Jan Schapp

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Jan Schapp (* 31. Oktober 1940 in Aurich ) ist ein deutscher Rechtswissenschaftler , Rechtsphilosoph und emeritierter Hochschullehrer an der Justus-Liebig-Universitat Gießen . Schwerpunkte in Schapps Lebenswerk liegen in der Entwicklung von Grundlinien des Rechts, und zwar in Form einer Anspruchskonzeption des Zivilrechts in romischer-rechtlicher Tradition sowie in der Aufklarung der Freiheitsproblematik aus der Verfassung vor dem Hintergrund der theologischen und philosophischen Freiheitsbegriffe.

Schapp studierte ab 1959 Rechtswissenschaften und Philosophie an den Universitaten Gottingen und Munster . 1960 wurde er Mitglied des Corps Bremensia Gottingen . [1] 1964 legte er sein Erstes Juristisches Staatsexamen ab. An der Universitat Bochum promovierte Schapp 1966 bei Hermann Lubbe zum Dr. phil. 1970 legte er sein Zweites Juristisches Staatsexamen ab und arbeitete danach zunachst als Rechtsanwalt, bevor er sich als wissenschaftlicher Assistent von Harry Westermann seiner juristischen akademischen Karriere widmete. Unter Betreuung Westermanns schloss Schapp an der Universitat Munster 1977 sein Habilitationsverfahren ab. Damit erhielt er die Venia legendi fur die Facher Burgerliches Recht und Rechtsphilosophie. Ab dem Wintersemester 1978/79 hatte er den Lehrstuhl fur Burgerliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universitat Gießen inne, wo er bis zu seiner Emeritierung 2006 lehrte und forschte.

Jan Schapp ist ein Sohn von Wilhelm Schapp (1884?1965) und dessen Frau Luise geb. Groeneveld (1912?2016). Er ist ein Neffe von Theodor Schapp (1877?1959).

Wissenschaftliches Werk

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Zum Verhaltnis von Privatrecht und offentlichem Nachbarrecht

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Schapp geht auf die in den 1970er Jahren vieldiskutierte Problematik des Verhaltnisses von privatrechtlichem und offentlich-rechtlichem Nachbarrecht ein. In beiden Rechtsgebieten wurde der Begriff Nachbarrecht als Schutz eines Grundstucks vor den Immissionen eines anderen Grundstucks verstanden. Wahrend im Privatrecht ein statischer Abgrenzungsbegriff der Ortsublichkeit vorherrscht, ist im offentlichen Recht die Planungsentscheidung maßgeblich, die auf die Raumentwicklung bezogen war. Das Recht stellte keine Maßstabe fur eine Abgrenzung dieser beiden Entscheidungen zur Verfugung. Schapp thematisiert das Verhaltnis dieser beiden Entscheidungen. Dabei behandelt er den Konflikt mehrerer Grundstucke um die zulassige Raumnutzung rechtstheoretisch [2] und in der praktischen Anwendung [3] auf das private und offentliche Recht.

Schapp verdeutlicht hierbei, dass fur denselben Konflikt die Konkurrenz der Entscheidungen mit unterschiedlichen Maßstaben mit dem Begriff des Rechts nicht vereinbar ist, da nur eine Entscheidung maßgeblich sein kann. Er entscheidet sich fur die offentlich-rechtliche Entscheidung, da diese den Konflikt umfassender ins Auge fassen kann. Konsequent fuhrt das zu einer Aufwertung des im offentlichen Recht gewahrten Rechtsschutzes ( Offentlich-rechtlicher Nachbarschutz ). Die beiden Werke Schapps zum subjektiven Recht von 1977 und zum Nachbarrecht von 1978 schufen Grundlagen des damals in den Anfangen stehenden Umweltschutzrechts .

Fur Schapp ist die Rechtsnorm bzw. das Gesetz nicht die letzte Instanz zur Begrundung subjektiver Rechte. Vielmehr begrundet das Gesetz nach Schapp einen Anspruch nicht in einem ?leeren Raum“, sondern in einem strukturierten Sachzusammenhang "Wirtschaft und Personlichkeit" , in dem aus gegensatzlichen Interessen Konflikte entstehen, die das Gesetz entscheidet. Damit schafft Schapp einen bis dahin fehlenden, jenseits des positiven Rechts der Gesetze und doch in der vollen Wirklichkeit der Lebenswelt liegenden Ausgangspunkt fur die Erorterung und das Verstandnis des Phanomens ? subjektives Recht “. [4] Die Anerkennung des Anspruchs als Recht geschieht nach Schapp nicht willkurlich oder bloß faktisch durch den Gesetzgeber. Sie beruht auf den Gegebenheiten des Lebenssachverhalts, ist aber aus ihm nicht ablesbar, sondern muss durch ?juristische Arbeit“, durch ?Finden“ der Voraussetzungen, als Konfliktlosung, d. h. als ?gerechte Entscheidung“, ermittelt werden. [4] Nach dieser von Schapp erarbeiteten Grundlinie des Rechts kann der entscheidende Trager fur das offentliche Recht nicht mehr das Uber-/ Unterordnungsverhaltnis von Staat und Burger sein, sondern ein Rechtsverhaltnis zwischen Staat und Burger, in dem beide einander grundsatzlich auf gleicher Hohe gegenubertreten.

Freiheit, Moral und Recht

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In seiner Arbeit zum subjektiven Recht legt Schapp eine von der Problematik der Freiheitsmetaphysik unbelastete Erfassung von Eigentum und Recht vor. In den 1990er Jahren versucht Schapp dann die Frage zu klaren, einen christlich-theologisch konzipierten Freiheitsbegriff in ein Verhaltnis zu einer eher technisch-funktionalen Auffassung des Rechtes zu setzen. Er begreift dazu die Freiheitsmetaphysik ihrerseits als Ausdruck der Losung eines menschlichen Konflikts, um damit den Anschluss an das Recht zu finden. [5] [6] Diese mit der christlichen Heilsgeschichte begrundete Deutung der Metaphysik durch Schapp unterscheidet zwei Begriffe der Freiheit: Frei ist der Mensch in der Entscheidung zum Abfall von Gott, und frei ist er in dem ihm geschenkten Glauben an Gott, der diesen Abfall uberwindet. Die eine Freiheit ist das Problem, die andere die Losung. Nur in der Heilsgeschichte gelingt es, diese beiden Freiheiten zusammenzubinden. Es ist diese Deutung der Heilsgeschichte als Konfliktlosung, die zuvor nicht gesehen wurde und die den Bezug der Begriffe Freiheit und Moral zum Recht eroffnet.

Schapp stellt seine Erkenntnisse auch in einen Zusammenhang mit der abendlandischen Philosophie. So ahnelt nach Schapp Platons Dialog Der Staat strukturell der christlichen Heilsgeschichte. Begierden und Vernunft treten in der menschlichen Seele einander als Konflikt gegenuber. Die Begierden neigen zum Exzess, und die Aufgabe der Vernunft ist es, diesen Exzess zu maßigen. Die Bindung an Gott wird bei Platon durch die Schau der Idee des Guten ersetzt. Damit offnet Schapp neben der christlichen Heilslehre eine alternative Sicht auf den Zusammenhang von Recht, Freiheit und Moral. [6]

Schapp weist darauf hin, dass unsere Verfassung nicht ohne diesen doppelten Begriff der Freiheit verstandlich ist. Die Freiheit der Grundrechte bedarf der Beschrankung durch die Freiheit der Gesetzgebung. [6] Dabei ist die Freiheit der Grundrechte selbst doppelschichtig im vorgenannten Sinn: Im Grundrecht wird das Belieben des Einzelnen durch die Institution beschrankt, innerhalb derer dieses Belieben ausgeubt werden kann. Im Ubrigen sind im Sinne des Grundgesetzes alle Grundrechte Freiheiten. Mit dem Begriff der Grundrechte ist also von vornherein eine Mehrheit von Freiheiten angesprochen. Rechte sind Freiheiten. [6]

Methodenlehre des Rechts

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Schapp stellt die Methodenlehre des Rechts auf eine neue Grundlage. Im Mittelpunkt steht nicht mehr die Frage nach den einen allgemeinen Kriterien fur die Gesetzesauslegung, sondern das Verhaltnis von Fall, Gesetz und richterlicher Entscheidung . Gesetz und Richterspruch begreift er als Entscheidung von Konflikten einer vorausgesetzten Lebenswirklichkeit. Diese Konfliktentscheidung erfolgt auf Grund der Lehre vom Anspruch , die er als System des Zivilrechts entfaltet. Schapp bietet damit eine Methodenlehre als Konzeption fur Lehre und Studium des Rechts an. Zugleich macht er Zuge einer kunftigen europaischen Rechtswissenschaft deutlich. Er ruckt die Methodenlehre in das Zentrum von Recht und Rechtswissenschaft. [5] [7]

Schapps Lehre in der Tradition der Phanomenologie

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Schapps Lehre ist im Zusammenhang mit der Phanomenologie zu verstehen. Schapp steht in der Tradition seines Vaters Wilhelm Schapp , der Schuler von Edmund Husserl war, des Begrunders der Phanomenologie. In der Sicht der Phanomenologie beginnen Wissenschaft und Philosophie nicht aus dem Nichts heraus. Der sie Betreibende knupft vielmehr immer an eine schon vorhandene Welt und damit an einen vorhandenen Bestand an Wissenschaft und Philosophie an. Er sieht seine Lehre im Zusammenhang mit dem gerichtlichen Fall , dem Gesetz und der richterlichen Entscheidung. Fur Schapp ist Phanomenologie der Versuch, ?die Sachen selbst“ anstelle scientistischer oder ideologischer Vorurteile zum Ausgangspunkt des Nachdenkens zu nehmen und Losungen zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund ist zum einen das ?Subjektive Recht“ zu verstehen, wie es Schapp analysiert (s. Kap. 2.1.). [4] Andererseits ist auch die Konfliktssicht zum Begriff Freiheit und ihre Diskussion vor dem Hintergrund der abendlandischen Philosophie Platons (s. Kap. 2.2.), der christlichen Heilsgeschichte und der Aufklarung in einem phanomenologischen Rahmen zu verstehen; Freiheit ist demnach ?eine Geschichte, die erzahlt werden muss“ ( Narrativ (Sozialwissenschaften) ). [6] Die Suche nach der Wahrheit fuhrt mit dieser Methode zu vielen Wahrheiten.

Herausgabe des Gesamtwerks und Nachlasses von Wilhelm Schapp

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Jan Schapp ist seit 1976 (Mit-)Herausgeber des Gesamtwerks und des philosophischen Nachlasses von Wilhelm Schapp . [8] [9]

Literaturverzeichnis bis 2010 in: Patrick Godicke, Horst Hammen, Wolfgang Schur, Wolf-Dietrich Walker (Hrsg.): Festschrift fur Jan Schapp zum siebzigsten Geburtstag . Mohr Siebeck, Tubingen 2010.

Monographien
  • Sein und Ort der Rechtsgebilde ? Eine Untersuchung uber Eigentum und Vertrag . Martinus Nijhoff, Den Haag 1968 (Dissertation).
  • Das subjektive Recht im Prozess der Rechtsgewinnung . Duncker & Humblot, Berlin 1977, ISBN 3-428-03849-5 .
  • Das Verhaltnis von privatem und offentlichem Nachbarrecht . Duncker & Humblot, Berlin 1978, ISBN 3-428-04041-4 (Habilitationsschrift).
  • Hauptprobleme der juristischen Methodenlehre . Mohr Siebeck, Tubingen 1983, ISBN 3-16-644642-7 .
  • Grundfragen der Rechtsgeschaftslehre . Mohr Siebeck, Tubingen 1986, ISBN 3-16-645122-6 .
  • Methodenlehre des Zivilrechts . UTB, Stuttgart 1998, ISBN 3-8252-2016-8 .
  • mit Wolfgang Schur: Einfuhrung in das burgerliche Recht . 4. Auflage. Vahlen, Munchen 2007, ISBN 978-3-8006-3354-8 .
  • Uber Freiheit und Recht ? Rechtsphilosophische Aufsatze 1992?2007 . Mohr Siebeck, Tubingen 2008, ISBN 978-3-16-155290-8 .
  • Methodenlehre und System des Rechts. Aufsatze 1992?2007. Mohr Siebeck, Tubingen 2009, ISBN 978-3-16-150167-8 .
  • mit Wolfgang Schur: Sachenrecht . 4. Auflage. Vahlen, Munchen 2010, ISBN 978-3-8006-3677-8 .
  • Freiheit, Moral und Recht . 2. Auflage. Mohr Siebeck, Tubingen 2017, ISBN 978-3-16-155290-8 .
Aufsatze seit 2010
  • In Geschichten verstrickt ? Hirnforschung und Philosophie der Geschichten. In: Gießener Hochschulgesprache und Hochschulpredigten der ESG, XX WS 2010/11. herausgegeben von Wolfgang Achtner, u. a. Gießen 2011.
  • Das Enthymem in der juristischen Methodenlehre. In: Das Enthymen Zur Rhetorik des juridischen Begrunders. (= Rechtstheorie. Band 42). Heft 4, 2011, S. 539?552.
  • Der Fall in der juristischen Methodenlehre: Subsumtion, Schlusselbegriff der juristischen Methodenlehre. herausgegeben von Gottfried Gabriel und Rolf Groschner. Tubingen 2012, S. 227?257.
  • Uber Ethik, Freiheit und Recht. In: Ad Legendum . 1/2012, S. 8?15.
  • Sprache, Gesetz und Recht. In: Zeitschrift fur Rechtsphilosophie. Heft 1/2013, S. 60?76.
  • Der Fall ? Geschichte und Erzahlung. In: Julis Arno u. a. (Hrsg.): Positivitat, Normativitat und Institutionalitat des Rechts, Festschrift fur Werner Krawietz zum 80. Geburtstag. Berlin 2013, S. 433?446.
  • Nikolaus von Kues und seine Bedeutung fur die heutige Zeit. In: Wolfgang Achtner u. a. (Hrsg.): Gießener Hochschulgesprache und Hochschulpredigten des ESG, XXVII WS 2014/15. Gießen 2015.
  • Die Reale Rechtslehre ? ein Schlussel zum Verstandnis des Rechts? In: Horst Hammen (Hrsg.): Von einer idealen Rechtsphilosophie zur Realen Rechtslehre ? und wohin dann? Wandlungen im rechtsontologischen Denken Ernst Wolfs. Frankfurt am Main 2015, S. 31?49.
Herausgegebene Werke
  • Wilhelm Schapp: Philosophie der Geschichten. 3., uberarbeitete Auflage. herausgegeben von Karen Joisten und Jan Schapp (mit einem Zugang zur Philosophie der Geschichten von Karen Joisten und einem Nachwort der Herausgeber). Frankfurt am Main, 2015.
  • Wilhelm Schapp: Werke aus dem Nachlass. herausgegeben von Karen Joisten und Jan Schapp. Band 1, 2 und 3. Auf dem Weg einer Philosophie der Geschichten, Teilband I, II und III, herausgegeben von Karen Joisten, Jan Schapp und Nicole Thiemer, Freiburg/Munchen 2016, 2017, 2018.
  • Patrick Godicke, Horst Hammen , Wolfgang Schur, Wolf-Dietrich Walker (Hrsg.): Festschrift fur Jan Schapp zum siebzigsten Geburtstag . Mohr Siebeck, Tubingen 2010, ISBN 978-3-16-150557-7 .
  • Albert Janssen: Die gefahrdete Staatlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland. Beitrage zur Bewahrung ihrer verfassungsrechtlichen Organisationsstruktur. v&r unipress, 2014, ISBN 978-3-8471-0280-9 ; dort insbes. Nr. 20: Notwendiger Wandel der Dogmatik des deutschen Staats- und Verwaltungsrechts in einem zusammenwachsenden Europa. Uberlegungen zum Verstandnis der Europaischen Gemeinschaft als Rechtsgemeinschaft. S. 604ff.
  • Albert Janssen: Die Kunst des Unterscheidens zwischen Recht und Gerechtigkeit. Studien zu einer Grundbedingung der Rechtsfindung. v&r unipress, 2016, ISBN 978-3-8471-0542-8 .

Einzelnachweise

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  1. Kosener Corpslisten 1960, 39 , 1370
  2. Jan Schapp: Das subjektive Recht im Prozess der Rechtsgewinnung. Duncker & Humblot, Berlin 1977, ISBN 3-428-03849-5 .
  3. Jan Schapp: Das Verhaltnis von privatem und offentlichem Nachbarrecht. Duncker & Humblot, Berlin 1978, ISBN 3-428-04041-4 (Habilitationsschrift)
  4. a b c Wilhelm Henke . Buchbesprechung: Jan Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung in DVBl, 1. Juni 1978, S. 417.
  5. a b Jan Schapp: Methodenlehre des Zivilrechts. UTB, Stuttgart 1998, ISBN 3-8252-2016-8 .
  6. a b c d e Freiheit, Moral und Recht. 2. Auflage. Mohr Siebeck, Tubingen 2017, ISBN 978-3-16-155290-8 .
  7. Methodenlehre und System des Rechts. Aufsatze 1992?2007 . Mohr Siebeck, Tubingen 2009, ISBN 978-3-16-150167-8 .
  8. Wilhelm Schapp: Philosophie der Geschichten . 3. uberarbeitete Auflage, herausgegeben von Karen Joisten und Jan Schapp. Frankfurt am Main, 2015.
  9. Wilhelm Schapp: Werke aus dem Nachlass. herausgegeben von Karen Joisten und Jan Schapp. Band 1, 2 und 3. Auf dem Weg einer Philosophie der Geschichten, Teilband I, II und III, herausgegeben von Karen Joisten , Jan Schapp und Nicole Thiemer, Freiburg/Munchen 2016, 2017, 2018.