Johannes Galliculus
(* um 1490 wahrscheinlich in
Dresden
; † nach 1520 moglicherweise in
Leipzig
) war ein deutscher
Komponist
und
Musiktheoretiker
der
Renaissance
.
[1]
[2]
Im Jahr 1505 hat sich ein
Johannes Hennel aus Dreßden
an der
Universitat Leipzig
zum Studium eingeschrieben. Nachdem der Name Galliculus die
latinisierte
Form von Hennel oder Hahnel darstellt, ist dieser Studierende mit großer Wahrscheinlichkeit mit dem Komponisten identisch; daruber hinaus ergibt sich daraus auch sein Geburtsjahr um 1490. Sonst ist uber sein Leben fast nichts bekannt. Der Leipziger
Humanist
Christoph Hegendorf
bemerkt in seinen Veroffentlichungen, dass Johannes Galliculus um das Jahr 1520 und danach als Musiker in Leipzig gewirkt hat. In seiner Schrift
Encomium sobrietatis
(erschienen Leipzig 1521) hat er Galliculus neben dem
Wittenberger
Verleger
Georg Rhau
als seinen Freund bezeichnet; in der im gleichen Jahr erschienenen Schrift
Encomium somni
hat Hegendorf ihn mit den Worten ?homo in componendis cantilenis ingenio foecundissimo“ ruhmlich hervorgehoben (?ein Mensch, in der Komposition von Singstimmen von fruchtbarstem Geist“). Ebenfalls in Leipzig ist im Jahr 1520 das kleine Lehrbuch
Isagoge de compositione cantus
von Johannes Gallicus erschienen. Uber sein weiteres Leben gibt es keine Informationen, auch nicht uber Zeit und Ort seines Ablebens. Mangels anderer Informationen wird von Musikhistorikern vorlaufig Leipzig als sein Sterbeort angenommen.
Mehrere Werke von Galliculus sind in Rhaus Sammeldrucken erschienen. Einige Kompositionen sind handschriftlich uberliefert, weitere befinden sich in anderen Sammeldrucken, wie dem
Novum et insigne opus musicum
(
Hans Ott
, 1537), dem
Tomus primus psalmorum selectorum
(
Johannes Petreius
, 1538) und dem
Vetera nova carmina sacra
(
Wolfgang Figulus
, 1575). Durch die Zusammenarbeit mit Georg Rhau nimmt Galliculus in der lateinischen Kirchenmusik der fruhen Reformationszeit eine bedeutende Stellung ein. Besonders die erste der beiden
Ostermessen
, in der das Lied ?Christ ist erstanden“ verarbeitet wird, kann in dieser Form als ausgesprochene Neuerung bezeichnet werden. Ebenso bedeutsam ist seine ?Passio Domini nostri Jesu Christi secundum Marcum“, die eigentlich keine
Markuspassion
ist, sondern eine Zusammenschau der Passionsgeschichte nach allen vier Evangelisten. Sein kompositorischer Stil ist eher konservativ und steht in der Tradition der Nachfolge von
Heinrich Isaac
, jedoch ist die Vielfalt seiner musikalischen Formen typisch fur die deutsche kompositorische Praxis seiner Zeit: die uberlieferte
Cantus-firmus-Technik
und eine neue
Durchimitation
sind in seinen Satzen ebenso vertreten wie langere
melismatische
Abschnitte und
homophon
-
deklamierende
Teile. Es zeigen sich bei ihm stellenweise auch schon Schreibweisen der spater zur Blute kommenden sogenannten
Diskant-Tenor-Technik
. Die Popularitat der Kompositionen von Johannes Galliculus schlagt sich auch in der großen Zahl ihrer Abschriften des 16. Jahrhunderts nieder.
Das Kompendium
Isagoge
von Galliculus enthalt eine Einfuhrung in die Kompositionslehre und behandelt
Konsonanzen
und
Dissonanzen
,
Formalklauseln
, drei-, vier- und mehrstimmige Zusammenklange sowie den Gebrauch von Pausen. Dieser Inhalt entspricht im Wesentlichen der Kompositionslehre im 4. Buch des Werks
Musicae activae micrologus
von
Andreas Ornitoparchus
(um 1490 ? nach 1530), das in Leipzig im Jahr 1517 erschien; das Gedankengut beider Werke geht letzten Endes auf den italienischen Musiktheoretiker
Franchinus Gaffurius
zuruck. Bei Galliculus ist der Stoff jedoch deutlich besser dargestellt; bis zum Jahr 1553 erlebte sein Lehrbuch immerhin sechs Auflagen, zwei davon hatten den Titel
Libellus de compositione cantus
.
Gesamtausgabe:
Johannes Galliculus. Gesamtausgabe der Werke
, herausgegeben von A. A. Moorefield, Brooklyn/ New York 1975
- Passion
- ?Passio Domini nostri Jesu Christi secundum Marcum“ zu vier Stimmen, Wittenberg 1538
- Messen
- ?Christ ist erstanden“, Ostermesse zu vier Stimmen, Wittenberg 1539
- ?Aliud officium Paschale“, Ostermesse zu vier Stimmen, Wittenberg 1539
- Propriumsmesse fur Weihnachten zu vier Stimmen, Wittenberg 1545
- Magnificat
-Vertonungen
- Magnificat quarti toni zu vier Stimmen, Wittenberg 1540
- Magnificat quinti toni zu vier Stimmen
- Magnificat septimi toni zu vier Stimmen, Wittenberg 1544
- Motetten
(alle zu vier Stimmen)
- ?Ave vivens hostia“, Wittenberg 1539
- ?Cavete a scribis“
- ?Christus resurgens“, Wittenberg 1539
- ?Duo homines ascenderunt“
- ?Immunem semper“
- ?In cathedra Moysi“
- ?In natali“, Frankfurt/Oder 1575
- ?Non ex operibus“ (?Apparuit benignitas“), Frankfurt/Oder 1575
- ?Enlieve psallant“ (Autorschaft von Galliculus nicht sicher)
- ?Joseph, lieber Joseph mein“ (Autorschaft von Galliculus nicht sicher)
- Psalm
- ?Quare fremuerunt gentes“ zu vier Stimmen, Nurnberg 1537 und 1538
- Schrift
- Arrey von Dommer
:
Alectorius, Johannes
.
In:
Allgemeine Deutsche Biographie
(ADB). Band 1, Duncker & Humblot, Leipzig 1875, S. 332.
- R. Wustmann:
Musikgeschichte Leipzigs, Band 1: Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts
, Leipzig / Berlin 1909
- W. Schulze:
Die mehrstimmige Messe im fruhprotestantischen Gottesdienst
, Wolfenbuttel / Berlin 1940 (= Kieler Beitrage zur Musikwissenschaft Nr. 8)
- W. Lipphardt:
Die Geschichte der mehrstimmigen Proprium Missae
, Heidelberg 1950
- Friedrich Blume
:
Geschichte der evangelischen Kirchenmusik
, Kassel und andere 1965, englisch New York 1974
- A. A. Moorefield:
The Music of Johannes Galliculus and Its Function in the Early Lutheran Liturgy
, 2 Bande (1. Text, 2. Ubertragung), Dissertation an der University of California, Los Angeles 1965
- Victor H. Mattfeld:
Georg Rhaw’s Publications for Vespers
, Brooklyn / New York 1966
- A. A. Moorefield:
An Introduction to Johannes Galliculus
, Brooklyn / New York 1969 (= Musicological Studies Nr. 18)
- L. Youens: Vorwort zu
Messzyklen der fruhprotestantischen Kirche in Leipzig
, Tutzing 1984
- Gunther Massenkeil
:
Oratorium und Passion
, Laaber 1998 (= Handbuch der musikalischen Gattungen Nr. 10)
- ↑
Die Musik in Geschichte und Gegenwart
(MGG), Personenteil Band 7, Barenreiter und Metzler, Kassel und Basel 2002,
ISBN 3-7618-1117-9
- ↑
The New
Grove Dictionary of Music and Musicians
, herausgegeben von Stanley Sadie, 2nd Edition, Band 9, McMillan, London 2001,
ISBN 0-333-60800-3
Thomaskantoren zu Leipzig (seit der Reformation)