Ion Iliescu
(
Aussprache
ⓘ
/
?
; *
3. Marz
1930
in
Olteni?a
) ist ein
rumanischer
Politiker. Er war von Dezember 1989 bis 1996 sowie von 2000 bis 2004
Prasident Rumaniens
.
Der Ingenieur Iliescu war zwischen 1957 und 1985 mehrmals Abgeordneter der
Großen Nationalversammlung
und gehorte von 1965 bis 1984 dem
Zentralkomitee
der
Rumanischen Kommunistischen Partei
an. Von 1967 bis 1971 war er Jugendminister der
Sozialistischen Republik Rumanien
, von 1979 bis 1980 Mitglied des
Staatsrats
. Im Zuge der
Revolution im Dezember 1989
stellte er sich an die Spitze des
Rates der Front zur Nationalen Rettung
, der nach dem Sturz des langjahrigen Herrschers
Nicolae Ceau?escu
die Regierungsgewalt ubernahm.
Im Mai 1990 wurde er vom Volk zum Staatsprasidenten gewahlt und im Oktober 1992 fur vier Jahre im Amt bestatigt. Iliescu grundete 1992 die Partei
Frontul Democrat al Salv?rii Na?ionale
(FDSR), aus der die
Partidul Democra?iei Sociale din Romania
(PDSR) und schließlich die
Partidul Social Democrat
(PSD) hervorging. Von 1997 bis zu seiner erneuten Wahl zum Staatsprasidenten 2000 war er Parteivorsitzender der PDSR. Nach seiner Prasidentschaft gehorte er bis 2008 dem rumanischen Senat an.
Iliescus Vater war ein Eisenbahnarbeiter und wurde Kommunist, der 1931 an einem Parteikongress in der
Sowjetunion
teilnahm, dort vier weitere Jahre verbrachte und bei seiner Ruckkehr verhaftet wurde. Ion Iliescu wuchs bei seinen Großeltern auf und verbrachte die Schulzeit in Olteni?a und
Bukarest
. 1948 war er Mitbegrunder der rumanischen Studentenunion. Er studierte
Hydrotechnik
an der
Polytechnischen Universitat Bukarest
und am
Energetischen Institut
in
Moskau
(1950?1954), wo er sich auf Wasserwirtschaft und Okologie spezialisierte. Dabei setzte sich die damalige Außenministerin
Ana Pauker
fur ihn ein.
Seit 1951 ist er mit seiner Frau Nina verheiratet.
Politische Karriere wahrend der kommunistischen Herrschaft
[
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]
Iliescu wurde im August 1944 Mitglied des kommunistischen Jugendverbands U.T.C., der sich 1949 in Verband der Arbeiterjugend (U.T.M.) umbenannte. Er trat 1953 der
Kommunistischen Partei Rumaniens
(PCR) bei, die im Jahr darauf den Namen
Rumanische Arbeiterpartei
(PMR) annahm. Im Jugendverband U.T.M. gehorte Iliescu von 1954 bis 1960 dem Buro des Zentralkomitees an, von 1956 bis 1960 war er dessen Sekretar. Außerdem vertrat er den U.T.M. bei der
International Union of Students
in Prag.
[1]
Iliescu war 1957?1961, 1965?1973 und 1975?1985 Abgeordneter der
Großen Nationalversammlung
, des Scheinparlaments der
Sozialistischen Republik Rumanien
. 1960 wurde er stellvertretender Leiter der Sektion fur Agitation und Propaganda beim Zentralkomitee der PMR, von 1962 bis 1965 Leiter der Sektion fur Bildung und Gesundheit, anschließend Leiter der Sektion fur Agitation und Propaganda. Nach der Ubernahme der Partei- und Staatsfuhrung durch
Nicolae Ceau?escu
1965 wurde die PMR wieder in PCR ruckbenannt und Iliescu als Kandidat ins
Zentralkomitee
der Partei gewahlt. Von 1967 bis 1971 war er Erster Sekretar des Zentralkomitees des Jugendverbands U.T.C. und zugleich Minister fur Jugend.
[1]
[2]
1969 stieg er zum Vollmitglied des Zentralkomitees der PCR und Kandidaten des Exekutivkomitees auf, im Februar 1971 wurde er Parteisekretar fur Propaganda. Wahrend der rumanischen Kulturrevolution der ?intellektuellen Abweichung“ beschuldigt, verlor er das Sekretarsamt noch im Juli desselben Jahres wieder.
[3]
Er blieb aber Kandidat des Exekutivkomitees (bis 1979) und Mitglied des Zentralkomitees (bis 1984). Außerdem war er von 1971 bis 1974 stellvertretender Vorsitzender des Rates des
Kreises Timi?
, von 1974 bis 1979 Vorsitzender des Rates des
Kreises Ia?i
.
[2]
Er wurde 1974 Kandidat und war von 1979 bis 1980 Vollmitglied des
Staatsrats
Rumaniens. Ab 1979 leitete er den Nationalen Rat fur Wasserwirtschaft,
[3]
sprach sich aber gegen die Großprojekte des
Diktators
Nicolae Ceau?escu
aus und musste im Marz 1984 sein Amt aufgeben. Danach war er bis Dezember 1989 Direktor des Technischen Verlags
(Editurii Tehnice)
in Bukarest. In einem Artikel in der Zeitschrift
Romania literar?
sprach sich Iliescu 1987 fur Reformen aus, seine Vorschlage blieben jedoch recht unklar.
[4]
Wahrend der
Rumanischen Revolution
setzte sich Iliescu am 22. Dezember 1989 an die Spitze des ad hoc gebildeten ?
Rates der Front zur Nationalen Rettung
“ (
Consiliul Frontului Salv?rii Na?ionale
, CFSN).
[5]
Mit Unterstutzung des ? kurz zuvor noch von Ceau?escu zum Verteidigungsminister ernannten ? Generals
Victor St?nculescu
ubernahm dieser Rat die faktische Regierungsgewalt. Am 24. Dezember setzte der CFSN ein außerordentliches Militargericht ein, das Nicolae und
Elena Ceau?escu
am folgenden Tag im Eilverfahren zum Tode verurteilte und sofort erschießen ließ.
[6]
Am 26. Dezember 1989 bestimmte der Rat der Front zur Nationalen Rettung Iliescu zum Prasidenten des Exekutivburos und damit zum vorlaufigen Staatsoberhaupt.
In den ersten freien
Wahlen am 20. Mai 1990
wurde Iliescu mit 85 % der Stimmen im Prasidentenamt bestatigt. Die Wahl wurde tagelang von Protesten auf dem
Bukarester Universitatsplatz
begleitet, von Iliescu herbeigerufene
Bergarbeiter
aus dem
Jiu-Tal
losten diese aber dann gewaltsam auf (?
Mineriaden
“). Dabei starben 6 Zivilisten, die von aufgebrachten Bergarbeitern zu Tode geprugelt wurden. Viele Menschen wurden dabei verletzt. Nach einem Zerwurfnis zwischen Iliescu und seinem vormaligen Mitstreiter
Petre Roman
, der im Oktober 1991 als Ministerprasident zuruckgetreten war, spaltete sich die Nationale Rettungsfront. Iliescus Anhanger bildeten im Fruhjahr 1992 die
Frontul Democrat al Salv?rii Na?ionale
(FDSR; ?Demokratische Front fur die Nationale Rettung“).
Nach Inkrafttreten der demokratischen Verfassung von 1991 wurde Iliescu bei der
Wahl im September/Oktober 1992
erneut im Amt bestatigt. Er erhielt im ersten Wahlgang 47,3 Prozent der Stimmen und setzte sich in der Stichwahl mit 61,4 % gegen den
Christdemokraten
Emil Constantinescu
durch. Da die FDSN bei der gleichzeitigen Parlamentswahl zwar starkste Partei wurde, aber nicht uber die absolute Mehrheit verfugte, war die von Iliescu ernannte Regierung anschließend von der Tolerierung der rechtsextremen
Partidul Romania Mare
(PRM; Großrumanien-Partei) abhangig, 1995 gehorte diese sogar direkt der Regierung an.
Bei der
Prasidentschaftswahl 1996
bewarb sich Iliescu um eine weitere Amtszeit, unterlag aber mit 45,6 % im zweiten Wahlgang gegen Emil Constantinescu. Er wurde
Senator
fur die aus der FDSN hervorgegangene
Partidul Democra?iei Sociale din Romania
(PDSR; Partei der Sozialen Demokratie Rumaniens) und 1997 deren Parteivorsitzender. Bei der
Prasidentschaftswahl 2000
erhielt Iliescu im ersten Wahlgang 36,35 % der Stimmen. In der Stichwahl stand er dem Ultra-Nationalisten
Corneliu Vadim Tudor
(PRM) gegenuber, gegen den er sich mit 66,8 Prozent der Stimmen durchsetzte. Seine dritte Amtszeit dauerte bis Dezember 2004 ? sein Nachfolger wurde nach den
Wahlen vom 12. Dezember 2004
der ehemalige Bukarester Burgermeister
Traian B?sescu
(PD).
Als eine seiner letzten Amtshandlungen am Tag vor der Ubergabe des Prasidentenamtes an seinen Nachfolger begnadigte Ion Iliescu den Anfuhrer der Bergarbeiteraufstande (
rumanisch
Mineriad?
), Miron Cozma. Diese Begnadigung zog Iliescu noch am gleichen Tag wegen starker politischer und offentlicher Proteste zuruck. Miron Cozma wurde deswegen kurz nach seiner Freilassung erneut verhaftet.
Ion Iliescu wird im Bericht des Ermittlers des Europarats zu illegalen Aktivitaten des US-Geheimdienstes CIA in Europa,
Dick Marty
, namentlich genannt als eine der Personen, die
geheime Foltergefangnisse
auf dem Militarstutzpunkt
Mihail Kog?lniceanu
autorisierten oder zumindest davon wussten und zu verantworten haben.
[7]
Am 27. April 2015 gab Iliescu in seinem eigenen Blog zu, der CIA im Jahr 2002 sogenannte ?black sites“ fur das geheime Verhor von Terrorverdachtigen uberlassen zu haben. Von der Folter der Gefangenen will er dagegen nichts gewusst haben. Auch bestritt er, dass die ?sites“ eine Gegenleistung fur den NATO-Beitritt Rumaniens 2004 gewesen seien.
[8]
Im Dezember 2018 erhob die rumanische Militarstaatsanwaltschaft Anklage gegen Iliescu, dem sie wegen seiner Rolle in der Revolution von 1989
Verbrechen gegen die Menschlichkeit
vorwarf.
[9]
Im sogenannten ?Prozess der Revolution“, der am 29. November 2019 begann, stehen derzeit Iliescu und
Dan Voiculescu
vor Gericht. Ihnen wird vorgeworfen, wahrend der Revolution von 1989 mit ?einer umfangreichen Kampagne der Desinformation“ uber vermeintlich Ceau?escu-treue Krafte eine Art ?Terroristenpsychose“ geschaffen und in der Folge burgerkriegsahnliche Zustande provoziert zu haben, um sich ?in den Augen der Bevolkerung Legitimitat zu verschaffen“. Zu diesem Zeitpunkt war das Diktatorenehepaar Ceau?escu bereits entmachtet; drei Viertel der Opfer des Aufstandes starben danach in Schießereien und Straßenkampfen, ermordet von vermeintlichen Terroristen.
[10]
Der Prozess wurde wegen Verfahrensfehlern auf den 20. Februar 2020 vertagt.
[11]
[veraltet]
Iliescu veroffentlichte einige
Essays
und Bucher, u. a. ?Revolution and Reform“ (1993), ?Moments of History“ (1996) und ?Whereto, Romanian Society?“ (1999, zu einer
sozialdemokratischen
Zukunft). Iliescu ist Ehrendoktor der
Polytechnischen Universitat Timi?oara
.
- ↑
a
b
Florica Dobre (Hrsg.):
Membrii C.C. al P.C.R., 1945?1989. Dic?ionar.
Editura Enciclopedic?, Bukarest 2004, S. 322.
- ↑
a
b
Ion Iliescu impline?te azi 88 de ani
,
Adev?rul
3. Marz 2018
- ↑
a
b
Florica Dobre (Hrsg.):
Membrii C.C. al P.C.R., 1945?1989. Dic?ionar.
Editura Enciclopedic?, Bukarest 2004, S. 323.
- ↑
Peter Siani-Davies:
The Romanian Revolution of December 1989.
Cornell University Press, Ithaca (NY)/London 2005, S. 107.
- ↑
Peter Siani-Davies:
The Romanian Revolution of December 1989.
Cornell University Press, Ithaca (NY)/London 2005, S. 106?108.
- ↑
Peter Siani-Davies:
The Romanian Revolution of December 1989.
Cornell University Press, Ithaca (NY)/London 2005, S. 136.
- ↑
Dick Marty:
Secret detentions and illegal transfers of detainees involving Council of Europe member states: second report.
In: assembly.coe.int vom 7. Juni 2007 (PDF; 813 kB).
- ↑
Former Romania president admits allowing CIA site
. In:
Aljazeera
vom 28. April 2015.
- ↑
Ex-Prasident Ion Iliescu in Rumanien angeklagt.
dw.com
vom 21. Dezember 2018.
- ↑
Keno Verseck
:
Prozess um den Sturz der Ceausescu-Diktatur. Rumaniens Revolution kommt vor Gericht.
In:
spon.de
vom 24. Dezember 2019.
- ↑
Erster Verhandlungstag am Obersten Gericht im Prozess der 1989er Revolution. Ion Iliescu fur Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt.
In:
Allgemeine Deutsche Zeitung fur Rumanien
vom 3. Dezember 2019.