Kanon (Kirchenrecht)

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Kanon , oft auch Canon geschrieben (Plural: Kanones bzw. Canones ; von griech. καν?ν kanon bzw. καν?νε? kanones ?Stab, Stange, Messstab, Richtschnur“, daraus lat. canon ?Maßstab, festgesetzte Ordnung“), ist ein Lehr- oder Rechtssatz des Kirchenrechts . Kanones sind insbesondere als gangige Unterteilungen der Gesetze des Kirchenrechts der romisch-katholischen Kirche gelaufig, das von ihnen den Namen ? kanonisches Recht “ angenommen hat.

Begriffsverwendung

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Einzelne Konzilsbeschlusse heißen seit dem 4. Jahrhundert Kanones , und Kanon bezeichnet in der Alten Kirche auch die Gesamtheit der dogmatischen und disziplinarischen Beschlusse. [1] [2] Sammlungen solcher Beschlusse heißen in der Forschung ? kanonische Sammlungen “, was im Vergleich zu Begriffen wie ?Kirchenrechtssammlung“ und ahnlichen Ausdrucken den vielfaltigen dogmatischen, liturgischen, disziplinarischen Inhalten der Sammlungen besser entspricht. Es ist ublich, alle Einzelnormen in kanonischen Sammlungen als Kanones zu bezeichnen (unabhangig von ihrer Entstehung). In der romisch-katholischen Kirche werden bis in die Gegenwart der Codex Iuris Canonici und der Ostkirchenkodex (CCEO) in Kanones eingeteilt.

Spatantike und Mittelalter

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Der Begriff Kanon setzte seit dem 4. Jahrhundert gegen andere Begriffe wie Horos zur Bezeichnung von Konzilsbeschlussen durch. In lateinischen Quellen wurde canon als Lehnwort verwendet und wie im Griechischen sowohl fur Einzelnormen als auch die Gesamtheit der kirchlichen Bestimmungen oder eine Gesamtheit kanonischer Schriften ( biblischer Kanon , Kanon der Konzilien) verwendet. Seit kanonische Sammlungen außer Konzilsbeschlussen auch Dekretalen enthielten, konnten auch diese papstlichen Schreiben oder Auszuge daraus als Kanones bezeichnet werden (z. B. durch Cresconius ), was ihre Autoritat als Rechtsquelle hervorhob. Bereits Siricius verwendete in seinem Schreiben Directa ad decessorum an Himerius von Tarragona ( Jaffe-Nummer : JK 255) den Ausdruck decretales als Gegenbegriff zu canones , um die Autoritat papstlicher Entscheidungen zu betonen. [3]

Mit dem Ausdruck Kanon konnten die kirchlichen Normen seit der Spatantike auch von den kaiserlichen Gesetzen ( nomoi ) abgegrenzt werden. In den Ostkirchen bleibt die Verbindung zwischen beiden Bereichen eng, sowohl hinsichtlich der Normen als auch ihrer gelehrten Auslegung. Im Westen wurde seit den Kirchenreformen des 11. Jahrhunderts und der Wiederentdeckung des romischen Rechts im 12. Jahrhundert an der Rechtsschule von Bologna zunehmend zwischen geistlichem und weltlichen Recht unterschieden. [4] An den mittelalterlichen Universitaten etablierten sich die Rechtswissenschaften vom kirchlichen und vom romischen Recht jeweils als eigene Disziplinen ( Kanonistik und Romanistik ). Die Begriffe ?kanonisches Recht“ und ?kirchliches Recht“ wurden im Mittelalter, anders als heute, synonym gebraucht und umfasste insgesamt mehr Materien. [5]

In den Orthodoxen Kirchen galten die Kanones, wie sie in den kanonischen Sammlungen enthalten waren, auch in der Neuzeit weiter fort. Zu den Rechtsquellen gehoren unverandert die Bibel , die Vaterliteratur , die Kanones der okumenischen Konzilien und weitere Synodalbestimmungen, Kirchenordnungen und weltliche Rechtsquellen. Eine besondere Rolle spielen die als Heilige Kanones bezeichneten syrischen Synodalbeschlusse, die 692 durch das Konzil von Trullo als apostolisch anerkannt wurden. [6] [7]

Romisch-katholische Kirche

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In der romisch-katholischen Kirche galt das kanonische Recht in Form des Corpus Iuris Canonici und seinen Erganzungen auch in der Neuzeit weiter. Auch der Sprachgebrauch von Kanon blieb grundsatzlich der gleiche, d. h. sowohl einzelne Kapitel des Corpus als auch einzelne Konzilsbeschlusse wurden als Kanon bezeichnet. Seit der Kodifikation des kanonischen Rechts durch den 1917 promulgierten Codex Iuris Canonici (CIC), das erste Gesetzbuch der romisch-katholischen Kirche, ist die Bezeichnung vor allem als Einteilungseinheit fur die Normen des CIC gelaufig. Canon wird abgekurzt mit c. (Plural: cc. ) oder can. (Plural: cann. ), teils auch groß geschrieben Can. Ublicherweise, so auch im CIC, kann ein Kanon in Paragraphen (abgekurzt § , Plural: §§ ) unterteilt sein. Paragraphen wiederum konnen in Absatze untergliedert sein, die (wie auch Kanones und Paragraphen) mit arabischen Ziffern bezeichnet und als ?Nummer“ (abgekurzt n. ) bezeichnet werden.

Anglikanische Kirche

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In den 44 Mitgliedskirchen der Anglikanischen Gemeinschaft werden kirchliche Normen teilweise als Kanones bezeichnet. Einige, z. B. die Schottische Episkopalkirche , besitzen ausschließlich in Canones unterteilte Codices. Die meisten Kirchen haben eine Konstitution ( constitution ) und verwenden Kanones ( canons ) und andere Regularien wie Rubriken ( rubrics ), Regeln ( rules ), Ordonnanzen ( ordinances ) sowie geschriebene und auch ungeschriebene Gebrauche ( customs ) und Uberlieferungen ( traditions ) nebeneinander. Das Kirchenrecht vieler anglikanischer Kirchen stutzt sich auf die Kanones aus dem von der Kirche von England 1603/04 angenommenen ?Book of Canons“ ( English Canons Ecclesiastical ), historische Entscheidungssammlungen von Kirchengerichten oder vorreformatorisches kanonisches Recht. [8] Zusammenfassend wird das Kirchenrecht der Anglikaner wie im katholischen Bereich ?kanonisches Recht“ genannt ( Anglican Canon Law ). [9]

Protestantische Kirchen

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Die Kirchenordnungen der ubrigen Kirchen der Reformation , die sich zumeist auf Martin Luthers Verwerfung des kanonischen Rechts im Dezember 1520 berufen, [10] werden dagegen nicht als Kanones bezeichnet.

Beispiel fur einen Kanon des Codex Iuris Canonici :

≪Can. 1 ? Canones huius Codicis unam Ecclesiam latinam respiciunt.≫

?Can. 1 ? Die Canones dieses Codex betreffen allein die lateinische Kirche.“

? Can. 1 CIC/83 [11]

Zitationsbeispiel:

  • Nach c. 874, § 1, n. 5 CIC/83 darf ein Taufpate nicht Vater oder Mutter des Tauflings sein. [12]

Abweichend von der ublichen Zitationsweise von Gesetzesstellen in deutschen Rechtstexten (z. B. ?§ 1 Abs. 3 Nr. 1 SprengG “) [13] werden fur kanonische Fundstellen die Angaben zu Kanon, Paragraph und Nummer gewohnlich durch Kommata getrennt.

Einzelnachweise

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  1. Heinz Ohme: Kanon ekklesiastikos. Die Bedeutung des altkirchlichen Kanonbegriffs . de Gruyter, Berlin 1998, ISBN 978-3-11-015189-3 ( google.de [abgerufen am 12. Juni 2022]).
  2. Mathias Schmoeckel: Kanonisches Recht . Beck, Munchen 2020, ISBN 978-3-406-74910-0 , 34-38 .
  3. Klaus Zechiel-Eckes: Die erste Dekretale. Der Brief Papst Siricius' an Bischof Himerius von Tarragona vom Jahr 385 (JK 255). Aus dem Nachlass herausgegeben von Detlev Jasper (=  MGH. Studien und Texte . Band   55 ). Hahn, Hannover 2013, ISBN 978-3-7752-5715-2 , 114 .
  4. Martin Avenarius: Gelehrtes Recht . In: Handworterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte . 2. Auflage. Band   2 . Erich Schmidt Verlag, Berlin 2012, Sp.   31?37 ( hrgdigital.de [abgerufen am 24. Juni 2022]).
  5. Hans-Jurgen Becker: Kanonisches Recht . In: Handworterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte . 2. Auflage. Band   2 . Erich Schmidt Verlag, Berlin 2012, Sp.   1569–1576 , 1569 ( hrgdigital.de [abgerufen am 24. Juni 2022]).
  6. Richard Potz , Eva Maria Synek: Orthodoxes Kirchenrecht. Eine Einfuhrung. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage, Plochl, Freistadt 2014, ISBN 978-3-901479-92-2 , S. 8 f., 319 f.
  7. Anargyros Anapliotis (Hrsg.): Heilige Kanones der heiligen und hochverehrten Apostel. EOS, St. Ottilien 2009, ISBN 978-3-8306-7370-5 .
  8. The Anglican Communion Office (Hrsg.): The Principles of Canon Law Common to the Churches of the Anglican Communion. London 2008, ISBN 978-0-9558261-3-9 , S. 97.
  9. Gerald Bray (Hrsg.): The Anglican Canons, 1529?1947. Church of England Record Society, Boydell Press, London 1998, ISBN 0-85115-518-9 .
  10. Sieghard Muhlmann: Luther und das Corpus Iuris Canonici bis zum Jahre 1530. Ein forschungsgeschichtlicher Uberblick. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung fur Rechtsgeschichte ? Kanonistische Abteilung , Band 58 (1972), Heft 1, S. 235?305, hier: S. 235 .
  11. Codex Iuris Canonici (1983), Liber I .
  12. Vgl. Codex Iuris Canonici (1983), Buch IV , Titel I, Kapitel IV (?Paten“).
  13. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Sprengstoffgesetz (SprengVwV) vom 10. Marz 1987 (Entwurf gem. Drucksache 381/86 des Bundesrates vom 26. August 1986, S. 6), Nr. 1.3, Satz 3:
    Zur Stoffgruppe A (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 SprengG) gehoren Stoffe hochster Gefahrlichkeit.