Typus (Nomenklatur)

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Scan eines Herbarexemplars
Der Holotyp der Art Mimulus peregrinus aus der Gattung Gauklerblumen ( Mimulus ) ist das Referenzexemplar fur diese Art bzw. den Artnamen. Typusexemplare stellen einen objektiven Bezug zu einem Taxon her und sind fur die Biologie deshalb von grundlegender Bedeutung.

Ein Typus (latinisiert von griechisch τ?πο? typos ?Typ, Pragung, Muster, Urbild, Beispiel‘ [1] ) ist in biologischen Nomenklaturen ein ausgewahltes Individuum oder Taxon , das die Grundlage zur Definition und Benennung eines ubergeordneten Taxons bildet. Auf Artebene und darunter handelt es sich dabei generell um die Korper individueller Lebewesen, fur hohere Taxa konnen je nach nomenklatorischem Code auch untergeordnete Taxa herangezogen werden (fur eine Gattung also eine bestimmte Art oder fur eine Familie eine bestimmte Gattung). Je nach Disziplin und Materiallage konnen aber auch andere Formen als Typen dienen, so zum Beispiel Illustrationen in der Botanik oder Lebendkulturen von Bakterien und Archaeen .

Bei der Originalzuweisung eines Individuums fur ein Taxon spricht man von einem Holotyp , daneben existieren in Zoologie und Botanik verschiedene Bezeichnungen fur Typen anderer Art. Die genauen Grundlagen fur die Typisierung eines Taxons finden sich in den entsprechenden Nomenklaturcodes der entsprechenden Disziplinen, etwa dem Internationalen Code der Nomenklatur fur Algen, Pilze und Pflanzen oder den Internationalen Regeln fur die Zoologische Nomenklatur . Diese Regelwerke unterscheiden sich ? bedingt durch die Geschichte und die Anforderungen ihres Fachs ? in einigen Stellen voneinander, folgen aber ahnlichen Prinzipien.

Bedeutung der Typen

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Typusexemplare spielen eine entscheidende Rolle bei der Verwaltung von Taxa und ihrer Namen und sind ihr wichtigster Referenzpunkt. Biologen messen ihnen deshalb einen hohen Wert zu und bemuhen sich um ihre Erhaltung und sichere Verwahrung. Ungenauigkeiten bei der Feststellung eines Typs oder dessen Verlust konnen zu großen Verwerfungen fuhren, durch die ganze Taxa in Zweifel gezogen werden. Umgekehrt kann ein Typus aber auch Kontroversen uber den Umgang mit bestimmten Taxa eindeutig entscheiden.

Typen dienen nicht in erster Linie der Stabilisierung bestimmter Taxa, sondern ihrer Namen: Sie sollen verhindern, dass viele verschiedene Namen fur einander sehr ahnliche Organismen verwendet werden. Sie legen aber nicht fest, wie ahnlich zwei Lebewesen sein mussen, um den gleichen Namen zu tragen.

Die Praxis, jedem Taxon einen bestimmten Typus zuzuweisen, war in der ursprunglichen Nomenklatur Carl von Linnes noch nicht vorgesehen. Sie entwickelte sich erst im ausgehenden 19. Jahrhundert, nachdem es die Taxidermie und andere Konservationsmethoden moglich gemacht hatten, organische Materialien uber mehrere Jahrzehnte zu erhalten. Gleichzeitig ergab sich auch durch die zunehmende Fulle neuer Namen und Erstbeschreibungen aus vielen verschiedenen Weltgegenden und den Tod vieler Pioniere der Taxonomie die Notwendigkeit einer Vereinheitlichung der wissenschaftlichen Namen. In der Folge wurde die Ernennung eines Typus von der Gemeinde der Taxonomen nicht nur zur Bedingung fur eine gultige Publikation gemacht, es wurden auch nachtraglich Typen fur all jene gebrauchlichen Taxa festgelegt, die noch keinen Typus hatten.

18. Jahrhundert: Beginn der Taxonomie und fruhe Methodik

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Im 18. Jahrhundert herrschte unter Naturalisten und anderen Wissenschaftlern die Ansicht vor, dass jeder Typologisierung ein moglichst breiter Fundus an Empirie zugrunde gelegt werden musse. Nur nach reiflicher Untersuchung allen vorhandenen Materials und Berucksichtigung aller moglichen Variationen sei demnach etwa die genaue Definition einer Art moglich. Die Festlegung eines einzigen, hochst individuellen Typusexemplars war mit einer solchen Auffassung nicht vereinbar. Die fruhen Naturwissenschaften betonten die Notwendigkeit der ausgiebigen Erfahrung im Umgang mit den Phanomenen, die erst zur exakten Erkenntnis ihrer verborgenen Ursachen und Ideen fuhren konne. Nur so konnten der damaligen Ansicht nach Fehler bei der Beobachtung und Schlussfolgerung vermieden werden, beispielsweise eine Beschreibung einzelner Variationen als verschiedene Arten. Carl von Linne , der mit seiner Nomenklatur auf eine genaue Erfassung aller existierenden Arten zielte, maß einzelnen Exemplaren entsprechend wenig Bedeutung bei. Fur Linne war das ideale Abbild einer Art gerade kein bestimmtes Individuum, sondern etwa eine botanische Zeichnung, die in abstrahierter Weise den als normal verstandenen Bauplan der Art darstellte. Linne und seine Zeitgenossen legten deshalb bewusst keine toten Individuen oder andere Objekte als Typus fest. Lediglich einzelne Taxa konnten implizit als typisch fur ubergeordnete Taxa gelten, wenn sie deren ideale Verkorperung darstellten, so etwa die Gattung Passer fur die Passeriformes . Eine einheitliche Vorstellung eines Typus gab es aber bis zur zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts unter Naturalisten nicht. Sowohl gelungene Illustrationen als auch besonders beispielhafte Herbarexemplare , aber auch der einer Verwandtschaftsgruppe zugrunde liegende Bauplan konnten als Typus gelten. Ein fur seine Gruppe uncharakteristischer Typus war allerdings nicht Teil der vorherrschenden Konzepte. [2]

19. Jahrhundert: Krise der Nomenklatur

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Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts kam es innerhalb der Wissenschaftsgemeinde immer haufiger zu Kontroversen und Unsicherheiten, was die Namen verschiedener Taxa anging. Teilweise wiesen zwei offenbar verschiedene Gruppen den gleichen Namen auf, teils existierten mehrere konkurrierende Namen fur dieselbe Art. Die Ursachen fur diese Entwicklung lagen unter anderem in der rasanten Entwicklung des Fachs. Hatte Linne Mitte des 18. Jahrhunderts noch rund 10.000 Arten aufgefuhrt, schatzte der Wissenschaftshistoriker William Whewell die Zahl der bekannten Pflanzenarten 1845 auf etwa 60.000. Dass Wissenschaftler in verschiedenen Landern unabhangig voneinander neue Arten, Gattungen oder Ordnungen benannten, fuhrte zu zusatzlicher Unubersichtlichkeit. Die Pioniere der Taxonomie waren inzwischen verstorben, sodass man sie selbst nicht mehr als Autoritat heranziehen konnte, um das Problem zu losen. In Großbritannien bemuhten sich deshalb fuhrende Biologen um einen Ausweg aus der unkontrollierten Zunahme uneindeutiger Namen. Der Ornithologe Hugh Edwin Strickland grundete eine Kommission, die neue Regeln fur die zoologische Nomenklatur erarbeiten sollte. Der von ihr vorgelegte Strickland-Code zielte unter anderem auf die Nutzung der umfangreichen botanischen und zoologischen Sammlungen ab, die im Laufe der vorangegangenen Jahrzehnte in Europa und Nordamerika entstanden waren. Die in ihnen erhaltenen Exemplare und Bucher sollten nun in Zweifelsfallen als Referenzmaterial gelten, wenn ein Naturforscher eines seiner Individuen mit denen bereits bestehender Arten vergleichen wollte. [3] Damit war der Typus als Autoritat in taxonomischen Fragen geschaffen. Allerdings umfasste er weiterhin die vielfaltigen Konzepte der vorangegangenen Jahrzehnte, nur dass sich diese nun in den breiten Bestanden an Exemplaren offenbaren sollten. Fur die Aufstellung einer neuen Art galt weiterhin eine Konsultation so vieler Individuen wie moglich als wunschenswert, ein Typus hatte beispielhaft zu sein. Diese neue Regelung benachteiligte vor allem die Naturforscher, die fernab der europaischen Hauptstadte tatig waren und sich die Reisen zu den bedeutenden Museen zeitlich und finanziell nicht leisten konnten. [4]

Unter Fuhrung von Alphonse Pyrame de Candolle bemuhte sich in den 1860er Jahren auch die Botanik um eine Vereinheitlichung ihrer Nomenklatur. Auf dem Internationalen Botanischer Kongress in Paris wurde die Prioritatsregel beschlossen, die dem altesten publizierten Namen Vorrang vor allen anderen gab und nun auch ruckwirkend angewendet wurde. Die Gemeinschaft der Zoologen schloss sich dieser Regelung bald an. Mit ihr war ein Grundproblem der Taxonomie, das der konkurrierenden Synonyme , gelost, sie verstarkte allerdings gleichzeitig das Problem des Zugangs zu den Sammlungen weiter: Fur die korrekte Beschreibung einer Art war nun auch die Kenntnis der bisher vorhandenen Literatur notig. Fur den Fall einer unklaren Synonymitat bot sie daruber hinaus aber keine andere Losung als die von Strickland. Das stellte vor allem fur nordamerikanische Naturforscher ein Problem dar, die von den europaischen Sammlungen abgeschnitten waren. Die Verbreitung der Naturforschung uber die ganze westliche Welt hinweg schloss eine zentralistische Losung des Problems ? etwa die fuhrenden Londoner Museen als taxonomische Autoritaten ? aus. Obwohl die Demokratisierung der Naturgeschichte von vielen fuhrenden Naturalisten beklagt wurde, galt es als ausgemacht, dass es kein Zuruck in die fruhen Tage des Fachs geben konne. Ausgehend von Nordamerika entwickelte sich schließlich der Vorschlag, fur jede Art genau benannte Typen festzulegen, um den jeweiligen Wissenschaftlern das Studium aller vorhandenen Bestande zu ersparen. Er wurde vor allem von Orator Fuller Cook vorangetrieben und 1893 und 1904 auf Kongressen in Rochester beziehungsweise Philadelphia als Zusatz zu den nomenklatorischen Kodizes festgeschrieben. Damit trat die Typusmethode als zentrales Prinzip der Nomenklatur neben die Prioritatsregel. [5]

20. Jahrhundert: Der atypische Typus als Leitbild

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Neben der Losung fur das Problem der Synonymitat war auch der Typus als nomenklatorische Autoritat ein Ergebnis dieser Ubereinkunfte. In vielen Fallen stellte dies Taxonomen aber vor neue Probleme: Neben dem Datum der Erstbeschreibung mussten nun unter teils Tausenden von Praparaten Typusexemplare vergangener Erstbeschreibungen ermittelt werden. Da sich die wenigsten Naturforscher vor dem 20. Jahrhundert die Muhe gemacht hatten, Typen festzulegen, musste die Geschichte einzelner Exemplare anhand von Tagebuchern, Manuskripten, Vermerken auf Herbarblattern, Briefwechseln oder Quittungen muhsam nachvollzogen werden. Viele Sammlungen waren allerdings in den vergangenen Jahrzehnten zerschlagen oder verkauft worden, waren Branden zum Opfer gefallen oder hatten unter dem Diebstahl der zahlreichen Besucher gelitten. Oft ließen sich die Typen also gar nicht mehr feststellen. Fur die bestehenden Sammlungen stellte sich dagegen die Frage, wie man mit den plotzlich so wertvollen und unersetzlichen Typen im eigenen Bestand umgehen sollte. Mit der Einengung des zu studierenden Materials auf einige wenige Exemplare kam man auch bald davon ab, den Typus als besonders charakteristisch zu verstehen. Was ein Typus war, wurde nun von der Biografie eines taxonomischen Autors und seiner Sammlung festgelegt, nicht mehr von der herrschenden Lehrmeinung. Wo nur ein einziges Exemplar in einer Sammlung vorhanden war, wurde es zum Typus seines Taxons. In der wissenschaftlichen Gemeinde entstand daruber eine Kontroverse, ob der Typus eine Serie von Individuen oder nur ein einziges Individuum umfassen sollte. Da die Mehrheit der Forscher befurchtete, dass Typserien Anlass zu erneuter Verwirrung der Namen geben konnten, votierte sie fur einen einzelnen Typus, den Holotypus, als Basis einer gultigen Erstbeschreibung. [6]

Da es viele Wissenschaftler fur widerspruchlich hielten, ein allem Augenschein nach untypisches Exemplar als Typus festzulegen, schrieben die Nomenklaturkomitees diese Regelung explizit in ihren Kodizes fest. Viele Zoologen und Botaniker waren daruber verargert und versuchten, das alte Typuskonzept zu reetablieren. Da der Begriff ?Typus“ nun von den neuen atypischen Typen besetzt war, schlugen sie die Bezeichnung ?Norm“ dafur vor. In diesem Streit vermieden es die Verfechter der Holotypusmethode, sich zu Taxa oberhalb der Artebene zu außern. Sie vertraten eine streng nomenklatorische Definition einer Art als einer Gruppe von Individuen, von denen das erste entsprechend bezeichnete als deren Typus gelte. Die Vertreter dieser Position ließen offen, ob und welche Existenz eine Art uber die Nomenklatur hinaus hat. Teilweise prasentierten sie sich aber auch als Gegenbewegung zu einer metaphysischen Biologie, die die abstrakte Idee einer Art uber die Empirie setzte. Vor allem europaische Botaniker straubten sich teils bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts, die Holotypusmethode streng anzuwenden, wahrend sie in Nordamerika durchweg akzeptiert wurde. Der 1910 in Brussel abgehaltene Internationale Botanische Kongress akzeptierte die Holotypusmethode, aber erst 1958 wurde sie zur Pflicht gemacht. Seit der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts ist die Holotypusmethode gangige und akzeptierte Praxis auf allen Feldern der Taxonomie. [7]

Ein fossiler Flugel aus den 49,5 Mio. Jahre alten Ablagerungen der Klondike-Mountain-Formation in den USA ist der Holotypus der ausgestorbenen Schnabelfliegen -Art Cimbrophlebia brooksi . Ein Holotypus wird mit einem Etikett in roter Farbe oder einem roten Punkt auf dem Etikett kenntlich gemacht.
Einer der Paratypen (ebenfalls ein Flugel) von Cimbrophlebia brooksi , aus derselben Formation .

In der zoologischen Nomenklatur bezeichnet ein namenstragender Typus ein in der Erstbeschreibung eines nominellen Taxons herausgestelltes Exemplar oder ein weiteres Taxon, das die objektive Bezugsgrundlage fur den neuen Namen darstellt. [8] Fur Taxa der Artgruppe ist dies ein Exemplar, fur Taxa der Gattungs- und Familiengruppe ein nominelles Taxon aus der mit dem jeweiligen Gruppennamen gleichlautenden Rangstufe der jeweils nachstniedrigeren Gruppe (Typusart bzw. Typusgattung).

Die Typusart ist eine die Gattung bestimmende (typisierende) Art (?Generotypus“). Sie muss bei der Erstellung (Erstbeschreibung) der Gattung vom Autor ausdrucklich angegeben werden. Dies ist seit dem 1. Januar 1931 die einzige Moglichkeit, d. h. ohne eine solche Angabe ist der veroffentlichte Name nicht gultig (valide) und damit ein Nomen nudum . Fur altere Gattungen kann die Typusart nachtraglich auf verschiedene Weise gewahlt werden (Typus designatus): aus dem Art- Epitheton des Binomens wie ?typicus‘, ?typus‘ usw. (Typonomie); wenn der Gattung bei ihrer Aufstellung nur eine Art zugerechnet wurde, diese also monotypisch ist oder wenn bei der Veroffentlichung das Epitheton mit dem Gattungsnamen genau ubereinstimmt. [9]

Die aufgefuhrten Merkmale der Erstbeschreibung werden von diesem Exemplar, seinen Paratypen bzw. dem herausgestellten Taxon abgeleitet. Beim Vergleich von Merkmalen bezieht sich der Name des untersuchten Taxons immer primar auf den namenstragenden Typus, selbst wenn die Beschreibung von diesem abweicht. Die Festlegung des namenstragenden Typus ist notwendig, um Zweifelsfalle auszuraumen, die durch eine unvollstandige oder fehlerhafte Erstbeschreibung entstehen. Solche Unvollstandigkeiten sind fast unausweichlich, da die Relevanz einiger der Merkmale zum Zeitpunkt der Erstbeschreibung noch nicht bekannt ist.

Typen der Artgruppe

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  • Der Holotypus ist ein einzelnes Exemplar, das als namenstragender Typus schon bei der Aufstellung einer Art oder Unterart festgelegt wurde.
  • Paratypen sind zusatzlich zum Holotypus aufgefuhrte Exemplare, die haufig die Stabilitat bzw. Variation von Merkmalen einer Typusserie dokumentieren.
  • Syntypen heißen die einzelnen Exemplare der Typusserie, die in ihrer Gesamtheit den namenstragenden Typus darstellt.
  • Lectotypus (im deutschen Sprachraum selten auch als Hololectotypus ) bezeichnet ein nachtraglich aus einer Typusserie als namenstragender Typus bestimmtes Exemplar; dies ist bei einem vor dem Jahr 2000 aufgestellten nominellen Taxon moglich. Die ubrigen Exemplare der Serie werden als Paralectotypen bezeichnet.
  • Als Neotypus wird ein neuer namenstragender Typus bezeichnet, der durch einen bearbeitenden Taxonomen festgelegt werden kann, wenn in der Vergangenheit kein Typus festgelegt wurde oder dieser verschollen ist. Dazu sind jedoch eine Reihe von Vorschriften und Voraussetzungen gemaß den Nomenklaturregeln zu beachten.

Daneben existieren weitere Bezeichnungen fur Typen, die nicht durch die Nomenklaturregeln anerkannt sind: Als Allotypus bezeichnen manche Autoren einen ausgewahlten Paratypus, der ein vom Holotypus abweichendes Geschlecht darstellen soll. Als Neoallotypus wird ein in einer spateren Publikation beschriebenes Exemplar des anderen Geschlechts bezeichnet, sofern in der Urbeschreibung nur Vertreter eines Geschlechts vorlagen. Ein Topotypus schließlich ist ein Exemplar vom Typenfundort, das nicht in der Typenserie in der Originalbeschreibung aufgelistet wurde. Es kann auch zu einem spateren Zeitpunkt gesammelt worden sein.

Namenstragende Typen der Artgruppe werden mit entsprechenden Vermerken in den wissenschaftlichen Sammlungen aufbewahrt und entsprechend gekennzeichnet. Normalerweise sollten sie in einer offentlichen Sammlung deponiert werden (z. B. bei Neotypen ist dies vorgeschrieben). Durch die sammlungsspezifische Typusnummer und den Ort der Aufbewahrung (meistens die systematische Sammlung eines Universitatsinstituts oder eines Museums) gelangen spatere Bearbeiter an das Typusexemplar. Als Beispiel ist etwa der Holotypus der ausgestorbenen Protostegidae -Art Santanachelys gaffneyi in der japanischen Teiky?-Heisei-Universitat in Ichihara , Prafektur Chiba unter der Nummer THUg1386 archiviert. Bestimmt wurde dieser Typus vom Erstbeschreiber Ren Hirayama durch die in Nature 1998 erschienene Erstbeschreibung. [10] Gewohnlich werden Typen durch rote Etiketten besonders gekennzeichnet.

Der Typus wird in der Botanik (einschließlich der Mykologie , Algenkunde und der Palaobotanik ) durch die Artikel 7 bis 9 des ICBN geregelt (hier noch der Saint-Louis-Code, 2000). Als Typus fur Arten werden neben Abbildungen nur konservierte Pflanzen, Algen oder Pilze akzeptiert, nicht lebende Kulturen.

Ein Holotypus (Holotyp) ist dann definiert, wenn der Erstbeschreiber eines Taxon ein einziges Exemplar oder Illustration als solches definiert (Art 9.1). Es ist nicht notig, dass ein Holotyp typisch ist. Der Ort des erstmaligen Auffindens eines Holotypus wird als locus classicus bezeichnet. [11] Wurden vom Autor mehrere Exemplare zur Beschreibung eines Taxons verwendet, kann es notwendig sein, ein einzelnes Exemplar als Typus zu bestimmen, das dann Lectotypus heißt (Art 9.2). Ein Isotypus ist ein Duplikat des Holotyps, muss jedoch immer ein Exemplar sein. Ein Syntypus ist jedes Exemplar, das in der Erstbeschreibung genannt wird, wenn kein Holotyp definiert ist. Ein Paratypus ist ein Exemplar, das in der Erstbeschreibung genannt wird, aber weder der Holotypus, noch ein Isotypus oder ein Syntypus ist. Ein Neotypus ist ein nachtraglich ausgewahltes Exemplar oder eine Abbildung, wenn der ursprungliche Typus aus dem Originalmaterial (Holo-, Iso-, Syn-, Para- oder Lectotypus) verloren ist. Ein Epitypus wird ausgewahlt, wenn der Holotyp, Lektotyp oder Neotyp eines korrekt publizierten Namens nachweislich uneindeutig ist. Bei der Wahl des Epitypus muss der Holotypus etc., auf den er sich bezieht, explizit genannt werden. Ein Typotypus ist ein Herbarbeleg, der als Grundlage fur eine Abbildung dient, die ihrerseits dann der Typus fur die Beschreibung ist. [12] Dieser Fall gilt fur einige von Linne beschriebene Arten.

Der Typus einer Gattung (oder eines Taxons unterhalb der Gattung) ist der Typus des zugeordneten Artnamens (Art. 10). Es reicht bereits die Nennung des gultig veroffentlichten Artnamens, es muss kein direkter Bezug auf dessen Typus genommen werden. Es kann auch nur eine Art Typus sein, die bei der Erstbeschreibung der Gattung dieser zugeordnet wurde.

Der Typus einer Familie (oder eines Taxons unterhalb Familienrang) bezieht sich in analoger Weise auf eine Gattung.

Das Typusprinzip gilt nicht automatisch fur Taxa oberhalb des Familienrangs, außer der Name leitet sich von einem typifizierten Taxon ab (wie Magnoliales von Magnolia ); dann ist automatisch der Typus der namensgebenden Gattung der Typus des hoheren Taxons.

Auch in der Bakteriologie ist unabdingbar und dauerhaft mit jedem Taxon ein nomenklatorischer Typus verknupft. Geregelt sind diese im International Code of Nomenclature of Bacteria (ICNB) in der Sektion 4, ?Nomenclatural Types and Their Designation“. [13] Zwar sind auch eine reine Beschreibung, ein konserviertes Exemplar oder sogar nur eine Illustration zulassige und legitime Formen von Typen, sie sollten aber nur verwendet werden, wenn eine Lebendkultur nicht moglich ist (z. B. bei Extremophilen ).

Im Falle von Lebendkulturen ist der nomenklatorische Typus immer ein bestimmter Bakterienstamm. Wenn diese Verknupfung eines Stammes explizit im Rahmen der Erstbeschreibung vom Autor vorgenommen wird, handelt es sich bei diesem Stamm um den Holotyp . Wenn der Stamm verlorengeht, kann durch Publikation im International Journal of Systematic Bacteriology ein Neotyp vorgeschlagen werden, indem die Originalbeschreibung eindeutig genannt wird und der neue Stamm damit eindeutig ist. Dieser vorgeschlagene Neotyp ( proposed neotype ) wird zwei Jahre nach Publikation des Vorschlags zum etablierten Neotyp ( established neotype ), vorausgesetzt seine Publikation blieb im ersten Jahr widerspruchsfrei.

Fur Gattungen ist eine der Arten der Erstbeschreibung der nomenklatorische Typ, er wird entweder schon bei der Aufstellung der Gattung zum Typ erklart oder nachfolgend aus einer der Arten der Erstbeschreibung ausgewahlt. Oberhalb der Gattung bis hin zur Ordnung ist der Typ jeweils die namensgebende Gattung, die Gattung Rhodospirillum ist also gleichzeitig Typ der Familie Rhodospirillaceae , der Unterordnung Rhodospirillineae und der Ordnung Rhodospirillales . Oberhalb von Ordnungen ist der Typ eine der enthaltenen Ordnungen, sie wird vom Autor der Beschreibungen bestimmt. Wenn diese Bestimmung fehlt, kann sie nur durch eine Opinion der Judicial Commission des International Committee on Systematics of Prokaryotes (ICSP) nachtraglich erganzt werden.

Geographische Herkunft des Typusmaterials

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Das Gebiet, aus dem der Typus einer Art stammt, wird Terra typica oder abgekurzt terr. typ. ( lat. ?typisches Land“) genannt. [14] Bei einer fossilen Art wird hingegen von der Typlokalitat, Locus typicus (lat. ?typischer Ort“) gesprochen, die eng verknupft ist mit der Fundschicht * , dem Stratum typicum (lat. ?typische Schicht“). In der Botanik wird auch der Ausdruck Locus classicus (lat. ?klassischer Ort“) verwendet. [15] Ein nachtraglich dort gesammeltes Belegexemplar wird als Topotyp bezeichnet. Dieser Begriff ist jedoch nicht in den Regeln der botanischen Nomenklatur definiert.

*  
Dies ist streng genommen keine Angabe zur geographischen, sondern zur stratigraphischen Herkunft. Zumeist wird als Stratum typicum eine lithostratigraphische Einheit im Rang einer Formation oder Subformation, sowie deren chronostratigraphische Einordnung angegeben.
  • Internationale Regeln fur die Zoologische Nomenklatur. Vierte Auflage. Angenommen von der International Union of Biological Sciences. Offizieller Deutscher Text: ausgearbeitet von O. Kraus. -- Naturwissenschaftlicher Verein in Hamburg, Abhandlungen, N.F., 34: 232 S.; Hamburg 2000. -- [IRZN 2000] online Version, englisch: [1]
  • Lorraine Daston : Type Specimens and Scientific Memory . In: Critical Inquiry . Band   31 , Nr.   1 , 2004, S.   153?182 , doi : 10.1086/427306 .
  • Greuter, W. et al. (2000): International Code of Botanical Nomenclature (Saint Louis Code) . Regnum Vegetabile, 138. Koeltz Scientific Books, Konigstein. ISBN 3-904144-22-7 . Online-Version (engl.)
  • McNeill, J. et al. (2006): International Code of Botanical Nomenclature (Vienna Code) . Regnum Vegetabile, 146. Koeltz Scientific Books, Konigstein. ISBN 3-906166-48-1 Online-Version (engl.)
  • S.P. Lapage, P.H. Sneath, V.B.D. Skerman, E.F. Lessel, H.P.R. Seeliger, W.A. Clark: International Code of Nomenclature of Bacteria, 1990 Revision (Bacteriological Code) , ASM Press, Washington, D.C., 1992, ISBN 1-55581-039-X , Onlineversion
Commons : Typusexemplare  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Typus. In: Lexikon der Biologie . Spektrum Akademischer Verlag. Heidelberg, 1999, abgerufen am 2. Oktober 2016 .
  2. Daston 2004, S. 166?170.
  3. Alan J. D. Tennyson, J. A. Sandy Bartle: Catalogue of type specimens of birds in the Museum of New Zealand Te Papa Tongarewa (PDF; 409 kB) In: Tuhinga: Records of the Museum of New Zealand Te Papa Tongarewa , Band 19, Artikel 6, 2008, S. 185.
  4. Daston 2004, S. 171?172.
  5. Daston 2004, S. 172?174.
  6. Daston 2004, S. 174?176.
  7. Daston 2004, S. 176?177.
  8. IRZN 2000: 169
  9. Ulrich Lehmann : Palaontologisches Worterbuch . 4. Auflage. Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1996, S.   250 .
  10. Ren Hirayama: Oldest known sea turtle. In: Nature. London 392.1998, S. 705?708.
  11. Art. 9 ICBN
  12. Gerhard Wagenitz : Worterbuch der Botanik. Die Termini in ihrem historischen Zusammenhang. 2., erweiterte Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg/Berlin 2003, ISBN 3-8274-1398-2 , S. 337.
  13. International Code of Nomenclature of Bacteria (1990 Revision), 3. Rules of Nomenclature with Recommendations, Section 4 ?Nomenclatural Types and Their Designation“, Online
  14. Erwin J. Hentschel, Gunther H. Wagner: Zoologisches Worterbuch , 6. Auflage. Gustav Fischer Verlag , Jena 1996, Seite 576.
  15. Michael Hickey, Clive King: The Cambridge Illustrated Glossary of Botanical Terms. Cambridge University Press, Cambridge (UK), ISBN 978-0-511-25251-8