Heinrich I.
(englisch
Henry I
; * um
1068
in
Selby
in
Yorkshire
; †
1. Dezember
1135
in
Lyons-la-Foret
in der
Normandie
) wegen seines Interesses an den Wissenschaften
Henry Beauclerk
oder
Henry Beauclerc
genannt, war von 1100 bis 1135
Konig
von
England
.
Heinrich war der jungste Sohn
Wilhelms des Eroberers
und seiner Ehefrau
Mathilde von Flandern
. Er regierte als Nachfolger seines Bruders,
Wilhelm II.
, genannt
William Rufus
. Heinrich erhielt den Beinamen ?Lowe der Gerechtigkeit“ (englisch
Lion of Justice
), da seine Herrschaft durch eine selbst auferlegte Machtbeschrankung der Krone gekennzeichnet war. Daneben sind aus seiner Regierungszeit die Beschleunigung der Verwaltung, die Wiedervereinigung der Domanen seines Vaters und die umstrittene Entscheidung, seine Tochter
Matilda
als seine Erbin einzusetzen, in Erinnerung geblieben.
Heinrich I. wurde zwischen Mai 1068 und Mai 1069, vermutlich in
Selby
,
Yorkshire
in
England
, geboren. Als jungster Sohn der Familie sollte er eigentlich Bischof werden und bekam eine hervorragende Schulausbildung ? so gut, wie sie fur junge Adlige gerade moglich war. Allerdings wurde er entgegen der ursprunglichen Planung mit etwa 18 Jahren zum Ritter geschlagen. Vermutlich zahlt er zu den wenigen
normannischen
Regenten, die fließend Englisch sprachen. Uberlieferungen zufolge war er von durchschnittlicher Große, untersetzt, im Alter dickleibig und hatte schutteres, dunkles Haar.
Mit dem Tod seines Vaters, Wilhelms des Eroberers, 1087 wurde das Land unter dessen Sohnen aufgeteilt:
Die beiden alteren Bruder schlossen den Pakt, dass wenn einer der beiden ohne Erben sterben wurde, beide Domanen ihres Vaters unter dem uberlebenden Bruder wiedervereinigt wurden. Als Wilhelm II. 1100 jedoch starb, war Robert noch auf dem Ruckweg vom
Ersten Kreuzzug
. Seine Abwesenheit, gepaart mit seinem schlechten Ruf unter den adligen Normannen, ebneten Heinrich den Weg, die Schlusselgewalt uber das konigliche Anwesen in
Winchester
zu ergreifen. Er wurde von den fuhrenden
Baronen
als Konig akzeptiert und drei Tage spater, am 5. August, in
Westminster
gekront. Seine Macht sicherte er sich insbesondere durch die
Charta der Freiheiten
, eine Vorgangerin der
Magna Charta
, die er den Adligen zugestand.
Am 11. November 1100 heiratete Heinrich I.
Edith
, eine Tochter von Konig
Malcolm III.
von
Schottland
. Da Edith zugleich die Nichte
Edgar Æthelings
war, verschmolz mit der Heirat die normannische Linie mit der alten angelsachsischen Linie der Konige. Die Heirat missfiel den normannischen Baronen jedoch, und als Konzession ihnen gegenuber anderte Edith ihren Namen in
Matilda
, als sie Konigin wurde.
Im folgenden Jahr 1101 versuchte Robert Curthose, die Krone mit einem Feldzug zuruckzuerobern. Dies scheiterte, und im
Vertrag von Alton
erkannte Robert Heinrich I. als Konig von England an und kehrte zunachst friedlich in die
Normandie
zuruck.
1105 fuhrte Heinrich, um die dauernde Bedrohung durch Robert Curthose zu bannen, ein Expeditionsheer uber den
Armelkanal
. 1106 besiegte er das normannische Heer in der vernichtenden
Schlacht bei Tinchebray
. Er ließ seinen Bruder einkerkern und gliederte das Herzogtum der
Normandie
als Besitztum
Englands
ein. So vereinigte er die alten Domanen seines Vaters. Nachdem er sich gegen seinen Bruder durchgesetzt hatte, unterstutzte Heinrich die
normannische Eroberung von Wales
. Dabei musste er sich teilweise gegen die machtigen anglonormannischen Barone der Grenzregionen durchsetzen, wobei sich der Konig nicht scheute, sich im Kampf gegen seine Barone mit walisischen Fursten zu verbunden. Nachdem seine Barone bereits große Teile von Sudwales unter normannische Herrschaft gebracht hatten, fuhrte Heinrich 1114 und 1121 selbst zwei Feldzuge gegen die walisischen Furstentumer. Unter dem Eindruck dieser Feldzuge blieb Wales zu weiten Teilen unter direkter normannischer Herrschaft oder zumindest Oberherrschaft. Erst unter Konig
Eduard I.
erreichte die anglonormannische Herrschaft uber Wales die Ausdehnung und das Ausmaß wie zur Zeit von Heinrich.
[1]
Nach dem Tod Heinrichs kam es in weiten Teilen von Wales zu einem
Aufstand gegen die normannische Herrschaft
. Nach Norden erreichte Heinrich I. 1124 durch die Thronbesteigung seines Schwagers
David
in Schottland eine Absicherung. Dagegen verlor er in Frankreich 1113 die Grafschaft Maine an
Fulko
,
Graf von Anjou
, und verhielt sich auch sonst in seinen normannischen Territorien defensiv.
Als Konig bemuhte sich Heinrich I. um Sozial- und Justizreformen:
Auf dem Feld der Kirchenpolitik geriet Heinrich I., ebenso wie einige Jahre zuvor im
Heiligen Romischen Reich
Kaiser
Heinrich IV.
, in den
Investiturstreit
hinein. Wahrend diese Auseinandersetzung auf dem Kontinent tobte, konnte sie in England trotz immer wieder aufflammender Streitigkeiten lange in ihrer vollen Scharfe vermieden werden. Hauptkontrahent Heinrichs war
Anselm von Bec
, der
Erzbischof von Canterbury
und damit hochste Kleriker Englands. Heinrich bestand auf dem Recht zur Einsetzung (Investitur) von hochrangigen Geistlichen sowie auf der Oberaufsicht des Konigs uber alle Verlautbarungen von Synoden und uber den Kontakt zwischen englischen Geistlichen und dem
Papst
. Anselm von Bec, der unter Wilhelm II. aus England geflohen war, kehrte unter Heinrich zuruck, weigerte sich aber, das Erzbistum aus des Konigs Handen zu empfangen und ihm Gefolgschaft zu leisten. Heftige Auseinandersetzungen folgten, auf deren Hohepunkt Anselm dem Konig mit Exkommunikation drohte. Auf der Synode von London 1107 versprach Heinrich I. daraufhin, keine Bischofe und Abte mehr einzusetzen. Allerdings unterstutzte der Konig die Kirchenreform auf anderen Gebieten. So versah er die neuen monastischen Reformorden, vor allem die Augustiner-Chorherren und zum Ende seiner Herrschaft hin die Zisterzienser, mit reichen Schenkungen. Entschlossen setzte er sich gegen die noch weit verbreitete Priesterehe und fur die Durchsetzung des
Zolibats
ein.
Was die Reichsorganisation betrifft, so setzte erst Heinrich I. die unter Wilhelm dem Eroberer begonnene Verbesserung wirklich um. Der
Exchequer
(Fiskus), jeweils einer fur England und fur die Normandie, wurde zum Knotenpunkt der Reichsverwaltung. Auf den englischen Exchequer bezogen sich die
Sheriffs
, die in jeder Grafschaft die koniglichen Abgaben eintrieben und in steigendem Maß auch Verwaltungsaufgaben wahrnahmen. Die konigliche Rechtsprechung weitete sich uber das ursprungliche Feld der Schwerkriminalitat auch auf Prozesse aus, bei denen es um Grundbesitz ging. Daruber hinaus stutzte sich die konigliche Verwaltung auch auf die Kirchenstruktur mit Bischofen und Abten als wichtigen Lehensnehmern. Auch schriftliche Erlasse des Konigs, so genannte
writs
, spielten eine immer großere Rolle. Die
pipe rolls
, Rechnungslisten des
Exchequers
, gehoren heute zu den wichtigsten Dokumenten der englischen Geschichtsschreibung. Die altesten Exemplare stammen aus der Zeit Heinrichs I.
Mit Matilda, die wahrend des Konigs Abwesenheit Regentenaufgaben ubernahm und sich um den Ausbau Londons verdient machte (
good queen Maud
), hatte Heinrich I. zwei Kinder, bevor sie 1118 verstarb:
Matilda
, geboren 1102, und
William Ætheling
, geboren 1103 ? beide sollten die einzigen ehelichen Kinder Heinrichs bleiben. Am 29. Januar 1121 heiratete er
Adelheid von Lowen
, die Tochter
Gottfrieds I.
, des Grafen von Lowen, doch aus dieser Heirat gingen keine Kinder hervor. Heinrich hatte jedoch zahlreiche uneheliche Kinder ? mehr als zwanzig sind bekannt ?, die im Zeitraum zwischen 1100 und 1120 geboren wurden (siehe unten). Die meisten unehelichen Sohne ubernahmen spater wichtige Furstentumer; die Tochter wurden nach politischen Gesichtspunkten verheiratet.
Am 25. November 1120 starben zwei seiner Sohne bei der Havarie des
Weißen Schiffs
an der Kuste der Normandie. Einer der beiden,
Richard
, war unehelich und wird in den Uberlieferungen nur sporadisch erwahnt, so dass die Vermutung geaußert wurde, er habe niemals existiert. Mit dem Tod des anderen, des aus der Ehe mit Matilda hervorgegangenen William Ætheling und einzigen ehelichen Sohnes Heinrichs, war das Konigreich jedoch in eine Krise geraten.
Da er ohne mannlichen Erben war, verpflichtete Heinrich I. ungewohnlicherweise seine Barone, seine Tochter Prinzessin
Matilda
als Erbin anzuerkennen. Sie war die Witwe Kaiser
Heinrichs V.
des Heiligen Romischen Reiches.
Heinrich I. starb an einer Lebensmittelvergiftung durch verdorbene
Neunaugen
im Dezember 1135 bei
St. Denis le Fermont
in der Normandie und wurde im Kloster
Reading Abbey
in
Reading
beigesetzt. Im Marz 2015 wurde bekannt, dass nach der erfolgreichen Suche nach den Uberresten Konig Richards III. geplant ist, auch die sterblichen Uberreste Heinrichs auf dem Gelande des großtenteils im 16. Jahrhundert zerstorten Klosters zu suchen.
[2]
Obwohl Heinrichs I. Barone Loyalitat gegenuber seiner Tochter Matilda als ihre Konigin geschworen hatten, gaben das Geschlecht Matildas und ihre Wiederverheiratung mit dem Geschlecht der
Anjous
, Feinden der Normannen, Heinrichs I. Neffen
Stephan von Blois
die Gelegenheit, um nach England zu kommen und den Thron mit der Unterstutzung des Volkes als Stephan fur sich zu beanspruchen.
Der Kampf zwischen Matilda und Stephan gipfelte in
einem langen Burgerkrieg
, der
anomische
Zustande hervorrief. Der Streit konnte schließlich beendet werden, nachdem Stephan 1153 Matildas Sohn
Heinrich
als seinen Erben bestimmte.
Der wichtigste zeitgenossische Geschichtsschreiber uber das Leben und Wirken Heinrichs I. ist
Ordericus Vitalis
. In seiner Kirchengeschichte wird der Konig haufig erwahnt.
Die bekannten unehelichen Kinder Heinrichs sind:
- aus der Verbindung mit Ansfride, Witwe von Anskill:
- Richard
, * vor 1101; † ertrunken 25. November 1120 (
Weißes Schiff
),
Earl of Suffolk
- Fulk, † klein
- Juliane
, nach 1119 Geistliche in der
Abtei Fontevrault
; ? 1103 Eustache de Pacy, Herr von
Breteuil
und
Pacy
, † 1136 (
FitzOsbern
)
- aus der Verbindung mit Edith, 1130 bezeugt
- Maud † ertrunken 25. November 1120 (
Weißes Schiff
); ? 1103
Rotrou III.
,
Graf von Perche
, † 20. Januar/23. April 1144
- aus der Verbindung mit Edith, Tochter von Forn Sigulfsson
- Robert FitzEdith, † 31. Mai 1172; ? Mathilde d’
Avranches
, Herrin von
Le Sap
, Lady of
Okehampton
, † 21. September 1173, Erbtochter von Robert d’Avranches, Witwe von William de
Courcy
- Reginald de Dunstanville
, † 1. Juli 1175, um April 1141
Earl of Cornwall
, ? Beatrice FitzRichard, Tochter des William
- Rochese, † wohl 1176, ? vor 1146 Henry de
la Pomerai
, † vor 1167
- William, 1120/87 bezeugt
- Gundred, wohl 1130 bezeugt
- Sibyl, † 12/13. Juli 1122; ?
Alexander I.
, † 23. April 1124, 1107
Konig von Schottland
- Henry
, X 1157; ? NN
- 2 Sohne
- Isabel
- aus der Verbindung mit unbekannten Frauen:
- Robert de Caen
, * wohl 1100; † 31. Oktober 1147, 1122 1.
Earl of Gloucester
; ?
Maud
(Mabel/Sibyl), † 1157, Tochter von
Robert FitzHamon
, Lord of
Tewkesbury
and
Glamorgan
, und
Sibyl de Montgomery
- William de Tracey
, † wohl 1135 oder 1140; ? NN
- Gilbert, 1142 bezeugt
- Maud; ?
Conan III.
Herzog von
Bretagne
, † 1148 (
Haus Cornouaille
)
- Richilde; ? Guillaume III Gouet, Lord of
Montmirail
, * vor 1080
- Constance (Maud); ? Roscelin de Beaumont,
Vizegraf von Maine
1145
- Alice; ? 1126
Mathieu I. de Montmorency
, † 1160, 1138
Connetable von Frankreich
(
Stammliste der Montmorency
)
Zur Nachkommenschaft der unehelichen Kinder siehe
Rolloniden
Heinrich I. wird unter anderem in mehreren Romanen erwahnt:
- ↑
Rees R. Davies:
The Age of Conquest. Wales 1063?1415.
Oxford University Press, Oxford 1991.
ISBN 0-19-820198-2
, S. 45
- ↑
Artikel auf bbc.co.uk
, abgerufen am 26. Marz 2015.