Das
Konzentrationslager Thil
in der Gemeinde
Thil
bei
Villerupt
in
Lothringen
(franzosisch Lorraine; sudwestlich vom Zentrum
Luxemburgs
) war 1944 zeitweise ein Außen- oder Nebenlager des deutschen
Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof
(keine einheitliche Benennung), als das franzosische
Elsass
(Alsace) im
Zweiten Weltkrieg
besetzt worden war. Das Gebiet des Konzentrationslagers
Thil
selbst gehorte nicht zu dem annektierten Teil Frankreichs (
CdZ-Gebiet Lothringen
). Allerdings scheinen diese Zustandigkeitsgrenzen bei seiner Errichtung und baldigen Verlagerung keine Rolle mehr gespielt zu haben. Es wurde von den
SS-Totenkopfverbanden
im Grenzgebiet zwischen Frankreich und Luxemburg fruhestens im Fruhjahr 1944, nach anderen Quellen im Fruhsommer 1944, errichtet.
Die fur die Produktion der
V1 (fur
Vergeltungswaffe 1
, eine Art Flugbombe)
durch den so genannten
Jagerstab
(ein Gremium zur Sicherung der Rustungsproduktion) vorgesehene
Untertage-Fertigung
sollte durch
KZ-Haftlinge
auf einer Flache von uber 200.000 m² in vorhandenen, ehemaligen Erzstollen ausgebaut und betrieben werden. Wahrend der alliierten
Invasion der Normandie
ab Juni 1944 wurde das auf franzosisch
Camp de Thil
oder deutsch
Kommando Erz von Longwy-Thil
(
Departement Meurthe-et-Moselle
) genannte Zwangsarbeits- oder Nebenlager des
Konzentrationslagers
Natzweiler-Struthof jedoch wie andere noch vor Beginn der Produktion geraumt. Am 1. September 1944 erreichten alliierte Truppen das Gebiet. Nur wenige Geschosskarkassen wurden vorgefunden. Die SS achtete damals darauf, dass kein KZ-Haftling die Alliierten uber die dort laufenden Vorbereitungen informieren konnte.
Modell des Konzentrationslagers
Das Lager wurde als Fortfuhrung der ehemaligen Anlage der Mine des ?Syndicat de Tiercelet“ in Thil getarnt, unter Verwendung folgender Namen: Grube-Erz (Codebezeichnung), Camp de Travail Erz, Minettegrube Tiercelet bei Longwy-Erz und nach einer in Berlin neugegrundeten Firma ?Minette GmbH“ (projet Tiercelet). Diese GmbH hatte ein Grundkapital von 10 Millionen Reichsmark. (Im Handelsreg. eingetragen am 12. und 22. Juli 1944 zugunsten von Hans Riedel,
Ferdinand Porsche
,
Bodo Lafferentz
und
Anton Piech
). Diese Gesellschaft wurde 1957 aus dem Handelsregister geloscht.
Als Dauer, in der das KZ, evtl. weitere Unterkunfte und die Untertageproduktion in den Stollen betrieben wurden, werden in schriftlichen Unterlagen verschiedene Daten fur das Anfangsdatum genannt, die jedoch erst spater als die der mundlichen Uberlieferungen, einsetzen:
- 24. Juli 1944 in Longwy-Thil (nach certificats de deces) durch den ?
Internationalen Suchdienstes
“ des IKRK in
Arolsen
(Dort heißt es zum Lager: Longwy Konz.Lager, Kdo. von Natzweiler fur die Deutsche Erzwerke A.G. tatig)
- Im Marz 1951 heißt es in einem weiteren Bericht: Longwy-Thil = Add. Kdo. de Natzweiler, erstmals erwahnt 10. Mai 1944, mit durchschnittlich 800 Gefangenen (Mechanikern und Technikern fur die Firma AEG) bis September 1944, Verbleib in
Dernau
und Kochendorf.
- Ein Bericht aus 1969 erwahnt:
Longwy-Thil (
Longwy
heute Meurthe-et-Moselle) France
? Eroffnung 21. Juni 1944 (Akten des KZ). Geraumt am 1. September 1944 hin zum Kommando Kochendorf.
- Fur das
KZ-Außenlager Rebstock
bei Dernau wird von der Ankunft eines Transportes von ca. 300 Gefangenen aus Tiercelet am 2. September 1944 berichtet.
[1]
Nach mundlichen Berichten konnte der Anfang bereits um Anfang oder Mitte Marz 1944 liegen.
Das Lager war durchgehend als Kommando dem Konzentrationslager Natzweiler untergeordnet. Der Endzeitpunkt des KZ-Betriebs scheint durch den Vormarsch der alliierten Truppen unzweifelhaft. Allerdings sind die abtransportierten Gefangenen in den erwahnten Lagern moglicherweise in einem Zeitraum, der zwei Tage danach beginnt und sich uber 14 Tage erstreckt, angekommen, wobei ihre Zwischenstationen nicht eindeutig sind. Zum Teil stellten die Konzentrationslagerwachen auch die Begleitmannschaft der Transporte und blieben in den Zielorten in ahnlicher Funktion in der SS.
Bei dieser Untertageproduktion scheint es nachtraglich sehr schwer zu fallen, die verschiedenen Gefangenengruppen, Zwangsarbeiter und Zivilbeschaftigte in diesem kurzen Zeitraum klar einzuordnen. Es geht um eine Großenordnung zwischen 800, 1500 und knapp 3000 Haftlingen, die jeweils fur die Vorbereitung der Untertageproduktion eingesetzt worden sein sollen.
- Leiter des KZ-Nebenlagers war ein SS-Oberscharfuhrer
E. Buttner
(1907?1975). Er war vorher im KZ Natzweiler als Wachmann und danach im
KZ Kochendorf
als Lagerfuhrer, von wo aus er den am 30. Marz 1945 beginnenden Todesmarsch zum
KZ Dachau
leitete. Ein franzosisches Militargericht verurteilte ihn wahrend einer Haft in der SBZ/DDR 1954 in Abwesenheit zum Tode. Nach der 1956 erfolgten Haftentlassung wurde 1968 in der BRD ein Ermittlungsverfahren gegen Buttner angestrengt und 1970 eingestellt.
Gedenkstatte (Crypte de Thil)
Leichenofen des KZ, ursprunglich aus einem Schlachthaus in der Nahe
In eine von der Gemeinde Thil 1946 errichteten Gedenkstatte wurde auch der Verbrennungsofen eingeschlossen, der von der SS aus dem Schlachthof von
Villerupt
hierher geschafft und aufgebaut wurde, um Leichen der Haftlinge zu verbrennen, nachdem diese zuerst in einem offenen Feuer verbrannt wurden. Das heißt, die Art wie er jetzt in der Krypta gezeigt wird, entspricht nicht dem Einbau durch die Deutschen in der NS-Epoche. Das Konzentrationslager, bzw. seine Uberreste, ist allerdings durch die franzosischen Behorden bereits fruh als solches eingeordnet worden. Es gibt dort auch ein Modell des Konzentrationslagers uber seine Lage in der Landschaft, das bereits 1946 entstanden war (Ubaldo Marinelli, vgl. dazu die Luftaufnahme, vermutlich aus der Zeit 1944, bei der Gemeinde Thil). Darin auch schon die Lage des KZ-Friedhofs.
- Comite National du Struthof:
K.Z. Lager Natzweiler-Struthof.
Nancy 1990, 83 Seiten (offizielle Broschure).
- Wolfgang Benz
,
Barbara Distel
(Hrsg.):
Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager
. Redaktion Angelika Konigseder. C. H. Beck, Munchen 2007,
ISBN 978-3-406-52960-3
.
9 Bande, ab 2005 (i. Dr.;
Inhaltsregister
) Band 6:
Natzweiler und die Außenlager.
In:
Natzweiler, Groß-Rosen, Stutthof.
ISBN 978-3-406-52966-5
.
- Robert Steegmann:
Das Konzentrationslager Natzweiler-Struthof und seine Außenkommandos an Rhein und Neckar 1941?1945.
Berlin 2010,
ISBN 978-3-940938-58-9
.
- Moshe Shen:
Surviving in fear. Four Jews describe their time at the Volkswagen factory from 1943 to 1945
. Volkswagen AG Corporate History Dept, Wolfsburg 2005,
ISBN 3-935112-22-X
(
volkswagenag.com
[PDF; abgerufen am 25. Oktober 2016] In diesem Buch schildert Moshe Shen seine Erlebnisse unter anderem im
Tiercelet concentration Camp
und
Rebstock Camp
.).
- ↑
Das Lager Rebstock 1943/44 ? Rustungsbetrieb und KZ im Ahrtal, Reihe Blatter zum Land, Band 70.
(PDF) Landeszentrale fur politische Bildung Rheinland-Pfalz, archiviert vom
Original
(nicht mehr online verfugbar) am
24. Oktober 2016
;
abgerufen am 25. Oktober 2016
.
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