Interzession

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Interzession ( lateinisch intercedere , ?dazwischentreten“) bezeichnet im Privatrecht die Haftung eines Sicherungsgebers fur die Verbindlichkeiten eines Dritten etwa aus Burgschaft , Garantievertrag , Kreditauftrag , Patronatserklarung , Schuldbeitritt oder Schuldubernahme .

Schatzt ein Glaubiger die Kreditwurdigkeit seines Schuldners nicht besonders hoch ein, kann er Kreditsicherheiten von ihm oder Dritten verlangen. Bei Interzessionen stellt diese statt des Schuldners zumeist ein dritter Sicherungsgeber zur Verfugung, zumeist in Form von Personalsicherheiten , wie Burgschaft, Garantie, Kreditauftrag, Patronatserklarung, Schuldbeitritt oder Schuldubernahme ( Personalinterzession ). Aber auch Sachsicherheiten , so Grundpfandrechte , die Sicherungsabtretung , die Sicherungsubereignung oder die Verpfandung zum Tragen ( Realinterzession ), dann wenn der Sicherungsgeber nicht mit dem Kreditnehmer identisch ist. Auch die Aufnahme von Krediten im fremden Interesse ist als Interzession anzusehen.

In der romischen Magistratur , die neben der jahrlichen Annuitat auf dem Prinzip der Kollegialitat beruhte, konnte durch das ius intercedendi die Amtshandlung eines unter- oder gleichgeordneten Amtstragers in der Form des Widerspruchs ( Veto ) außer Kraft gesetzt werden.

Fur die Volkstribunen (tribuni plebis) der Republik war das verfassungsmaßige Regulativ des ?Dazwischentretens“ von enormer Bedeutung. Ursprunglich als ein effektives Instrument zur Durchsetzung des Beistandsrecht der Volkstribunen ( ius auxilii ) zum Schutz einzelner Burger gegenuber staatlicher Willkur verwendet, entwickelte sich das Interzessionsrecht der Volkstribunen wahrend seiner Entwicklung zu einem gewichtigen, politischen Machtfaktor.

Das senatus consultum Velleianum aus etwa 46 n. Chr. erklarte Verpflichtungen von Frauen aus Burgschaften (fideiussio) und Darlehen ( mutuum ) fur unwirksam, wenn sie in die Verbindlichkeiten Dritter eintraten. [1] Das Senatskonsult sollte die in Rechtssachen unerfahrene Frau schutzen . [2] Auch die Darlehnsaufnahme fur andere (mutui datio pro aliis) war untersagt. [3]

Keine Anwendung fand das Interzessionsrecht in Krisenzeiten, da diktatorische Anordnungen wahrend dieser halbjahrigen außerordentlichen Amtszeit absolut und unumkehrbar waren.

Im Prinzipat wurde durch die bewusste Trennung vom plebejischen Amt ( tribunus plebis ) und der Amtsgewalt ( tribunicia potestas ) die tribunizische Rechtskompetenz (vergleiche hierzu: tribunizisches Rogationsrecht und tribunizischer Prozess ) des Volkstribunats standeneutral auf den Kaiser ubergeleitet, der somit auch die Kontrolle uber das Interzessionsrecht ausubte.

Justinian I. verbot spater nach 535 auch die Interzession der Ehefrauen zugunsten ihrer Ehemanner (authentica si qua mulier), nur die Verwendung des Kredites zum Nutzen der Ehefrau ließ ihre Interzession wirksam sein. [4] [5]

Das Allgemeine Preußische Landrecht (PrALR) vom Juni 1794 bestimmte im Burgschaftsrecht, wieweit Ehefrauen sich fur ihre Manner verburgen durfen (I 14, § 220 APL) und verwies auf II 1 Abschnitt 5, § 342 APL: ?Soll die zum Besten eines Fremden geleistete Burgschaft auch das Eingebrachte der Ehefrau haften, so ist dazu die Einwilligung des Ehemannes notwendig“. Hierin kam die Besorgnis zum Ausdruck, dass die Ehefrau wegen ihres besonderen Verhaltnisses zum Ehemann sich leicht zu formlosen Erklarungen drangen lasse. [6] Erlangt eine Frau aus ihrer Burgschaft Vorteile, ist ihre Burgschaft rechtswirksam (I 14, § 241 APL).

Der franzosische Code civil (CC) vom Marz 1804 sah ursprunglich vor, dass die Ehefrau ohne die Mitwirkung ihres Ehemannes oder ohne seine schriftliche Zustimmung weder gemeinsam noch allein einem Fremden Eigentum oder Hypotheken einraumen durfte (Buch I, Titel 5, Kapitel 6, Art. 217 CC). Das osterreichische ABGB vom Januar 1812 ließ Interzessionen ohne Unterschied des Geschlechtes zu. Die ?Interzessionen der Frauen“ des deutschen APL wurden im Dezember 1869 aufgehoben. [7]

Die Interzession setzt stets drei Beteiligte voraus, namlich den Interzessionsschuldner ( Sicherungsgeber ), den Interzessionsglaubiger ( Kreditgeber und Sicherungsnehmer ) und einen begunstigten Dritten ( Kreditnehmer ). [8]

Die gesetzlichen Bestimmungen uber Burgschaft § 765 ff. BGB ), Kreditauftrag ( § 778 BGB), Schuldbeitritt oder Schuldubernahme ( § 414 BGB) sehen keine Beschrankungen fur bestimmte Rechtstrager vor. Noch heute steht aber die Rechtsprechung zur Angehorigenburgschaft und Ehegattenburgschaft in einem Kontext zum romischen senatus Consultum Velleianum . Die Rechtsprechung hat namlich seit Oktober 1993 die Angehorigen- und die Ehegattenburgschaft thematisiert, nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Zivilgerichtsbarkeit aufgefordert hatte, bei Burgschaften, die einen der beiden Vertragsparteien ungewohnlich stark belasten und das Ergebnis strukturell ungleicher Verhandlungsmacht sind, die Generalklauseln der Sittenwidrigkeit oder Treu und Glauben zu beachten, [9] dem der Bundesgerichtshof (BGH) seit Februar 1994 folgt. [10] Seitdem sind alle Interzessionen unwirksam, bei denen ein auffalliges Missverhaltnis zwischen Haftungsumfang und Leistungsfahigkeit des Sicherungsgebers vorliegt.

Bei der Interzession steht in Osterreich jemand fur eine materiell fremde Schuld ein. [11] § 1349 ABGB bestimmt, dass ?fremde Verbindlichkeiten ohne Unterschied des Geschlechtes jedermann auf sich nehmen kann, dem die freie Verwaltung seines Vermogens zusteht“. Tritt ein Verbraucher einer Verbindlichkeit als Mitschuldner , Burge oder Garant bei (Interzession), so hat ihn der Glaubiger auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners hinzuweisen, wenn er erkennt oder erkennen muss, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nicht vollstandig erfullen wird. Unterlasst der Unternehmer diese Information, so haftet der Interzedent nur dann, wenn er seine Verpflichtung trotz einer solchen Information ubernommen hatte (§ 25c KSchG ). Der Richter kann die Verbindlichkeit eines Interzedenten (§ 25c KSchG) insoweit maßigen oder auch ganz erlassen, als sie in einem unter Berucksichtigung aller Umstande unbilligen Missverhaltnis zur Leistungsfahigkeit des Interzedenten steht, sofern die Umstande, die dieses Missverhaltnis begrundet oder herbeigefuhrt haben, bei Begrundung der Verbindlichkeit fur den Glaubiger erkennbar waren (§ 25d KSchG). Zur Angehorigenburgschaft fuhrte der OGH aus, dass Sittenwidrigkeit dann anzunehmen sei, wenn folgende Voraussetzungen (kumulativ) vorliegen: Inhaltliche Missbilligung des Interzessionsvertrags, Missbilligung der Umstande seines Zustandekommens infolge verdunnter Entscheidungsfreiheit des Burgen und schließlich die Kenntnis oder fahrlassige Unkenntnis dieser Kriterien durch den Kreditgeber.

Bei der Interzession geht es in der Schweiz im Gesellschaftsrecht darum, dass eine Aktiengesellschaft Kreditsicherheiten fur Schulden ihrer Mutter- oder Schwestergesellschaft oder allgemein ihrer Aktionare bestellt. Im Vordergrund steht die Eingehung einer Burgschaft durch den Aktionar gemaß Art. 492 OR oder einer Garantie gemaß Art. 111 OR; denkbar ist auch der kumulative Schuldbeitritt. [12] Fur die Prufung der Interzessionsproblematik sind folgende Kriterien relevant:

  • Gesellschaftszweck: Rechtsgeschafte sind nur dann gultig, wenn diese im Rahmen des statutarischen Zweckes der Unternehmung getatigt wurden und deren Interessen dienen und nicht ausschließlich jenen des Begunstigten.
  • Verbot der doppelten Organschaft .
  • Verbot der Einlagenruckgewahr: Eine Aktiengesellschaft darf den Aktionaren oder diesen nahestehenden Personen das einbezahlte Kapital nicht zuruckerstatten. Geschutzt sind insbesondere das nominale Aktienkapital, Partizipationsschein-Kapital, Agio und die gesetzlichen Reserven. Verfugungen der Gesellschaft, welche gegen das Verbot der Einlagenruckgewahr verstoßen, sind nichtig ( Art. 680 Abs. 2 OR).
  • Verdeckte Gewinnausschuttung: Die Gegenleistung fur eine Darlehensgewahrung oder die Leistung einer Sicherheit muss nach dem Prinzip des ?at arm’s length“ gepruft werden, es muss also gepruft werden, ob man eine solche Leistung auch einem unbeteiligten Dritten gewahren wurde. Ist dies nicht der Fall, ist das abgeschlossene Geschaft widerrechtlich und demzufolge ungultig ( Art. 678 OR).

Auch hierbei gibt es einen Sicherungsgeber, der fur einen anderen Kreditnehmer Sicherheiten bestellt. Im Hinblick auf die Interzession ist der Sicherungsgeber jedoch auf Aktiengesellschaften beschrankt.

In England und den USA sind die Begriffe Interzession zugunsten des Aktionars ( englisch upstream security ) oder Interzession zugunsten einer Schwestergesellschaft ( englisch cross-stream security ) ublich.

Der Begriff Interzession bezeichnet im Bereich des Volkerrechts und der internationalen Beziehungen ublicherweise Aktivitaten eines Staates zur Einwirkung auf die inneren oder außeren Angelegenheiten eines anderen Staates, die nicht mit Zwang oder der An drohung von Zwang verbunden sind. Solche Maßnahmen umfassen beispielsweise die Erteilung von Ratschlagen oder Ermahnungen auf der Regierungsebene und haben entweder die Verfolgung der Eigeninteressen des Staates zum Ziel, von dem diese Maßnahmen ausgehen, oder dienen der Durchsetzung der Position der internationalen Gemeinschaft beziehungsweise eines Staatenbundnisses .

Die konkrete Verwendung des Begriffes im volkerrechtlichen und diplomatischen Sprachgebrauch ist allerdings uneinheitlich. In der Regel wird er zur Abgrenzung entsprechender Aktivitaten von Maßnahmen der Intervention genutzt. In diesem Sinne ist die Interzession im Gegensatz zur Intervention nicht mit Zwang verbunden und stellt damit keinen Eingriff in die Hoheitsrechte des betroffenen Staates zur Ausubung seiner entsprechenden innen- beziehungsweise außenpolitischen Entscheidungs- und Handlungsbefugnisse dar. Gelegentlich beschrankt sich die Verwendung des Begriffs aber auch auf Maßnahmen, die eine Einflussnahme auf die innenpolitischen Angelegenheiten eines Landes zum Ziel haben.

Daruber hinaus dient der Begriff zum Teil auch als Oberbegriff fur zwischenstaatliche Vermittlung und sonstige Formen guter Dienste sowie vereinzelt auch zur Beschreibung des Rechtes eines Staates auf den Schutz seiner nationalen Minderheiten in anderen Landern.

Die herrschende Meinung in der Volkerrechtstheorie versteht unter Interzession die Erteilung freundschaftlicher Ratschlage oder taktvoller Ermahnungen zwischen Regierungen . Die Einwirkung kann sowohl die außeren als auch die inneren Angelegenheiten eines Staates betreffen. [13]

Einzelnachweise

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  1. Ulpian , Digesten , 16,1,2,1.
  2. Paul Jors, Wolfgang Kunkel, Leopold Wenger: Romisches Privatrecht , 1935, S. 217.
  3. Yvonne E. Kowolik: Interzessionen von Nahbereichspersonen , 2008, S. 25.
  4. Novellae , 134, 8.
  5. Wolfgang Ernst: Interzession . In: Reinhard Zimmermann, Rolf Knutel, Jens Peter Meincke (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 1999, S. 395 ff.
  6. Rudolf von Krawel: Abhandlungen . In: Zeitschrift fur Gesetzgebung und Rechtspflege , Band 4, 1870, S. 115.
  7. Koniglich Preußischer Staats-Anzeiger, 1869, S. 4669
  8. Johann Jakob Bachofen : Ausgewahlte Lehren des romischen Civilrechts , 1848, S. 17 f.
  9. BVerfGE 89, 214 , 230
  10. BGHZ 125, 206
  11. OGH , Urteil vom 22. Oktober 1986, Az.: 1 Ob634/86
  12. Arnold F. Rusch, Interzession im Interesse des Aktionars , 2004, S. 8
  13. Herbert Kruger, Hermann Mosler, Ulrich Scheuner, Ibero-Amerikanismus, 1999, S. 147