Die
Hufeisenumlaufbahn
, der
Hufeisenorbit
oder auch die
Hufeisenbahn
ist eine besondere
Umlaufbahn
eines
koorbitalen Objekts
, welches zusammen mit einem zweiten (meist wesentlich großeren) Korper in derselben oder einer sehr ahnlichen Umlaufbahn ein Zentralgestirn umlauft. Im normalen
ruhenden Bezugssystem
des Zentralgestirns sieht die Umlaufbahn des koorbitalen Begleiters wie eine normale
keplersche
ellipsenformige
Umlaufbahn aus. Vom mit der Bewegung des großeren Objekts um das Zentralgestirn mitbewegten
Bezugssystem
aus (in dem der großere Himmelskorper zu ruhen scheint) sieht man dann nur noch die Relativbewegung des koorbitalen Begleiters. Der koorbitale Begleiter beschreibt von diesem Bezugssystem aus gesehen entlang der Umlaufbahn des großeren Korpers einen großen Bogen, den er periodisch vor- und zuruckschwingt. Die Form des Bogens erinnert an die geschlossene Kontur eines
Hufeisens
, daher der Name
Hufeisenumlaufbahn
.
Aufgrund ihrer sehr ahnlichen Umlaufbahnen haben koorbitale Objekte die gleiche mittlere Umlaufdauer um das Zentralgestirn wie der großere Himmelskorper. Sie befinden sich in
gravitativer
Wechselwirkung mit dem großeren Himmelskorper und sind aufgrund derselben mittleren Umlaufdauer in einer sogenannten 1:1-
Bahnresonanz
. Derartige Umlaufbahnen sind nur unter bestimmten Voraussetzungen stabil, von denen im Normalfall die wichtigste ist, dass der koorbitale Begleiter im Verhaltnis zum großeren Korper eine verschwindend kleine Masse hat (sogenanntes
eingeschranktes
Dreikorperproblem
).
Korper auf einer Hufeisenumlaufbahn mussen allerdings keine vernachlassigbare Masse haben, um einen stabilen Orbit einzunehmen (s.
Abschnitt Beispiele
).
Die
Abbildung 1
zeigt einen moglichen Hufeisenorbit eines Objekts im Sonne-Erde-System, bei dem sowohl die Erde als auch das Objekt gemeinsam gegen den Uhrzeigersinn um die Sonne rotieren und das Objekt regelmaßig zwischen einer sonnennaheren und sonnenferneren Umlaufbahn um die Sonne wechselt, vor allem aber, aus Sicht der Erde, mal eher ?vor“, mal eher ?hinter“ ihr anzutreffen ist, so dass seine Relativposition zur Sonne und Erde im Laufe der Zeit die gezeigte Hufeisenbahn beschreibt.
Angenommen, das Objekt befinde sich zu Beginn im Punkt
A
einer kreisformigen Umlaufbahn um die Sonne quasi ?hinter“ der die Sonne umkreisenden Erde: Da diese Bahn sonnennaher ist, besitzt das Objekt damit auch eine etwas hohere Umlaufgeschwindigkeit als die Erde
[1]
, bewegt sich also, wie ein die Erde links ?uberholender“ Himmelskorper, langsam auf sie zu.
Durch die damit zunehmende Gravitationskraft der Erde angezogen, wird es noch einmal zusatzlich entlang der Umlaufbahn, also gegen den Uhrzeigersinn, beschleunigt, was zur Folge hat, dass das Objekt durch die erhohte Fliehkraft nach außen, in eine sonnenfernere Umlaufbahn zu driften beginnt, in der seine Umlaufgeschwindigkeit ab dem Punkt
B
allmahlich wieder geringer zu werden beginnt als die der Erde.
Nun langsamer um die Sonne kreisend als die Erde, beginnt das Objekt ab Punkt
C
allmahlich immer weiter hinter die Position der Erde zuruckzufallen und sich damit auch immer weiter aus dem Einflussbereich ihrer Gravitation zu entfernen, um anschließend in immer großerem Abstand der Erde ?hinterherzufliegen“, bis das Objekt im Punkt
D
erneut, nun aus Sicht der Erde scheinbar rechts ?vor“ ihr, auftaucht und abermals unter ihren gravitativen Einfluss gerat.
Diesmal allerdings zieht die Erde quasi von ?hinten“ an dem Objekt, wodurch es noch einmal weiter abgebremst wird und infolge schwindender Fliehkraft zuruck in den sonnennaheren Orbit wechselt, wo seine Umlaufgeschwindigkeit wieder so weit steigt, dass sich das Objekt ab dem Punkt
E
, mit nun erneut hoherer Umlaufgeschwindigkeit als die Erde, ein weiteres Mal von ihr entfernt, um schließlich im Punkt
A
, wieder scheinbar ?hinter“ der Erde, aufzutauchen, womit sich alles wie beschrieben wiederholen kann.
Der Ubergang von einem
Trojaner
zu einer Hufeisenbahn ist fließend: Wenn der Abstand eines Trojaners zum
Lagrangepunkt
L4- oder L5 zu groß ist, dann wird er einmal auf der Umlaufbahn den dem großeren Himmelskorper entgegengesetzten Punkt uberschreiten und dann in Richtung des anderen Lagrange-Punktes wandern und somit in einem großen Bogen vor- und zuruckschwingen.
Bislang sind erst wenige Objekte auf Hufeisenbahnen bekannt.
Bemerkenswert sind die bislang zwei bekannten koorbitalen Begleiter der
Erde
, der
Asteroid
2002 AA
29
(ein Objekt mit nicht einmal 100 m Durchmesser) und der etwa 300 m große
(419624) 2010 SO
16
[2]
. Ein
Quasisatellit
der Erde war in den Jahren von 1996 bis 2006 der kleine Asteroid
2003 YN
107
, der seitdem wieder wie zuvor eine Hufeisenumlaufbahn entlang der Erdbahn beschreibt.
Zwei weitere koorbitale Objekte auf ungewohnlichen Hufeisenbahnen sind die kleinen, fast gleich großen
Saturn
-Monde
Janus
und
Epimetheus
, die auf sehr ahnlichen Umlaufbahnen den Saturn umlaufen, sich alle vier Jahre sehr nahe kommen und ihre Umlaufbahnen tauschen.
Man kennt auch Planetoiden, die sich zurzeit auf einer Quasi-Umlaufbahn um den Planeten Neptun befinden, das ist eine hufeisenformige Umlaufbahn um den Neptun, deren sonnennachster Punkt bei der Uranusbahn und deren sonnenfernster Punkt etwa doppelt so weit entfernt liegen:
(309239) 2007 RW
10
[3]
,
(316179) 2010 EN
65
[4]
.
- ↑
Dieser Zusammenhang ergibt sich aus der Formel fur die
Erste kosmische Kreisgeschwindigkeit
. Das ist diejenige Geschwindigkeit, bei der sich
Fliehkraft
und
Gravitationskraft
aufheben. Es gilt dann
d. h., ein Objekt in einem Orbit mit geringerem Radius hat eine großere Geschwindigkeit.
- ↑
Asteroid 2010 SO16 is following Earth in its orbit around sun.
earthsky.org, 6. April 2011,
abgerufen am 10. April 2011
.
- ↑
C. de la Fuente Marcos, R. de la Fuente Marcos:
(309239) 2007 RW10: a large temporary quasi-satellite of Neptune
. In:
Astronomy & Astrophysics
Letters
. 545. Jahrgang, 2012,
S.
L9
,
doi
:
10.1051/0004-6361/201219931
,
arxiv
:
1209.1577
,
bibcode
:
2012A&A...545L...9D
.
- ↑
C. de la Fuente Marcos, R. de la Fuente Marcos:
Four temporary Neptune co-orbitals: (148975) 2001 XA255, (310071) 2010 KR59, (316179) 2010 EN65, and 2012 GX17
. In:
Astronomy and Astrophysics
. 547. Jahrgang, November 2012,
doi
:
10.1051/0004-6361/201220377
,
arxiv
:
1210.3466
,
bibcode
:
2012A&A...547L...2D
.