Harald I. Schonhaar
, manchmal auch
Haarschon
(
altnordisch
Haraldr hinn harfagri
;
norwegisch
Harald Harfagre
;
schwedisch
Harald Harfager
; * um 852; † 933), war der erste Konig des großtenteils an der Kuste liegenden
Norwegens
.
Die Vorfahren Harald Harfagres sind bis auf seinen Vater
Halvdan Svarte
(Halvdan den Schwarzen) und dessen Mutter Asa unbekannt. (Nach dem Auffinden des
Oseberg-Schiffs
im Jahre 1904 vermutete man zunachst, dass es sich bei dem in der Grabkammer auf dem Schiff gefundenen Frauenskelett um Asa handeln konnte.) Die
Stammliste
wurde erst spat konstruiert und entstammt dem Bestreben, die Herrschaftslegitimation durch vornehme Abstammung von Alters her zu untermauern. Der Islander
Sæmundur froði
hatte ein lateinisches Werk uber die norwegischen Konige geschrieben, das verloren ist. Sein Enkel
Jon Loftsson
benutzte das Werk im
11. Jahrhundert
fur sein Gedicht
Konungatal
. Dort wird nur Halvdan der Schwarze genannt. Auch der
Skalde
Thorbjørn Hornklove
bezeichnet Harald als ?Halvdansson“. Die
Fagrskinna
beginnt mit dessen angeblichem Vater ?Gudrøð Veiðikonung“ (Gudrød der Jagerkonig).
Ari froði
, ein etwas jungerer Zeitgenosse Sæmundurs, war wohl der erste, der die Stammlinie Haralds weit zuruckfuhrte bis auf die sagenhaften Konige
Schwedens
und
Uppsalas
. Diese Konige hießen ursprunglich
Skilvinger
. Ari benannte sie in
Ynglinge
um und fuhrte sie auf den Gott
Yngvi-Freyr
zuruck, der in alter Zeit der Hauptgott in Uppsala gewesen sein sollte. Bei der Gelegenheit knupfte er sich selbst auch in das Ynglinge-Geschlecht. Vorbild mag Sæmundurs Ahnenreihe fur die danischen Konige mit etwa 30 Generationen gewesen sein, die er auf die
Skjoldungen
zuruckfuhrte, wobei auch er sich in diese Ahnenreihe selbst als Abkommling einbaute.
Die Ahnenreihe der Ynglinge wird in 20 Generationen von
Odin
,
Njord
und
Freyr
hergeleitet. Danach folgen:
- Ingjald Illrade
- Olav Tretelgja
- Halfdan Kvitbein
- Øystein
- Halvdan
- Guðrøð Veiðikongur
- Olav Geirstaðalv
- Ragnvald Heiðumhære
- Halvdan svarte
- Harald Harfagre
- Ingjald (Vorfahr Ari Froðis)
Uber Harald Schonhaar ist wenig Sicheres uberliefert. Das meiste ist Herrscherlob ohne historische Relevanz. So heißt es bei
Snorri Sturluson
, Harald habe viele
Skalden
um sich versammelt, die im Volke bekannte Gedichte verfertigt hatten. Snorri vermag aber nur sehr wenige zu zitieren. Wahrscheinlich hat erst Haralds Sohn, Olav Haraldsson, die Skalden in großerer Zahl um sich versammelt. In den Sagas wurden viele marchenhafte Zuge verwendet, so im
Agrip
(altnordisch fur ?Zusammenfassung“) der Liebeswahn, in den Harald uber die
Samin
Snæfrid Svasedotter verfiel.
Die
Fagrskinna
beschreibt Harald auf zehn Druckseiten, die Snorri auf 30 Druckseiten ausweitet. In der
Fagrskinna
wird eigentlich nicht mehr gesagt, als dass Harald der Grunder des Konigshauses von
Norwegen
und der erste Reichskonig gewesen sei. Der Skalde
Thorbjørn Hornklove
soll das Gedicht
Glymdrapa
uber Haralds Kampfe gedichtet haben. Das Lobgedicht spricht in acht Strophen von klaffenden Wunden und Stromen von Blut. Fagrskinna ubernahm die Strophen und bezog sie alle auf die
Schlacht am Hafrsfjord
. Snorri verwendet das Gedicht als
Quelle
fur mehrere Schlachten Haralds und geht davon aus, dass einige Strophen mit dieser Schlacht nichts zu tun haben. Die Interpretations- und Zuordnungsprobleme haben sich seit damals nicht wesentlich verandert.
Von den Skaldengedichten uber ihn sind elf Fragmente mit etwa 50 Strophen uberliefert. Sie sind uber acht Sagas verstreut. Diese Gedichte sind von unterschiedlichem Quellenwert, insbesondere, da sie bis zu ihrer Verschriftlichung zwischen 1210 und 1230 schon eine mehrhundertjahrige mundliche Weitergabe hinter sich hatten. So durften die Harald selbst zugeschriebenen Strophen nicht von ihm stammen.
Ein zeitgenossisches Skaldengedicht
Haraldskvæði
, das ebenfalls Thorbjørn Hornklove zugeschrieben wird, berichtet, dass Harald ein Sohn Halvdans gewesen sei, und alle Quellen stimmen darin uberein, dass er der Sohn des
Konigs
Halvdan Svarte
im (norwegischen) Ostland gewesen sei. Allerdings ging die literarische Entwicklung dahin, die Familie immer weiter in den Westen zu verlagern. Bei Snorri ist Halvdan dann Konig von Vestfold.
Der Islander
Sæmundur froði
, der Vater der islandischen Geschichtsschreibung, hat die Stammlinie Haralds offenbar nicht weiter als bis zu seinem Vater Halvdan zuruckgefuhrt, hochstens bis zu dessen Vater Gudrød Veidekonge (sein auf Latein geschriebenes Werk ist verloren gegangen). Ein Werk von seinem Enkel Jon Loptsson
Noregs Konungatal
aus dem Ende des 12. Jahrhunderts gibt eine Zusammenfassung des Werkes seines Großvaters. Er beginnt mit Halvdan. Erstmals wurde in
Ynglingatal
, dessen Autor und Entstehungszeit umstritten sind, das Geschlecht der Vestfoldkonige, als deren letzter der Vetter Haralds Ragnvald Hederhog genannt wird, auf die sagenhaften Konige Uppsalas zuruckgefuhrt, was dann Snorri in die
Heimskringla
ubernahm.
Sæmundur froði und die zeitgenossischen Gelehrten um ihn machten die spateren norwegischen Konige
Olav Tryggvason
,
Olav Haraldsson
und
Harald Hardrade
zu Nachfahren Harald Harfagres. Damit hatten sie eine lange Kontinuitat der Herrschaft hergestellt. Aber man weiß nicht, wie viele Sohne Harald wirklich hatte. Die Zahlen variieren zwischen elf und 20. Aber selbst die niedrigste Zahl wird als zu hoch angesehen. Harald wurde bald eine Sagengestalt, und es liegt nahe, ihn mit vielen Frauen in verschiedenen Landesteilen in Verbindung zu bringen, die teilweise selbst Sagengestalten sind. Viele spatere Konige waren bemuht, ihre Vorfahren zu ihrer
Legitimation
ihrer Herrschaft auf Harald zuruckzufuhren. Einen Anhaltspunkt, der eine gewisse Wahrscheinlichkeit fur sich hat, bietet das
Hakonarmal
von
Øyvind Skaldespiller
. Es handelt sich um ein Gedachtnisgedicht auf Hakon den Guten vom Beginn des
10. Jahrhunderts
. Dort heißt es, dass er, als er nach
Walhall
kam, von acht Brudern begrußt wurde. Wenn man davon ausgeht, dass Hakon von allen Brudern am langsten lebte, muss Harald also neun Sohne gehabt haben. Die Namen kennt man kaum. Nur vier oder funf sind bekannt: Erik, Hakon, Ragnvald, Bjørn und Halvdan (moglicherweise zwei verschiedene mit dem letztgenannten Namen). Damit, dass Harald einen Sohn Bjørn hatte, ist auch nicht gesagt, dass es sich um den oben in der Nachfahrentafel genannten sagenhaften Bjørn Farmann handelt.
Dass Harald seinen Sohn Erik zum Nachfolger wahlte, wird in den Sagas darauf zuruckgefuhrt, dass seine Mutter eine Konigstochter, namlich
Ragnhild die Machtige
von Jylland gewesen sei.
Auch hinsichtlich der Mutter gibt es Widerspruchliches: Sæmundur berichtet nur, dass Halvdan Ragnhild, die Tochter des Konigs von
Sogn
geheiratet habe und dass Harald ihr Sohn gewesen sei. Fagrskinna und Snorri geben sich damit nicht zufrieden. Sie berichten, Ragnhild sei die erste Frau Halvdans gewesen. Sie und ihr Sohn Harald seien aber bald darauf gestorben. Daraufhin habe Halvdan eine andere Ragnhild geheiratet; diese stammte von dem legendaren Skjoldunger
Ragnar Lodbrok
ab. Deren Sohn Harald sei Harald Harfagre gewesen. So wurde ihm neben der Ynglingen-Abkunft noch eine weitere ruhmreiche Ahnenreihe zugeteilt.
Neuere Ansichten gehen dahin, dass die Abkunft Haralds von Halfdan und den Ynglingen eine spatere Konstruktion aus dem 13. Jahrhundert sei, um ihn mit Vestfold zu verknupfen und den Einfluss der Danen in der Umgebung Oslos und die dahingehenden Gebietsanspruche zuruckzuweisen.
[1]
Es wird auch fur moglich gehalten, dass er aus dem machtigen Karmøy-Geschlecht stammte, da sein Machtzentrum Avaldsnes auf Karmøy lag.
[2]
Snorri berichtet auch, dass Harald sich die Haare so lange nicht pflegen wollte, bis er Norwegen unterworfen habe. Nach der Schlacht am Hafrsfjord habe er sich erstmals die Haare kammen lassen und daraufhin den Beinamen ?Schonhaar“ erhalten. Hier findet sich das Motiv wieder, das auch bei
Gregor von Tours
und im
Alten Testament
zu finden ist:
Samsons
Kraft lag in seinen Haaren, ebenso war die Konigswurde der
Merowinger
mit ihrer Haarpracht verknupft. Ob dies eine ubiquitare Auffassung war und sich Harald deshalb die Haare tatsachlich nicht schor, oder ob dies eine spatere gelehrte Zutat zu seinem Lebensbild ist, lasst sich nicht mehr entscheiden. In der zeitgenossischen Skaldendichtung wird der Beiname nicht verwendet. Außer in der
Heimskringla
kommt diese Bezeichnung noch in deren Vorlage, dem
Agrip
, vor. Diese ist in einer Abschrift uberliefert, aber hier sieht es so aus, als ob es sich um eine fehlerhafte Abschrift fur den altnordischen Ausdruck
afaraudga
handelt, was ?der außerordentlich reiche und gluckliche“ bedeutet. Aber auch dieser Ausdruck kommt bei den Skalden nicht vor.
[3]
Snorri berichtet, dass Harald Schonhaar den Plan zu seinen Eroberungen gefasst habe, weil dies die Bedingung dafur war, dass er Gyða Eiriksdottir heiraten konnte. Der wahre Grund kommt aber in ihrer von Snorri uberlieferten Antwort auf Haralds Werbung zum Ausdruck: ?Es erscheint mir doch merkwurdig, dass sich kein Konig findet, der sich Norwegen genauso als Alleinherrscher unterwerfen will, wie das Konig
Gorm
[der Alte, † nach 935] mit Danemark und Konig Erich [Eymundsson, † 882] mit Schweden gemacht haben.“ Das Vorbild des
Frankenreichs
wirkte machtig nach.
Weiter berichtet Snorri, dass Harald nach dieser Bedingung Gyðas einen Eid leistete, sein Haar nicht zu scheren und nicht zu kammen, ehe er sich ?ganz Norwegen, Abgaben, Einkunfte und Herrschaft“ angeeignet habe. Daher habe er bald den Namen
Haraldr lufa
(?Strubbelkopf“) bekommen. Nachdem er die letzten Widerstande beseitigt habe, habe er anlasslich eines Besuchs beim
Jarl
Røgnvald Eysteinsson
in
Møre
ein Bad genommen, sein Haar geschnitten und gekammt und daraufhin vom Jarl den Beinamen ?Schonhaar“ erhalten. Einen besonderen Prestigegewinn im In- und Ausland konnte er dadurch verzeichnen, dass es ihm gelang, einen seiner jungeren Sohne,
Haakon
, bei Konig
Æthelstan
von England zur Erziehung unterzubringen.
Harald I. schlug viele Schlachten, um die Herrschaft uber ganz Norwegen zu erlangen, die beruhmteste war die
Schlacht am Hafrsfjord
vermutlich im Jahr
872
. Die Zahl ist aber aus den Angaben von
Ari froði
und den Sagas errechnet. Andere Forscher gehen von dem Jahr 900 oder kurz davor aus.
[4]
Die Herrschaft ?uber ganz Norwegen“ durfte dem spaten Herrscherlob Snorris fur das Harald-Geschlecht geschuldet sein und nicht der Wirklichkeit entsprechen. Haralds Herrschaftsbereich wird als auf
Vestlandet
und die sudliche Kuste rund um
Lindesnes
bis zur Grenze zu
Grenland
am
Oslofjord
hin beschrankt angesehen. Auch geht man heute davon aus, dass Harald seine Eroberungen von
Sogn
aus startete und die Schlacht am Hafrsfjord deren Abschluss bildete.
[5]
Wenn damit auch die Bedeutung Haralds als Einiger des norwegischen Reiches verkleinert wird, so bleibt er dennoch der Initiator dieses Prozesses.
Am Hafrsfjord unterlagen ihm die Großen von
Vestland
, angefuhrt von Konig Erik von
Hardanger
, sowie Konig Skuli von
Stavanger
, der Konig von Agder und dessen Sohn von
Telemark
und von Sørland, auch Hauptlinge, von denen Kjotve und Haklang genannt werden. In Danemark gibt es einen
Runenstein
, der fur einen Haklang errichtet worden ist. Ob es sich um die gleiche Person handelt, ist nicht sicher.
Trotz der Berichte von einem großen Sieg ist Harald aber keine ?Reichseinigung“ zuzuschreiben. Der
Reichsbegriff
wurde nicht einmal von Snorri in seiner
Heimskringla
(um 1230) verwendet. Dort heißt es nur: ?Nach dieser Schlacht fand Konig Harald keinen Widerstand mehr in Norwegen.“
[6]
Und wenig spater: ?Konig Harald war nun Alleinherrscher ganz Norwegens geworden.“
[7]
Spater behauptet die
Heimskringla
, er habe seine Sohne als Unterkonige auf ganz Norwegen verteilt.
[8]
Diese Aussage entspringt dem Wunsch der ortlichen Jarle im 12. Jahrhundert, ihr Geschlecht auf Harald zuruckzufuhren.
Gemaß der
Faringersaga
fuhrte seine Herrschsucht zu einer Auswanderungswelle auf die
Faroer
und vor allem nach
Island
. Aber die realen Verhaltnisse zu seiner Zeit durften dem entgegenstehen. Das
Landnamabok
uber die Besiedlung Islands weiß nichts davon und nennt andere Grunde.
Im Jahre 880 soll Harald laut der
Heimskringla
und den Annalen von Irland die
Orkneys
erobert und
Røgnvald Eysteinsson
(
Mørejarl
) zum ersten Jarl eingesetzt haben.
Snorri berichtet uber die innenpolitischen Veranderungen:
?Haraldr konungr setti þann rett alt þar er hann vann riki undir sik, at hann eignaðist oðul oll, ok let alla bœndr gjalda ser landskyldir, bæði rika ok urika. Hann setti jarl i hverju fylki, þann er dœma skyldi log ok landsrett ok heimta sakeyri ok landskyldir, ok skyldi jarl hafa þriðjung skatta ok skylda til borðs ser ok kostnaðar. Jarl hverr skyldi hafa undir ser 4 hersa eða fleiri, ok skyldi hverr þeirra hafa 20 marka veizlu. Jarl hverr skyldi fa konungi i her 60 hermanna af sinum einum kostnaði, en hersir hverr 20 menn. En sva mikit hafði Haraldr konungr aukit alog ok landskyldir, at jarlar hans hofðu meira riki en konungar hofðu fyrrum. En er þetta spurðist um Þrandheim, þa sottu til Haralds konungs margir rikismenn ok gerðust hans menn.“
?Konig Harald gab nun dem ganzen Land, das er sich unterworfen hatte, Recht und Gesetze: Er machte sich alle freien Bauernguter zu eigen und ließ sich von allen Bauern Abgaben zahlen, von den reichen wie von den armen. Uber jeden Gau setzte er einen Jarl, der Recht und Gesetz im Lande aufrechterhalten und Lehngeld und Abgaben fur den Konig einziehen sollte. Die Jarle sollten den dritten Teil der Zolle und Abgaben fur ihren Tisch und ihre Bekostigung haben. Jeder Jarl sollte vier
Hersen
oder mehr unter sich haben, und jeder von ihnen sollte 20 Mark fur seinen Unterhalt bekommen. Jeder Jarl sollte dem Konig 60 Kriegsmannen ins Heer liefern, jeder Herse aber 20. So aber hatte Harald die Steuern und Abgaben vermehrt, dass seine Jarle mehr Reichtum und Macht denn vordem die Konige. Als man dies in Drontheim erfuhr, da suchten viele vornehme Manner Konig Harald auf und wurden seine Vasallen.“
?
Heimskringla ? Haralds saga hins harfagra Kap. 6 ubersetzt von Felix Niedner
Damit wird die Einleitung der Reichseinigung zum Ausdruck gebracht. Die Reichseinigung war ja mehr als die Alleinherrschaft eines Konigs uber ein Land. Die Entwicklung ging zu einem Systemwechsel der Herrschaftsausubung hin.
Dass Harald dem Volk ?Recht und Gesetze“ gegeben habe, ist sicher eine Ruckprojektion aus der Zeit des Verfassers. Denn zu Lebzeiten Haralds hatte der Konig keine allgemeine Rechtssetzungsbefugnis. Allerdings konnte er Anordnungen uber die Staats- und Herrschaftsorganisation erlassen. Aber schon die Streitigkeiten unter seinen Sohnen nach seinem Tode und vor allem der spatere Burgerkrieg zeigt, dass bereits die Thronfolge nicht der Regelungsbefugnis der ersten Konige unterlag. Aber die ortliche
Thingeinteilung
durfte in gewissen Grenzen auf ihn zuruckgehen. Harald hat sicherlich das bereits bestehende
Gulathing
aufgewertet. Zwar ist erst von Haakon dem Guten berichtet, dass er auf dem Gulathing Gesetze erlassen habe, aber die Hauptstande des Gulathings ?
Firdafylke, Sygnafylke
und
Hordafylke
? waren bereits vor 930 und zu Lebzeiten Haralds zu einem Thing zusammengeschlossen. Dieser Zusammenschluss setzte zwingend eine Befriedung der Region voraus.
[9]
Die Enteignung der freien Bauernguter (
Odal
) in großem Stil war Teil der Konsolidierung der Konigsherrschaft. Harald beanspruchte ein feudales Obereigentum, und alle freien Manner erhielten ihr Eigentum als Lehen vom Konig. Dieser Vorgang wurde von den Historikern sehr unterschiedlich bewertet und ist immer noch in der Diskussion.
[10]
Streitig ist, ob Harald nur die Guter seiner Feinde oder aller Untertanen konfisziert hat, wie es die Quelle darstellt. Wenn es nur die Guter der Feinde waren, dann handelte es sich bei der Abgabe um einen Tribut, wie spater das Danegeld in England. Wenn er aber alle Guter konfiszierte und als Lehen neu ausgab und außerdem Abgaben erhob, dann musste er dafur eine Leistung erbringen im Sinne von Gabe und Gegengabe. Diese bestand dann in der Außenverteidigung gegen Wikinger. Letzteres ist gegenwartig die uberwiegende Meinung. Dafur spricht auch die spatere
Hirðskra
aus dem 13. Jahrhundert:
?... atkonongr hafe i sinu vallde at soma þann mæst af sinni faður læifð oc fræia þann sem hann finnr se(r) hollaztan [...] þui at hans æign oc oðall er allt landið.“
?...dass der Konig es in seiner Gewalt habe, den vor allen zu ehren aus seinem Vatererbe und den zu erheben, den er als den ihm ergebensten findet ... Denn sein Eigen und Odal ist das ganze Land.“
?
Hirdskraa § 13 in:
Norges gamle Love indtil 1387
Bd. 2 Christiania 1848. S. 403 ubersetzt von Rudolf Meißner
Die Formulierung, dass das ganze Land Odal des Konigs sei, lasst in ihrer fast beilaufigen Erwahnung als allbekannte Tatsache darauf schließen, dass es sich um eine sehr alte und gefestigte Vorstellung handelt.
Der Reichssammlungsmythos ist in mehreren Quellentexten uberliefert, die alle mehr oder weniger vom
Agrip
abhangen. Hervorzuheben sind
Snorris
Heimskringla
, die
Flateyjarbok
und die
Historia Norwegiæ
. Dabei geht es um die Stellung der
Samen
innerhalb des norwegischen Reiches und das Verhaltnis der beiden Volker zueinander.
Nach der Vorstellung der Norweger in
Wikingerzeit
und fruhem Mittelalter lebten die Samen in dem fur sie unzuganglichen Binnenland der skandinavischen Halbinsel und damit außerhalb der geordneten Welt. Die geordnete Welt war
Midgard
, das Binnenland gehorte zu
Utgard
, wo das Chaos herrschte und Riesen (
Jotnar
oder auch Joten),
Trolle
und
Zwerge
wohnten. Die Samen werden in den Quellen oft auch als Jotnar oder Zwerge bezeichnet.
In der
Heimskringla
wird in der Geschichte von
Halvdan Svarte
berichtet, dass Halvdan, der Vater Haralds, einmal den Weihnachtsabend in
Hadeland
(heute ein Teil von
Oppland
) verbrachte. Als der Festschmaus beginnen sollte, war plotzlich das gesamte Festmahl verschwunden. Konig Halvdan ließ einen zauberkundigen Samen ergreifen, brachte aber trotz Folter nichts aus ihm heraus, was das Verschwinden des Festmahls betraf. Sein Sohn Harald, der spatere Konig, befreite den Samen und floh mit ihm. Er kam zu einem Samenhauptling und verbrachte den Winter bei ihm. Dieser Hauptling hatte das Festmahl verschwinden lassen. Der Hauptling entließ Harald nach dem Tode Halvdans, damit er die Regierung in Norwegen ubernehme. Nach der Flateyjabok wurden dem Konig nach dieser Episode noch Gold und Wertgegenstande gestohlen. Der Dieb, ein Same der als Jotunn bezeichnet wird, wird gefasst und in Eisen gelegt. Der Samenhauptling schickt Harald bereits vor dem Tode Halvdans zuruck, damit er den Samen rette. Harald befreit den Samen, indem er die Eisenfesseln mit einem Schwert zerschlagt, das ihm der Same, den er fruher gerettet hatte, geschenkt hatte, und zieht mit diesem abermals davon. Dieser Jotunn heißt Dovre und wohnt in einer Hohle in
Dovrefjell
. Hier verbringt Harald funf Jahre. Dann teilt ihm Dovre mit, dass Halvdan gestorben sei, und beauftragt ihn, Norwegen zu einen und verspricht ihm, ihn unsichtbar dabei zu unterstutzen.
[11]
In der Flateyjabok wird Harald deutlicher als bei Snorri als Ziehsohn der Samen geschildert.
Eine wesentliche Strategie Haralds ist die Heirat der Tochter der Kleinkonige und Hauptlinge Norwegens. Nach dem
Agrip
hatte Harald mit vielen Frauen 20 Sohne, ohne dass die Frauen namentlich genannt werden. Nur von einem Sohn heißt es, er sei zauberkundig und ein Sohn von Snøfrid Svasisdotter gewesen. In der Heimskringla werden die Frauen und deren Kinder aufgezahlt, die alle bei den Familien der jeweiligen Frauen aufgewachsen seien. Hier wird deutlich, dass die Ehen Allianzen mit den Hauptlingen begrunden sollten. Auf diese Weise grundete Harald eine neue Dynastie. Erster Nachfolger wurde
Erich Blutaxt
. Sein Stamm starb mit
Harald Grafell
aus. Sein Nachfolger
Hakon der Gute
, ein anderer Sohn Haralds, hatte keine Sohne.
Olav Tryggvason
, ein Enkel Olav Haraldssons, hatte ebenfalls keine Sohne. Fur
Olav den Heiligen
wurde von den Gelehrten im 12. Jahrhundert angenommen, dass er Nachkomme Harald Harfagres sei. Sein Sohn
Magnus der Gute
hatte ebenfalls keinen Sohn. Sie alle waren Nachkommen von Muttern aus norwegischen Hauptlingsgeschlechtern. Das Volk der Samen war außen vor geblieben.
An diesen Umstand knupft der Mythos mit Snøfrid an. Der Konig befindet sich zu Weihnachten in Oppland, einem Gebiet auf der Grenze zwischen Midgard und Utgard. Am Weihnachtsabend kommt Svasi, ein Konig der Samen, und bittet ihn heraus (in den Quellen wird Svasi mal als Finnenkonig, also Konig der Samen, mal als Jotunn, mal als Zwerg bezeichnet). Er nimmt Harald zu seiner
Gamme
mit. Dort trifft dieser auf Snøfrid, die Tochter Svasis. Bei ihrem Anblick verfallt Harald ihr auf der Stelle, was auf einen Zauber Svasis zuruckgefuhrt wird. Er will sofort mit ihr schlafen, doch der Vater stellt zur Bedingung, dass er sie vorher gesetzlich heirate. Harald willigt ein und bleibt bei ihr bis zu ihrem Tod nach drei Jahren. In dieser Zeit gebiert sie ihm vier Sohne. Einer von ihnen ist Sigurd Haraldsson Rise, von dem dann
Harald Hardrade
, Halbbruder und Nachfolger von Magnus dem Guten, abstammt. Er hatte reiche mannliche Nachkommenschaft. Die Samen zogen also den jungen Sohn von Konig Harald auf und sorgten dafur, dass er den Thron nach seinem Vater erhielt, auch halfen sie ihm unsichtbar bei der Reichseinigung. Am Ende saßen nach der gelehrten Konigsgenealogie also die Nachkommen der Samin Snøfrid auf dem norwegischen Thron. Diese Genealogie mit einer Samin als
Stammmutter
muss bei ihrer Abfassung bereits die Zustimmung des Konigshauses gehabt haben.
[12]
Als Snøfrid gestorben war, blieb Harald noch jahrelang in tiefster Trauer bei der Leiche, bis ein Gefahrte deren Kleider wechseln wollte. Da bemerkte der Konig die Verwesung und wurde von seinem Wahn geheilt. Wach geworden wurde er so zornig, dass er seine Sohne von Snøfrid verstieß. Erst nach gutem Zureden seines Freundes, des Skalden Þjoðolfr, nahm er sie wieder auf. In dieser Episode mit Liebeswahn und anschließendem Hass spiegelt sich auch das ambivalente Verhaltnis zwischen Norwegern und Samen: gleichzeitige magische Anziehungskraft und Furcht.
Das Muster dieses Mythos ist deutlich dem Muster der Ehen zwischen Asen (in Midgard) und Joten (in Utgard) nachgebildet. Der Ase
Freyr
heiratet die Tochter des Riesen
Gymir
,
Gerda
aus
Jotunheim
. Sowohl Snøfrid als auch Gerda werden mit dem gleichen Attribut ?solbj?rt“ (Sonnenuntergang) gekennzeichnet. Harald wurde wie auch Freyr sofort blind vor Liebe. Von diesem Paar leitete sich das Geschlecht der
Ynglinger
ab. Von
Odin
und der
Jotin
Skade
leitete sich das machtige Geschlecht der Jarle von
Trøndelag
und
Lade
her.
[13]
Im Mythos um Harald nimmt die Utgard-Frau den Platz der Jotinnen in den Gottermythen ein und dient neben der Verhaltnisbestimmung zwischen zwei Volkern auch der Herrschaftslegitimation des Konigshauses.
Harald hatte nach den Sagas viele Kinder mit verschiedenen Frauen, wie viele genau, ist unbekannt. Allerdings ist zu berucksichtigen, dass sich viel spater viele Familien auf irgendeine Weise auf Harald zuruckfuhren wollten, so dass auch erdichtete Verbindungen nicht auszuschließen sind.
- mit
Gyda Eiriksdottir
:
- Alov Arbot ? um 890 Thore den Tause, d. h. der Schweigsame
Møre
-Jarl, Bruder von
Rollo
,
Graf von Rouen
(
Rolloniden
)
- Rørek Haraldsson
- Sigtrygg Haraldsson
- Frode Haraldsson
- Torgils Haraldsson
- mit Asa Hakonsdottir:
- Guttorm Haraldsson
- Halvdan Svarte Haraldsson
- Halvdan Kvite Haraldsson
- Sigrød Haraldsson
- mit
Ragnhild Eiriksdottir
:
- mit Svanhild Øysteinsdotter:
- Bjørn Farmann
- Olav Haraldson
- Ragnar Rykkel
- mit Ashild Ringsdotter:
- Dag Ringsson
- Dag Haraldsson
- Gudrød Skirja
- Ingegjerd Haraldsdotter
- mit Snøfrid Svasedotter:
- Sigurd Haraldsson Rise
- Halvdan Halegg
- Gudrød Ljome
- Ragnvald Rettilbeine
- mit Tora Mostertong
Die Konige, die in Sagas als Nachfahren Haralds vorgestellt werden (in Klammern die Regierungszeiten; ? bedeutet zweifelhafte Abstammung):
- Harald Harfagre (872??932)
- Erik Blodøks
(930?934)
- Harald Grafell und die Erikssohne (961?965/970)
- Hakon der Gute
(934?961)
- ? Olav
- Tryggve
- Olav Tryggvason
(995?1000)
- ? Bjorn Farmann
- Gudrød
- Harald Grenske
- Olav Haraldsson
(1015?1028)
- Magnus der Gute
(1035?1047)
- ? Sigurd Rise
- ? Halvdan
- Sigurd Syr
- Harald Hardrade
(1046?1066)
- Snorri Sturluson
:
Snorris Konigsbuch (Heimskringla).
Bd. 1. Ubersetzt von Felix Nieder. Darmstadt 1965.
- Eldbjørg Haug: ?Kongsgardstid“. In: Eldbjørg Haug (Hrsg.):
Utstein Kloster - og Klosterøys historie.
2005. S. 55?86.
- Kim Hjardar:
Harald Harfagre og slaget ved Hafrsfjord
. In: Per Erik Olsen (Hrsg.):
Norges Kriger. Fra Hafrsfjord til Afghanistan
. Oslo 2011.
ISBN 978-82-8211-107-2
. S. 10?17.
- Claus Krag:
Vikingtid og Rikssamling 800?1130
. In:
Aschehougs Norges Historie.
Bd. 2. Oslo 1995
- Else Mundal:
Kong Harald harfagre og samejenta Snøfrid. Samefolket sin plass i den norske rikssamlingsmyten.
In:
Nordica Bergensia
14 (1997), S. 39?53.
- Fritz Petrick:
Norwegen.
Regensburg 2002.
- Sverre Bagge:
Harald Schonhaar (anord. harfagri), Konig von Norwegen († ca. 930)
. In:
Lexikon des Mittelalters
(LexMA)
.
Band
4
. Artemis & Winkler, Munchen/Zurich 1989,
ISBN 3-7608-8904-2
,
Sp.
1930
.
- Theodor Fontane
:
Harald Harfager
,
[14]
- ↑
Kim Hjardar, Endnote 3.
- ↑
Kim Hjardar S. 11.
- ↑
Haug, S. 58.
- ↑
Petrik, S. 32; Thuesen, S. 37.
- ↑
Eldbjørg Haug 2005, S. 56.
- ↑
Heimskringla
, Kap. 19.
- ↑
Heimskringla
, Kap. 20.
- ↑
Heimskringla
, Kap. 33.
- ↑
Haug, S. 68.
- ↑
Haug S. 64.
- ↑
Mundal S. 47 f.
- ↑
Mundal S. 51.
- ↑
Mundal S. 50 und
Lofotr Vikingmuseum
Abgerufen am 26. September 2012.
- ↑
Ballade von Theodor Fontane