Das
Haus Anjou-Plantagenet
(
franzosisch
[
????u-?pl??ta?'n?
],
englisch
[
?ːn'?uː-plæn'tæ??n?t]
[1]
) war eine franzosischstammige Herrscherdynastie, die von 1154 bis 1399 in direkter Linie und bis 1485 in den Nebenlinien
Lancaster
und
York
die
Konige von England
stellte.
Neben dem franzosischen Herrschergeschlecht der
Kapetinger
und den Kaiserhausern der
Ottonen
,
Salier
und
Staufer
gehorte das
Haus Plantagenet
zu den bedeutendsten westeuropaischen
Dynastien
des
Hochmittelalters
. Zur Zeit ihrer großten Machtentfaltung herrschte die Familie uber das
Angevinische Reich
, das neben
England
auch die Herzogtumer
Normandie
,
Bretagne
,
Aquitanien
, die Grafschaften
Anjou
,
Maine
,
Touraine
und
Poitou
[2]
sowie weitere Teile des
Konigreichs Frankreich
umfasste.
Bis heute setzt sich das Haus Plantagenet im
Mannesstamm
in der Linie der
Dukes of Beaufort
fort, die von der
gleichnamigen Bastardlinie
abstammt.
Die Plantagenet-Dynastie lasst sich in ihrem direkten Mannesstamm bis auf
Gottfried Ferreol
zuruckverfolgen, der im 11. Jahrhundert als Graf der franzosischen Landschaft
Gatinais
belegt ist. Vermutlich war er selbst ein Angehoriger jener Sippe, aus der die
Vizegrafen von Chateaudun
und
Grafen von Le Perche
hervorgegangen waren. Durch seine Ehe mit der Erbin der
Grafschaft Anjou
sicherte Gottfried Ferreol seinen Nachkommen den Besitz dieses schon zu seiner Zeit in Westfrankreich bedeutenden Feudalfurstentums. Bereits in der ersten Halfte des 12. Jahrhunderts stieg die Familie zu koniglichen Wurden auf, und zwar im
Kreuzfahrerkonigreich Jerusalem
.
Nach Anjou wurde die Familie wahrend des
Mittelalters
in der Regel schlicht als ?angevinische Dynastie“ oder ?Haus Anjou“ bezeichnet. Sie ist nicht zu verwechseln mit spater auftretenden Dynastien gleichen Namens, die vom franzosischen Konigsgeschlecht der Kapetinger abstammten ? siehe dazu
alteres Haus Anjou
(Anjou-Capet) und
jungeres Haus Anjou
(Valois-Anjou).
Als Namengeber und eigentlicher Stammvater des Hauses Plantagenet gilt Graf
Gottfried V. von Anjou
(† 1151), dem bereits zu Lebzeiten von Chronisten der Beiname ?Plantagenet“ zugeschrieben wurde. Dieser geht wohl auf die Angewohnheit des Grafen zuruck, einen
Ginsterzweig
(lat.:
planta genista
; franzosisch:
plante genet
) als Helmzier zu tragen. Moglich ist allerdings auch, dass sich der Beiname davon ableitet, dass Gottfried zum Sichtschutz bei der Jagd Ginsterbusche auf seinen Landereien anpflanzte.
[3]
Mit Graf Gottfried Plantagenet setzte der Aufstieg seiner Familie zur fuhrenden Dynastie in Frankreich neben den Kapetingern ein, deren Vasall sie formell war. Durch seine Ehe mit der Erbin des anglo-normannischen Reichs, der
?Kaiserin“ Matilda
, sicherten sich die Angeviner einen Anspruch auf das
Herzogtum Normandie
und das
Konigreich England
, den sie allerdings erst in einem
Erbfolgekrieg (The Anarchy)
gegen das
Haus Blois
durchsetzen mussten. Gottfried Plantagenet eroberte 1144 die Normandie, und sein Sohn konnte nach einer vertraglichen Einigung mit Konig
Stephan
im Jahr 1154 schließlich den englischen Thron als Konig
Heinrich II. Kurzmantel
besteigen, den seine Nachkommen ununterbrochen bis 1485 (ab 1399 in den Nebenlinien Lancaster und York) innehatten.
Der Name ?Plantagenet“ wurde im ganzen Hochmittelalter bis in das
Spatmittelalter
hinein einzig in Bezug auf Gottfried V. von Anjou angewandt und nicht auf die von ihm abstammende Familie. Erst wahrend der
Rosenkriege
(1455?1485), als die angevinischen Seitenlinien Lancaster und York um die Krone Englands kampften, wurde dieser Name zur Festigung von Herrschaftsanspruchen hervorgezogen. Herzog
Richard von York
(† 1460), das Oberhaupt des Hauses York, nahm 1448 den Namen Plantagenet an, um seinen Thronanspruch gegen das regierende Haus Lancaster zu untermauern. Seitdem setzte sich dieser Name in der Geschichtsliteratur nachwirkend fur die gesamte konigliche Dynastie ab Konig Heinrich II. durch.
Gottfrieds Sohn
Heinrich II. Kurzmantel
vollendete durch seine Ehe mit der Herzogin
Eleonore von Aquitanien
den Zusammenschluss der wesentlichen Gebiete, die heute zusammengefasst als ?
Angevinisches Reich
“ bezeichnet werden. Dieses Territorialkonglomerat beherrschte neben England und seinen schottisch-irischen Nachbarn auch den gesamten Westen Frankreichs und stellte damit fur eine Dauer von zwei Generationen eines der wichtigsten staatlichen Gebilde des hohen Mittelalters in Europa dar. Die angevinische Dynastie war zeitweise machtiger als die franzosischen Konige aus der Dynastie der Kapetinger, denen sie fur ihren franzosischen Besitz als Vasallen formell zur Gefolgschaft verpflichtet waren. Allerdings zerbrach dieses lose, einzig vom feudalstaatlichen Gedanken getragene Gefuge bereits wahrend der Herrschaft
Johann Ohnelands
, des jungsten Sohnes Heinrichs II., der in einem
Krieg mit dem franzosischen Konig Philipp II.
1204 fast den gesamten franzosischen Besitz, darunter das angevinische Stammland, an die franzosische Krone verlor.
Mit Ausnahme eines franzosischen Lehens, des Herzogtums Guyenne (Gascogne), war die angevinische Herrschaft fortan auf das englische Konigreich beschrankt, was sich im weiteren Verlauf des 13. Jahrhunderts im franzosischstammigen Konigshaus und Adel in der Herausbildung einer insularen Mentalitat, eines englischen Nationalbewusstseins, niederschlug. Wahrend der Herrschaft Konig
Heinrichs III.
wurden entscheidende verfassungsrechtliche Weichen gestellt, welche die Entwicklung des fur England heute so charakteristischen parlamentarischen Systems einleiteten. Durch seine Abstammung mutterlicherseits von den Kapetingern konnte Konig
Eduard III.
1337 einen Anspruch auf den franzosischen Thron erheben, wenngleich die franzosische Thronfolge im Unterschied zur englischen eine Vererbung solcher Anspruche uber die weibliche Linie ausschloss (
Salisches Gesetz
). Letztlich wurde damit der
Hundertjahrige Krieg
ausgelost, der England und sein Konigshaus wieder aufs engste mit dem historischen Schicksal Frankreichs verband, gleichzeitig aber in Abgrenzung zum Nachbarn zur Herausbildung eines englischen Nationalbewusstseins und zur neuerlichen Verwendung der englischen Sprache statt des normannischen Franzosisch beitrug.
1400 starb mit Konig
Richard II.
der letzte direkte Plantagenet, Nachfolger war sein Cousin
Heinrich IV.
, ein Enkel vaterlicherseits von Eduard III., aus dem
Haus Lancaster
. Zur Mitte des 15. Jahrhunderts fand der Hundertjahrige Krieg sein Ende, ohne dass die englischen Konige die Krone Frankreichs gewinnen konnten, wenngleich sie ihren Anspruch darauf in ihrer Titulatur noch mehrere Jahrhunderte lang aufrechterhielten. Damit einher ging der Ausbruch der
Rosenkriege
, eines Erbfolgekrieges zwischen dem Haus Lancaster und ihren Vettern aus dem
Haus York
, die ebenfalls von einem Sohn Eduards III. abstammten. Der letzte Plantagenetkonig von England war
Richard III.
aus dem Hause York. Er fiel am 22. August 1485 in der
Schlacht von Bosworth Field
, dem finalen Aufeinandertreffen der Rosenkriege, gegen seinen Rivalen Heinrich Tudor, welcher darauf als
Heinrich VII.
den Thron bestieg und somit die Herrschaft des
Hauses Tudor
begrundete. Heinrich VII. fuhrte seinen Anspruch auf den Thron uber seine Mutter
Margaret Beaufort
auf den 1377 gestorbenen Konig
Eduard III.
aus dem Haus Plantagenet zuruck.
Die zwei letzten legitim geborenen Angehorigen der angevinischen Dynastie waren
Edward Plantagenet, 17. Earl of Warwick
, und
Margaret Pole, 8. Countess of Salisbury
, beides Kinder von
George Plantagenet, 1. Duke of Clarence
. Beide wurden nacheinander wahrend der Tudor-Herrschaft exekutiert. Die Plantagenets waren damit in ihrem Mannesstamm allerdings noch nicht ausgestorben. Von
John of Gaunt, 1. Duke of Lancaster
, und dessen langjahriger Matresse
Catherine Swynford
stammte das
Haus Beaufort
ab, dessen Angehorige spater den Namen Somerset annahmen und noch heute als Dukes of Beaufort in der
Peerage of England
prasent sind.
Das walisischstammige Haus Tudor war uber das Haus Beaufort in weiblicher Linie mit den Plantagenet verwandt, die Mutter Konig Heinrichs VII. war
Margaret Beaufort
, uber die er auch einen vagen Thronanspruch formulieren konnte. Seine Herrschaft festigte er zusatzlich durch eine Ehe mit
Elizabeth of York
, einer Tochter Konig
Eduards IV.
aus dem Haus York. Als Abkommling der Lancaster und verbunden mit einer York konnten somit Heinrich VII. wie auch dessen Sohn
Heinrich VIII.
die Vereinigung der zwei streitenden Hauser in ihrer Dynastie propagandistisch in Szene setzen.
Arthur Plantagenet, 1. Viscount Lisle
, der uneheliche, aber anerkannte Sohn Eduards IV., stand in einem engen Vertrauensverhaltnis zu Heinrich VIII., bis er 1540 des Hochverrats verdachtigt wurde. 1542 gewann er zwar die Gunst des Konigs zuruck, starb aber am selben Tag.
- Gottfried Plantagenet
(* 1113; † 1151), Graf von Anjou ? 1128
Matilda
, (* 1102; † 1162), Tochter
Heinrichs I. von England
??
Vorfahren siehe
Haus Chateau-Landon
- Heinrich
(* 1133; † 1189), Konig von England 1154 ? 1152
Eleonore von Aquitanien
(* 1122; † 1204), Herzogin von Aquitanien (
Ramnulfiden
)
- Wilhelm
(* 1153; † 1156)
- Heinrich
(* 1155; † 1183), Mitkonig von England
- Mathilde
(* 1156; † 1189) ?
Heinrich der Lowe
- Richard
(* 1157; † 1199), Konig von England 1189
- Gottfried
(* 1158; † 1186), Herzog der Bretagne
- Eleonor (* 1184; † 1241)
- Arthur
(* 1187; † 1203), Herzog der Bretagne
- Eleonore
(* 1162; † 1214) ?
Alfons VIII. von Kastilien
- Johanna
(* 1165; † 1199) ?
Wilhelm der Gute
(Wilhelm II.) von Sizilien
- Johann
(* 1167; † 1216), Konig von England 1199 ? 1200
Isabella von Angouleme
(* 1189; † 1246) (
Haus Taillefer
)
- Heinrich
(* 1207; † 1272), Konig von England 1216 ? 1236
Eleonore von der Provence
(* 1223; † 1291)
- Eduard
(* 1239; † 1307), Konig von England 1272 ? I) 1254
Eleonore von Kastilien
(* 1241; † 1290), ? II) 1291 Margarethe von Frankreich
- I) Katherine (* 17. Juni 1264; † 5. September 1264)
- I)
Eleonore
(* 17. Juni 1264 oder 1269; † 12. Oktober 1297)
- I) Joan (*/† 1265)
- I)
John
(* Juni oder Juli 1266; † August 1272)
- I)
Henry
(* 1267/68; † Oktober 1274)
- I) Juliana (Katharine) (* Mai 1271 in Palastina; † vor September 1271)
- I)
Joan of Acre
(* 1272; † 7. April 1307)
- I)
Alphonso, Earl of Chester
(* November 1273; † 19. August 1284)
- I)
Margaret
(* 15. Marz 1275; † nach 1333)
- I) Berengaria (* 1. Mai 1276; † vor dem 27. Juni 1278)
- I) Elizabeth? und Alice († kurz nach der Geburt im Januar 1278)
- I)
Mary
(* Marz 1279; um 1322)
- I)
Elizabeth of Rhuddlan
(* 7. August 1282; † 5. Mai 1316)
- I)
Eduard II.
(* 25. April 1284; † 21. September 1327), Konig von England 1307 ? 1308
Isabella von Frankreich
(* 1292; † 1352)
- Eduard III.
(* 1312; † 1377), Konig von England 1327 ? 1328
Philippa von Hennegau
(* 1311; † 1369) (
Haus Avesnes
)
- Edward of Woodstock
(* 1330; † 1376), Prinz von Wales ?
Joan of Kent
- Edward (* 1365; † 1372)
- Richard II.
(* 1367; † 1400), Konig von England 1377
- Isabella (* 1332; † 1379), ?
Enguerrand VII. de Coucy
(
Haus Gent
)
- Joan (* 1335; † 1348)
- William (*/† 1335)
- Lionel
(* 1338; † 1368),
Duke of Clarence
,
Earl of Ulster
- Philippa Plantagenet, 5. Countess of Ulster
, (1355?1382)
- John
(* 1340; † 1399), Duke of Lancaster und Herzog von Aquitanien; ??
Nachkommen siehe
Haus Lancaster
- Edmund
(* 1341; † 1402), Duke of York; ??
Nachkommen siehe
Haus York
- Blanche (*/† 1342)
- Mary (* 1344; † 1362)
- Margaret (* 1346; † 1361)
- Thomas (*/† 1347)
- William (*/† 1348)
- Thomas
(* 1355; † 1397), Duke of Gloucester
- Joan (* 1356)
- John
(* 1316; † 1336)
- Eleonor (* 1318; † 1355)
- Joan
(1321?1362), 1331?1362 Konigin von Schottland
- Beatrix (* 1286)
- Blanche (* 1290)
- II)
Thomas
(* 1300; † 1338), Earl of Norfolk
- II)
Edmund
(* 1301; † 1330), Earl of Kent
- II) Eleonor (* 1306; † 1322)
- Margaret
(1240?1275)
- Beatrice
(1242?1275)
- Edmund
(1245?1296), Earl of Lancaster
- Richard (1247?1256)
- John (1250?1256)
- William (1251?1256)
- Catherine
(1253?1257)
- Henry
- Richard
(* 1209; † 1272), Earl of Cornwall, romisch-deutscher Konig
- Johanna
(* 1210; † 1238) ?
Alexander II. von Schottland
- Isabella
(* 1214; † 1241) ?
Kaiser Friedrich II.
- Eleanor
(* 1215; † 1275) ?
Simon V. de Montfort
(
Haus Montfort-l’Amaury
)
- Gottfried
(* 1134; † 1158), Graf von Anjou und Nantes
- Wilhelm
(* 1136; † 1164)
- Dieter Berg
:
Die Anjou-Plantagenets. Die englischen Konige im Europa des Mittelalters (1100?1400)
(=
Kohlhammer-Urban-Taschenbucher.
Bd. 577). Kohlhammer, Stuttgart 2003,
ISBN 3-17-014488-X
.
- ↑
Daniel Jones
:
English Pronouncing Dictionary.
15th edition, major new edition. Cambridge University Press u. a., Cambridge u. a. 1997,
ISBN 3-12-539682-4
.
- ↑
Vgl. etwa Guy Devailly:
Marmoutier.
In:
Lexikon des Mittelalters
.
Band 6. Munchen/Zurich 1993, Sp. 318?319, hier: Sp. 319.
- ↑
Dieter Berg:
Die Anjou-Plantagenets.
Stuttgart 2003, S. 7.