Karolina Lanckoro?ska

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Karolina Lanckoro?ska (1945)
Buste in der Polska Akademia Umiej?tno?ci in Krakau
Karolina mit Vater und der dreijahrigen Schwester Adelajda (ca. 1906)
Das Elternhaus in Wien wurde 1894 erbaut: ?Palais und Museum der Grafen Lanckoronski (birgt große Kunstschatze)“ (1896)

Karolina Maria Lanckoro?ska (geboren 11. August 1898 in Buchberg am Kamp , Osterreich-Ungarn ; gestorben 25. August 2002 in Rom ) [1] war eine polnische Kunsthistorikerin.

Karolina Maria Adelajda Franciszka Ksawera Małgorzata Edina Grafin Lanckoro?ska war das zweite Kind des polnischen Magnaten im k.u.k. Osterreich-Ungarn Karl Graf von Brzezie-Lanckoronski und der preußischen Grafin Margarethe von Lichnowsky . Sie hatte eine jungere Schwester Adelheid (1903?1980), ihr Bruder Anton (1883?1965) stammte aus erster Ehe des Vaters. Der Bruder ihrer Mutter Karl Max Furst von Lichnowsky war zwischen 1912 und 1914 deutscher Botschafter in London .

Lanckoro?ska wuchs in Wien im Palais Lanckoro?ski auf und besuchte das Schottengymnasium . Mit Grundung der Polnischen Republik wurde sie 1918 polnische Staatsburgerin. Sie wurde zu einer nationalbewussten Polin Sienkiewiczscher Pragung, die auch in der vierzig Jahre spater geschriebenen und achtzig Jahre spater veroffentlichten Autobiografie keine Abstriche von ihrer Distanzierung zu den ukrainischen, russischen und deutschen Nachbarstaaten und -volkern machte. In der Sicht der Grafin war die polnische Geschichte durch jahrhundertelange Konflikte mit den Nachbarstaaten und Nachbarvolkern gepragt. Das Nachkriegspolen der 1920er Jahre lag im Dauerstreit mit der Weimarer Republik und fuhrte einen kurzen Krieg gegen die neu gegrundete Sowjetunion . Die Herausbildung einer polnischen Identitat, die an den inneren sozialen Gegensatzen zu scheitern drohte, wurde auf Konflikte nach außen verlagert. Mit dem Hitler-Stalin-Pakt wurde Polen 1939 erneut geteilt, Ostpolen wurde erneut ukrainisch und blieb dies auch nach 1945.

Sie studierte von 1917 bis 1921 in Wien Kunstgeschichte und promovierte 1926 uber Michelangelo Buonarroti . An der Johann-Kasimir-Universitat ( Uniwersytet Jana Kazimierza ) im zu Polen gehorenden Lemberg ( Lwow ) habilitierte sie sich 1935 mit Dekoracja malarska ko?cioła Il Gesu w Rzymie und war damit Polens erste habilitierte Kunsthistorikerin. Sie erhielt eine Stelle als Assistenzprofessorin an der Universitat Lemberg. Ihr wissenschaftliches Interesse fur die italienische Kunst der Renaissance und des Barock korrelierte mit einer engen religiosen Bindung an die romisch-katholische Kirche. Die Familie Lanckoro?ski hatte ihren Stammsitz auf einer Latifundie in Galizien, die seit Kriegsende 1918 der Bruder Anton bewirtschaftete.

Nach dem Uberfall auf Polen konfiszierten die Deutschen in Wien am 17. Oktober 1939 das Palais und die darin enthaltene Sammlung. Da Anton Lanckoro?ski polnischer Staatsburger war, beriefen sich die Deutschen auf die zu diesem Zweck erlassene Polenvermogensverordnung . [2]

Nach der sowjetischen Besetzung Lembergs durch die Rote Armee am 19. September 1939 konnte Lanckoro?ska sich nur noch kurze Zeit an der nun ukrainisch gewordenen Universitat halten. Um der Deportation durch das NKWD zu entgehen, ging sie mit gefalschten Papieren am 3. Mai bei Przemy?l uber die Grenze ins Generalgouvernement . Sie hatte sich bereits im Januar in Lemberg der polnischen Untergrundarmee ?Zwi?zek Walki Zbrojnej“ (ZWZ) angeschlossen und traf nun in Krakau auf den Vertreter der Polnische Heimatarmee (Armia Krajowa ? AK) Tadeusz Komorowski . Zunachst war sie in der Rotkreuz-Organisation bei der polnischen Kriegsgefangenenfursorge in Krakau tatig. Mit einer Vollmacht der Regierung des Generalgouvernements ausgestattet wurde sie Beauftragte des Hauptfursorgerats (RGO) [3] fur eine bessere Versorgung der Gefangnisinsassen. In dieser Funktion gelangte sie Anfang 1942 ins nun von den Deutschen eroberte ostgalizische Stanisławow . Der dortige Gestapo-Chef Hans Kruger ließ sie einsperren ? und brustete sich wahrend eines Verhors, er sei fur die Ermordung ihrer 23 Lemberger Universitatskollegen im Sommer 1941 verantwortlich. Durch Intervention aus Kreisen der italienischen Konigsfamilie und der Mussolini-Regierung entging Lanckoro?ska der drohenden Ermordung durch die SS und kam ins Gefangnis nach Lemberg. Ende 1942 zur weiteren Vernehmung nach Berlin verlegt glaubte sie in einem SS-internen Disziplinarverfahren als Zeugin gegen Kruger aussagen zu konnen, stattdessen kam sie als prominenter Haftling fur die nachsten zwei Jahre in das Frauenkonzentrationslager Ravensbruck . Wieder durch diplomatische Intervention, diesmal durch Carl Jacob Burckhardt , Prasident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), kam sie noch im April 1945 mit einem Rotkreuz-Transport in die Schweiz aus der Konzentrationslagerhaft frei.

Da nach ihrer Kenntnis nicht der nach Argentinien entkommene SS-Untersturmfuhrer Walter Kutschmann [4] fur die Ermordung der Lemberger Professoren verantwortlich war, versuchte sie in dem Prozess gegen Hans Kruger [5] 1968 gehort zu werden und reiste nach Deutschland. Kruger wurde wegen anderer Morde zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe verurteilt, in der Gerichtsverhandlung hatte J. G. Burg einen unruhmlichen Auftritt. [6] Die Morde an den Professoren ließen sich nach Ansicht der deutschen Staatsanwaltschaft nicht mehr aufklaren, so der Beschluss 1965 der Staatsanwaltschaft Hamburg: der Leitende Oberstaatsanwalt von Below erklarte, er habe ?das Verfahren abgestellt“, denn die “fur die Erschießung der Lemberger Professoren verantwortlichen deutschen Tater sind, wie mit Sicherheit feststeht, nicht am Leben”. [7]

Polnische Emigration

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Fur funfundvierzig Jahre war sie eine nationalpolnische Emigrantin und lebte zunachst in Freiburg in der Schweiz und dann in Rom. Durch die kommunistische Machtergreifung in Polen war ihr als Aristokratin und ehemaliger Großgrundbesitzerin die Ruckkehr verwehrt, als polnische Exilantin merkte sie an: ?Wie glucklich war doch das Polen des 19. Jahrhunderts, in dessen Namen keiner das Recht hatte, die Unwahrheit zu sagen, und dessen Exilierte fur die gesamte zivilisierte Welt ein Symbol des Kampfes um die Freiheit des Menschen waren!“ [8] Sie konnte wissenschaftlich arbeiten und publizieren. 1967 grundete sie die Fondation Lanckoronski [9] [10] mit Sitz in Freiburg im Uechtland. Sie war Mitbegrunderin des Polnischen-Historischen Instituts in Rom und dessen Direktorin von 1976 bis 1993. Nach dem Tod ihres Bruders Anton im Jahr 1965 hat sie die Kunstsammlung ihres Vaters ubernommen: Von dieser wurde ein Teil im Jahr 1950 bei einem Brandungluck im Palast Hohenems der befreundeten Familie Waldburg-Zeil zerstort, [11] andere Teile wurden von ihrem Bruder veraußert und weitere ließen sich erst nach muhsamen Restitutionsprozessen mit dem osterreichischen Staat wieder in die Sammlung eingliedern. Nach der politischen Wende in Polen vermachte Karolina Lanckoro?ska die Kunstsammlung der Gemaldegalerie im Warschauer Konigsschloss und den großen polnischen Bibliotheken. 82 Werke der Lanckoro?ska-Sammlung gingen an die Kunstsammlung im Wawel [12] in Krakau , darunter Bartolo di Fredi , Heiliger Augustin, Simone Martini , Engel, Sano di Pietro , Madonna sowie von Dosso Dossi , Jupiter, Merkur und Virtus. Letzteres Bild war nach dem Krieg von Anton Lanckoro?ska an das Kunsthistorische Museum ?zwangsverschenkt“ worden und wurde im Jahr 2000 restituiert. [13]

Als Nationalpolin empfand sie ?die tiefste Dankbarkeit gegenuber dem Schopfer fur meine Zugehorigkeit zu einem Volk, das in diesem verzweifelten Kampf […] alle hohen Guter der Menschheit verteidigte“. [14]

Fur ihre Tatigkeit wurde sie vom Italienischen Staat , den Organisationen der Exilpolen und nach der Wende in Polen vom Polnischen Staat vielfach geehrt. Die Universitat Breslau verlieh ihr einen Doktor h. c.

Schriften (Auswahl)

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  • Mut ist angeboren. Erinnerungen an den Krieg 1939 ? 1945. Aus dem Polnischen von Karin Wolff . Bohlau-Verlag, Wien 2003, ISBN 3-205-77086-2 (zuerst polnisch 2001).
die englische Ausgabe hat ein Vorwort von Norman Davies , Einleitung von Lech Kalinowski und El?bieta Orman.
  • Studies on the Roman-Slavonic rite in Poland (= Orientalia Christiana analecta 161). Pont. Institutum Orientalium Studiorum, Rom 1961.
  • Documenta ex Archivo Regiomontano ad Poloniam spectantia . Rom : Institutum Historicum Polonicum, 1973?<1991>, Elementa ad fontium editiones, v. 30, etc. (Latein)
  • Dekoracja ko?cioła ?Il Gesu“ na tle rozwoju baroku w Rzymie . (Die Ausschmuckung der ?Il Gesu“-Kirche angesichts der Entwicklung des Barocks in Rom). Lemberg : Nakł. Towarzystwa Naukowego we Lwowie, 1935
Commons : Karolina Lanckoro?ska  ? Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Caroline Grafin von Brzezie-Lanckoronski auf thepeerage.com , abgerufen am 18. September 2016.
  2. Verordnung uber die Behandlung von Vermogen der Angehorigen des ehemaligen polnischen Staates (PolVermVO) vom 17. September 1940 (RGBl. I, S. 1270); Peter Harclerode: Lost Masters: World War II and the Looting of Europe's Treasureholds . Welcome Rain Publishers, New York 2002, ISBN 978-1-56649-253-9 .
  3. RGO, Zentraler Wohlfahrtsrat (poln. ?Rada Głowna Opieku?cza“ ), eine polnische karitative Organisation wahrend des Ersten und Zweiten Weltkrieges.
  4. Walter Kutschmann , geboren am 24. Mai 1914 in Dresden DER SPIEGEL 28/1975
  5. yadvashem (PDF; 130 kB) Dieter Pohl uber Kruger (englisch); deutsch in: Gerhard Paul (Historiker) & Klaus-Michael Mallmann Hgg.: Karrieren der Gewalt. Wissenschaftliche Buchgesellschaft und Primus, Darmstadt, zuletzt 2011, S. 134?145.
  6. LG Munster 680506, BGH 720713. Verfahrensgegenstand: Massen-, Gruppen- und Einzelerschiessungen von tausenden von Juden sowie von polnischen und ukrainischen Haftlingen und Widerstandskampfern in Stanislau und anderen Orten im Bereich der Sipo-Aussenstelle Stanislau im Rahmen mehrerer Aktionen (u. a. wahrend der 'Intelligenz-Aktion' im August 1941), sowie von judischen Mannern, Frauen und Kindern, die nach Ungarn gefluchtet, von den dortigen Behorden jedoch nach Galizien zuruckgeschickt worden waren. Massendeportationen von Juden aus Stanislau und Umgebung in die polnischen Vernichtungslager. Auch: jur justiz und ns-verbrechen / nazi crimes on trial ( Memento vom 14. Januar 2015 im Webarchiv archive.today )
  7. Gericht Hamburg Beschluß (Aktenzeichen 141 Js 12/65) zitiert bei: Eingabe an Bundesprasident Rau 20. Mai 2002 ( Memento des Originals vom 6. Marz 2014 im Internet Archive )   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/lwowscy_profesorowie.republika.pl . Siehe auch Zygmunt Albert's Polish book ?Kazn Profesorow Lwowskich“, 2002
  8. Karolina Lanckoro?ska: Mut ist angeboren, S. 271.
  9. https://archive.today/2012.12.17-112509/https://appls2.fr.ch/hrcmatic/hrcintapp/externalCompanyReport.action?companyOfrcId13=CH-217-0670008-7&ofrcLanguage=1
  10. Siehe auch en:Lanckoro?ski Foundation in der englischsprachigen Wikipedia.
  11. Burghart Hafele: Die Kunstsammlung Lanckoronski im Palast Hohenems. In: emser almanach no. 14. 7. Jahrgang. Bucher-Druck Hohenems 2006, 54?70. (=Schriftenreihe des Kulturkreises Hohenems, Beitrage zu Hohenemser Themen). ISBN 3-902525-46-0 . ( Volltext auf sagen.at. Abgerufen am 15. Oktober 2011.)
  12. Agnieszka Janczyk, Kazimierz Kuczman, Joanna Winiewicz-Wolska: Wawel-Sammlung ( Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive )
  13. Schriftliche Beantwortung einer Parlamentsanfrage ( Memento vom 3. August 2012 im Webarchiv archive.today ), 5184/AB (XX. GP) (gem. § 91 (4) GOG).
  14. Karolina Lanckoro?ska: Mut ist angeboren, S. 180.