Hermine, Prinzessin Reuß altere Linie
(*
17. Dezember
1887
in
Greiz
; †
7. August
1947
in
Frankfurt (Oder)
) wurde als verwitwete
Hermine von Schoenaich-Carolath
die zweite Ehefrau des ehemaligen deutschen Kaisers und preußischen Konigs
Wilhelm II.
in seinem
niederlandischen
Exil. Unter Anhangern der
Hohenzollernmonarchie
hieß sie
Kaiserin Hermine
.
Hermine wurde als vierte Tochter von
Heinrich XXII.
, Furst
Reuß alterer Linie
(1846?1902), und der Furstin
Ida
(1852?1891), einer geborenen Prinzessin zu
Schaumburg-Lippe
, geboren. Im Alter von drei Jahren verlor Hermine ihre Mutter, die weitere Erziehung erlebte sie im Haus der Großherzogin
Luise von Baden
(1838?1923), der Tochter Kaiser
Wilhelms I.
Hermines Bruder
Heinrich XXIV.
(1878?1927) war von 1902 bis 1918 der letzte regierende Furst Reuß alterer Linie, stand aber wegen korperlicher und geistiger Gebrechen unter Regentschaft.
Prinzessin Hermine Reuß a. L. heiratete am 7. Januar 1907 den Prinzen
Johann Georg
[1]
von
Schoenaich-Carolath
(1873?1920) aus einer Seitenlinie des 1741 in den preußischen Furstenstand erhobenen schlesischen Adelshauses Carolath-Beuthen und zog zu ihm auf das
Schloss Saabor
in
Saabor
im
Landkreis Grunberg in Schlesien
. Aus dieser Ehe gingen funf Kinder hervor. Hans Georg (1907?1943, gefallen), Georg Wilhelm (1909?1927), Hermine Karoline (1910??), Ferdinand (1913?1973) und Henriette (1918?1972), die spater mit ihrer Mutter in die Niederlande kommen durfte und
Franz Joseph von Preußen
(1916?1975), Sohn des Prinzen
Joachim
und Enkel Wilhelms II. heiratete.
Prinz Johann Georg starb 1920 an
Tuberkulose
und Hermine wurde mit 33 Jahren Witwe. 1943 wurde ihr Enkelsohn
Franz Wilhelm Prinz von Preußen
auf Schloss Saabor geboren.
Hermine war von fruher Jugend an eine Bewunderin von Kaiser Wilhelm II. gewesen, hatte schon in ihrem Madchenzimmer ein Bild von ihm hangen sowie Artikel und Bucher uber ihn gesammelt. Da ihr Onkel
Adolf zu Schaumburg-Lippe
, ein enger Freund Wilhelms, seit 1890 mit dessen Schwester
Viktoria von Preußen
verheiratet war, war Hermine außerdem weitlaufig mit dem Kaiser verschwagert.
Als Kaiserin
Auguste Viktoria
im April 1921 in Doorn starb, sandte sie dem Witwer einen Beileidsbrief, geschrieben von ihrem jungsten Sohn Ferdinand. Der Kaiser lud den Sohn und sie daraufhin zu einem Besuch auf seinen niederlandischen Exilsitz
Haus Doorn
ein.
Anfang September 1921 sturzte im Park von Schloss Saabor ein Flugzeug mit zwei Mannern an Bord ab, dabei handelte es sich um den Piloten
Antonius Raab
und den
US-amerikanischen
Journalisten Siegfried Dunbar Weyer. Bei diesem ?Absturz“ handelte es sich um ein Tauschungsmanover, denn Weyer war Korrespondent des
International News Service
und wollte herausfinden, ob die Geruchte stimmten, dass sich der abgedankte Kaiser Wilhelm II. mit der Schlossherrin vermahlen wolle. Hermine bat die beiden Manner wie erhofft ins Haus, wo Weyer ein Foto von Wilhelm II. auf dem Klavier entdeckte. Er fuhlte sich in seinem Verdacht bestatigt und publizierte die Meldung, dass das Paar seine Hochzeit plane. Diese Pressemeldung soll den ehemaligen Kaiser in Zugzwang gebracht haben, der sich daraufhin vier Wochen spater mit der Prinzessin von Schoenaich-Carolath verlobte.
[2]
[3]
Am 5. November 1922 heirateten Hermine und Wilhelm im Haus Doorn. Der Kaiser war froh und stolz daruber, mit der
reußischen
Furstentochter Hermine eine nach dem Hausgesetz ebenburtige Frau geehelicht zu haben. Eine Heirat mit einer
Niederadligen
oder gar Burgerlichen hatte ihn, so seine eigene Auffassung, die Sympathien der Monarchisten und damit die
Restauration
gekostet. An der Hochzeit nahmen von Wilhelms Kindern nur
Wilhelm
und
Eitel Friedrich
teil, die anderen Sohne und seine Tochter lehnten die Ehe ab. Wilhelms Geschwister
Heinrich
,
Viktoria
und
Margarethe
gaben der Ehe hingegen ihren Segen und nahmen an der Zeremonie teil.
[4]
Zu Hermine erwies sich Wilhelm ehrfurchtiger und liebenswurdiger, als er es gegenuber der verstorbenen ersten Frau Auguste Viktoria gewesen war. Das Verhaltnis zu den Kindern des Kaisers gestaltete sich fur Hermine eher schwierig.
[5]
Hermine fuhrte ein strenges Regime in Haus Doorn und kummerte sich auch um dessen Verwaltung.
Dass der Ex-Kaiser nur anderthalb Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau, die in großen Teilen der deutschen Bevolkerung beliebt gewesen war, erneut heiratete, und obendrein eine reiche Witwe, die junger war als sein altester Sohn, wurde von Monarchisten in Deutschland als kritikwurdig empfunden.
[6]
Der fruhere Kaiser und Hermine legten in Doorn großen Wert auf Etikette. Deshalb wurde sie nach der Hochzeit mit
Kaiserliche Hoheit
, von manchen auch mit
Majestat
angeredet und als
Kaiserin Hermine
bezeichnet.
[7]
Hermine hatte es schon bei der Verlobung zur Bedingung gemacht, zweimal im Jahr fur jeweils zwei Monate in das
Deutsche Reich
reisen zu durfen und ließ dies auch im
Ehevertrag
festhalten.
[8]
Als 1927 ihr Bruder kinderlos starb, ubernahm Hermine in einer Erbteilung mit ihren Schwestern das
Schloss Burgk
im thuringischen Vogtland, trat es aber 1933 an ihre Schwester Ida ab, die Ehefrau des Fursten
Christoph Martin zu Stolberg-Roßla
. 1929 grundete sie das
Herminen-Hilfswerk
, das sich um Menschen in Not kummerte und wahrend der großen Arbeitslosigkeit der
Weltwirtschaftskrise
in der
Weimarer Republik
starken Zuspruch fand.
In Deutschland unterhielt Hermine rege Kontakte zu monarchistischen, nationalistischen und faschistischen Kreisen. Sie forderte entsprechende Organisationen und beteiligte sich am politischen Geschehen.
Auch von der
NSDAP
erhoffte sie sich die Wiedererrichtung der Monarchie. Bereits 1926 traf sie
Adolf Hitler
, dessen entschiedenes Eintreten gegen die
Furstenenteignung
ihm die Anerkennung von Teilen des
Hochadels
eingetragen hatte. 1927 ließ sich Hermine ein Quartier im
Alten Palais
in Berlin einrichten, um von dort aus mit
Magnus von Levetzow
einen moglichst großen Kreis fur die
Restauration
zu gewinnen.
[9]
1931 und 1932 arrangierte sie zwei Besuche des Hitler-Vertrauten
Hermann Goring
in Doorn. Ihrem Mann empfahl sie stetig die
NS-Bewegung
als die ihres Erachtens einzige Kraft, die ihn zuruck auf den Thron bringen konnte.
[10]
Allerdings intrigierte
Cecilie
, die Frau des
Kronprinzen Wilhelm
, gegen sie auch in NS-Kreisen.
[11]
Die
Regierungsubernahme der NSDAP
begrußte sie noch sehr, selbst die Mordaktion 1934 gegen die SA (und die adlige Ehefrau General
Schleichers
) lobte sie noch als richtiges Durchgreifen.
[12]
Erst um 1935 kam Hermine von ihren Hoffnungen ab.
[13]
Nach dem Tod Wilhelms II. 1941 kehrte Hermine zu ihrem Wohnsitz Schloss Saabor in Niederschlesien zuruck. Vor der
Roten Armee
floh sie bei Kriegsende 1945 zu ihrer Schwester nach
Roßla
im Harz. Nach der Festnahme durch die
sowjetische Besatzungsmacht
lebte sie in
Frankfurt an der Oder
unter privilegierten Bedingungen unter Aufsicht der sowjetischen Militarverwaltung.
[14]
Sie wohnte mit einer ukrainischen Familie in einem Lager fur Vertriebene. Die erste Nachricht uber sie nach Kriegsende war, dass sie im Lager uberfallen und ausgeraubt worden war.
[15]
Sie starb 1947 in Frankfurt (Oder) laut Totenschein an durch einen Mandelabszess hervorgerufenem
Herzversagen
[16]
[17]
und wurde im
Antikentempel
des Parks von
Sanssouci
in
Potsdam
beigesetzt, wo bereits die erste Frau des Kaisers lag. Die von ihr gewunschte Beisetzung in einem
Sarkophag
neben Kaiser Wilhelm II. in dessen Mausoleum in Doorn kam nicht zustande.
- Louis Ferdinand Freiherr von Massenbach:
Die Hohenzollern einst und jetzt. Die konigliche Linie in Brandenburg-Preußen. Die furstliche Linie in Hohenzollern.
21., uberarbeitete Auflage. Verlag Tradition und Leben, Bonn 2009,
ISBN 978-3-9800373-0-3
.
- Hermine Prinzessin von Preußen:
?Der Kaiser und ich“. Mein Leben mit Kaiser Wilhelm II. im Exil.
Herausgegeben, aus dem Niederland. ubersetzt und kommentiert von Jens-Uwe Brinkmann. MatrixMedia-Verlag, Gottingen 2008,
ISBN 978-3-932313-26-4
.
- Friedhild den Toom, Sven Michael Klein:
Hermine. Die zweite Gemahlin von Wilhelm II.
(=
Verein fur Greizer Geschichte e.V. Vereinsmitteilungen
15,
ZDB
-ID
2088917-3
). Verein fur Greizer Geschichte e.V. u. a., Greiz 2007.
- Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen
:
Das Haus Hohenzollern 1918?1945.
Langen Muller, Munchen u. a. 1985,
ISBN 3-7844-2077-X
.
- ↑
Melville Henry Massue marquis de Ruvigny et Raineval:
The Titled Nobility of Europe. An International Peerage, Or "Who is Who," of the Sovereigns, Princes and Nobles of Europe 1914
. In:
Who is Who
. Reprint 1980 Burke`s Peerage Ltd. Auflage. Schonaich-Carolath. Harrisson & Sons, London 1914,
ISBN 0-85011-028-9
,
S.
444
(
google.de
[abgerufen am 15. Marz 2023]).
- ↑
Christine von Bruhl:
Anmut im markischen Sand.
Aufbau Digital, 2015,
ISBN 978-3-8412-0879-8
(
eingeschrankte Vorschau
in der Google-Buchsuche).
- ↑
S. Dunbar Weyer nahm sich im April 1927 das Leben, indem er sich in einem Abteil des Zuges von Bremen nach Berlin erschoss. In einem Abschiedsbrief gab er als Grund fur seinen Selbstmord einen Nervenzusammenbruch an, nachdem der sieben Jahre lang keinen Urlaub gemacht habe.
Borger Daily Herald
(Borger, Tex.), Bd. 1, Nr. 127, Ed. 1, Mittwoch, 20. April 1927.
- ↑
John C. G. Rohl
:
Wilhelm II. Band 3:
Der Weg in den Abgrund, 1900?1941.
Munchen 2008,
ISBN 978-3-406-57779-6
, S. 1268
- ↑
Viktoria Luise von Preußen
, in:
Ein Leben als Tochter des Kaisers.
1965. Gottinger Verlagsanstalt, Hannover 1979,
ISBN 3-87267-020-4
.
- ↑
Stephan Malinowski
:
Die Hohenzollern und die Nazis. Geschichte einer Kollaboration.
Propylaen, Berlin 2021,
ISBN 978-3-549-10029-5
, S. 56.
- ↑
vgl.
Reinhold Schneider
:
Wille zur Haltung.
In:
Martin Kohlrausch
(Hrsg.):
Samt und Stahl. Kaiser Wilhelm II. im Urteil seiner Zeitgenossen.
Landtverlag, Berlin 2006,
ISBN 3-938844-05-1
, S. 390.
- ↑
John C. G. Rohl
:
Wilhelm II. Band 3:
Der Weg in den Abgrund, 1900?1941.
Munchen 2008,
ISBN 978-3-406-57779-6
, S. 1269
- ↑
John C. G. Rohl
:
Wilhelm II. Band 3:
Der Weg in den Abgrund, 1900?1941.
Munchen 2008,
ISBN 978-3-406-57779-6
, S. 1303?1304
- ↑
Stephan Malinowski
:
Die Hohenzollern und die Nazis. Geschichte einer Kollaboration.
Propylaen, Berlin 2021,
ISBN 978-3-549-10029-5
, S. 233.
- ↑
Stephan Malinowski: Hohenzollern und Nazis, in: Bundeszentrale fur Politische Bildung, Schriftenreihe, Band 10831, Sonderausgabe, Berlin 2022,
ISBN 978-3-7425-0831-7
, S. 303.
- ↑
Stephan Malinowski: Hohenzollern und Nazis, in: Bundeszentrale fur Politische Bildung, Schriftenreihe, Band 10831, Sonderausgabe, Berlin 2022,
ISBN 978-3-7425-0831-7
, S. 445.
- ↑
Gerd Heinrich
:
Geschichte Preußens. Staat und Dynastie.
Propylaen, Frankfurt am Main 1981,
ISBN 3-549-07620-7
, S. 516.
- ↑
Schutzhaft: Schicksalstage einer Kaiserin ? in Frankfurt (Oder)
. In:
Markische Oderzeitung
. 28. November 2018 (
moz.de
).
- ↑
Witwe Wilhelms II. uberfallen
. In:
Neue Zeit. Organ der Sozialistischen Partei Steiermarks
. 3. Jahrgang,
Nr.
27
, 4. Februar 1947,
S.
3
(
onb.ac.at
).
- ↑
Preussen.de - Hermine Schonaich-Carolath, Teil 2.
In:
www.preussen.de.
Archiviert vom
Original
(nicht mehr online verfugbar) am
5. Januar 2011
;
abgerufen am 28. Dezember 2019
.
- ↑
Karin Feuerstein-Praßer
:
Die Deutschen Kaiserinnen. 1871?1918.
1. Auflage. Verlag Pustet, Regensburg 1987,
ISBN 3-7917-1545-3
, S. 259.