Das
Hauspferd
(
Equus caballus
) ist ein weit verbreitetes
Haus
- bzw.
Nutztier
, das heute in zahlreichen
Rassen
auf der ganzen Welt existiert.
Das Hauspferd ist die domestizierte Form des
Wildpferdes
, das mit den
Eseln
und
Zebras
die Familie der Pferde (Einhufer,
Equidae
) innerhalb der Ordnung der
Unpaarhufer
(Perissodactyla) bildet.
Merkmale
Außeres
Das Aussehen des Hauspferdes variiert in seinem Korperbau, der Korpergroße, Fell und Farbe. Je nachdem, zu welchem Zweck Pferde gezuchtet werden, unterteilt man deren Typen in sogenannte
Kaltbluter
,
Warmbluter
,
Vollbluter
,
Halbbluter
und
Ponys
. Die Bezeichnungen Kalt-, Warm- und Vollblut richten sich nicht nach der Warme oder gar Menge des Blutes des Pferdes, sondern benennen das vorwiegende Temperament des jeweiligen Pferdetyps. So reagieren Kaltbluter im Allgemeinen eher ruhig und wenig schreckhaft, wahrend Vollbluter eher als nervos und leicht erregbar gelten.
- Vollbluter basieren auf der
Araberzucht
und werden meist als Sportpferde eingesetzt. Man unterscheidet
Arabisches Vollblut
(ox) und
Englisches Vollblut
(xx). Beide Rassen sind meist sehr sensibel und bis zu 70 km/h schnell (Maximalgeschwindigkeit; die maximale Durchschnittsgeschwindigkeit auf 160 km betragt etwa 12?20 km/h
[2]
).
- Kaltbluter sind alle Pferderassen mit einem deutlich kraftigeren Korperbau, aber auch einem sehr viel sanfteren Gemut. Diese Zuchten stammen haufig aus kalteren Regionen. Aufgrund des ruhigen Temperaments und des kraftigen Korperbaus eignen sich diese Pferderassen besser als andere zum Ziehen schwerer Kutschen und als
Ruckepferde
.
- Warmbluter sind Zuchten, die mit einer
Kreuzung
von Kalt- und Vollblutern begannen. Bei diesen teils jahrhundertealten Zuchten wird versucht, die Vorteile beider Rassen hervorzuheben; das heißt, die Eleganz und Geschwindigkeit der Araber sowie das ruhige Temperament und die Robustheit der Kaltbluter. Da dies im Laufe der Jahrhunderte immer besser gelang, eignen sich Warmbluter fur praktisch alle Aspekte des Pferdesports. Diese Zuchten wurden inzwischen zu eigenen Rassen erklart.
- Halbbluter nennt man Pferde, die aus einer Kreuzung von Vollblutern mit einer anderen Pferderasse hervorgegangen sind, es muss also ein Elternteil ein Vollblut-Araber sein. Nachkommen zweier Halbbluter erfullen dieses Kriterium nicht mehr.
- Ponys sind Kleinpferde unter 1,48 m
Widerristhohe
(auch Stockmaß) mit meist stammigem Korperbau, starkem Gebiss und langer Lebenserwartung, die robust gehalten und zum
Reiten
und
Fahren
verwendet werden konnen.
Pferde sind
Zehenspitzenganger
, die allein auf der dritten, mittleren
Zehe
laufen. Die restlichen Zehen sind zuruckgebildet und am Skelett des Vorderbeins als rudimentare
Griffelbeine
erhalten. Weil die Augen seitlich am Kopf liegen, konnen Pferde fast rundum sehen (350°), haben jedoch ein schlechtes raumliches Sehvermogen. Was sich aber genau vor ihrer Nase oder hinter ihnen befindet, bemerken sie erst, wenn sie den Kopf drehen. Pferde sind zwar nicht
farbenblind
, konnen aber nicht alle Farben voneinander unterscheiden. Braun, grun und grau konnen Pferde nicht auseinanderhalten ? Farben wie weiß, rot, gelb und blau sehen sie hingegen besonders gut. Pferde sehen im Dunkeln besser als Menschen, brauchen jedoch langer, um sich auf schnelle Hell-Dunkel-Anderungen einzustellen.
Das Gehor des Pferdes ist sehr fein. Jede Ohrmuschel ist um 180° drehbar, dadurch ist das Pferd imstande, seine Ohren so zu stellen, dass es in alle Richtungen gezielt horen kann.
Weiteres zum
Korperbau
des Pferdes siehe:
Exterieur (Pferd)
.
Um in ihrem ursprunglichen Lebensraum vor
Raubtieren
sicher zu sein, entwickelten sich mit der Zeit verschiedene
Fellfarben
des Pferdes, eine der ersten davon war ein heller Braunton, der
falb
genannt wird. Typische Vertreter sind etwa die norwegischen
Fjordpferde
oder
Dulmener
, die sich außerdem durch einen deutlichen dunklen
Aalstrich
in der Mahne auszeichnen.
Um ein Pferd außerlich von anderen unterscheiden zu konnen, kann man sich die
Abzeichen
auf seinem Gesicht, seinem Korper und seinen Beinen zunutze machen. Die haufigsten Abzeichen im Gesicht sind: Stern, Schnippe, Flocke und Laterne, wobei man zwischen regelmaßig und unregelmaßig unterscheidet. Die Abzeichen von Stirn bis Maul werden generell als Blesse bezeichnet. Pferde konnen auch ein Krotenmaul, Kupfermaul, Milchmaul oder Mehlmaul haben, Letzteres ist besonders haufig beim
Mongolischen Wildpferd
oder beim
Exmoor-Pony
zu sehen.
Selten, je nach Rasse und Zuchtgebiet, kommen auch Aalstriche vor, die sich teilweise in Schweif und Mahne fortsetzen. Bei ?urtumlichen“ Rassen konnen auch Kreuze (Aalstrich und ein Querstreifen uber beide Schultern) oder Streifen auf den Beinen vorkommen. Kreuze und Streifen an den Beinen sind bei Pferden eher selten, bei Eseln hingegen recht haufig.
An den Beinen unterscheidet man lediglich die Hohe des Abzeichens, wobei ein ?hochweißer Fuß“ das großte und die ?weiße Krone“ das kleinste ist. Zur Identifizierung von Sportpferden werden auch Fellwirbel und Kastanien (Hornreste auf der Innenseite der Beine, Reste der funften Zehe) herangezogen (s. a.
Abzeichen
). Heutzutage konnen Turnierpferden
Transponder
eingesetzt werden, auf denen die personlichen Daten des Besitzers und die
Lebensnummer
des Pferdes gespeichert sind.
Das bleibende Gebiss der Pferde hat 36 bis 44 Zahne, das
Milchgebiss
der Fohlen hat 24 bis 28 Zahne (siehe auch
Zahnformel
und
Zahnaltersschatzung
).
Große, Alter, Fortpflanzung
Pferde erreichen je nach Rasse zwischen 40 cm (Minipony) und 220 cm (
Shire Horse
) Schulterhohe (
Widerrist
). Pferde mit einer Widerristhohe bis 148 cm bezeichnet man als Ponys. Alle Pferde, die dieses Maß uberschreiten, werden als
Großpferde
bezeichnet. Das Gewicht der Ponys und Großpferde kann zwischen 90 kg (
Falabella
) und 1200 kg (
Shire
) liegen.
Korperlich ausgewachsen sind Pferde mit sieben Jahren. Großpferde konnen ein Alter von etwa 20 bis 35 Jahren erreichen, Ponys konnen dagegen in seltenen Fallen bis zu 50 Jahre alt werden. Das hochste je fur ein Großpferd belegte Alter betragt
62 Jahre
. Das zu erreichende Lebensalter ist von Rasse, Haltungsbedingungen und Nutzung abhangig.
Stuten werden mit 12 bis 18 Monaten geschlechtsreif, Hengste erreichen die
Geschlechtsreife
zwischen dem 12. und 20. Lebensmonat. Die
Tragezeit
betragt bei allen Pferden rund 330 Tage (11 Monate) mit einer Streuung von 320 bis 355 Tagen. Je fruher im Jahr der Geburtstermin liegt, desto langer ist meist die Tragezeit. Der Brunstzyklus (
Rosse
) beginnt im Fruhjahr mit der starksten Rosse und nimmt dann immer weiter ab. Bedingt durch Wetterverhaltnisse und Umgebung kann die Rosse verschieden stark und lang sein. In Stallhaltung und bei intensiver Futterung konnen auch im Winter Trachtigkeiten erzeugt werden. Stuten sind nur alle 21 bis 24 Tage rossig. Nach ungefahr 11 Monaten bringt die Stute ihr Fohlen zur Welt, welches direkt danach versucht aufzustehen. Dies ist fur ein Fohlen in freier Wildbahn wichtig, da es sonst Fressfeinden zum Opfer fallen wurde.
Verhalten, Zucht und Haltung
Das Pferd ist ein typisches
Herdentier
und hat deshalb eine ausgepragte Korpersprache zur Verstandigung der Tiere untereinander.
Die beweglichen Ohrmuscheln konnen in alle Richtungen gestellt werden. Stehend abwechselnd nach vorne und hinten gerichtet, zeigt das Pferd Aufmerksamkeit und Neugierde, auch gegenuber dem Reiter und Kutscher. Werden die Ohren jedoch nach hinten an den Kopf angelegt, ist dies eine Warnung an einen vermeintlichen Aggressor und signalisiert meistens die bevorstehende
Abwehr
einer empfundenen Bedrohung oder eines Unterwerfungsversuchs mit Hufen oder Zahnen. Hangen die Ohren schlapp zur Seite, so ist dies entweder ein Zeichen fur Unwohlsein und/oder Mudigkeit oder ein Ausdruck von Unterwerfung, aber auch Entspannung. Letzteres kann, wenn die Augen dabei halb geschlossen sind, auch ein Zeichen fur Zufriedenheit sein.
Die kleinste soziale Einheit ist eine Gruppe
[3]
von 3 bis maximal 35 Tieren.
[4]
Die absolute Obergrenze ist unklar, da bei großeren Gruppen (20?35 Tiere) oftmals mehrere Hengste vorhanden sind, wobei eine klare Trennung in Untergruppen nicht zu erkennen ist. Innerhalb der Gruppe herrscht eine klar festgelegte
Rangordnung
. Bei Anderungen innerhalb der Gruppenstruktur, also z. B. Hinzukommen eines neuen Tieres oder Abgang eines Gruppenmitglieds, wird die Rangfolge neuerlich festgelegt. Dies geschieht meist durch Korpersignale wie Drohgebarden, aber auch Bisse und Tritte, wenn erforderlich. Auch das Beobachten von Interaktionen zwischen anderen Gruppenmitgliedern kann zu einer Anderung der Rangordnung des beobachtenden Tieres fuhren. Dass Pferde die Interaktionen ihrer Gruppenmitglieder beobachten und ihre Rangposition danach anpassen, konnte 2008 nachgewiesen werden.
[5]
Die Rangfolge kann außerdem durch heranwachsende Tiere in Frage gestellt werden, die im Laufe ihrer Entwicklung ihre Position in der Herde verandern. Hierbei ist jedoch oft zu beobachten, dass Jungtiere einer in der Rangfolge eher niedrig angesiedelten Stute ebenfalls eine niedrige Rangfolge einnehmen, wohingegen die Jungtiere einer ranghohen Stute auch bessere Aussichten auf eine hohere Rangposition haben.
Gruppen bestehen aus mehreren Stuten und ihren Fohlen sowie einem Hengst, bei großeren Gruppen manchmal mehreren Hengsten.
In der Regel bleiben Stuten in einer Gruppe zusammen, junge Hengste werden dagegen mit dem Erreichen der Geschlechtsreife vom
Alphatier
(Leithengst) aus der Herde vertrieben und bilden dann Jungverbande. In diesen messen sie ihre Krafte gegeneinander, um eines Tages eine eigene Herde zu erobern, indem sie den Leithengst zu einem Kampf herausfordern und besiegen. Vielfach leben ausgewachsene oder altere Hengste auch als Einzeltiere.
Manchmal losen sich einzelne oder mehrere Stuten aus einer bestehenden Gruppe heraus und schließen sich anderen Gruppen oder einem jungeren Hengst an und bilden mit ihm eine neue Gruppe.
Pferde sind
Fluchttiere
, was sich auch auf
ihr Schlafverhalten
auswirkt. Esel hingegen haben eine angeborene
Flucht
- oder Kampfreaktion. Esel leben, im Gegensatz zu Pferden, oftmals alleine mit ihren Fohlen und eine sofortige Flucht ist deshalb nicht immer moglich, ohne das Fohlen zu gefahrden.
[6]
In der Haltung als
Haus
- oder
Nutztier
sind in Zentraleuropa vor allem Stuten und
Wallache
verbreitet (auf der
Iberischen Halbinsel
Hengste anstatt Wallache), die sich in den meisten Fallen problemlos in eine mehr oder weniger große Gruppe einfugen. Hengste gelten wegen ihres
Geschlechtstriebs
und manchmal auch wegen der damit verbundenen moglichen Aggressivitat (Anwesenheit einer rossigen Stute und weiterer Hengste) als schwerer zu halten. Bemerken ein Hengst und eine rossige Stute einander, versuchen beide meist alles, um zueinander zu gelangen ? bei unangepasster Einzaunung der Weide oder des Stalls konnen sich die Tiere dabei Verletzungen zufugen. Hengste werden deshalb meist auf eigenen Weiden oder in abgetrennten Stallen gehalten. Zum
Decken
treffen sie meist nur kurz eine Stute. Oft wird die
kunstliche Besamung
vorgezogen, um Transport und Krankheitsubertragung zu vermeiden.
Die naturlichste Haltung eines Hengstes ist, ?Chef“ einer stabilen Stutengruppe (oder einer einzelnen Stute) zu sein. Das kann nur selten beobachtet werden. Vorteile sind der fast 100%ige Zuchterfolg, ausgeglichene Tiere und Fohlen mit einer guten Sozialisierung.
[7]
Die Haltung in Hengstgruppen gelingt nur, wenn genugend Platz vorhanden ist und Stuten nicht in der Nahe sind. Hengste gelten als schwierig, weil sie sehr emotional und sensibel auf ihre Umgebung reagieren. Sie konnen sehr schnell und heftig agieren. Dies erfordert im Umgang mit ihnen Konzentration, Voraussicht und Verstandnis.
[8]
Karyotyp und Genom
Das Pferd enthalt in den
Zellkernen
seine
genetische Information
in Form von 32
Chromosomenpaaren
(davon ein
Geschlechtschromosomenpaar
). Das
Genom
eines weiblichen
Englischen Vollbluts
namens ?Twilight“ war 2007 die Grundlage fur die erste
vollstandige Analyse
eines Pferdegenoms; es enthalt 2.474.929.062
Basenpaare
. Eine Schatzung uber die Anzahl der Gene ist nicht bekannt.
[9]
[10]
[11]
Domestizierung und Geschichte
Abstammung
Hauptsachlich in
Mittel-
und
Westasien
basierten einige der ortlich bestehenden
archaologischen Kulturen
des
Spatneolithikums
und der
Fruhbronzezeit
weitgehend auf der Nutzung der Pferde als Rohstoffquelle, nicht nur zu Nahrungszwecken, sondern auch fur die Werkzeugherstellung. Zu den bekanntesten Kulturgruppen, die das Pferd nutzten, gehoren die
Chwalynsk-Kultur
in
Russland
, die
Jamnaja-Kultur
und die
Botai-Kultur
in Nord-
Kasachstan
. Diskutiert wurde lange, ob die genutzten Pferde Wildfange oder domestizierte Tiere waren. Zumindest die Pferde der sich um 3500 v. Chr. herausformenden Botai-Kultur weisen fur Trensen typischen Abnutzungsspuren an den
Pramolaren
auf, was auch auf eine Verwendung zum Reiten deuten kann, was die Beweglichkeit beim Huten und Aufenthaltswechsel erheblich erleichtert hatte.
[12]
[13]
[14]
[15]
Der Ansicht wird teilweise widersprochen
[16]
eine Studie aus dem Jahr 2018 an Pferdefragmenten aus der Botai-Kultur ergab, dass diese eventuell fruhen domestizierten Pferde jedoch nicht in der Linie der heutigen Hauspferde stehen. Stattdessen bilden sie die Basis des
Przewalski-Pferdes
, das lange Zeit als ursprungliche Wildform galt.
[17]
Das heutige Hauspferd (fruher
Equus przewalskii f. caballus L.
benannt).
Librado et al. (2021) stellten fest, dass alle heutigen Hauspferde auf Mutationen sudlich der Unterlaufe des
Don
und der
Wolga
um etwa 3000 v. Chr. zuruckgehen. Dort herrschte um diese Zeit die spatneolithische
Jamnaja-Kultur
, sudlich davon die
Maikop-Kultur
.
[18]
[19]
Im Laufe der Zeit wurden immer wieder regional Wildformen eingekreuzt.
[20]
[21]
DNA-Analysen
an Funden pleistozaner und fruhholozaner Wildpferde und an Hauspferden des Neolithikums sowie der
Bronze-
und
Eisenzeit
erbrachten eine relativ hohe Farbvielfalt, die sich vermutlich erst in der Domestikation und Zucht herausgebildet hat.
[22]
[23]
Zu einem ahnlichen Ergebnis kam bereits eine Studie aus dem Jahr 2019, die darauf hinwies, dass bei heutigen Hauspferden ein bedeutender Einfluss persischer Tiere besteht, der sich erst im letzten Jahrtausend durch die teils starke
islamische
Pragung einiger Regionen Europas herausgebildet habe. Außerdem fuhrten moderne Zuchtpraktiken zum Ruckgang der Diversitat bei den Hauspferden.
[18]
Mitunter geschah dies aber auch schon in fernerer Vergangenheit, wie dies am Beispiel der ?leopardfleckigen“ Pferde (hauptsachlich weiße Tiere mit schwarzen Flecken, Typ
Tobiano
) gezeigt werden konnte. Diese sind genetisch seit dem ausgehenden Pleistozan bekannt und fanden auch Einzug in den Genpool fruher Hauspferdepopulationen seit dem mittleren
Neolithikum
. In der Folgezeit verschwanden sie aber mehrfach und wurden offensichtlich wieder erneut eingefuhrt. Ein Grund fur das mehrfache Wegzuchten dieses Merkmals konnte darin liegen, dass der Nachwuchs unter Umstanden nachtblind ist und dadurch eventuell leichter Raubtieren zum Opfer fallt.
[24]
[23]
Das Hauspferd erschien im westlichen Eurasien wohl schon im
Neolithikum
. Erste Hinweise fur regelmaßiges Reiten fanden sich an rund 5000 Jahre alten menschlichen Knochen, welche der Jamnaja-Kultur Osteuropas zugeordnet wurden.
[25]
Dazu gehort etwa ein Pferdeschadel, der im
trichterbecherzeitlichen
Erdwerk von
Salzmunde
in Sachsen-Anhalt intentionell niedergelegt worden war. Er datiert auf etwa 3400 bis 3100 v. Chr. Weitere sehr fruhe Hinweise auf domestizierte Pferde in Mitteleuropa wurden unter anderem aus Vy?kov in
Sudmahren
berichtet. Hier lagen in einem Grab mit menschlichem
Leichenbrand
aus der Zeit der
Glockenbecherkultur
zwei Pferdeschadel.
[26]
Auf eine regelmaßige Verwendung als Reittier weist z. B. das bronzezeitliche
Reiterfelsbild von Tegneby
in Schweden und Funde von
Trensen
.
[27]
Geschichte des Hauspferds
Die Domestizierung des Pferdes brachte den beteiligten Volkern einen außerordentlichen Vorteil: Weite Strecken waren in viel kurzerer Zeit zu uberwinden, was das Aufrechterhalten großer Reiche einfacher machte. Des Weiteren wurden sie, wie vielfach auch heute noch, als Fleischlieferant genutzt und leisteten als wertvoller Helfer in kriegerischen Auseinandersetzungen gute Dienste. Durch das Pferd waren neue Angriffs- und
Kriegstechniken
moglich.
Alter Orient
Die fruhen Großreiche der
Assyrer
und
Hethiter
sowie die
Hurriter
im
Mitanni
-Staat profitierten von der Nutzbarmachung des Pferdes im Krieg. Pferde kamen hierbei sowohl als Reit- als auch als Zugtiere (z. B. von
Streitwagen
) zum Einsatz. Ein Handbuch zur
Ausbildung
von Pferden stammt von
Kikkuli
. Um das Jahr
1700 v. Chr.
drangen die
Hyksos
wohl aus der sudlichen
Levante
kommend in
Agypten
ein. Den Agyptern waren Pferde bis dahin unbekannt und sie waren den Hyksos im Kampf so weit unterlegen, dass diese
Unteragypten
erobern konnten.
Steppenzone
David Anthony
fand Im ukrainischen
Derijiwka
Pferdezahne mit Abnutzungsspuren, die auf den Gebrauch von Zaumzeug zum Reiten hinwiesen. Er ordnete sie der
Sredny-Stog-Kultur
zu (4000 v. Chr.).
Damit galt dies als Beleg fur die alteste Pferdedomestikation. (
Lit.
: Anthony, 1986, 1991). Doch korrigierte Anthony selbst (2000) die Datierungen des Zahns auf die Zeit zwischen 700 v. Chr. und 200 v. Chr. und damit in die Skythen-Zeit.
[28]
Die fruhen
nomadischen
Volker
Zentralasiens
erfanden im dritten vorchristlichen Jahrtausend den Sattel. Spater berichtete der
griechische
Historiker
Strabon
uber die außerordentlichen Reitkunste der
Skythen
.
Mitteleuropa
Aus
Europa
sind Pferdereste seit der
Altsteinzeit
belegt und brechen auch nach der Wiederbewaldung nach der
letzten Eiszeit
nicht ab. Ab wann das Pferd in Europa domestiziert wurde, ist wegen der schwierigen Unterscheidung zwischen Haus- und Wildtierknochen umstritten.
Bei
Ergolding
, Landkreis
Landshut
, wurde zusammen mit Keramikresten eine
Trense
aus Knochen gefunden, die auf 1400 v. Chr. datiert werden konnte, ein ahnliches Objekt stammt aus
Fuzesabony
in
Ungarn
(1500 v. Chr.). Dieser Fund ist ein Hinweis fur die nun kommende Zeit des Pferdes und der
Reiter
. In der
Urnenfelderzeit
(ca. 1300/1200?800/750 v. Chr.) finden sich sodann die beruhmten Wagengraber, bisher z. B.
St. Winghardt
, ein
Wagengrab
der spaten Bronzezeit von
Poing
. Eine
Pfeilspitze
in einem Pferdewirbel, gefunden in einer Hohle des Blauen Bruches in
Kaisersteinbruch
im Burgenland, Osterreich ? ist Beweis fur alteste schwere Hauspferde ? erzahlt von ersten Besiedlungsspuren um 800?700 v. Chr.
Somit lasst sich die Verwendung des Hauspferdes in Suddeutschland in die
Urnenfelder
- oder
Jungere Bronzezeit
datieren.
Aus
keltischen
Heiligtumern sind Belege fur
Pferdeopfer
bekannt (z. B.
Gournay-sur-Aronde
, Frankreich).
Bei den
Germanen
dienten Pferde als Orakel, ein Brauch, der auch von den fruhmittelalterlichen Slawen belegt ist (
Jaromarsburg
). In
Tacitus
’
Germania
(fruhestens 98 n. Chr.) ist Folgendes uber Pferde bei den Germanen vermerkt:
?Und der verbreitete Brauch, Stimme und Flug von Vogeln zu befragen, ist auch hier bekannt; hingegen ist es eine germanische Besonderheit, auch auf Vorzeichen und Hinweise von Pferden zu achten. Auf Kosten der Allgemeinheit halt man in den erwahnten Hainen und Lichtungen
Schimmel
, die durch keinerlei Dienst fur Sterbliche entweiht sind. Man spannt sie vor den heiligen Wagen; der
Priester
und der Konig oder das Oberhaupt des Stammes gehen neben ihnen und beobachten ihr Wiehern und Schnauben. Und keinem Zeichen schenkt man mehr Glauben, nicht etwa nur beim Volke: auch bei den Vornehmen, bei den Priestern; sich selbst halten sie namlich nur fur Diener der Gotter, die Pferde hingegen fur deren Vertraute.“
Antike
In den
Homerischen Epen
der
Antike
ziehen Pferde vor allem
Streitwagen
, wie dies auch im
agyptischen Neuen Reich
und bei den Assyrern und Hethitern ublich gewesen war. Bei der Bestattung des
Patroklos
(
Ilias
23, 163) wurden auch Pferde geopfert:
?
...vier halskraftige Rosse warf er stracks auf das Scheitergerust mit heftigem Stohnen...
“
Das Pferd galt in der griechischen Antike daruber hinaus als symbolisch mit dem Tod verbunden. Auf Heldenabbildungen durchs Fenster schauend dargestellte Pferde deuten den Tod des Helden voraus.
Seit der
geometrischen Zeit
kommen Streitwagen außer Gebrauch.
Kavalleristen
auf immer großer gezuchteten Pferden erwiesen sich mit zunehmender Reitkunst als schneller, wendiger und damit effektiver als Kampfer auf Streitwagen. Bereits in der griechischen Antike hatte die Pferdezucht ein hohes Niveau erreicht, obwohl keine Hinweise auf die Zucht verschiedener Schlage vorliegen. Griechische Reitpferde erreichten eine Schulterhohe von bis zu 140 cm, in Ausnahmefallen auch bis zu 147 cm. Ahnlich groß waren romische Pferde, sowie germanische Pferde der
romischen Kaiserzeit
.
[29]
Bei den
Olympischen Spielen der Antike
waren traditionell am zweiten Tag die Disziplinen Wettreiten und
Wagenrennen
vorgesehen.
Der griechische Historiker
Xenophon
schrieb im 4. Jahrhundert v. Chr. das Werk
Peri hippikes
(?Uber die Reitkunst“), in der er das Wissen uber Pferde und Reiten zusammentrug. Die meisten Ratschlage aus diesem Werk haben auch heute noch Gultigkeit.
Das
Hufeisen
wurde bereits von den
Romern
verwendet. Der genaue Ursprung dieser Erfindung ist allerdings unbekannt. Dagegen gelang es den Romern nicht, ein fur Pferde geeignetes Lastgeschirr zu entwickeln. Geeignete Methoden fur den
Lasttransport
mit Pferdekarren kamen erst sehr viel spater auf.
Mittelalter
Am Ubergang der Antike ins Mittelalter, also in der Volkerwanderungszeit nahm die Große der Pferde geringfugig zu. Aus den zahlreichen
Pferdegrabern
dieser Zeit ergibt sich eine Widerristhohe von etwa 120 bis 150 cm. Spatestens seit dem 8. Jahrhundert lasst sich eine gezielte Zucht von Streitrossen
[30]
beziehungsweise Gebrauchspferden, etwa
Zeltern
nachweisen.
[29]
Im fruhen Mittelalter breitete sich der Steigbugel allmahlich in Mitteleuropa aus, der vermutlich von den
Awaren
eingefuhrt wurde, aber sich offenbar nur allmahlich verbreitete.
[31]
Der Einsatz des Pferdes als Arbeitstier wurde erst im 9. Jahrhundert durch die Einfuhrung des
Kummets
moglich. Das Kummet ist ein gepolsterter Halskragen und wurde in China erfunden. Die bis dahin ublichen Geschirre schnurten den Pferden bei großer
Zugkraft
die Luft ab und waren nur fur leichtlaufende Wagen, nicht aber fur schwere Arbeit geeignet. Vorher wurden in der
Landwirtschaft
vor allem
Ochsen
eingesetzt, denen das Zuggeschirr an den Hornern befestigt wurde. Durch das Kummet konnten Pferde zum Beispiel zum Ziehen eines
Pfluges
eingesetzt werden. Da ihre Arbeitsleistung bedeutend großer als die von Ochsen war, bedeutete dies zusammen mit anderen Neuerungen wie der
Dreifelderwirtschaft
eine
landwirtschaftliche Revolution
. Ochsen blieben jedoch vielerorts die vorwiegenden Zugtiere von schwerem Ackergerat. Das zur gleichen Zeit eingefuhrte
Brustblattgeschirrs
verbesserte die Zugleistung des Pferdes vor einem Wagen.
[29]
Gab es im Fruhen Mittelalter nur relativ geringe preisliche Unterschiede, waren Reittiere im Hochmittelalter wesentlich teurer als Zugpferde
[29]
und nahezu ausschließlich dem
Adel
vorbehalten. Durch den Einsatz von berittenen Kampfern in Schlachten bildete sich die Schicht der
Ritter
heraus. Aus dieser zunachst rein militarisch begrundeten Tradition des Reitens entstand spater die klassische hofische
Reitkunst
.
Als alteste Pferderasse kann der
Araber
gelten, der auf der Arabischen Halbinsel gezuchtet wurde. Bereits im 9. Jahrhundert kamen einige dieser wertvollen Tiere nach Europa. In Mitteleuropa begann sich die
Pferdezucht
verschiedener Rassen erst im spaten Mittelalter starker zu entwickeln. So wurden fur die durch ihre Panzerung immer schwerer werdenden Ritter großere, kraftigere und damit auch eher grobknochige Pferde benotigt. Das klassische Ritterpferd des 14. Jahrhunderts ist das Resultat dieser Bestrebungen. Vereinzelte Funde von sehr großen Pferden mit einer Schulterhohe von 160 cm belegen diese Versuche sehr große Pferde zu zuchten. Die spatmittelalterlichen Ritterpferde waren allerdings keine
Kaltblutpferde
. Diese riesigen Tiere sind eine Zuchtung der Neuzeit und erst seit dem 19. Jahrhundert weiter verbreitet.
[29]
Neue Welt
Die amerikanischen Wildpferde waren zum Ende des
Pleistozans
ausgestorben. Die Spanier brachten das Hauspferd nach
Amerika
. Einige der Pferde entliefen und bildeten Herden frei laufender
Mustangs
. So begegneten die
Indianer
erstmals Pferden. Der Kontakt veranderte die Lebensweise mancher Volker radikal. Vor allem die Volker der
Prarien
Nordamerikas profitierten von der erheblich vergroßerten
Mobilitat
, die Vorteile bei der Nahrungsbeschaffung, beim Umzug des Lagers (Transport) und auf Kriegszugen brachte. Vor allem jedoch ermoglichte das Pferd den Menschen die Besiedlung der trockenen
Great Plains
, die vorher nur in den Randbereichen genutzt werden konnte.
[32]
Neuzeit
Aus dem großen, schweren Pferdetypus der mittelalterlichen Ritter gingen nach dem Niedergang der Ritterzeit die heutigen
Barockpferde
hervor. Seit der
Barockzeit
waren spanische Pferderassen wie die
Andalusier
sehr beliebt geworden. Sie waren aus der Veredelung von einheimischen spanischen Pferderassen mit
Araberpferden
entstanden. Im Jahr 1562 importierte
Kaiser Maximilian II
solche Pferde nach Osterreich. Aus diesen Tieren entstanden spater die bekannten
Lipizzaner
. Nur wenige Jahre spater, im Jahr 1572, begann auch die Tradition der
Spanischen Hofreitschule
in Wien.
Eine ganz andere Art von Pferd ist das
englische Vollblut
, dessen Zucht in England im 17. Jahrhundert begann, indem importierte orientalische Hengste mit englischen Rennpferden gekreuzt wurden. Ihr Temperament, ihre Ausdauer und Schnelligkeit lasst sie bis heute den prestigetrachtigen
Galopprennsport
dominieren.
Noch bis ins 19. Jahrhundert bestand ein hoher Bedarf an Pferden, was sich unter anderem auch im Handel zeigte. So exportierte im Jahr 1887 Deutschland 11.428 Pferde im Wert von 657.100 Britischen Pfund nach England, importierte jedoch fast siebenmal so viele Pferde aus England (73.519 Pferde im Wert von 3.002.450 Britischen Pfund).
[33]
Die Erfindung von
Automobil
und
Traktor
machte im Verlauf des 20. Jahrhunderts das Pferd als Transportmittel und als Arbeitstier in den
Industrielandern
uberflussig.
Verwendung im Dienst des Menschen
Wahrend Vollbluter und die etwas ruhigeren Warmbluter
Reittiere
sind und auch als
Zugtiere
vor leichten
Kutschen
verwendet werden, sind die eher massigen Kaltbluter von langsamerer Gangart und fast ausschließlich Zug- und Arbeitstiere. Letztere wurden in der Vergangenheit zum Ziehen von schweren
Fuhrwerken
, zum Bestellen von Ackern (
Ackergaul
), zum Schleppen von gefallten Baumen (
Ruckepferd
), zum
Treideln
von Schiffen (
Kanalpferd
) und ahnlichen Kraftarbeiten eingesetzt. Da moderne Forst- und Ackermaschinen die Pferde aus diesen Bereichen verdrangt haben, sind Kaltbluter heutzutage selten geworden. Mittlerweile werden Pferde zunehmend wieder bei Garten- und Forstarbeiten eingesetzt, da sie den Boden kaum verdichten und im Wald flexibler und bestandsschonender als
Maschinen
arbeiten.
In den Anfangszeiten des
Schienenverkehrs
wurden im 19. Jahrhundert haufig
Arbeitspferde
im
offentlichen Personennahverkehr
als
Zugtiere
fur
Pferdebahnen
als
Eisen
- oder
Straßenbahn
eingesetzt, bis sie noch vor dem 20. Jahrhundert durch die
Dampflokomotive
oder den
elektrischen
Straßenbahn-
Triebwagen
verdrangt wurden. In vielen Stadten existierende
Pferdeomnibus
-Linien wurden durch
motorbetriebene
Omnibusse
ersetzt.
Noch in den 1950er und 1960er Jahren wurden
Ponys
als
Grubenpferde
eingesetzt, die unter hartesten Arbeitsbedingungen unter Tage die Forderwagen zwischen Stollen und Forderkorben transportierten.
Die meisten Pferde werden heute als
Sport- und Freizeitpferde
gehalten. Als Freizeitpferde werden haufig auch großere Ponys wie
Haflinger
,
Norweger
oder
Tinker
gehalten, die sich vor allem durch
Leichtfuttrigkeit
(?gute Futterverwerter“) und Anspruchslosigkeit auszeichnen. Als Gebrauchspferd dient heute noch das
Polizeipferd
, das meistens aus der Sparte der großeren Rassen, wie beispielsweise der
Hannoveraner
oder der
Westfalen
kommt.
Bei der deutschen
Bundeswehr
(Kompanie in Einsatz- und Ausbildungszentrum fur Gebirgstragtierwesen 230 der
Gebirgsjagerbrigade 23
in
Bad Reichenhall
) und im
Osterreichischen Bundesheer
(
Tragtierkompanie der 6. Jagerbrigade
in
Hochfilzen
) werden noch Haflinger und
Maultiere
als Tragtiere gehalten und ausgebildet. Die
Schweizer Armee
verwendet auch in der reformierten ?
Armee XXI
“ in ihren
Train-Kolonnen
noch
Freiberger Pferde
,
Schweizer Warmblutpferde
(als Offizierspferde) und Maultiere. Die Ausbildung erfolgt im ?Kompetenzzentrum Veterinardienst und Armeetiere“ in
Urtenen-Schonbuhl
.
Einige Lander mit schwer zu uberwachenden Grenzen setzen vereinzelt berittene Patrouillen ein (z. B.
Schweiz
). Eher selten sind
Sanitatspferde
in Sanitatsreiterstaffeln.
In
Deutschland
wurden 2006 etwa eine Million Pferde gehalten. In der Schweiz gehorten per 2018 gemaß
Bundesamt fur Statistik
79.934 Tiere der Pferdegattung zum Nutztierbestand der Landwirtschaftsbetriebe (1985: 37.354; 1996: 51.485; 2010: 82.520).
[34]
Futterung
Traditionelle Futtermittel sind neben dem Weidegang
Heu
,
Stroh
sowie
Hafer
und Fertigfuttermittel mit einem Eiweiß-Starkewertverhaltnis von 1:8?10 in der taglichen Futterration. Der Grundfutterbedarf wird bei einem Warmblutpferd mittlerer Große mit 6 kg Heu pro Tag gedeckt. Pro Stunde Arbeit wird ein Zusatz von ca. 1 kg Kraftfutter bis maximal 5 kg pro Tag (meist in Form von Hafer) empfohlen. Daruber hinaus sind bei der Pferdefutterung die individuellen Bedurfnisse eines jeden Tieres zu berucksichtigen. So haben
Fohlen
und Jungpferde sowie tragende und saugende Stuten einen deutlich erhohten
Eiweißbedarf
, bei Sportpferden sollte hingegen auf den Einsatz von besonders energiereichen Futtermitteln geachtet werden und bei alteren Pferden muss auf die geringere Futterverwertbarkeit Rucksicht genommen werden. Besondere Aufmerksamkeit verdient auch die
Mineralstoffversorgung
, da es hier oft zu Mangelerscheinungen kommt. Um dem Pferd die Moglichkeit zu bieten, seinen Mineralhaushalt selber zu regulieren, kann man
Lecksteine
vorzugsweise in den Futtertrog legen. Ein Salzleckstein (Kochsalz, chemisch Natriumchlorid) ist unverzichtbar. Minerallecksteine, die zusatzlich Spurenelemente enthalten, werden nicht von allen Pferden akzeptiert.
Pferde benotigen genugend Raufutter (Heu und Stroh). Das Raufutter spielt bei der Intakthaltung der
Bakterien
-Besiedlung im Darmtrakt des Pferdes eine wichtige Rolle. Zudem dient es beim Kauen der Zahnpflege und beugt der Zahnhakenbildung vor. Die Deckung des Energiebedarfs durch hauptsachliche Haferfutterung ist gesundheitsschadlich. Viele Fertigfuttermittel bestehen zum großten Teil aus gepresstem Heu. In diesem Fall ist erwiesen, dass die Tiere pro Zeiteinheit das Mehrfache an Heu zu sich nehmen wie bei Heufutterung und infolgedessen entweder eine Uberfutterung erleiden oder (bei korrekter Menge) die meiste Zeit unbeschaftigt und gelangweilt herumstehen mussen.
Pferde benotigen mindestens taglich Wasser. Die Menge hangt in hohem Maß von Witterung, Futterung und Gewicht ab und kann bis zu 60 Liter am Tag betragen, bei reiner Grunfutterung aber auch nur ein bis zwei Liter am Tag bei ca. 500 kg Korpergewicht betragen. Mangelnde Wasserversorgung kann zu schweren Verdauungsstorungen bis zu lebensgefahrlichen Koliken fuhren. Zur Wasserversorgung kann eine
Selbsttranke
dienen, bei der das Pferd durch Druck auf eine Metallzunge das Trankebecken selbst befullt. Die Funktion ist gegeben, wenn im Becken ein Rest Wasser steht ? das sollte kontrolliert werden.
Das Futter muss fur Mause unzuganglich gelagert werden. Heu muss trocken eingebracht und gelagert werden, sonst besteht die Gefahr der Selbstentzundung oder auch von Faulnis und Schimmelbildung, verbunden mit der Bildung toxischer Substanzen, die zu Husten, Kotwasser, Koliken oder sogar
Abort
fuhren konnen.
[35]
Zur Messung der Restfeuchte (idealerweise 15 bis 20 %) und der Temperatur (unter 50 °C
[36]
) im Inneren der Ballen oder Haufen gibt es daher spezielle Messgerate.
Fur Pferde giftige
[37]
Pflanzen, unter anderem Efeu,
Greiskrauter
, Hahnenfußgewachse, Farn, Bergahorn, Eisenhut, Eibe, Fingerhut, Jakobskreuzkraut, Johanniskraut, Robinie, Lebensbaum Seidelbast, Tollkirsche, Lupine werden wenn uberhaupt nur gefressen, wenn keine ausreichende Versorgung besteht oder die Pferde nicht gelernt haben, die Pflanzen zu meiden. Auch im Heu konnen viele dieser Pflanzengifte erhalten bleiben und konnen dann vom Pferd nicht erkannt werden. Insbesondere dadurch kommt es zu schweren Krankheitsfallen.
Gemahtes Grunfutter oder gar Hachsel wird oft wesentlich kritikloser gefressen als Gras, Krauter oder Straucher auf der Weide, wo die Tiere besser wahlen konnen, was genießbar ist. Hier sortieren sie sogar versehentlich abgerupfte, ungenießbare Pflanzen ohne Unterbrechung des Grasens und Kauens aus.
Am Anfang und Ende der Weidesaison wird zur Vorbeugung von Verdauungsstorungen und
Koliken
allmahlich umgestellt, d. h. anfangs nur kurzer, im Verlauf von zwei bis drei Wochen erweiterter Weideaufenthalt (sonst droht Durchfall) und im Herbst langsam erhohte Zufutterung von Heu (Verstopfungsgefahr). Auch Fallobst kann problematisch sein, wenn z. B. witterungsbedingt der Weidegang unterbrochen wurde und sich dadurch ungewohnt große Mengen an herumliegendem Obst angesammelt haben.
Leistungsvermogen des Hauspferdes
Die
Pferdestarke
(PS) als Maß fur die Leistung geht auf
James Watt
(1736?1819) zuruck, der mit dieser Leistungsangabe seiner Dampfmaschinen deren Uberlegenheit gegenuber dem Antrieb durch Pferde vermitteln wollte.
[38]
1 PS ist nach
DIN
66036 als die Leistung definiert, die erbracht werden muss, um einen Korper der
Masse
m = 75 kg entgegen dem
Schwerkraftfeld
der Erde (bei
Erdbeschleunigung
9,80665 m/s²) mit einer Geschwindigkeit von 1 m/s zu bewegen.
[39]
Die Leistung eines Pferdes kann je nach
Rasse
, Trainingszustand oder augenblicklicher Anstrengung erheblich von diesem Maß abweichen.
Die normale Dauernutzleistung im Schritt soll entsprechend einer Untersuchung von Johannes Flade bei einem Kaltbluter von 750 kg Lebendgewicht
[40]
1,2 PS, einem 600 kg schweren Warmblut 1,1 PS und einem 200 kg wiegenden Shetlandpony 0,4 PS betragen.
[41]
Nach Gustav Fischer (Landmaschinenkunde 1928) konnen schwere Pferde wie
Belgier
/
Rheinlander
mit 700?800 kg Lebendgewicht bei langsamer Schrittgeschwindigkeit von 1 m/s eine Dauerzugkraft von 100 kg
[42]
, leichtere Lastpferde aus
Holstein
oder
Oldenburg
mit Lebendgewichten von 600?650 kg mit Geschwindigkeiten von 1?1,2 m/s eine Dauerzugkraft von 75?80 kg erbringen.
Dass Kaltblutpferde kurzfristig nahezu 30 PS und Warmblutpferde beim
Galopp
oder beim
Springreiten
kurzfristig uber 20 PS leisten konnen, wurde in zahlreichen Leistungsprufungen durch die
Zuchtverbande
der
Pferderassen
festgestellt.
Bei den schwierigsten
Springturnieren
uberspringen die Pferde mit Reiter Hindernisse mit bis zu 1,6 m Hohe.
Je nach Dauer und Art der Belastung des Pferdes kann es zu fruhzeitigen Erkrankungen kommen. Genannt seien zu harte, zu fruhe oder einseitige Belastung, aber auch fehlerhafter Hufbeschlag.
Fleisch-, Milch- und Lederlieferant
Vor der Domestikation des Pferdes wurden die Tiere als Fleischlieferanten gejagt. Auch im Krieg war
Pferdefleisch
oft Nahrungsbestandteil. So erhielten z. B. deutsche Soldaten der in der
Schlacht von Stalingrad
(1942/1943) eingekesselten 6. Armee anfangs noch als Tagesration 200 g Brot, 120 g Frischfleisch oder 200 g Pferdefleisch, 50 g Kase oder 75 g Frischwurst, 30 g Butter, Margarine oder Schmalz bzw. 120 g Marmelade, 3 Portionen Getranke und 3 Zigaretten, 1 Zigarre oder 25 g Tabak.
[43]
Im Deutschland sank die Produktion von Pferdefleisch von etwa 4500 Tonnen im Jahre 1993 auf etwa 914 Tonnen im Jahre 2021.
Eine regionale Spezialitat, die ursprunglich aus Pferdefleisch hergestellt wird (heute oft ersatzweise Rindfleisch), ist der
Rheinische Sauerbraten
. Durch Einlegen des Fleisches fur mehrere Tage in eine Beize verliert es seinen strengen Geschmack.
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Dieser Absatz enthalt keine Einzelnachweise - Es stimmt, dass in sudlichen EU Landern Pferdefleisch gegessen wird, Statistken dazu und auch zu den Pferdemetzgern in DE fehlen
Die Bedeutung des Pferdes als Fleischlieferant innerhalb der EU ist noch immer hoch. Die Medikation eines Pferdes ist nur dann uneingeschrankt moglich, wenn der Besitzer einen
Pferdepass
hat, in welchem er erklart, dass das Tier nicht zur Fleischverwertung kommen wird. Dieser Status ist unumkehrbar. Fur Pferde, die als Schlachttiere eingetragen sind (der Status bei Ausstellung des Pferdepasses) gilt: Jede medikamentose Behandlung muss dann im Equidenpass eingetragen werden. Es durfen nur Medikamente verwendet werden, die fur Schlachtpferde zugelassen sind. Falls das Pferd doch geschlachtet werden soll, ist ein Mindestzeitabstand einzuhalten
[44]
. Im Rheinland und in Ostdeutschland gibt es heute noch etwa 100
Pferdemetzger
.
Die
judische Religion
verbietet den Konsum von Pferdefleisch. Ein solches ausdruckliches Verbot existiert zwar im
Islam
und im
Christentum
nicht, in beiden Kulturkreisen wurde das Essen von Pferdefleisch aber missbilligt. Von Papst
Gregor III.
ist uberliefert, dass er 732 das Essen von Pferden als heidnische Abscheulichkeit verurteilte, die es auszumerzen gelte.
Stutenmilch
dient vornehmlich den Fohlen in den ersten Lebensmonaten als naturliche Nahrung. Sie ist in der Zusammensetzung der menschlichen Milch sehr ahnlich und findet deshalb als Muttermilchersatz bei neugeborenen Sauglingen Verwendung.
[45]
Daruber hinaus wird sie bei Heilbehandlungen und als Inhaltsstoff in
Kosmetika
verwendet. Stutenmilch ist auch die Grundlage zur Herstellung von
Kumys
. Auch andere Bestandteile des Pferdes wurden fruher als Arzneimittel
[46]
eingesetzt.
Die sogenannten Rosshaute werden großenteils der
Lederverarbeitung
zugefuhrt, so etwa der Schuhindustrie (siehe
Cordovan
).
Fohlenfelle
wurden, insbesondere im 20. Jahrhundert, zu
Pelzbekleidung
verarbeitet.
Vor Entwicklung
humaner
Antiseren galt fur die ausschließlich verfugbaren
tierischen
Seren die Reihenfolge Pferd,
Rind
,
Hammel
. Dadurch sollte eine Sensibilisierung durch artfremdes Eiweiß umgangen werden.
[47]
[48]
Diese Empfehlung galt bis zum letzten Drittel des 20. Jahrhunderts.
Ferner hat die Gewinnung des
Urins
trachtiger Stuten bzw. die
PMU
-Produktion zum Zwecke der Erzeugung von
Ostrogenen
fur die
Hormonersatztherapie
und die
Serumproduktion
eine wirtschaftliche Bedeutung.
[49]
In jungster Zeit trifft dies auf die Gewinnung des Sexualhormons
PMSG
aus dem Blut trachtiger Stuten zu, das anderen Nutztieren (insbesondere Schweinen) zur Steigerung und Synchronisierung von Fruchtbarkeit und Fleischzuwachs verabreicht wird. Die Praxis der Blutfarmen wird von Tierschutzern wie
Arzte gegen Tierversuche e. V.
und der Animal Welfare Foundation
[50]
kritisiert
[51]
[52]
. Europaische Betriebe beziehen das Hormon vor allem aus Island.
[53]
Armeen
Ohne Pferde kam keine Armee aus. Der
Zweite Weltkrieg
war der ?großte Pferdekrieg der Geschichte“.
[54]
Bezeichnungen, Rassen, Fellfarben, Abzeichen
Das mannliche Pferd heißt entweder
Hengst
oder, falls es
kastriert
(
gelegt
) ist,
Wallach
. Das weibliche Pferd nennt man
Stute
. Jungtiere werden Fullen oder
Fohlen
genannt; Einjahrige Pferde werden
Jahrling
genannt.
Ein Pferd ist mit vier Jahren erwachsen, kann aber bis zum Alter von sechs Jahren auswachsen.
Pferderassen
Die
Pferderassen
lassen sich nach der Große in
einteilen.
Wenn es um eine Zulassung zu einem Wettbewerb geht, ist jedes Pferd, das am
Widerrist
weniger als 147,3 cm misst, ein Kleinpferd, daruber ein Großpferd. Damit sind Großpferde das, was im allgemeinen Sprachgebrauch als ein normales Pferd bezeichnet wird, nicht etwa besonders große Pferde.
Fellfarben
Es gibt eine große Zahl verschiedener Pferdefarben und deren Bezeichnungen, die teilweise von Gegend zu Gegend variieren. Die wichtigsten Grundfarbungen sind
Rappe
, Brauner,
Fuchs
,
Schimmel
, Schecke, Falbe und Isabelle (siehe auch
Fellfarben der Pferde
und
Genetik der Pferdefarben
).
Abzeichen
Die individuellen farbigen (meist weißen) Fellzeichnungen und Fellwirbel werden
Abzeichen
genannt und neben
Brandzeichen
und Farbe zur Identifizierung herangezogen. Typische Stellen fur Abzeichen sind an den Beinen oder am Kopf.
Man unterscheidet echte und unechte Abzeichen. Echte Abzeichen sind schon das ganze Leben vorhanden (z. B. Blesse). Unechte Abzeichen kommen erst im Laufe des Lebens dazu, z. B. weiß nachgewachsenes Haar an Stellen, an denen das Haar abgescheuert wurde.
Fachsprachliche, veraltete, umgangssprachliche und mundartliche Bezeichnungen
- Beschaler
(Landbeschaler, Hauptbeschaler) ist die fachsprachliche Bezeichnung fur einen Zuchthengst.
- Enter
ist im norddeutschen Raum ein einjahriges Jungtier (Jahrling).
- Fullen
ist eine landschaftliche Bezeichnung des
Fohlens
, fruher bis zum Vierjahrigen verwendet.
- Ganzer
(veraltet) ist ein nicht kastrierter Hengst.
- Gaul
ist im
sudfrankischen Dialektgebiet
die gebrauchliche Bezeichnung fur Pferd. Der
Ackergaul
ist ein mittleres bis schweres Pferd im landwirtschaftlichen Einsatz.
[55]
- Gurre
oder
Gorre
ist eine alte Stute oder ein schlechtes Pferd. Die Redewendung
Gaul um Gurre
bedeutet ?Gleiches mit Gleichem“;
Bissgurke
oder
Pissgurke
(volksetymologisch verschliffen) bezeichnet eine zankische Frau (vgl.
stutenbissig
).
- Heiler
oder
Heilpferd
(veraltet) ist ein junger Wallach.
- Hutsch
ist ein westmitteldeutsch-alemannischer Dialektausdruck fur
Fohlen
.
- Klepper
bezeichnet umgangssprachlich ein unterernahrtes oder altersschwaches Hauspferd.
- Kracke
ist
norddeutsch
ein altes schlechtes Pferd.
- Leichtes Pferd
war eine Bezeichnung fur reine Reitpferde zur Abgrenzung von Arbeitspferden.
- Mahre
ist in
oberdeutschen
Dialekten ein Synonym fur
Stute
und
Pferd
. Eine
Schindmahre
ist so mager, dass sie eigentlich auf den
Schindanger
gehort. Von dem Wort
Mahre
leiteten sich
Marschall
,
Marstall
und moglicherweise auch
Meerrettich
(vgl. englisch
horseradish
) ab.
- Monch
ist eine Bezeichnung fur einen
Wallach
.
- Pag(h)e
ist ein
niederdeutsches
Wort fur das
Pferd
, lokal auch fur
Hengst
und/oder fur
Wallach
. Dazu gehort der Familienname
Pagenstecher
, dessen etymologische Bedeutung allerdings unklar ist.
- Reisiges Pferd
ist ein Reitpferd.
- Renner
ist ein schnelles, gutes Reitpferd.
- Rosinante
, das alte Pferd von
Don Quichotte
, ist zum Pferde-
Spitznamen
geworden.
- Ross
(oberdeutsches Wort fur Pferd)
[56]
[57]
bezeichnet unter anderem ein sehr edles Pferd, das als
Schlachtross
seinen Reiter in den Kampf trug.
- Der
Topinambur
(Helianthus tuberosus) in Suddeutschland
Ross-Erdapfel
genannt; fruher ein beliebtes Futter fur Arbeitspferde.
- Die
Rosskastanie
(
Aesculus hippocastanum
), heißt so, weil mit ihren Extrakten Pferde gegen Husten und Wurmer behandelt wurden.
- Rune
,
Ruun
oder
Raune
ist ein
plattdeutscher
Ausdruck fur
Wallach
.
- Strenze
(veraltet) ist eine schlechte Stute.
- Strute
ist noch bis zur Mitte des 17. Jh. fur
Pferdeherde
verwendet worden und wird noch in einigen
westmitteldeutschen
Dialekten fur
Stute
gebraucht.
- Stute
in der alten Bedeutung
Pferdeherde
hat sich zum Beispiel im Ortsnamen
Stuttgart
und im Begriff
Gestut
erhalten.
- Tiere der Pferdegattung
: Amtliche Bezeichnung in der Schweiz (aus franz.
espece equine
).
[58]
- Toot
ist eine
nordniedersachsische
Bezeichnung fur
Stute
.
- Wutsch
ist ein
elsassisch-pfalzischer
Dialektausdruck fur
Fohlen
.
- Zelter
war im Mittelalter ein edles leichtes Reitpferd oder Maultier, das wegen seines besonders ruhigen Zeltgangs (
Tolt
) besonders fur Frauen geeignet war.
- Das Wort ?Zosse“ oder ?Zossen“ bezeichnet umgangssprachlich ein Hauspferd. Das Wort kommt wohl aus dem
Jiddischen
(
hebraisch
???
sus
bedeutet
Pferd
) und wird besonders im Plattdeutschen verwendet (auch
Zurre
oder
Zore
).
Siehe auch:
Liste fiktionaler Tiere
Zitat
?Alles Gluck dieser Erde liegt auf dem Rucken der Pferde (
originaler Text
: Das Paradies der Erde liegt auf dem Rucken der Pferde, in der Gesundheit des Leibes und am Herzen des Weibes)“
?
Friedrich von Bodenstedt
, Die Lieder des Mirza-Schaffy: Vermischte Gedichte und Spruche 34. Arabisches Sprichwort, 1851
Mythologie und Geschichte
Die altesten erhaltenen Abbildungen von Pferden und anderen Großtieren sind die rund 30.000 Jahre alten Malereien in der
Grotte Chauvet
nahe der Kleinstadt Vallon-Pont-d’Arc in Sudfrankreich.
Kikkuli
war im 15. Jahrhundert v. Chr. der Verfasser des ersten
hippologischen
Handbuchs zur Zucht, Haltung und Training von Pferden. Der ?Pferdetrainer aus dem Land
Mittani
“, wie sich Kikkuli in der Eroffnung seines Textes bezeichnete, beschrieb ein detailliertes Trainingsprogramm, um die leichten
Streitwagen
steuern zu konnen.
[59]
Diese veranderte Kriegstechnik verschaffte den
Hethitern
erhebliche Vorteile in den Kampfen gegen ihre Nachbarn. In der
Schlacht bei Qade?
1274 v. Chr. gelang den Hethitern der Sieg uber den agyptischen Pharao
Ramses II.
, der sich nur knapp mit seinem goldbeschlagenen Streitwagen in Sicherheit bringen konnte. Die Pferde der Hethiter waren klein. Dagegen muss es im nachfolgenden
urartaischen Reich
großere Pferde gegeben haben. Konig
Menua
(reg. um 810?785 v. Chr.) besaß ein Pferd namens Arsibini, das einer
Keilschrift
auf einem Stein zufolge einen Sieg im Weitsprung errungen haben soll. Die enge Beziehung des Menschen zum Pferd hat dazu gefuhrt, dass es in der
Mythologie
vieler Volker zahlreiche Pferdegestalten gibt, denen eine religiose Bedeutung zukommt. Die
griechische Mythologie
ist reich an Pferden und pferdeahnlichen Wesen:
- Der Sonnengott
Helios
lenkte anfangs ein Stiergespann, spater einen von feuerspruhenden Rossen gezogenen Wagen uber die Himmelsbahn. Auf Abbildungen erscheint er mit Strahlenkranz, seine Zugpferde besitzen Flugel und vor dem Wagen rennen Jungen, die sich aufmachen, in die Tiefe zu springen. So verteilen sich die Sterne.
Eos
, die Gottin der Morgenrote, und die Mondgottin
Selene
sind zwei Schwestern des Helios, die seinem Wagen vorausgehen.
[60]
- Der Meeresgott
Poseidon
tragt den Beinamen
Hippios
als Gott der Pferde. Als er sich in seine Schwester
Demeter
verliebte, verwandelte sich diese in eine Stute, um ihm zu entfliehen. Poseidon verfolgte sie in Gestalt eines Hengstes und uberwaltigte sie. Aus dieser Vereinigung ging das Wunderpferd
Areion
hervor.
- Der starke Held
Herakles
musste im Auftrag von Konig
Eurystheus
zwolf Aufgaben erledigen. Eine davon war, die vier menschenfressenden
Rosse des Diomedes
zu rauben. Heimlich drang Herakles in den Stall ein, in dem die Bestien an Eisenketten festgebunden waren, totete den durch das Wiehern der Tiere herbeigeeilten
Diomedes
, den er ihnen zum Fraß vorwarf. Anschließend konnte er die beruhigten Pferde mit sich treiben.
- Der
Zentaur
ist ein Mischwesen aus Mensch und Pferd, anstelle eines Pferdekopfs ist der Oberkorper eines Menschen zu sehen. Es gab zahlreiche Zentauren, die meisten davon unfreundliche Wesen. Die zwei beruhmtesten Zentauren,
Pholos
und
Cheiron
, waren allerdings freundliche und kluge Vertreter ihrer Rasse.
- Ein Mischwesen aus der vorderen Halfte eines Pferdes mit dem hinteren Teil bestehend aus Flugeln, Schwanz und Beinen eines Huhns ist der
Hippalectryon
.
- Der vordere Korper des
Hippokamp
bestand aus einem Pferdeleib, hinten wuchs ihm ein langer Fischschwanz. Von ihm ist der lateinische Namen der
Seepferdchen
,
Hippocampina
abgeleitet.
- Pegasus
war ein geflugeltes, halbgottliches Pferd, das
Bellerophon
bei zahlreichen Heldentaten half, unter anderem beim Toten der
Chimara
.
- Das
Trojanische Pferd
war ein holzernes Pferd, in dessen Innerem sich die Griechen versteckten, um in die Stadt
Troja
hinein zu gelangen und die Stadt zu erobern.
- Bukephalos
war das legendare Pferd
Alexanders des Großen
. Ihm wurden zahlreiche mythische Eigenschaften angedichtet, angeblich konnte es sprechen; es geht aber sehr wahrscheinlich auf ein wirklich existentes Pferd zuruck.
Der romische Kaiser
Caligula
(reg. 37?41) wollte sein Lieblingspferd
Incitatus
angeblich zum Konsul ernennen. Die Geschichte dient als Beleg fur den Großenwahnsinn des Herrschers.
Aus der
persischen Mythologie
sind der Hengst
Rachsch
im Nationalepos
Sch?hn?me
und das Kampfross Schabdiz des Konigs
Chosrau II.
in der Liebesgeschichte von
Chosrau und Schirin
bekannt. Der
Mythos
vom legendaren
Einhorn
, einem Pferd mit Ziegenhufen, dem Schwanz eines Lowen und mit einem Horn auf der Stirn, stammt wahrscheinlich aus
Indien
. Einhorner kamen nicht in der griechischen Mythologie vor, wohl aber in naturwissenschaftlichen Beschreibungen des
Aristoteles
und des
Plinius
.
In der
nordischen Mythologie
gibt es
Sleipnir
, das achtbeinige Pferd des Gottes
Odin
, sowie die Pferde
Alsvidr und Arvakr
, die den Wagen der Sonne uber den Himmel zogen. Von den beiden
Merseburger Zauberspruchen
ist der Zweite ein Zauberspruch um den gebrochenen Fuß des Pferdes zu heilen. Andere althochdeutsche Autoren verfassten auch Zauberspruche, um das Pferd von seinem Lahmen zu heilen. Verwendung fand das Pferd auch als
Wappentier
.
Gemaß der
islamischen
Uberlieferung reist der
Prophet
auf dem geflugelten weißen Pferd
Buraq
in einer
Nacht zum Himmel
und kehrt anschließend nach Mekka zuruck. Im islamischen Volksglauben der
Gnawas
in Marokko tragt ? angelehnt an Mohammeds Reittier ? ein Buchari genanntes Pferd die in Trance gefallenen Teilnehmer der Besessenheitszeremonie
Derdeba
. In der
persischen Miniaturmalerei
sind haufig komposite (aus mehreren Figuren zusammengesetzte) Kamele, Elefanten oder Pferde zu sehen, die ein himmlisches Wesen oder einen Herrscher tragen.
Das in den
Veden
beschriebene Pferdeopfer
Ashvamedha
war das aufwendigste Ritual der altindischen Religion. In der im
Hinduismus
uberlieferten
indischen Mythologie
besitzt das Pferd als Reittier (
Vahana
) zahlreicher Gottheiten Bedeutung. Am bekanntesten ist der in Gestalt eines Junglings auf einem Pferd stehend oder sitzend dargestellte Sonnengott
Surya
. Seine menschengestaltige Darstellung auf einem Wagen (
Ratha
) kam wahrscheinlich uber Persien nach Indien. Sein Wagenlenker ist Aruna, die Morgenrote. Die sieben Pferde des Sonnenwagens symbolisieren die sieben Wochentage.
Die zehnte irdische Herabkunft (
Avatara
) des Himmelsgottes
Vishnu
heißt
Kalki
. Er wird selbst als weißes Pferd vorgestellt oder als Reiter auf dem weißen Pferd Devadatta. Ebenfalls auf weißen Pferden reiten die sudindischen Schutzgottheiten
Aiyanar
in
Tamil Nadu
und der im Ritual
Ayyappan tiyatta
in
Kerala
verehrte
Ayyappan
. Beide haben sich aus Geistwesen (
Bhutas
) der Volksreligion zu hinduistischen Gottern entwickelt. In lokalen Glaubensvorstellungen kommen weitere beschutzende Bhutas in Pferdegestalt vor. Der an seinem dicken Bauch erkennbare Gott des Reichtums,
Kubera
, besitzt je nach mythischer Erzahlung unterschiedliche Reittiere, darunter ein Pferd.
Hayagriva
kann ein Damon mit Pferdekopf oder Vishnu in Menschengestalt mit Pferdekopf sein, wenn er den Gott des Lernens verkorpert. Einen Pferdekopf tragt auch Tumburu, der Leiter der im Himmel musizierenden
Gandharvas
.
Keshi
ist nach dem
Bhagavatapurana
ein Damon (
Asura
) in Pferdegestalt, der von
Krishna
, einer weiteren Herabkunft Vishnus, zur Strecke gebracht wird. Im religiosen Tanzdrama
Ras lila
wird Krishnas vergnugliches Spiel mit den schonen Kuhhirtinnen (
Gopis
) und besonders mit seiner Geliebten
Radha
dargestellt. Als Krishna in seinem Pferdewagen abreisen will, ziehen die Damen ein Rad von der Achse, sodass der Wagen zusammenbricht und Krishna aussteigen muss. Im Spiel formen mehrere Gopis mit ihren Korpern ein Pferd, auf das Krishna
aufsitzen
kann.
[61]
Komposite Pferde aus Frauenleibern werden in zahlreichen Variationen in der indischen Lyrik beschrieben und in der Miniaturmalerei abgebildet.
[62]
Im Epos
Mahabharata
taucht ein gewisser
Galava
auf, ein Schuler des mythischen Weisen (
Rishi
)
Vishvamitra
. Nach Beendigung von Galavas langjahrigen Studien fordert ihn sein Lehrer auf, zum Abschied 800 weiße Pferde, ein jedes mit einem schwarzen Ohr, beizubringen. Nur mit Hilfe des Gottervogels
Garuda
und mehrerer Konige gelingt es in einer detailreich uberlieferten Geschichte, die Tiere aufzutreiben und dem Weisen zu ubergeben.
[63]
Kanthaka
hieß das Lieblingspferd
Siddhartha Gautamas
in der
buddhistischen
Uberlieferung. Bevor Prinz Siddharta das irdische Leben aufgab und zum
Buddha
wurde, diente ihm der gelehrige weiße Hengst wann immer er Abenteuer zu bestehen hatte. Auch als Siddharta heimlich aus dem koniglichen Palast floh, um der Welt zu entsagen, ritt er auf Kanthaka. Ein gesatteltes reiterloses Pferd kann demzufolge nach buddhistischer Vorstellung ein Symbol des Todes sein. Felszeichnungen am oberen
Indus
in Nord
pakistan
vor der Zeitenwende sind ebenfalls mit dieser Bedeutung interpretierbar.
[64]
Vom
Tengrismus
, einer alten zentralasiatischen Glaubensvorstellung, hat sich in der
schamanistischen
Tradition die Vorstellung des
Windpferdes
als Sinnbild der geistigen Kraft und Seele des Menschen erhalten. In der
chinesischen Mythologie
steht in der Nahe des einhornartigen Fabelwesens
Qilin
das
Longma
genannte Drachenpferd (aus
long
, ?Drachen“ und
ma
,?Pferd“). Das Pferd gehort zu den Tieren im
60-Jahre-Zyklus
des
chinesischen Kalenders
und zu einem der Tiere, mit denen die zwolf
Erdzweige
charakterisiert werden.
Einige
daoistische
Tempel in
Hongkong
,
Taiwan
und
Vietnam
sind Quan Cong gewidmet, einem chinesischen General, der zur
Zeit der Drei Reiche
von 198 bis 249 lebte. Sein Altarbildnis wird meist zusammen mit einem uberlebensgroßen weißen Holzpferd im Vorraum des Tempels als Zeichen der Macht dargestellt. Bei der Freilegung des chinesischen
Mausoleum Qin Shihuangdis
aus dem Jahr 210. v. Chr. kamen eine in Terrakotta nachgebildete Armee von Tausenden lebensgroßen Soldaten mit ihren Pferden und Streitwagen zum Vorschein. Die Grabbeigaben waren ein Sinnbild fur die Macht des ersten chinesischen Kaisers.
Den Preis der Freiheit, den das Pferd bei seiner Domestikation zu zahlen hat, thematisiert
Jean de La Fontaines
Fabel
Das Pferd, das sich an dem Hirsch rachen wollte
(1668).
Siehe auch
Audiodatei eines wiehernden Pferdes
ⓘ
/
?
Literatur
Allgemeine Darstellungen:
- David Anthony:
The Kurgan culture. Indo-european Origins and the Domestication of the Horse: A Reconsideration.
In:
Current Anthropology
27, 1986, S. 291?313.
- David Anthony, Dorcas Brown:
The origins of horseback riding.
In:
Antiquity.
65. 1991, S. 22?38,
ISSN
0003-598X
- Klaus-Dieter Budras
:
Atlas der Anatomie des Pferdes. Lehrbuch fur Tierarzte und Studierende.
5. Auflage. Schlutersche, Hannover 2004,
ISBN 3-89993-002-9
.
- Judith Draper:
Das große Buch der Pferde und Ponys. Rassen, Sport, Haltung, Pflege
. Gondrom, Bindlach 2002,
ISBN 3-8112-2086-1
.
- Elwyn Hartley Edwards:
Das große Pferdebuch
. Dorling Kindersley, Starnberg 2002,
ISBN 3-8310-0381-5
.
- Johannes Erich Flade:
Shetlandponys.
8. Auflage. Westarp Wiss., Hohenwarsleben 2001,
ISBN 3-89432-168-7
.
- Daphne Machin Goodall:
Weltgeschichte des Pferdes
. Nymphenburger, Munchen 1984,
ISBN 3-485-01784-1
.
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Literarisches
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des
Originals
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Info:
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