Heinrich Ritter (Politiker)

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Heinrich Ritter

Heinrich Ritter (* 18. Februar 1891 in Gau-Odernheim ; † 15. Marz 1966 in Russelsheim ) war ein nationalsozialistischer Funktionar und Politiker und zur Zeit des Dritten Reiches unter anderem Oberburgermeister von Gießen und Mainz sowie Mitglied des Reichstages .

Kindheit, Jugend, Ausbildung und Militardienst (1891?1919)

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Heinrich Ritter, Sohn des Kaufmanns Jakob Ritter und seiner Ehefrau Auguste, geborene Muller, war evangelisch getauft. Nach dem Besuch der Volksschule (1896?1899) sowie der Hoheren Burgerschule (1899?1904) seines Heimatortes absolvierte er eine Ausbildung an der Kaufmannischen Schule in Worms (1904?1907) und einen Kurs am ?Athenaum“ in Fussen am Lech (?Fernhochschule fur volkswissenschaftliche Staatskunde und Politik“). Im Ersten Weltkrieg diente er vom 18. August 1914 bis zum 23. Dezember 1918 im Infanterie-Regiment 118 und im Feldartillerie-Regiment 10 an der Westfront , zuletzt im Rang eines Unteroffiziers . Er wurde mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet. Nach der deutschen Niederlage in die Heimat zuruckgekehrt, ubernahm er 1919 den elterlichen Gemischtwarenhandel in Gau-Odernheim.

Beginn und fruhe Jahre der politischen Aktivitat (1920?1934)

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Ehrenurkunde fur Hitler, von Ritter unterzeichnet

Hier betatigte sich Ritter bereits 1920 ?im volkischen Sinn“. Seit 1922 war er ehrenamtlich in der Gemeindeverwaltung tatig und auch kommunalpolitisch aktiv. Er leitete offenbar bereits eine nationalsozialistisch gesinnte Gruppe (die sich jedoch erst sechs Jahre spater offiziell als NSDAP-Ortsgruppe grundete). 1924 bildete er eine ?feste Kameradschaft“ mit den beiden lokalen nationalsozialistischen Arzten Karl Schilling und Reinhold Daum. Ende des folgenden Jahres grundete er den ?Landwirtschaftlichen Spar- und Kreditverein Gau-Kongernheim“ (eine NS-Sparkasse) und wurde Vorsitzender des Aufsichtsrates. Am 25. August 1927 schloss er in Gau-Odernheim die Ehe mit Katharina Ebling, aus der spater ein Sohn hervorging. Ritters Eintritt in die NSDAP ( Mitgliedsnummer 99.069) erfolgte am 1. September 1928. Bald versah er in der Partei die Amter des Provinzleiters (ab Mai 1931 Bezirksleiter) und Gauinspekteurs der Provinz Rheinhessen (1929?1932) sowie die Tatigkeit eines Gauredners . 1930 wahlten ihn die Gau-Odernheimer zum ersten nationalsozialistischen Burgermeister im Volksstaat Hessen (ehrenamtliche Tatigkeit), in seiner Amtszeit vom 6. November 1930 bis zum 1. Juli 1933 wurde am 25. Mai 1932 Adolf Hitler zum Ehrenburger ernannt [1] . 1931 wurde er kommissarischer NSDAP-Kreisleiter von Mainz (bis 1932) und errang ein Abgeordnetenmandat im Hessischen Landtag (welches er bis 1933 ausubte). Außerdem amtierte er in jenen Jahren (1932?1934) erstmals als Gauamtsleiter fur Kommunalpolitik der Gauleitung Hessen-Nassau (Sud). 1932 brach sein Gemischtwarenhandel in Gau-Odernheim wegen Uberschuldung zusammen. Am 1. Juli 1933 wurde Ritter zum hauptamtlichen Burgermeister von Bingen ernannt. Noch in diesem Jahr wurde er auch NSDAP-Kreisleiter des entsprechenden Parteikreises (1. Oktober 1933 bis 15. Mai 1934, danach Kreisleiter z. b. V.-?zur besonderen Verwendung“). Man schlug ihn fur die Reichstagswahl im November 1933 vor, doch seine Kandidatur blieb erfolglos. Ab 1. Februar 1934 war er fur zwei Monate Kreisdirektor des (staatlichen) Kreises Bingen .

Oberburgermeister in Gießen (1934?1942)

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Aufgrund seiner guten Beziehungen zum Gauleiter des neuen Gaues Hessen (Oberhessen, Rheinhessen und Starkenburg), Friedrich Ringshausen , folgte am 1. April 1934 seine Ernennung zum Oberburgermeister von Gießen . Hier war er zunachst auch Kreisinspekteur und dann 1935 stellvertretender Kreisleiter der NSDAP. Ab Marz 1936 war er zudem fur den Wahlkreis 33 (Hessen) Mitglied des in der Zeit des Nationalsozialismus bedeutungslosen Reichstages. Auch in seiner Gießener Zeit stand Ritter im Rang eines Kreisleiters (1936) beziehungsweise Kreisleiters z. b. V. (1938) der NSDAP. Obwohl er am 29. Mai 1941 zum Prasidenten der Hessischen Brandversicherungskammer in Darmstadt ernannt wurde (Ritter amtierte bis 24. Februar 1943), blieb er weiterhin Oberburgermeister von Gießen ? nun jedoch kommissarisch bestellt. Wahrend seiner Amtszeit als Oberburgermeister wurden bis Ende 1942 uber 1.000 Gießener Juden aus dem Zwischenlager Goetheschule in die Vernichtungslager deportiert .

Oberburgermeister in Mainz (1942?1945)

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Da 1942 der bisherige Oberburgermeister der Stadt Mainz, Robert Barth , gefallen war, galt es den vakanten Posten neu zu besetzen. Ende August dieses Jahres entschied man sich fur Ritter. Seine ?Wahl“ war die kurzeste in der ganzen Historie der Stadt Mainz . Der Gauleiter von Hessen-Nassau, Jakob Sprenger , schlug ihn den 13 Ratsherren von Mainz am 31. August 1942 als neuen Oberburgermeister vor. Binnen neun Minuten war hieruber entschieden. Die Ernennungsurkunde bestellte Ritter fur 12 Jahre, also bis 1954, zum Oberburgermeister. Sie wurde ihm am 3. September 1942 in Anwesenheit von Wilhelm Frick , Reichsminister des Innern, und dem Landrat des Landkreises Mainz , der bis zu diesem Zeitpunkt das Amt vertretungsweise ausgeubt hatte, Wilhelm Wehner , uberreicht. Am 16. September 1942 ubernahm der Oberburgermeister erneut die Leitung des Gauamtes fur Kommunalpolitik der Gauleitung Hessen-Nassau fur die Dauer des Krieges . 1944 wurde er zudem (Ehren-)Mitglied der SA im Rang eines Hauptsturmfuhrers.

Ereignisse wahrend seiner Amtszeit

Weitere Mitgliedschaften und Amter

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  • Mitglied im Aufsichtsrat der Hessischen Staatsbank (1931)
  • Mitglied im Verwaltungsrat der Landeshypothekenbank (1931)
  • Mitglied im Verwaltungsrat der Hessischen Versicherungsanstalt fur gemeindliche Beamte (1933)
  • Mitglied im Verwaltungsrat der Hessischen Kommunalen Landesbank (1933)
  • Mitglied des Deutschen Gemeindetages , stellvertretender Vorsitzender der Landesdienststelle Hessen-Nassau im Deutschen Gemeindetag, zugleich Mitglied im Vorstand des Deutschen Gemeindetages (Mai 1933 bis 1945)
  • Mitglied im Kommunalen Elektro-Zweckverband Kassel (1934)
  • Leiter des Landesfremdenverkehrverbandes Rhein-Main (ab 13. Juni 1936)
  • Vorsitzender des Energieausschusses Rhein-Main (1939)
  • Vorsitzender der Sparkassen- und Verwaltungsschulen (1940)
  • Vorsitzender des Prufungsausschusses fur gemeindliche Beamte (1940)

Flucht, Neuanfang und Leben in der Nachkriegszeit (1945?1966)

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Nach einer letzten Durchhalterede vor den Dienststellenleitern der Stadtverwaltung floh Ritter am 20. Marz 1945 zusammen mit Dr. Wehner vor den anruckenden Amerikanern per Boot uber den Rhein und schlug sich bis nach Burg in der sowjetischen Zone durch. Im Sommer 1945 siedelte er in die britische Besatzungszone uber und tauchte im August desselben Jahres unter dem Pseudonym ?Heinz Moller“ in Deggendorf an der Donau unter, wo er als Industrievertreter lebte und arbeitete. Nach einem Gutachten der Prufungskommission Mainz wurde er am 11. August 1945 in Abwesenheit offiziell vom Dienst als Oberburgermeister der Stadt suspendiert. Erst zu Beginn der Amnestie meldete er sich am 4. Januar 1950 polizeilich unter seinem richtigen Namen im hessischen Kelsterbach , wo er bei seiner Mutter lebte. Das gegen ihn eingeleitete Spruchkammerverfahren wurde im Dezember 1950 von der Zentralspruchkammer Hessen eingestellt, woraufhin er in den Folgejahren gegen die Stadt Mainz einen Anspruch auf Versorgungsbezuge als ehemaliger Beamter gerichtlich geltend machte. Als letzter der drei Oberburgermeister von Mainz wahrend der NS-Zeit starb er am 15. Marz 1966 in Russelsheim.

  • Wolfgang Dobras : Der Nationalsozialismus in Mainz 1933?45 ? Terror und Alltag . (Katalog zur Ausstellung des Stadtarchivs Mainz 6. Marz ? 26. April 2008 im Rathaus Mainz; = Beitrage zur Geschichte der Stadt Mainz , Bd. 36), Mainz 2008.
  • Bruno Funk, Wilhelm Jung : Das Mainzer Rathaus , Eigenverlag Stadtverwaltung Mainz, Mainzer Verlagsanstalt und Druckerei Will & Rothe 1974
  • Jochen Lengemann : MdL Hessen. 1808?1996. Biographischer Index (= Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen. Bd. 14 = Veroffentlichungen der Historischen Kommission fur Hessen. Bd. 48, 7). Elwert, Marburg 1996, ISBN 3-7708-1071-6 , S. 312.
  • Franz Maier: Biographisches Organisationshandbuch der NSDAP und ihrer Gliederungen im Gebiete des heutigen Landes Rheinland-Pfalz. Veroffentlichungen der Kommission des Landtages fur die Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz , Bd. 28. Hase & Koehler, Mainz 2007. ISBN 3-7758-1407-8 .
  • Klaus-Dieter Rack, Bernd Vielsmeier: Hessische Abgeordnete 1820?1933. Biografische Nachweise fur die Erste und Zweite Kammer der Landstande des Großherzogtums Hessen 1820?1918 und den Landtag des Volksstaats Hessen 1919?1933 (= Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen. Bd. 19 = Arbeiten der Hessischen Historischen Kommission. NF Bd. 29). Hessische Historische Kommission, Darmstadt 2008, ISBN 978-3-88443-052-1 , Nr. 719.

Einzelnachweise

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  1. Ehrenburgerurkunde heute im Museum Alzey deponiert