Kammerherr

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Kammerer­schlussel mit Quaste vom Wiener Hof aus der Regierungszeit Kaiser Franz Josephs

Ein Kammerherr (in Osterreich und Bayern Kammerer ; [1] mittellateinisch cambellanus oder cambrerius , franzosisch chambellan , englisch chamberlain ) war Inhaber eines Hofamtes bei einem regierenden Herrscher, also Fursten, Konig oder Kaiser. Zu Zeiten des Absolutismus war es oft ein von realen Pflichten weitgehend entbundener (Ehren-)Titel. Der Kammerherr stand im Rang uber Kammerpagen und Kammerjunkern . An großen Hofen unterstanden die Kammerherren dem Hofmarschall oder dem Oberkammerherrn. Wahrzeichen des Ranges war ein Schlussel.

Zu unterscheiden ist das Hofamt von dem des Kammerers , eines Finanzbeamten ? jedoch wurde das hier behandelte Hofamt in Osterreich und Bayern ebenfalls Kammerer genannt. [1] [2]

Der Rang der Kammerherren war sehr hoch angesetzt; sie rangierten an einigen Hofen uber den Generalleutnanten, an anderen uber den Generalmajoren, an noch anderen mit diesen gleich. [3] [4]

Geschichte [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

An deutschen Hofen findet man den Titel etwa seit dem 16. Jahrhundert mit der Einfuhrung des spanischen Hofzeremoniells durch die Habsburger . In einem Bericht uber das Gefolge beim Einzug des Erzherzogs Ferdinand in Munchen 1568 werden schon funf Kammerherren erwahnt.

Zuerst war es ein Titel am kaiserlichen Hof, der ranghohen Adeligen verliehen wurde: Bei Kaiser Rudolph II. war beispielsweise Herzog Heinrich Julius von Braunschweig wirklicher Kammerherr. Mit der Zeit wurden die Titel auch an rangniedrigere Fursten, Grafen oder Freiherren vergeben.

An kurfurstlichen Hofen setzte sich diese Bezeichnung seit Mitte des 17. Jahrhunderts durch. Bekannt ist, dass von Johann Georg II. von Sachsen die ersten Kammerherren an einem kurfurstlichen Hof angestellt wurden. Der Titel Kammerherr wurde ublicherweise einer Person verliehen, die bereits einen anderen hohen Rang innehatte.

Die Zahl der Kammerherren pro Hof variierte stark. Bei den Habsburgern war sie vergleichsweise hoch: Bei Leopold I. gab es im letzten Jahr seiner Amtszeit 426 Kammerherren. Karl VI. ernannte allein im Jahr 1736 158 Kammerherren.

Pflichten [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Danischer Kammerherr bei einer diplomatischen Akkreditierung (2013)

Der Umfang der mit dieser Bezeichnung verbundenen realen Pflichten variierte von Hof zu Hof und anderte sich auch im Lauf der Zeit. Der Dienst wurde monatlich oder wochentlich verrichtet. Er bestand in zeremoniellen Handreichungen beim An- und Auskleiden, der Begleitung beim Ausfahren, Ausreiten oder auf Reisen. Ublich waren auch Sekretarsdienste wie die Organisation von Privataudienzen oder die Entgegennahme von Bittschriften, die Bedienung des Fursten beim Essen oder die Teilnahme an Gesellschaftsspielen mit dem Fursten. Kammerherren konnten auch als Abgesandte an andere Hofe geschickt werden, um dort Botschaften, Gratulationen oder Beileidsbekundungen zu uberbringen.

Im Zeitalter Kaiser Franz Josephs war die Verleihung der Kammererwurde (im Sinne von Kammerherr ) an Aristokraten eine Ehrenverleihung, die jedoch eine ?Hofdienstleistung“ beinhaltete: zum Beispiel zu den Hoffesten auch wirklich zu erscheinen und somit dem kaiserlichen Hof durch die eigene hohe Abstammung eine wurdevolle Begleitung zu geben. [5]

Rechte [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Witzzeichnung uber schlusseltragende Kammerherren von Lothar Meggendorfer , 1890

Mit dem Rang eines Kammerherrn war eine Besoldung verknupft. Kammerherren hatten das Recht, an der rechten Hufte einen mit einem Band befestigten silbernen, vergoldeten oder goldenen Kammerherrenschlussel zu tragen. Dessen Ausgestaltung und die Art der Befestigung variierte ebenfalls von Hof zu Hof und im Laufe der Zeit.

Rezeption [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Eine ausfuhrliche Darstellung der Rolle eines Kammerherrn bietet Theodor Fontanes Roman Unwiederbringlich .

Siehe auch [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Johann Georg Krunitz: Oekonomische Encyklopadie oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft . In 242 Banden erschienen von 1773 bis 1858. ( uni-trier.de ).
  • Max Georg Freiherr v. Eltz-Rubenach: Die Herren vom Goldenen Schlussel. Kammerherren ? ihre Wurde, ihre Symbole, ihre prachtige Bekleidung . J.S. Klotz Verlagshaus, Neulingen 2023, ISBN 978-3-949763-31-1 .

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. a b Kammerherr . In: Meyers Großes Konversations-Lexikon . 6. Auflage. Band   10 : Ion?er?Kimono . Bibliographisches Institut, Leipzig / Wien 1907, S.   518?519 ( Digitalisat. zeno.org ).
  2. Karl Mockl : Hof und Hofgesellschaft in Bayern in der Prinzregentenzeit. In: Pariser Historische Studien . Band 21, 1985, S. 183?235.
  3. Kammerherr . In: Heinrich August Pierer , Julius Lobe (Hrsg.): Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit . 4. Auflage. Band   9 : Johannes?Lackenbach . Altenburg 1860, S.   266 ( Digitalisat. zeno.org ).
  4. Karl Mockl: Hof und Hofgesellschaft in Bayern in der Prinzregentenzeit. In: Pariser Historische Studien Band 21, 1985, S. 183?235, hier besonders S. 198 f.
  5. Martina Winkelhofer-Thyri: Der Hof unter Kaiser Franz Joseph . Wien 2010, S.   90 ( univie.ac.at [PDF] phil. Dissertation).