Jubeljahr

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Ein Jubeljahr ( lateinisch annus iubilaeus ) oder Heiliges Jahr ( annus sanctus ) ist ein besonderes Jubilaumsjahr in der romisch-katholischen Kirche , in dem der Papst den Glaubigen bei Erfullung bestimmter Bedingungen einen vollstandigen Ablass (?Jubilaumsablass“) ihrer Sunden gewahrt. Bonifatius VIII. rief 1300 erstmals ein solches Jahr fur Pilger aus, die nach Rom kamen. Das nachste Jubeljahr sollte ursprunglich erst nach 100 Jahren folgen, der Abstand wurde aber immer weiter verringert. Ab 1475 war jedes 25. Jahr ein Jubeljahr mit dementsprechend großen Besucherzahlen fur Rom.

Das kirchliche Jubeljahr knupfte indirekt an das biblische Erlassjahr ( hebraisch ??? ????? schenat hajobel ) an: einen alle 50 Jahre gebotenen Schuldenerlass und Besitzausgleich an Land fur alle Israeliten ( Lev 25,8?55  EU ). Die Bezeichnung ?Jubeljahr“ oder ?Jobeljahr“ stammt vom hebraischen Wort jobel ( ???? ), das ursprunglich ? Widder “ bedeutete. Aus Widderhornern wurde das Blasinstrument Schofar gebaut, das zur Eroffnung eines Erlassjahrs geblasen werden sollte. Daher wurde der Ausdruck jobel auf das Instrument und das damit eroffnete Erlassjahr ubertragen. [1]

Die lateinische Bibelubersetzung Vulgata des 4. Jahrhunderts ubersetzte das hebraische schenat hajobel mit annus iubilæus . Daher stammen ?Jubeljahr“ und das Fremdwort Jubilaum. [2] Daraus abgeleitet ist die umgangssprachliche Redewendung ?alle Jubeljahre“, die ?ganz selten“ bedeutet, [3] da ein Mensch in der Regel nur zwei bis drei dieser Jubeljahre erleben kann. [4]

Entwicklung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Verkundung des ersten Heiligen Jahres durch Bonifatius VIII. im Jahr 1300 (Freskofragment von Giotto in der Lateranbasilika )

Die Heiligen Jahre der romisch-katholischen Kirchen entstanden aus mehreren Uberlieferungen, die bis 1300 miteinander verknupft wurden.

1126 wurde zur Weihe einer neuen Kathedrale von Santiago de Compostela ein annus iubilaeus gefeiert, bei dem kein Ablass gewonnen werden konnte. 1189, im 50. Jahr nach dem Tode des Bischofs Otto von Bamberg , wurde dort als ein Ablass- und Vergebungsjahr gefeiert. 1220, 50 Jahre nach der Ermordung des hl. Thomas Becket , des Erzbischofs von Canterbury , ließ der Nachfolger im Bischofsamt Stephen Langton die Reliquien des hl. Thomas in die neu errichtete Dreifaltigkeitskapelle uberfuhren, lud die Glaubigen zur Pilgerfahrt nach Canterbury ein und verband damit die Gewahrung eines besonderen Ablasses. Dabei berief er sich auf das biblische Erlassjahr.

Papst Bonifatius VIII. rief mit der Bulle Antiquorum habet fida relatio am Fest der Kathedra Petri im Jahre 1300 das erste Heilige Jahr aus. Ein solches sollte als Feier der Wiederkehr des Festes der Geburt Jesu Christi kunftig alle 100 Jahre stattfinden. Die Glaubigen konnten dabei einen vollkommenen Ablass gewinnen, wenn sie in Rom die Sakramente der Buße und der Eucharistie empfingen und die Heiligen Pforten der Apostelkirchen durchschritten. Als Begrundung nannte der Papst, dass der Uberlieferung zufolge jenen, die in alter Zeit zu Hundertjahrfeiern der Geburt Christi zur Petersbasilika gekommen seien, viele Gnaden und Ablasse der Sunden gewahrt worden seien.

Schon Clemens VI. ordnete 1343 die Wiederkehr eines Heiligen Jahres nach jeweils funfzig Jahren an. Papst Urban VI. setzte die Zeitspanne im Jahre 1389 auf 33 Jahre herab, die Zeitspanne des irdischen Lebens Jesu Christi. In rascher Folge wurden 1390, 1400, 1413, 1423 und 1450 Heilige Jahre gefeiert, bis Papst Paul II. 1470 unabanderlich festsetzte, dass Heilige Jahre ab 1475 alle 25 Jahre zu begehen seien, damit jede Generation die Moglichkeit habe, ein solches zu erleben. [5] Zugleich wurden die Hauptkirchen Roms und die Kathedralen in den verschiedenen Landern zu Stellvertreterinnen der Peterskirche in Rom bestimmt und allen ihren Besuchern unter den festgesetzten Voraussetzungen ebenso vollkommener Ablass bewilligt wie denen, die 14 Tage lang ihre Andacht in der Peterskirche verrichtet hatten.

Das achte Heilige Jahr 1500 wurde erstmals mit dem Ritus eroffnet, der seither ublich ist: Der Papst offnet am Heiligen Abend die eigens in den Petersdom gebrochene Heilige Pforte , eine massive Marmorplatte, feierlich mit mehreren Hammerschlagen eines goldenen Hammers und spricht einen Segen. Die Pforte offnet sich, der Papst schreitet als erster hindurch, die Glaubigen folgen. Zum Abschluss des Heiligen Jahres wird die Heilige Pforte wieder geschlossen. [6] Die heiligen Pforten der drei weiteren Patriarchalbasiliken in Rom, Santa Maria Maggiore , San Giovanni in Laterano und San Paolo fuori le Mura , werden zu Beginn des Heiligen Jahres ebenfalls geoffnet und zum Abschluss des Jahres wieder geschlossen. [7]

Papst Pius XII. erließ fur 1950 ein Gebet fur das Heilige Jahr , das vom Vorbeter und Allen im Wechsel zu beten war. Dazu hat er ?folgende Ablasse verliehen:

  1. Einen Ablaß von sieben Jahren, so oft es verrichtet wird.
  2. Einen vollkommenen Ablaß im Monat, wenn es den ganzen Monat lang taglich verrichtet wurde und wenn außerdem die hl. Sakramente der Buße und des Altares empfangen werden.“ [8]

Heilige Jahre [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Nummer Datum Eroffnender Papst Besonderheiten
1 1300 Bonifatius VIII. wahrscheinlich Teilnahme Dante Alighieris
2 1350 Clemens VI. Teilnahme der hl. Birgitta von Schweden und Francesco Petrarcas
3 1390 Urban VI. Einfuhrung des Besuchs der vier Patriarchalbasiliken und der Zeitspanne von 33 Jahren
4 1400 Bonifatius IX. wurde manchmal nicht mitgezahlt
4 1413 Gregor XII. [5]
5 1423 Martin V. folgte ab 1390 der Zeitspanne von 33 Jahren
6 1450 Nikolaus V. Der Bischof Nikolaus von Kues nahm teil und verkundete die Gewahrung des Ablasses
7 1475 Paul II. Errichtung der Ponte Sisto unter Papst Sixtus IV.
8 1500 Alexander VI. Einfuhrung des Ritus zur Eroffnung eines Heiligen Jahres
9 1525 Clemens VII. Verbot des Ablasshandels; scharfe Kritik der Reformatoren an der Ablasspraxis [9]
10 1550 ausgerufen von Paul III. († 10. November 1549), eroffnet von Julius III. (gewahlt 8. Februar 1550) am 24. Februar 1550 [10] Teilnahme von Ignatius von Loyola und Philipp Neri . Zur Eroffnung wurde der Dillinger Hammer verwendet.
11 1575 Gregor XIII. Teilnahme des hl. Karl Borromaus . Einfuhrung des Besuchs der sieben romischen Pilgerkirchen
12 1600 Clemens VIII. Teilnahme von Robert Bellarmin und Cesare Baronio
13 1625 Urban VIII. -
14 1650 Innozenz X. -
15 1675 Clemens X. -
16 1700 Innozenz XII. gefeiert auch unter Papst Clemens XI.
17 1725 Benedikt XIII. Bau der Spanischen Treppe
18 1750 Benedikt XIV. Einfuhrung der Kreuzwegandacht im Kolosseum
19 1775 Clemens XIV. gefeiert unter Papst Pius VI.
1800: Ausfall wegen Tod von Pius VI. 1799 in franzosischer Gefangenschaft, Wahl von Pius VII. erst im Marz 1800
20 1825 Leo XII. Die zur Schließung der Porta Santa verwendete Maurerkelle wird in der Schatzkammer der Munchner Residenz aufbewahrt. [11]
1850: Ausfall, weil Pius IX. von November 1848 bis Marz 1850 vor republikanischen Revolutionaren aus Rom geflohen war
21 1875 Pius IX. Wegen Italiens Annexion des Kirchenstaates nicht begangen
22 1900 Leo XIII. -
23 1925 Pius XI. Einfuhrung des Christkonigsfestes
24 1950 Pius XII. Verkundigung des Dogmas der Leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel
25 1975 Paul VI. Motto: ?Erneuerung und Versohnung“
26 2000 Johannes Paul II. Vorbereitet mit dem apostolischem Schreiben Tertio millennio adveniente , verlangert bis 6. Januar 2001, um den Eintritt ins 21. Jahrhundert zu feiern. Motto: ?Christus gestern, heute und in Ewigkeit“
27 2025 Motto: ?Pilger der Hoffnung“. Die Verkundigungsbulle fur das Heilige Jahr wird in der Regel im Jahr zuvor am Hochfest Christi Himmelfahrt erlassen; also am 9. Mai 2024. [12]

Außerordentliche Heilige Jahre [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Unabhangig von den gewohnlichen Heiligen Jahren riefen einige Papste aus anderen Anlassen auch außerordentliche Heilige Jahre aus:

Datum Eroffnender Papst Anlass
1518 Leo X. Starkung Polens im Kampf gegen die Turken
1826 Leo XII. Erweiterung auf den gesamten Erdkreis (Enzyklika Charitate Christi )
1854 Pius IX. außerordentliches Heiliges Jahr zur Einfuhrung des Dogmas der Unbefleckten Empfangnis
1858 Pius IX. außerordentliches Heiliges Jahr
1867 Pius IX. außerordentliches Heiliges Jahr zur Feier der Wiederkehr des Jahres des Martyriums der hll. Apostel Petrus und Paulus
1869 Pius IX. Erstes Vatikanisches Konzil
2. Marz ? 1. Juni 1879 Leo XIII. außerordentliches Heiliges Jahr zum Pontifikatsbeginn
19. Marz ? 1. November 1881 Leo XIII. -
19. Marz ? 1. November bzw. 31. Dezember 1886 Leo XIII. -
1913 Pius X. -
1929 Pius XI. zum goldenen Priesterjubilaum
2. April 1933 ? 2. April 1934 Pius XI. erstes außerordentliches Heiliges Jahr zur Feier der Wiederkehr des Jahres der Erlosung der Menschheit
1954 Pius XII. erstes marianisches Jahr
1966 Paul VI. Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils
29. Juni 1967 ? 30. Juni 1968 Paul VI. Feier der Wiederkehr des Jahres des Martyriums der hll. Apostel Petrus und Paulus
25. Marz 1983 ? Ostersonntag 1984 Johannes Paul II. außerordentliches Heiliges Jahr der Erlosung [13] (vgl. auch Salvifici doloris )
Pfingsten 1987 ? 15. August 1988 Johannes Paul II. zweites marianisches Jahr
8. Dezember 2015 ? 20. November 2016 Franziskus außerordentliches Heiliges Jahr der Barmherzigkeit , verkundigt mit der Bulle Misericordiae vultus ; zum 50. Jahrestag des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils

Wahrend das ursprungliche Heilige Jahr sich auf die Wiederkehr der Geburt Christi bezog, beging man 1933 ein Jahr zum Gedenken der ?Vollendung unserer Erlosung“. Pius XI. erklarte dazu am Fest der Erscheinung 1933 in der apostolischen Konstitution Quod nuper , es handele sich um ?eigentlich ein großeres, ja das großte Jubilaum“. [14]

Andere Kirchen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Feier eines Heiligen Jahres wurde auch einigen wenigen anderen bedeutenden Basiliken und Klostern gestattet: der Kathedrale von Santiago de Compostela , der Basilika von Caravaca de la Cruz , dem Kloster Santo Toribio de Liebana und der Basilika San Francesco in Assisi . Auch das Stift Gernrode erhielt die papstliche Erlaubnis im Jahr 1489 ein Jubeljahr abzuhalten.

Siehe auch [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Eva-Maria Jung-Inglessis : Das heilige Jahr in der Geschichte: 1300?1975. Bozen 1974
  • Eva-Maria Jung-Inglessis: Romfahrt durch zwei Jahrtausende. 2. erweiterte Auflage, Bozen 1978
  • Peter Louis (Hrsg.): Anno Santo 1950 ? mit den Mitteilungen des Deutschen Nationalkomitees fur das Heilige Jahr . Echter-Verlag Wurzburg. Das Buch fasst 15 Monatshefte zusammen, die von November 1949 bis Januar 1951 erschienen.
  • Werner Chrobak : Heiliges Jahr: Woher?wohin? Echo Buchverlag, 1999, ISBN 3-927095-43-5 .

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Jubeljahr  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Jubeljahr  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Gerhard Maier, Fritz Rienecker: Lexikon zur Bibel: Mehr als 6000 Stichworte zu Personen, Geschichte, Archaologie und Geographie der Bibel. Scm R. Brockhaus, 2010, ISBN 3-417-24678-4 , eingeschrankte Vorschau in der Google-Buchsuche; Donald Guthrie, J. Alec Motyer: Kommentar zur Bibel: AT und NT in einem Band. Scm R. Brockhaus, 2012, ISBN 3-417-24740-3 , eingeschrankte Vorschau in der Google-Buchsuche; Thomas Kruger: Das menschliche Herz und die Weisung Gottes: Studien zur alttestamentlichen Anthropologie und Ethik. Theologischer Verlag, Zurich 2009, ISBN 3-290-17535-9 , eingeschrankte Vorschau in der Google-Buchsuche
  2. Heribert Smolinsky: Jubeljahr II , in: Theologische Realenzyklopadie Band 17: Jesus Christus ? Katechismuspredigt. Walter de Gruyter, Berlin 1988, ISBN 3-11-011506-9 , S. 282
  3. Duden online: alle Jubeljahre
  4. Jorg Buchna: Alle Jubeljahre ist nicht der wahre Jakob: Biblische Redewendungen. (2003) Brune-Mettcker, 5. Auflage 2007, ISBN 3-87542-043-8 ( Textauszug online ; PDF; 368 kB)
  5. a b Ludwig Schmugge: 1413 ? Das vergessene Heilige Jahr. In: Hagen Keller, Werner Paravicini, Wolfgang Schieder (Hrsg.): Italia et Germania: Liber Amicorum Arnold Esch. Niemeyer, Tubingen 2001, ISBN 3-484-80157-3 , S. 191?198
  6. Artikel Jubeljahr II/2 , in: Theologische Realenzyklopadie Band 17 , Walter de Gruyter, Berlin 1988, ISBN 3-11-011506-9 , S. 283 ; Die große Chronik der Weltgeschichte Band 15: Der Erste Weltkrieg und seine Folgen: 1914?1932. 2008, ISBN 3-577-09075-8 , S. 266
  7. Christiane Nesselrath; Arnold Nesselrath: Die Wappen der Erzpriester an der Lateranbasilika oder Wie Bramante nach Rom kam . In: Italia et Germania: Liber Amicorum Arnold Esch, 291?317, hier S. 293 ( Online-Vorschau ).
  8. Gebetszettel im Bistum Koln, Vordr. 127. F. Schmit, Siegburg
  9. Artikel Jubeljahr II/2 , in: Theologische Realenzyklopadie Band 17 , Berlin 1988, S. 283
  10. vatican.va (italienisch); Enciclopedia dei Papi (italienisch)
  11. Foto . ? Sabine Heym (Bearbeiterin): Raumbuch der Munchner Schatzkammer. (PDF) In: residenz-muenchen.de. Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlosser, Garten und Seen, September 2022, S. 43 Nr. 121 ; .
  12. Webseite des Heiligen Jahres 2025: Pilger der Hoffnung auf iubilaeum2025.va , abgerufen am 6. August 2023
  13. Mercedes Gordon: Juan Pablo II inaugura el Ano Santo de la Redencion . In: Ya , 26. Marz 1983, S. 33.
  14. Pius XI:: Apostolische Konstitution .
    Eva-Maria Jung-Inglessis: Romfahrt durch zwei Jahrtausende , 1978, S. 316.