Als
Habsburgisch-franzosischen Gegensatz
bezeichnet die
Geschichtswissenschaft
den von 1516 bis 1756 dauernden Konflikt zwischen dem
Haus Habsburg
und dem
Konigreich Frankreich
um die Vorherrschaft in Europa. Sowohl offen als auch verdeckt ausgetragen, pragte er 240 Jahre lang die gesamte europaische Macht- und Bundnispolitik und mundete in zahlreiche
Kriege
, von denen der
Dreißigjahrige Krieg
der verheerendste war.
Die Ursprunge des Konflikts waren
dynastischer
Natur und entsprangen der erfolgreichen
Heiratspolitik der Habsburger
. Auf diese ging das geflugelte Wort zuruck
Bella gerant alii,
tu felix Austria nube
! ? Kriege mogen andere fuhren. Du, gluckliches Osterreich, heirate!
Am 5. Januar 1477 fiel
Karl der Kuhne
, Herzog von
Burgund
, in der
Schlacht von Nancy
, ohne einen mannlichen Erben zu hinterlassen. Damit endete die Autonomie des Herzogtums, das sich unter dem
Haus Burgund-Valois
zunehmend zu einem eigenstandigen
Staat
zwischen den großen europaischen Monarchien entwickelt hatte. Am 19. August desselben Jahres heiratete der spatere romisch-deutsche Kaiser, Erzherzog
Maximilian
von
Habsburg
, Karls Erbtochter
Maria von Burgund
. In ihrem Namen machte er nun ebenso Anspruche auf das
burgundische Erbe
geltend wie der franzosische Konig
Ludwig XI.
aus dem
Haus Valois
, dem die
Herzoge von Burgund
entstammten. Das Erbe umfasste Gebiete, die teils der Lehnshoheit
Frankreichs
, teils der des
Heiligen Romischen Reiches
unterstanden. Im
Burgundischen Erbfolgekrieg (1477?1493)
der mit dem
Vertrag von Senlis
am 23. Mai 1493 endete, konnte Maximilian die Erbanspruche seiner bereits 1482 verstorbenen Frau Maria und des gemeinsamen Sohnes,
Philipps des Schonen
, weitgehend durchsetzen.
[1]
Die Habsburger kamen durch den Vertrag in den Besitz der
Freigrafschaft Burgund
und weiter Teile der
Burgundischen Niederlande
. Dazu gehorte auch die reiche
Grafschaft Flandern
, die seit jeher unter franzosischer Lehnshoheit gestanden hatte. Konig
Karl VIII.
, nach dem Tod Ludwigs XI. von 1483 bis 1498
Konig von Frankreich
, sicherte der franzosischen Krone die
Picardie
, das
Maconnais
, das
Auxerrois
, das
Charolais
und das
Herzogtum Burgund
.
1496 verheiratete Maximilian seinen und Marias Sohn, Philipp, mit
Johanna
, der
Infantin
von
Spanien
. Deren beider Sohn wiederum, der spatere Kaiser
Karl V.
, trat 1515 die Herrschaft im burgundischen Flandern und im Jahr darauf im Konigreich Spanien an. Damit sah sich Frankreich an nahezu allen Landgrenzen von habsburgischen Territorien umgeben. Vermehrt wurde Karls Macht noch durch die eintraglichen
spanischen Besitzungen
in
Amerika
, durch die zu Spanien gehorenden Konigreiche
Sardinien
,
Neapel
und
Sizilien
sowie durch seine 1519 erfolgte Wahl zum romisch-deutschen Konig als Nachfolger seines Großvaters Maximilian I. Jedoch gelang es Karl zeitlebens nicht, die heterogenen habsburgischen Lander unter einer zentralen Gewalt zu vereinen und so die Einkreisung Frankreichs wirksam zu machen. Seine Lander blieben vorerst eigenstandige Gebilde, die zwar in
Personalunion
regiert wurden (?composite monarchy“
[2]
), deren Stande jedoch außenpolitisch jeweils eigene Interessen vertraten.
Die
Italienkriege
ab 1494 waren ein erster Ausdruck der jahrzehntelangen Machtkampfe zwischen Frankreich und Spanien. In der Folge strebte Konig
Franz I.
seit 1516 danach, sich aus der drohenden Umklammerung durch die habsburgischen Besitzungen zu losen und fuhrte zu diesem Zweck
vier Kriege
. Weitere folgten unter seinen Nachfolgern. Die Konige von Frankreich suchten und fanden dafur immer wieder Unterstutzung bei einzelnen deutschen
Reichsfursten
, vor allem nachdem diese sich infolge der
Reformation
sich feindlich gesinnten Lager zugehorig fuhlten. So ging beispielsweise die Furstenopposition gegen Karl V. unter
Moritz von Sachsen
1552 den
Vertrag von Chambord
mit der franzosischen Krone ein. Auch mit dem
Osmanischen Reich
kam ein
Bundnis
zustande, das der Eindammung der habsburgischen Macht dienen sollte. Aufgrund seiner maritimen Interessen stand auch das protestantische
England
seit der Thronbesteigung Konigin
Elisabeths I.
fur mehr als ein Jahrhundert meist im anti-spanischen, anti-habsburgischen Lager.
Das Konfliktpotenzial verminderte sich nur unwesentlich, als Karl V. 1555 abdankte und sein Herrschaftsgebiet zwischen seinem Sohn
Philipp II.
und seinem Bruder
Ferdinand I.
aufteilte. Ferdinand erhielt die osterreichischen Erblande und die Kaiserkrone, Philipp Spanien sowie die niederlandischen und italienischen Besitzungen. Die osterreichischen und spanischen Habsburger stimmten jedoch ihre machtpolitischen Interessen weiter miteinander ab und sorgten durch Heiraten zwischen ihren beiden Familienzweigen dafur, dass das Erbe der Dynastie zusammengehalten wurde. Nach wie vor sah sich deshalb Frankreich von Philipps Herrschaftsbereich eingekreist. Konig Philipp gelang es, seine Besitzungen so in seiner Hand zu zentralisieren, dass er den Druck auf Frankreich stark erhohen konnte. Die
Hugenottenkriege
verminderten in der zweiten Halfte des 16. Jahrhunderts die Handlungsmoglichkeiten der franzosischen Krone erheblich. Durch den
Frieden von Cateau-Cambresis
von 1559 war der Kampf um die europaische Vorherrschaft vorerst zu Gunsten Spaniens entschieden worden. Erst das Wiedererstarken Frankreichs unter dem ersten
Bourbonenkonig
Heinrich IV.
beendete die außenpolitische Schwache des Landes.
Heinrich IV. plante bereits 1610 militarisch in den
Julich-Klevischen Erbfolgestreit
einzugreifen und den Kampf gegen die habsburgischen Machte wieder aufzunehmen. Die Aussichten dazu hatten sich entscheidend verbessert, seit 1568 in den mehrheitlich protestantischen Niederlanden ein Aufstand gegen Spanien ausgebrochen war. Der darauf folgende
Achtzigjahrige Krieg
sollte Spanien entscheidend schwachen und zur Unabhangigkeit der Niederlande fuhren. Diese sahen in Frankreich fur lange Zeit einen naturlichen Verbundeten. Zum Ausbruch eines großen, allgemein-europaischen Krieges, der durch ein franzosisches Engagement in Julich-Kleve moglich gewesen ware, kam es jedoch nicht, da Heinrich IV. 1610 ermordet wurde.
In den 1618 ausbrechenden
Dreißigjahrigen Krieg
griff Frankreich vorerst nicht direkt ein. Die Politik
Kardinal Richelieus
, der fur Konig
Ludwig XIII.
die Regierung fuhrte, bestand zunachst darin, diejenigen Fursten mit
Subsidien
zu unterstutzen, die sich der drohenden Ausweitung der kaiserlichen Macht in Deutschland unter
Ferdinand II.
und
Ferdinand III.
entgegenstellten. Dies waren insbesondere die Fursten der
Protestantischen Union
sowie Konig
Gustav II. Adolf
von
Schweden
. Erst nach der Niederlage der Schweden in der
Schlacht bei Nordlingen
1634 beteiligte sich Frankreich auch militarisch.
Im
Westfalischen Frieden
von 1648 erreichte Frankreich nicht nur territoriale Zugestandnisse im
Elsass
, sondern setzte auch weitere, strategisch wichtige Vorstellungen durch: Die Reichsfursten erhielten das Recht, Bundnisse mit fremden Machten ? also auch mit Frankreich ? zu schließen, solange sich diese nicht gegen Kaiser oder Reich richteten. Vor allem war es Frankreich gelungen, die osterreichischen von den spanischen Habsburgern zu trennen. Wahrend es mit den einen Frieden schloss, fuhrte es mit den anderen weiter Krieg. Erst 1659 vereinbarte es mit Spanien den
Pyrenaenfrieden
, der fur Frankreich ebenso vorteilhaft war wie zuvor der Friede von Munster ? und wie es genau 100 Jahre zuvor der Frieden von Cateau-Cambresis fur Spanien gewesen war. Der Pyrenaenfriede markierte das Ende der spanischen und den Beginn der franzosischen Vorherrschaft in Europa. Die franzosische Krone sicherte sich u. a. das
Roussillon
und große Teile des
Artois
. Der Verlauf der spanisch-franzosischen Grenze blieb seither unverandert.
Nach dem Tod Kardinal
Mazarins
ubernahm Konig
Ludwig XIV.
1661 die alleinige Regierung Frankreichs. In den folgenden Jahren brach der habsburgisch-franzosische Gegensatz erneut auf ? nun jedoch unter dem umgekehrten Vorzeichen einer drohenden franzosischen
Hegemonie
.
Ludwigs aggressives Ausgreifen auf die Niederlande im
Hollandischen Krieg
sowie auf den Westen Deutschlands im Zuge der
Reunionspolitik
und des
Pfalzischen Erbfolgekriegs
veranderte die europaischen Bundnissysteme. Zunachst naherten sich die Niederlande dem habsburgischen Kaiser in Wien an und schließlich auch England, nachdem der niederlandische
Generalstatthalter
Wilhelm von Oranien
infolge der
Glorious Revolution
1688 den englischen Thron bestiegen hatte.
Die sogenannte
Große Allianz
trat Frankreich 1701?1713/14 im
Spanischen Erbfolgekrieg
entgegen, der nach dem Tod des letzten spanischen Habsburgers
Karl II.
ausgebrochen war. Entgegen einer von den europaischen Machten im
Frieden von Rijswijk
1697 getroffenen Vereinbarung hatten Ludwigs Diplomaten Karl II. dazu bewogen,
Philipp von Bourbon
, einen Enkel des franzosischen Konigs, als seinen Alleinerben einzusetzen.
Die Staaten der Großen Allianz sahen in dieser Machtkonzentration der
Bourbonen
eine erhebliche Storung des europaischen Gleichgewichts. Sie traten daher fur eine habsburgische
Sekundogenitur
in Spanien ein:
Karl
, der zweitgeborene Sohn Kaiser
Leopolds I.
sollte den Thron in Madrid besteigen. Der daruber ausbrechende Krieg belastete Frankreich enorm, es konnte jedoch letztlich den Angriffen der Großen Allianz standhalten.
Doch 1711, nach dem Tod Kaiser
Josephs I.
, dem alteren Bruder Karls, erbte dieser auch die ubrigen habsburgischen Besitzungen. Damit drohte das Reich Karls V. wieder zu erstehen. Da dies fur die bisherigen Verbundeten Osterreichs, England und die Niederlande, ebenso inakzeptabel war, wie eine franzosische Dominanz, drangten sie auf einen Ausgleich mit Konig Ludwig XIV. und dessen Enkel Philipp.
Der
Friede von Utrecht
bestatigte Philipp V. zwar als Konig von Spanien, untersagte jedoch die Vereinigung der franzosischen und der spanischen Krone unter demselben Herrscher aus dem Hause Bourbon. Zum Ausgleich fielen die
Spanischen Niederlande
und die italienischen Gebiete der Spanier an Osterreich. Gleichzeitig war es Frankreich gelungen die habsburgische Umklammerung fur immer zu zerschlagen. Der Frieden von Utrecht und der Tod Ludwigs XIV. 1715 beendeten daher die aggressive Eroberungspolitik Frankreichs, es konnte seine Vorherrschaft in Europa bewahren, wahrend das Haus Osterreich zur europaischen Großmacht aufgestiegen war.
Nach dem Frieden von Utrecht hatte der habsburgisch-franzosische Gegensatz im Grunde seine Substanz verloren. Außer den
Osterreichischen Niederlanden
und dem
vorderosterreichischen
Breisgau
grenzte kein habsburgisches Territorium mehr an Frankreich. Die machtpolitischen Interessen beider Lander uberschnitten sich kaum noch, insbesondere seit Osterreich darangegangen war, seine Machtbasis auf dem
Balkan
auf Kosten des Osmanischen Reiches zu vergroßern.
Dennoch blieben die traditionellen Bundnissysteme auch weiterhin bestehen. Sowohl im
Polnischen Erbfolgekrieg
als auch in den
Schlesischen Kriegen
unterstutzte Frankreich jeweils das anti-habsburgische Lager. Im
Osterreichischen Erbfolgekrieg
versuchte sich Frankreich dann ein letztes Mal auf Kosten der Habsburger am Oberrhein auszudehnen und besetzte 1744 die vorderosterreichische Hauptstadt
Freiburg im Breisgau
, die es aber bereits 1745 im
Frieden von Fussen
raumen musste.
Erst als Osterreichs starkster Gegenspieler im Reich,
Friedrich II. von Preußen
, 1756 die
Konvention von Westminster
, ein Bundnis mit Frankreichs Rivalen England, abschloss, kam es zum sogenannten
Renversement des alliances
, der ?Umkehrung der Allianzen“. Auf Betreiben des
Staatskanzlers
Kaunitz
schloss Osterreich ein
Verteidigungsbundnis
mit Frankreich, das sich wahrend des
Siebenjahrigen Krieges
zu einer Offensivallianz entwickelte. Im Krieg gegen Preußen standen die beiden Lander erstmals auf derselben Seite. Im
Pariser Frieden 1763
zeichnete sich erstmals die
Pentarchie
ab, die Vorherrschaft der funf Großmachte in Europa, die das 19. Jahrhundert pragen sollte. Sie setzte sich auf dem
Wiener Kongress
von 1815 durch, nachdem Frankreichs militarische Dominanz in Europa endgultig gebrochen war.
Der habsburgisch-franzosische Gegensatz, dessen erster Keim im Jahr 1477 durch eine Furstenhochzeit gelegt worden war, wurde fast 300 Jahre spater durch eine weitere Heirat symbolisch beendet, durch jene zwischen dem franzosischen Thronfolger und spateren Konig
Ludwig XVI.
und der Tochter Kaiserin
Maria Theresias
,
Marie-Antoinette
. Beide sollten wahrend der
Franzosischen Revolution
ihr Leben verlieren, mit der ? unter ganzlich anderen Vorzeichen ? ein weiteres Kapitel deutsch-franzosischer Konflikte begann. In ihrem Verlauf sollten im 19. Jahrhundert nationalistische Kreise den rein machtpolitisch und dynastisch motivierten habsburgisch-franzosischen Gegensatz als Ursprung der sogenannten ?
Erbfeindschaft
“ zwischen Deutschen und Franzosen deuten.
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- Esther-Beate Korber:
Habsburgs europaische Herrschaft. Von Karl V. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts
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- Horst Rabe:
Deutsche Geschichte 1500?1600. Das Jahrhundert der Glaubensspaltung.
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- Jorg Ulbert (Hrsg.):
Formen internationaler Beziehungen in der Fruhen Neuzeit. Frankreich und das Alte Reich im europaischen Staatensystem. Festschrift fur
Klaus Malettke
zum 65. Geburtstag.
(=Historische Forschungen 71) Berlin 2001.
Karten:
- ↑
Manfred Hollegger
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Maximilian I. (1459?1519) Herrscher und Mensch einer Zeitenwende.
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J. H. Elliott:
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Past and Present
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