Heilige Allegorie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Heilige Allegorie (Giovanni Bellini)
Heilige Allegorie
Giovanni Bellini , um 1490/1500
Ol auf Holz
73 × 119 cm
Uffizien

Heilige Allegorie ist ein Gemalde von Giovanni Bellini , das um 1500 in Venedig entstanden ist. Es hangt heute in den Uffizien in Florenz. Das unsignierte, ratselhafte Bild, fur das bisher keine schlussige Deutung vorliegt, wurde in seiner Geschichte unter wechselnden Namen gefuhrt: Allegoria Sacra , Christliche Allegorie , Allegorie des Fegefeuers oder Madonna am See . [1]

Der Auftraggeber des Bildes ist nicht bekannt, es existieren bisher keine diesbezuglichen Quellen. Im 18. Jahrhundert befand es sich in der kaiserlichen Kunstsammlung der Habsburger in Wien. 1793 fadelte Luigi Lanzi , der damaligen Leiter der Uffizien, einen Tausch ein und erwarb das Bild, das zu diesem Zeitpunkt Giorgione zugeschrieben wurde. Erst 1876 erfolgte die allgemein akzeptierte Zuschreibung durch Giovanni Battista Cavalcaselle und Joseph Archer Crowe als Werk Bellinis. [2]

2010 wurde das Bild in den Uffizien einer Restaurierung unterzogen. [3]

Hinter einer breiten Terrasse am Ufer eines Sees erstreckt sich eine vielgestaltige Landschaft. Steile Felswande ragen an dem fjordartigen See auf, es gibt eine Stadtmauer, Hauser und in der Bildmitte im Hintergrund ein Schloss auf einem bewaldeten Hugel. Uber den blauen Himmel ziehen weiße Wolken.

Verstreut in der Landschaft sind Menschen und Tiere: zwei griechisch gekleidete Personen, die sich begrußen, ein Eselstreiber, ein Bauer mit einem Stock, ein Schafer sitzt nachdenklich in einer Hohle, und ein Kentaur schaut auf einen alten Mann, der muhsam eine Treppe hinuntersteigt. Auf einer der Steilwande ist ein großes Holzkreuz aufgerichtet.

Die Terrasse nimmt uber ein Drittel des Bildes ein. Sie ist umgeben von einer Balustrade , ist aufwendig mit weißem, schwarzem und farbigem Marmor belegt, in der Mitte offnet sich eine Tur zum See. Am Ufer wachsen vereinzelt Baume, die noch kahl oder schon fruhlingsgrun sind. Eine Reihe von Personen bevolkert die Terrasse, aber keiner hat Blickkontakt mit anderen. Auf der linken Seite thront auf einem funfstufigen antikisierenden Thron, der von einem roten Baldachin bekront wird, eine Frau, die in die kanonischen Farben der Jungfrau Maria gekleidet ist. Rotes Kleid, blauer Mantel, weißes Kopftuch, neben ihr eine Frau mit gefalteten Handen und einer Krone auf dem Kopf und eine weitere Frau, die keine Fuße hat und in der Luft zu schweben scheint. Auf der gegenuberliegenden Seite stehen nebeneinander zwei fast nackte Manner: Der Hl. Sebastian mit zwei parallelen langen Pfeilen in der linken Schulter und in der linken Kniescheibe und der Heilige Onophrius als alter Mann mit weißem langen Bart und einem Lendenschurz.

Hinter der Balustrade auf der linken Seite steht der Apostel Paulus mit gezucktem Langschwert, neben ihm Petrus , allerdings ohne seine ublichen ikonografischen Beigaben, und ganz links entfernt sich ein orientalisch gekleideter Mann mit weißem Turban aus dem Bild. In der Mitte der Terrasse wachst in einem Pflanzkubel ein Apfelbaumchen, an dem sich ein nackter Knabe festhalt. Um den Kubel herum spielen drei weitere Knaben mit Apfeln.

Kunsthistorische Einordnung

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Obwohl Auftraggeber und Ort der Prasentation des Bildes nicht bekannt sind, konnte es den sogenannten Poesie zugehoren, das sind poetische, stimmungsvolle Bilder, die voller gelehrter Anspielungen stecken. Die Auftraggeber saßen an den oberitalienischen Hofen der Renaissance ? wie z. B. in Ferrara, Urbino, Mantua oder Florenz ? und statteten ihre studioli auch mit derartigen Bildern aus. [4] Diese verratselten Bilder waren von Mitgliedern der humanistisch gebildeten Zirkel an den Hofen sehr wohl zu entziffern, auch wenn es sich um entlegene Quellen und ungewohnliche Anspielungen handelt. Ein Beispiel fur eine dieser entlegenen Quellen ist die Figur des Kentauren auf Bellinis Bild: Maffeo Vegio berichtet in seinem Buch Antoniados sive de vita et laudibus sancti Antonii von einer Begegnung des Heiligen mit einem Kentauren. Dieses Bildmotiv war in der spatmittelalterlichen Malerei und der Kunst der fruhen Renaissance durchaus verbreitet. [5] Bei dem Monch, der die Treppe heruntersteigt, konnte es sich also um Antonius handeln. Fur andere Figuren, z. B. die schwebende Frau, hat sich noch keine plausible Erklarung gefunden, wobei die Funktion dieser Figuren nach wie vor ungeklart bleibt. Das Bild gehort wie auch eine Reihe anderer Bilder, die zu dieser Zeit an den oberitalienische Hofen entstanden sind, und sich bisher jeder schlussigen und allgemein akzeptierten Interpretation entziehen.

  • Rona Goffen: Giovanni Bellini . Yale University Press, New Haven u. a. 1989.
  • Verena Auffermann : Das geoffnete Kleid. Von Giorgione zu Tiepolo . Essays. Berlin Verlag, Berlin 1999, ISBN 978-3-8270-0309-6 .
Kapitel: Der bleiche Sebastian. Giovanni Bellinis Legende vom besseren Leben. S. 55?74.
  • Graziella Magherini, Antonio Paolucci , Anchise Tempestini: La terrazza del mistero. La allegoria sacra di Giovanni Bellini, analisi storico-filologica e interpretazione psicoanalitica . Florenz: Nicomp 2004.
Commons : Heilige Allegorie (Bellini)  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  1. Gustav Ludwig: Giovanni Bellinis sogenannte Madonna am See in den Uffizien, eine religiose Allegorie, in: Jahrbuch der Koniglich Preussischen Kunstsammlungen. 23. Bd., 3./4. H. 1902, S. 163?186
  2. Gunter Brucher: Geschichte der venezianischen Malerei. Band 2. Wien: Bohlau 2010. S. 137.
  3. Antonio Natali, Marianta Signorini: Restorations - ?Allegoria Sacra“ from Giovanni Bellini , abgerufen am 13. November 2022
  4. A Room of One’s Own: The Studiolo , Italian Renaissance Learning. Studies, abgerufen am 27. Mai 2020
  5. Ludger Grenzmann u. a. (Hrsg.): Wechselseitige Spannungen zwischen den Religionen im Spatmittelalter und der fruhen Neuzeit. Berlin: De Gruyter 2020. S. 142