Position eines Kartenspiels zu bringen. Die bekannteste Falschspielerdemo ist das authentische Falschspielerkunststuck Kummelblattchen .

Mit Falschspielerkunststucken sind Tricks verwandt, bei denen sich Kartenspiele unter unmoglichen Bedingungen zu ordnen scheinen. Klassiker sind der ?Triumph“-Effekt, bei dem eine Spielhalfte umgekehrt eingemischt wird, am Schluss jedoch alle Karten etwa bildoben liegen, sowie die ?Ol und Wasser“-Effekte, bei denen sich rote Karten von schwarzen Karten auf magische Weise trennen.

Kinetische Effekte

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Als Klassiker gilt hier z. B. das als ?Kartensteiger“ bekannte Kunststuck, bei dem eine Karte aus einem in einem Weinglas befindlichen Spiel wie von Geisterhand emporsteigt. Auch frei schwebende Karten gehoren zu dieser Effektart.

Mathematische Kartentricks

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Mathematische Kartentricks erfreuen sich vor allem bei Anfangern an großer Beliebtheit. Dies ist darauf zuruckzufuhren, dass derartige Tricks gewissermaßen von selbst ablaufen und keinerlei Fingerfertigkeiten des Zauberers verlangen. Die wahre Magie liegt hierbei in den mathematischen Rechnungen, die diesen Tricks zugrunde liegen.

Kartenkunstler zaubern zerrissene Karten wieder ganz, lassen Karten einander durchdringen und kombinieren Karteneffekte mit anderen Kunststucken.

Buhnenmanipulation

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Wahrend Kartenkunstler meistens auf kurze Distanz arbeiten und das Urteil, ob ein Effekt auf der Geschicklichkeit der Hande beruht, meist dem Publikum uberlassen, wird bei der Buhnenmanipulation der Akt der Manipulation selbst zum Effekt. Hierbei geht es meist um das Erscheinen- und Verschwindenlassen von Spielkarten sowie deren Vergroßerung oder Verkleinerung. In eine ahnliche Richtung geht die Kunst des Kartenweitwerfens, Bumerangwerfens usw.

Ziergriffe (Cardistry)

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Karten eignen sich ebenfalls als elegante Requisiten fur kunstlerische Darstellungen. Diese werden in der Fachsprache der Kartenkunstler (Cardists) ?Flourishes“ genannt. Hierbei wird zwischen 'one handed' (einhandig) und 'two handed' (zweihandig) unterschieden. Neben der Unterscheidung zwischen einhandig und zweihandig wird aber naturlich auch zwischen den verschiedenen Darstellungsformen unterschieden.

Darstellungsformen:

  • Cuts: Bei den sogenannten 'Cuts' wird das Kartenspiel in unterschiedlich viele und unterschiedlich große Teile geteilt. Mit diesen Teilen/Stapel (packets) wird dann der 'Flourish' durchgefuhrt.
  • Spreads. Unter den sogenannten Spreads versteht man das Ausbreiten des Kartenspiels. Eine Basisvariante davon ist aus der Magie bekannt, wo der Zauberer das Kartenspiel auf dem Tisch ausbreitet mit den Worten: "zieh mal eine Karte."
  • Fans: Ein Fan ist ein aufgefachertes Kartenspiel (meist kreisformig)
  • Aerials: Als Aerials werden die Flourishes bezeichnet, bei denen sich eine oder mehrere Karten fur einen gewissen Zeitraum in der Luft befinden. Beispielsweise ware ein einfaches Hochwerfen und wieder Auffangen der Karte ein 'Aerial'.
  • Twirls: Bei den Twirls wird eine Karte so zwischen den Fingern bewegt, dass sie formlich tanzt. Die Karte bewegt sich also unter Kontrolle des Cardists extrem schnell und dynamisch zwischen 2 Fingern. Oft wird dies mit einer eleganten und sanften Bewegung des Arms verknupft.

Viele Zauberer ziehen es vor, in ihrer Performance auf solche ?Flourishes“ zu verzichten, da sie eine hohe Fingerfertigkeit erfordern und damit vom Zaubereffekt ablenken.

Die ?Flourishes“ an sich zahlen nicht zu den klassischen Kartentricks, da der Zuschauer hier nicht getauscht wird. Es passiert also nichts, was auf den ersten Moment unmoglich scheint. Der Schwerpunkt in Cardistry liegt eher darauf, das Kartenspiel so zu manipulieren, dass optisch faszinierende Szenen entstehen. Es ist also vergleichbar mit dem Jonglieren, wo darauf Wert gelegt wird, seine Fahigkeiten zu beweisen.

Praparierte Karten zum Zaubern, unten mit Doppelbild (Anfang 19. Jahrhundert)

Jeder Effekt lasst sich mit einer Vielzahl unterschiedlicher Methoden bewerkstelligen. Da die Kartenkunst einerseits die verbreitetste Sparte der Zauberkunst darstellt, andererseits von der Falschspielbranche mit professionellem Interesse vorangetrieben wird, gibt es praktisch keine Ansatzpunkte fur Manipulationen und Hilfsmittel, die nicht in Erwagung gezogen wurden.

?Sportliche“ Kartenkunstler favorisieren Tricks, die auf einer Vielzahl an Kunstgriffen und Systemen basieren. Allein das in mehreren Sprachen vorliegende ? keinesfalls vollstandige ? Standardwerk Die Große Kartenschule enthalt Beschreibungen einzelner Griffe in funf Banden. Die Techniken reichen von einfacheren Kniffen und Ausnutzung mathematischer Prinzipien bis hin zu Techniken, die jahrelange Ubung erfordern. Zur Vereinfachung und Ermoglichung mancher Effekte werden auch die erstaunlichsten mechanischen, chemischen, drucktechnischen und elektronischen Verfahren und Hilfsmittel bemuht. Ferner werden mathematische Prinzipien verwandt sowie optische Tauschungen, Psychologie und vor allem die Kunst der Ablenkung. Die Anzahl einzelner Kartenkunststucke kann nur geschatzt werden, da insbesondere die englischsprachige Fachliteratur unuberschaubar ist und standig weiterentwickelt wird. Viele Kunststucke bedienen sich einer Kombination unterschiedlicher Tricktechniken und sind nach bestimmten psychologischen Prinzipien aufgebaut. Insider verfolgen nicht selten den Ehrgeiz, mit Innovationen vor allem die Fachleute zu tauschen.

Wie auch sonst in der Zauberkunst macht ein gelungenes Kartenkunststuck vor allem die Prasentation aus. Selbst einfache Kunststucke, die mit Humor und Charme gezeigt werden, erweisen sich tricktechnisch weitaus anspruchsvolleren nicht selten als uberlegen. Gerade bei der Kartenkunst laufen Kartenkunstler Gefahr, dem tricktechnischen Ehrgeiz zu erliegen, ihr Publikum jedoch zu langweilen. Der typische Kartenkunstler, der aufdringlich seine Umwelt mit ?Ziehen Sie mal eine Karte!“ nervt, ist ein haufiges Motiv von Parodien, jungst im Film Scoop ? Der Knuller von Woody Allen , der in Wirklichkeit jedoch seit Kindertagen ein begeisterter Amateurkartenkunstler ist. Die eigentliche kunstlerische Herausforderung ist es, die Vorfuhrung eines Kartenkunststuckes so zu gestalten, dass der Zuschauer von Thema, Effekt und Vortrag gleichermaßen gefesselt wird und den ihm nicht erklarbaren Effekt nicht als Angriff auf seine Intelligenz oder Beobachtungsgabe empfindet, sondern als Spiel.

Zauberkunstlervereinigungen richten Wettbewerbe in der Kartenkunst aus, etwa der Magische Zirkel von Deutschland , der alle drei Jahre einen ?Deutschen Meister der Kartenkunst“ kurt sowie die FISM , die jeweils im Folgejahr den Titel eines ?Weltmeisters“ vergibt. Der in der Schweiz lebende Kosmopolit Piet Forton erhielt diese Auszeichnung dreimal. Der am meisten dekorierte deutsche Kartenkunstler ist Pit Hartling .

Zu den gegenwartig bekanntesten Kartenkunstlern zahlen etwa Juan Tamariz , Lennart Green, Roberto Giobbi , Rene Lavand, Jan Logemann , Daryl Martinez, Darwin Ortiz, Bill Malone, Denis Behr sowie Ricky Jay . Ricky Jay bestritt ein komplettes Buhnenprogramm allein mit Spielkarten und war sogar in der Lage, durch geschicktes Werfen von Spielkarten selbige durch die Schale einer Wassermelone zu schleudern.

  • Erdnase, S.W.: The Expert at the Card Table , Chicago (1902)
  • Hofzinser, Johann Nepomuk: Kartenkunste , ges. und herausgegeben von Ottokar Fischer, (Wien 1910)
  • Hugard, Jean / Braue, Frederick: Expert Card Technique
  • Scarne, John: Scarne on Card Tricks
  • Hanns Friedrich: Die Kunst mit Karten zu zaubern , Wilhelm Goldmann Verlag, Munchen 1981, ISBN 3-442-10859-4 .
  • Rosee, T.A. und Pankow, K.: Verbluffende Kartentricks , Wilh. Goldmann Verlag, Munchen 2003, 4. Aufl., in der Verlagsgruppe Random House GmbH, ISBN 978-3-442-16497-4
  • Giobbi, Roberto: Grosse Kartenschule Band 1 bis 5 (1992?2005)
  • Martinez, Daryl: Encyclopedia of Card Sleights (DVD)
  • Felderer, Brigitte / Strouhal, Ernst: Rare Kunste (2006)
  • Arimont, Andreas: Das Kartentrick Handbuch , Books on Demand GmbH, Norderstedt (2007), ISBN 9783833499456
  • Waster Hans Werner: Das große Bergwald Zauberbuch ? Kartenkunststucke und Zaubertricks Abracadabra , Bergwald Verlag, Koln 1956. DNB-Link