Harald Jager

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Harald Jager bei einer Veranstaltung der Liverpool University (2014)

Harald Jager (* 27. April 1943 ) war bis 1990 stellvertretender Leiter der DDR- Grenzubergangsstelle Bornholmer Straße (GUSt Bornholmer Straße) in Ost-Berlin im Dienstgrad eines Oberstleutnants der Passkontrolleinheit (PKE), die dem Ministerium fur Staatssicherheit unterstellt war. Am 9. November 1989 ließ er als diensthabender Leiter am Grenzubergang Bornholmer Straße befehlswidrig die Kontrollen einstellen. Er gilt daher als der Mann, der faktisch die Berliner Mauer offnete.

Ausbildung und Beruf [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Harald Jager wuchs in Bautzen auf und wurde zum Ofensetzer ausgebildet. 1961 meldete sich Jager freiwillig zur damaligen Deutschen Grenzpolizei (spater Grenztruppen der DDR der NVA ). 1964 trat er in die Dienste des Ministeriums fur Staatssicherheit (MfS) und arbeitete bis zur Wende und friedlichen Revolution in der Passkontrolleinheit (PKE). Dort waren hauptamtliche Mitarbeiter des MfS tatig; sie versahen ihren Dienst jedoch aus Tarnungsgrunden in regularen Dienstuniformen der Grenztruppen.

In den Jahren von 1976 bis 1979 absolvierte Jager ein Studium an der Juristischen Hochschule des MfS in Potsdam. [1] Seine Abschlussarbeit zum Diplom-Juristen legte er 1981 im Range eines Majors vor. Sie trug den Titel Die Bildung der Spezialistentruppen ?Sicherheit und Terrorabwehr“ in den Grenzzollamtern der Zollverwaltung der DDR als Voraussetzung zur zielgerichteten und differenzierten Einbeziehung der Angehorigen der Zollverwaltung der DDR in das System der Terrorabwehr an den Grenzubergangsstellen der DDR.

Grenzoffnung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Jager war am Abend des 9. Novembers 1989 im Grenzubergang Bornholmer Straße diensthabender Leiter. Wahrend seiner Pause gegen 20 Uhr sah er im Fernsehen die Pressekonferenz, auf der Gunter Schabowski die neue Reiseregelung verkundete. Er versuchte sofort, telefonisch Naheres uber diese Regelung zu erfahren. Sein Vorgesetzter, Oberst Rudi Ziegenhorn, machte jedoch deutlich, dass die alten Regelungen weiter gelten.

Kurze Zeit spater versammelten sich die ersten Menschen vor dem Ubergang. Um 21:30 Uhr brachte der Radiosender RIAS die ersten Reportagen von offenen Grenzubergangen, die zu diesem Zeitpunkt allerdings noch geschlossen waren. Aufgrund des immer großer werdenden Menschenandrangs wurde die Situation am Grenzubergang zunehmend unkontrollierbar. Jager loste daraufhin (ohne dazu befugt zu sein) Alarm aus. Sein Vorgesetzter befahl daraufhin, diejenigen DDR-Burger ausreisen zu lassen, die sich am lautesten außerten. Es wurde nach Anweisung von Ziegenhorn der Personalausweis der Ausreisenden kontrolliert und ungultig gestempelt, die DDR-Burger als Inhaber dieser Ausweise damit ausgeburgert (Ventillosung). [2] Als im Laufe des Abends jedoch Burger von ihrem ersten Kurzbesuch aus West-Berlin wieder zuruckkehrten, setzte er die erhaltene Anweisung nicht um und ließ sie wieder einreisen.

Es kamen immer mehr Menschen, der Druck stieg weiter an und Jager befurchtete, dass Ausreisewillige auch an die Waffen seiner Mitarbeiter kommen konnten, die diese bei sich trugen. Unter dem Druck der Massen und aufgrund der fehlenden Unterstutzung durch seine Vorgesetzten sah Jager nur einen Ausweg. Er befahl gegen 23:30 Uhr (es wird auch die Zeit 23:07 Uhr [3] genannt), die Grenze am Ubergang Bornholmer Straße zu offnen. Jager sagte in der ARD-Fernsehdokumentation ?Schabowskis Zettel“ vom 2. November 2009 daruber: [4]

?Das alles zusammengenommen war dann das Motiv des Handelns, so dass ich gesagt habe, jetzt reicht mir’s. Jetzt entscheidst du’s auf eigene Faust … Hab angewiesen, alle ausreisen zu lassen … lass alle ausreisen …“

Uber diesen Grenzubergang gelangten zwischen 23:30 Uhr und 0:15 Uhr schatzungsweise 20.000 Menschen nach West-Berlin. [5] [6] Jager selbst zog sich nach Offnung der Grenzanlagen erst einmal in einen ruhigen Raum zuruck. Jager dazu in der ARD-Fernsehdokumentation:

?Ich bin dann in die ehemalige, alte BRD-Abfertigungsstelle gegangen, da bin ich ja schließlich groß geworden, … und wollte meinen Tranen freien Lauf lassen … ich musste mit mir selbst erst mal allein sein … es war das Schrecklichste, das Schrecklichste und Schonste, das ich erlebt hatte … aber ich hatte Pech gehabt, in der Baracke stand schon ein anderer, ein Hauptmann, der geweint hatte …“

Nach der Friedlichen Revolution [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

1990 wurde Harald Jager im Zuge der Auflosung des MfS entlassen. Nach fast zwei Jahren Arbeitslosigkeit hatte er mehrere kurzfristige Jobs. Er arbeitete zeitweise in einem eigenen Zeitungsladen, dann in einem privaten Wachschutzunternehmen im Maßregelvollzug in der Bonhoeffer-Klinik in Berlin-Reinickendorf . [7] Als dort durch sein Buch seine MfS-Tatigkeit bekannt wurde, wurde er zu einem Heizkraftwerk in Berlin-Rummelsburg versetzt, wo er bis zur Rente tatig war. [8]

Jager lebt seit 2006 in Werneuchen . [9] Er ist verheiratet, hat zwei Tochter und einen Sohn.

Im nicht ganz faktengetreuen Fernsehfilm Bornholmer Straße von 2014 wird Jager von Charly Hubner als Oberstleutnant Harald Schafer verkorpert. [10] Er entstand nach Motiven des Buches Der Mann, der die Mauer offnete des Publizisten Gerhard Haase-Hindenberg.

Im Film Einmal Ku’damm und zuruck erlangte der Grenzubergang Bornholmer Straße Beruhmtheit durch die Verhaftung des Chefkochs der Schweizer Botschaft, Peter Gross . Harald Jager, damals Oberstleutnant, bekam den Befehl vom MfS, das Auto zu kontrollieren und eine Verhaftung vorzunehmen, da die Vermutung bestand, dass sich im Kofferraum eine weibliche Person befinden konnte.

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. GUSt meldet dem OLZ/Wie ein Berliner Stasi-Offizier die Maueroffnung provozierte ; FAZ, 13. August 2007
  2. Hans-Hermann Hertle: Chronik des Mauerfalls, S. 163?166.
  3. Kerstin Decker : Ein Mann, ein Ort ? und nun ein Buch. Der Grenzbeamte Harald Jager hat die Mauer als Erster geoffnet. In: Der Tagesspiegel, 24. Marz 2007.
  4. ARD-Doku/Spiegel-TV-DVD Nr. 21: 9. November 1989 ? Das Protokoll eines historischen Versehens.
  5. Gerhard Haase-Hindenberg: Der Mann, der die Mauer offnete. Wilhelm Heyne Verlag, Munchen 2007, ISBN 978-3-453-62025-4 , S. 202?20.
  6. Hans-Hermann Hertle: Chronik des Mauerfalls, S. 166?168.
  7. ?Macht den Schlagbaum auf!“ Tagesspiegel, 8. November 2007
  8. ?Ich habe nur das Menschliche getan“, Interview mit Harald Jager, taz, 5. November 2014.
  9. Ulrike Posche : Der Held ist ein einsamer Jager. stern 44/2014, 23. Oktober 2014, S. 72?75
  10. Bornholmer Straße ? Die unglaubliche, aber wahre Geschichte von Oberstleutnant Harald Schafer ( Memento vom 24. Juli 2018 im Internet Archive ), ARD .de, abgerufen am 5. November 2014