Das
Großherzogtum Toskana
(italienisch
Granducato di Toscana
) war ein in dieser Form seit dem 16. Jahrhundert bestehendes historisches
Territorium
auf der
Apenninhalbinsel
im heutigen
Italien
. Es war
Lehen
des
romisch-deutschen Kaisers
als Teil
Reichsitaliens
. Hervorgegangen ist der Staat aus dem wirtschaftlich prosperierenden Stadtstaat
Florenz
, der bereits im
Spatmittelalter
begann, die umliegenden Kommunen zu erwerben. Im Laufe der Zeit umfasste das Land fast die gesamte heutige
Toskana
. In der Stadt Florenz entwickelte sich im
Mittelalter
eine republikanische
Verfassung
. In deren Rahmen stiegen die
Medici
zu den zunachst informellen Herrschern und schließlich zu formellen Herrschern der Stadt und der Toskana auf. Nachdem ihre Herrschaft zeitweise durch eine republikanische Bewegung beendet worden war, restaurierte
Karl V.
ihre Herrschaft und erhob das Land 1530 zum Herzogtum. Damit geriet es aber gleichzeitig in Abhangigkeit vom Haus
Habsburg
. Versuche der Annaherung an den
Papst
fuhrten 1569 zur Erhebung zum
Großherzogtum
. Nach der Anerkennung der Lehnsabhangigkeit vom Reich erkannte Kaiser
Maximilian II.
den neuen und ungewohnlichen Titel an.
Cosimo I. de’ Medici
war der eigentliche Schopfer des toskanischen Staates durch die Ausweitung des Florentiner Burgerrechts auf die gesamte Toskana einerseits und den Aufbau einer
absolutistischen Herrschaftsorganisation
andererseits.
Bei seiner Heirat mit
Maria Theresia
von
Osterreich
musste Herzog
Franz Stephan
von
Lothringen
, der spatere romisch-deutsche Kaiser Franz I., seine Stammlande gegen die Anwartschaft auf das Großherzogtum abtauschen, das ihm sein Schwiegervater Kaiser
Karl VI.
beim Aussterben der Medici 1737 verlieh. Sein Sohn Kaiser
Joseph II.
uberließ die Regierung der Toskana 1765 seinem Bruder
Peter Leopold
, der sie zu einem Musterstaat im Sinn der
Aufklarung
umgestaltete. Als er 1790 als Leopold II. Kaiser wurde, machte er sie zu einer
Sekundogenitur
des Hauses
Osterreich-Lothringen
. Mit Unterbrechungen wahrend der
Revolutionszeit
und der
napoleonischen Ara
blieb das Großherzogtum bis zum Aufgehen im
Konigreich Italien
im Jahr 1861 habsburgisch.
Wie die anderen oberitalienischen Stadte entwickelte auch Florenz im 12. Jahrhundert Selbstverwaltungseinrichtungen. Aber ein unabhangiges Handeln wurde von den Markgrafen der Toskana eng beschrankt. Erst nach dem Tod
Heinrichs VI.
begann sich dies zu andern. Die Stadt war im 13. Jahrhundert gespalten in die Parteien der
Ghibellinen und Guelfen
. Die Begriffe machten in der Folge verschiedene Bedeutungswandlungen durch. Im 13. Jahrhundert kam ein sozialer Konflikt zwischen den Magnaten und wohlhabenden Handlern und Handwerkern, die sich selbst als
popolo
bezeichneten, hinzu. Zwischen 1250 und 1260 herrschte die Partei des Popolo. Dann losten sich Ghibellinnen und Guelfen ab, ehe 1282 die Vorsteher der
Zunfte
begannen, die Macht zu ubernehmen. Im Jahr 1293 wurden harte Gesetze gegen die Magnaten erlassen.
[1]
Nachdem
Bonifatius VIII.
zum Papst gewahlt worden war, kam es zur Spaltung der Guelfen in die schwarzen und weißen Guelfen. Die Schwarzen waren fur die Zusammenarbeit mit Rom, die Weißen dagegen. Im Jahr 1301 setzten sich die Schwarzen durch und zwangen ihre Gegner, darunter auch
Dante
, ins Exil zu gehen. Im Gegensatz zu anderen Stadtstaaten gelang es in der Folge, auch wegen der demokratischen Verfassung, in Florenz zunachst keiner Familie, ubermachtig zu werden. Allerdings wurde die Verfassung durch Sonderbehorden oder Kommissionen mit besonderen Kompetenzen teilweise eingeschrankt. Auch begannen vermogende Familien, ein Klientelsystem aufzubauen. Mit Hilfe ihrer Anhanger konnten diese die stadtischen Gremien zu ihren Gunsten beeinflussen.
[2]
Die florentinische Republik begann bereits im Spatmittelalter, andere Stadte zu erwerben. Darunter waren
Prato
(1351),
Volterra
(1361),
Arezzo
(1384) und
Pisa
(1405). Teilweise schlossen sich umliegende Gebiete freiwillig an. Dabei spielte die Furcht vor der Expansion der Visconti eine Rolle. So begab sich
Pistoia
unter den Schutz von Florenz. Von besonderer strategischer Bedeutung war der Erwerb von Arezzo, das die Straße in Richtung Suden beherrschte. Diese Stadt ? wie auch Pisa ? wurde durch Kauf erworben. Allerdings wehrten sich die Einwohner Pisas und mussten erst in einer langen Belagerung besiegt werden. Ein erster Abschluss des Aufbaus eines Territoriums war 1441 erreicht, als Florenz ein Bundnis mit
Lucca
fur funfzig Jahre abschloss. Ein großer Teil der Toskana, mit Ausnahme vor allem von
Siena
, unterstand damit Florenz.
[3]
[4]
Militarisch bediente sich die Stadt bereits fruh Soldnern, auch weil die militarische Neigung der wohlhabenden Einwohner gering war, und die zugehorigen Gebiete fur die Stellung von Truppen zu klein. In Krisenzeiten unterstellte man sich notgedrungen dem Schutz etwa des
Konigreichs Neapel
.
[5]
Die Stadt Florenz zahlte zu Beginn des 14. Jahrhunderts etwa 100.000 Einwohner. Das beherrschte Land hatte im 15. Jahrhundert etwa 1 Million Einwohner. Es war vor allem durch die Textilproduktion reich geworden. Die Florentiner Banken suchten ihresgleichen in Europa, und auch der Fernhandel bluhte. Das Schulwesen war fur zeitgenossische Verhaltnisse vorbildlich.
[3]
[6]
Zu Beginn des 15. Jahrhunderts standen sich vor allem die Anhanger der Familien
Albizzi
und die der Medici gegenuber. Die Medici, die durch Bankgeschafte reich geworden waren, setzten sich durch. Auch wenn die demokratischen Institutionen bestehen blieben, beherrschten
Cosimo de’ Medici
und seine Nachfolger de facto die Stadt. Ihnen gelang es mit einer ausgepragten Sozialpolitik, die Masse der Bevolkerung hinter sich zu bringen. Allmahlich entwickelte sich daraus eine offene Herrschaft.
Lorenzo il Magnifico
heiratete eine Frau aus dem Adelsgeschlecht der
Orsini
, und die Bankgeschafte wurden vernachlassigt. Der Abstand zwischen der Familie und ihren Klienten wuchs. Im April 1478 kam es dann zu einem Mordanschlag auf
Giuliano di Piero de’ Medici
und Lorenzo il Magnifico, hinter dem die konkurrierende Familie Pazzi (
Pazzi-Verschworung
) und hochrangige kirchliche Kreise steckten. Selbst Papst
Sixtus IV.
war darin verwickelt. Der Anschlag wurde als Tyrannenmord stilisiert und sollte einen Aufstand gegen die Medici auslosen. Als bekannt wurde, dass Lorenzo den Anschlag uberlebt hatte, wandte sich die Menge gegen die Verschworer, und einige von ihnen, darunter auch Erzbischof
Francesco Salviati
von Pisa, wurden getotet. Der Papst exkommunizierte Lorenzo wegen angeblichen Bischofsmords, uber die Stadt wurde das
Interdikt
verhangt und es kam sogar zum Krieg, ohne dass der Papst Erfolg gehabt hatte. Die Medici hatten sich an der Macht behauptet. Lorenzo fuhr eine Politik des außenpolitischen Ausgleichs.
[7]
[8]
Obwohl Cosimo und Lorenzo in ihrer Personlichkeit sehr unterschiedlich waren, wurden sie doch beide zu Forderern der Kunst und Wissenschaft. Die Medici waren
Mazene
großen Stils und machten Florenz zu einer der Metropolen der
Renaissance
. Zu den von ihnen Geforderten gehorten unter anderem
Verrocchio
,
Botticelli
und
Michelangelo
. Durch die platonische Akademie und die
Biblioteca Medicea Laurenziana
machten sie Florenz auch zu einem Zentrum des
Humanismus
.
[8]
Nach dem Tod Lorenzos 1492 ubernahm sein Sohn
Piero
die Regierung. Sowohl nach innen gegenuber erstarkenden konkurrierenden Familien, aber auch nach außen gegenuber Frankreich, das seine Position in Italien auszubauen begann, verhielt er sich wenig geschickt. Weil er der Armee des franzosischen Konigs 1494
Livorno
und
Pisa
uberließ, wurde er von der Opposition in Florenz gesturzt. Durch die Niederlage Frankreichs wurde auch Florenz geschwacht und verlor Pisa, das es erst 1509 zuruckgewann. Im Inneren gab es Streit zwischen verschiedenen Parteien;
Savonarola
versuchte eine Theokratie aufzubauen. Seine Gegner setzten sich schließlich durch und er wurde 1498 hingerichtet.
[9]
Erst 1512/1513 setzten die Spanier die Restauration der Medici durch. Offiziell wurde die Regierung von
Giuliano
geleitet. Hinter ihm stand jedoch der Kardinal Giovanni, bis dieser 1513 zum Papst
Leo X.
gewahlt wurde. An seine Stelle trat in Florenz
Lorenzo di Piero de’ Medici
. Dieser setzte eine Verfassungsreform um und regierte ab 1519 als
Capitano generale della Republica
.
[10]
Im Jahr 1526 trat Florenz der
Heiligen Liga von Cognac
gegen
Karl V.
bei. Nach dem
Sacco di Roma
kam es zum Aufstande der Gegner der Medici. An die Stelle ihrer Herrschaft trat erneut die Republik. Um den Papst
Clemens VII.
aus dem Haus Medici auf seine Seite zu ziehen, versprach ihm der Kaiser unter anderem die Wiederherstellung der Herrschaft der Medici. Allerdings erwies sich dies als nicht so einfach. Der Kaiser stieß in Florenz auf harten Widerstand. Erst nach langen Kampfen gelang es kaiserlichen und papstlichen Truppen 1530, die Stadt einzunehmen.
Die Herrschaft ubernahm
Alessandro de’ Medici
. Dieser wurde zum Herzog der Toskana erhoben und heiratete 1536 eine Tochter des Kaisers. Aus der Republik war endgultig eine
Monarchie
geworden, die zudem unter dem Einfluss des Hauses Habsburg stand. Ein von Frankreich unterstutzter Aufstand gegen die Medici im Jahr 1536 hatte keinen langfristigen Erfolg. Dem ermordeten Herzog Alessandro folgte
Cosimo
. Dieser wurde vom Kaiser zum erblichen Herzog erklart und naherte sich den Oberschichten an.
[11]
Im Zuge der Kriege um die Vorherrschaft in Italien zwischen Karl V. und Frankreich gelang es Cosimo, das Staatsgebiet so zu erweitern, dass es fast die gesamte heutige Toskana umfasste. Insbesondere gelang es,
Siena
und dessen zugehoriges Gebiet zu erwerben.
[12]
Der Papst erhob 1569 das Herzogtum zum Großherzogtum. Ein Grund war, dass Cosimo ein Angebot der Einwohner von
Korsika
ausschlug, ihr Konig zu werden, befand sich die Insel doch zumindest theoretisch noch in Lehnsabhangigkeit vom Papst. Der Großherzogstitel war bislang nicht gebrauchlich.
[13]
Weil Florenz lange auf seiner kommunalen Verfassung beharrt hatte, kam es verschiedentlich zu Spannungen mit den unterworfenen Stadten. Diese wurden erst beigelegt, als Cosimo der Jungere 1555 das Burgerrecht von Florenz auf alle beherrschten Stadte ausdehnte.
[3]
Dahinter steckte aber auch die Absicht, eine Abhangigkeit der Toskana vom Papst zu konstruieren. Cosimo sah in dem Streben nach dem papstlichen Titel ein Mittel, in starkerem Maße unabhangig von Habsburg zu werden. Kaiser
Maximilian II.
, der dadurch die Zugehorigkeit der Toskana zu Reichsitalien in Frage gestellt sah, protestierte entschieden, und erst nach Jahren des Streits kam es zu einer Einigung. Der Nachfolger Cosimos,
Ferdinando I. de’ Medici
, durfte zwar den Titel eines Großherzogs behalten, musste aber dem Kaiser den Lehnseid leisten.
[14]
Erst jetzt entwickelte sich aus der Stadtrepublik der toskanische Staat. Florenz wurde vom Baumeister
Giorgio Vasari
zur Hauptstadt ausgebaut. Den Abschluss bildete 1560 der
Palazzo degli Uffizi
.
[15]
Die alten florentinischen kommunalen Amter blieben zwar bestehen, aber die tatsachliche Herrschaft lag neben dem Herzog bei einem kleinen Staatsrat (
practica secreta
). Dem Gremium unterstand auch die an Umfang gewinnende Burokratie. In dieser hatten die Vertreter der Provinzen ein wachsendes Gewicht. Allerdings war der Wandel von der Stadtkommune hin zum mehr und mehr absolutistisch regierten Staat mit Nachteilen verbunden. Die Vitalitat des Stadtstaates ging tendenziell verloren. Wirtschaftlich entwickelte sich Florenz an der Wende zum 17. Jahrhundert von einer Handels- und Gewerbemetropole hin zu einer Residenzstadt, in der Grundbesitzer und die Verwaltung den Ton angaben. Das insgesamt absolutistische Regime blieb auch unter den wenig bedeutenden Nachfolgern Cosimos bestehen.
[16]
Cosimo dankte 1574 zu Gunsten seines Sohnes
Francesco
ab. Ihm folgte von 1587 bis 1609 Ferdinando I. Die Sohne Cosimos versuchten einen Kurs zwischen den Großmachten Spanien und Frankreich zu steuern. Die Großherzoge versuchten auch dem wirtschaftlichen Niedergang etwa durch den Ausbau des Hafens von
Livorno
entgegenzuwirken. Ferdinando grundete den
Stephansorden
mit der Aufgabe, den Seehandel vor den Ubergriffen der
Barbaresken
zu schutzen. Die toskanischen Kriegsschiffe griffen
Annaba
im heutigen
Algerien
an und ein Jahr spater errangen sie einen Sieg gegen eine osmanische Flotte. Immer deutlicher wandelte sich das Land aber zur Agrarregion. Seit der zweiten Halfte des 16. Jahrhunderts wurden Sumpfe trockengelegt und bislang brachliegendes Land urbar gemacht.
Die Nachfolge von Ferdinando I. trat 1609 dessen Sohn
Cosimo II.
an. Dieser erwies sich als wenig fahig. Nach dessen Tod im Jahr 1621 wurde das Land von seiner Mutter
Christine von Lothringen
und seiner Frau
Maria Magdalena von Osterreich
regiert, ehe 1628
Ferdinand II.
die Regierung antrat. Obwohl durchaus fahig, konnte auch er den wirtschaftlichen Niedergang nicht aufhalten. Ihm folgten
Cosimo III.
(1670?1723) und nach diesem
Gian Gastone
. Dieser war kinderlos, und mit ihm starb die Herrscherfamilie der Medici 1737 aus.
[17]
Als Herzog
Franz Stephan
(Francesco Stefano) von
Lothringen
1736
Erzherzogin
Maria Theresia
von
Osterreich
heiratete, musste er auf Druck Frankreichs seine Stammlande gegen die Anwartschaft auf die Toskana abtauschen. Der letzte Medici
Gian Gastone
suchte vergeblich zu verhindern, dass nach seinem Tod 1737 Kaiser
Karl VI.
das Großherzogtum als heimgefallenes
Reichslehen
seinem Schwiegersohn verlieh.
[18]
Nach dem
Frieden von Wien
nahm Franz Stephan die Toskana 1738 in Besitz und setzte den
Fursten von Craon
als Regenten ein. Er selber hielt sich nur 1739 kurz mit seiner Gattin im Großherzogtum auf. Dieses wurde von einer Reihe auslandischer Beamter regiert, die zwar einige Reformen durchfuhrten, aber das Land vor allem als Geldquelle fur den Großherzog und spateren Kaiser (
Franz I.
), fur die Kriege Maria Theresias sowie fur sich selber behandelten.
Als Franz Stephan 1765 starb, uberließ sein Sohn Kaiser
Joseph II.
die Regierung der Toskana seinem nachstjungeren Bruder
Peter Leopold
(Pietro Leopoldo). Dieser residierte dauerhaft in Florenz und gilt als einer der Reformfursten des 18. Jahrhunderts. Er ersetzte die meisten Auslander in der Regierung durch Einheimische, gab (auf Vorschlag des
Sienesen
Sallustio Bandini
) den Handel mit Lebensmitteln und Textilien frei, forderte die Landwirtschaft und ließ
Marschland
kultivieren. Er hob die Steuer
privilegien
des
Adels
auf, reformierte
Justiz
und Verwaltung, schaffte die
Folter
und als erster Herrscher die
Todesstrafe
ab und ersetzte das stehende Heer durch eine Burgermiliz. Er beschrankte die Macht des
Klerus
, hob Kloster auf, zog Kirchenguter ein und lehnte die Einmischung des Papstes ab (→
Synode von Pistoia
). Auch spielte er mit dem Gedanken, dem Land eine
Verfassung
zu gewahren, fuhrte diesen Plan jedoch nicht aus. Andererseits war Peter Leopold misstrauisch (auch gegenuber seinem Bruder in Wien) und seine teutonische Starrheit unpopular. Viele seiner Reformen, vor allem jene auf kirchlichem Gebiet, stießen in konservativen Kreisen auf Widerstand.
Nach dem Tod Josephs II. wurde Peter Leopold 1790 Regent des osterreichischen Staatenverbands und als Leopold II. Kaiser. Bei diesem Anlass ubertrug er die Toskana als erbliches Eigentum seinem zweiten Sohn
Ferdinand III.
(Ferdinando III.), der dort geboren und aufgewachsen war. Damit wurde das Großherzogtum zu einer
Sekundogenitur
des Hauses
Osterreich-Lothringen
(
Habsburg-Lothringen-Toskana
), die mit Unterbrechungen bis 1859 bestand.
Wahrend der
franzosischen Revolutionskriege
versuchte Ferdinand III. Neutralitat zu bewahren, um fremde Invasionen zu vermeiden, aber 1799 zog eine franzosische Truppe in Florenz ein und wurde von einer kleinen Zahl Republikaner willkommen geheißen. Der Großherzog musste fliehen, ein
Freiheitsbaum
wurde gepflanzt, und eine provisorische Regierung aus Franzosen rief eine ?Etrurische Republik“ aus. Die große Masse des Volks war vom unreligiosen Charakter des neuen Regimes allerdings entsetzt, und eine
Konterrevolution
, die von Papst
Pius VII.
, den Anhangern des Großherzogtums und dem Klerus geschurt wurde, brach in Arezzo aus. Banden bewaffneter Bauern zogen mit dem Ausruf ?Viva Maria!“ durch das Land und vertrieben die Franzosen, nicht ohne Graueltaten zu begehen. Mit der Hilfe der Osterreicher, die der Unordnung ein Ende setzten, wurde Florenz besetzt, und eine Regierung im Namen des abwesenden Großherzogs Ferdinand gebildet.
Nach
Napoleons
Sieg bei
Marengo
kehrten die Franzosen jedoch mit einem großen Heer zuruck, zerstreuten die Banden und besetzten Florenz erneut (Oktober 1800). Auch sie begingen Graueltaten und plunderten Kirchen, aber sie wurden herzlicher als zuvor vom Volk empfangen.
Joachim Murat
(spater Konig von Neapel) veranlasste die Bildung einer provisorischen Regierung, die zwischenzeitlich noch einmal von einer großherzoglichen abgelost wurde. Durch den
Frieden von Luneville
1801 musste die habsburgische Sekundogenitur jedoch ? scheinbar endgultig ? auf die Toskana verzichten: Der bisherige Großherzog Ferdinand wurde im
Vertrag von Paris (1802)
zunachst mit dem
Herzogtum Salzburg
, das die Nachfolge des sakularisierten
Erzstifts Salzburg
antrat, 1805 in neuerlichem Landertausch mit dem neugeschaffenen
Großherzogtum Wurzburg
(ebenfalls einem fruheren
Furstbistum
) innerhalb Deutschlands entschadigt und auf diese Weise doch noch ein Vasall Napoleons, mit dem er fortan bis 1814 verlasslich zusammenarbeitete.
Die Toskana hingegen wurde von Napoleon 1801 dem Herrschaftsgebiet der damals mit ihm verbundeten spanischen
Bourbonen
zugeteilt, indem der Erbprinz des von den Franzosen beanspruchten bourbonischen
Herzogtums Parma
als
Ludwig I.
zum ?
Konig von Etrurien
“ erhoben wurde. Der neue Konig, faktisch ebenfalls ein machtloser franzosischer Vasall, starb bereits 1803. Sein minderjahriger Sohn
Karl Ludwig
? der spatere
Herzog von Lucca
bzw. Parma ? wurde als Ludwig II. zum Konig proklamiert, fur den seine Mutter
Maria Luisa von Spanien (1782?1824)
die Regentschaft fuhrte.
Bereits im Dezember 1807 endete diese Bourbonen-Episode in der Toskana: Die Konigin-Regentin musste auf franzosischen Druck hin abdanken und ging mit ihrem Sohn nach Spanien, die Toskana wurde Teil des franzosischen Kaiserreiches und erhielt 1809 Napoleons Schwester
Elisa Baciocchi
zur
Generalgouverneurin
, die ehrenhalber den Titel einer ?Großherzogin von Toskana“ fuhren durfte. Anders als in anderen
italienischen Staaten
stellte sich in der Toskana heraus, dass diese aufgrund der aufgeklarten Reformen Peter Leopolds der europaweiten napoleonischen Reformarbeit kaum bedurfte. Der Belastung durch Steuern und Wehrpflicht, die im desastrosen
Russlandfeldzug
von 1812/13 kulminierte, standen daher kaum Vorteile gegenuber. Daher fiel es dem Lande im Unterschied zu anderen leicht, dass Napoleon 1814 sturzte und der fruhere Habsburger Herrscher zuruckkehrte.
Der im April 1814 wiedereingesetzte habsburgische Großherzog
Ferdinand III.
rachte sich an den zahlreichen Kollaborateuren in Adel und Burgertum nicht, sondern betrieb erneut eine gemaßigte liberalkonservative Politik, die sich vorteilhaft von der Reaktion in zahlreichen Nachbarstaaten Italiens abhob. Dieser Linie blieb auch sein Sohn und Nachfolger
Leopold II.
(1824?1859) treu. In den 1820er Jahren war Toskana ein wichtiges intellektuelles Zentrum Italiens und damit auch ein gemaßigt-oppositionelles Sammelbecken. Im Jahr 1825 wurde das Munzsystem teilweise auf das
Dezimalsystem
umgestellt: 100 Quattrini galten nun 1
Fiorino
, zehn
Paoli
galten vier Fiorini.
[19]
Auch an der liberalen Reformpolitik der Jahre 1847/48 beteiligte sich der Großherzog ? sehr zum Unwillen der Wiener Regierung. Die radikale
Revolution von 1849
, welche die Monarchie zeitweilig abschaffte und den Herrscher in die osterreichischen Arme trieb, anderte dies grundlegend. In den letzten zehn Jahren seiner Regierung war Leopold allein schon durch eine starke osterreichische Militarbesatzung strikt der Politik seines kaiserlichen Verwandten
Franz Joseph I.
unterworfen.
Als die
osterreichischen Armeen
1859 den verbundeten Truppen Frankreichs
Napoleons III.
und des die Einheit Italiens propagierenden
Konigreichs Sardinien-Piemont
unterlagen (vgl. auch
Risorgimento
), brach auch die Herrschaft der einstmals so beliebten toskanischen Habsburger zusammen.
[20]
Die Abdankung des Großherzogs zugunsten seines Sohnes
Ferdinand IV.
(1859) vermochte daran nichts mehr zu andern. Dieser wurde im Sommer 1859 von der provisorischen Regierung abgesetzt, und seine Versuche, dies durch Kontakte zu Napoleon III. moglicherweise doch noch zu andern, verhinderten den formellen Anschluss der Toskana an Sardinien im Jahre 1860 nicht. Seit 1861 gehorte sie zum vereinigten Konigreich Italien, als dessen provisorische Hauptstadt Florenz fur einige Jahre ? bis zur Einnahme Roms 1870 ? fungieren durfte.
Im selben Jahre verstarb der gesturzte Großherzog Leopold II. im osterreichischen Exil. Sein Sohn, der formell letzte Großherzog Ferdinand IV., der faktisch nie regiert hatte, lebte bis zu seinem Tode 1908 hauptsachlich im osterreichischen
Salzburg
, das bereits seinem Großvater einmal als Exil hatte dienen mussen.
- 1801?1803:
Ludwig I.
(
Lodovico
oder
Luigi di Borbone
)
- 1803?1807:
Karl Ludwig
(
Carlo Lodovico
oder
Luigi di Borbone
)
- 1808?1814:
Elisa
(Titular)
- 1814?1824:
Ferdinand III.
(
Ferdinando III. d’Asburgo-Lorena
) (erneut)
- 1824?1849:
Leopold II.
(
Leopoldo II. d’Asburgo-Lorena
)
- 1849:
Republik
- 1849?1859: Leopold II. (erneut)
- 1859?1860:
Ferdinand IV.
(
Ferdinando IV. d’Asburgo-Lorena
)
Annexion durch das
Konigreich Sardinien-Piemont
? der formelle Titel des
Großherzogs von Toskana
ging an die
Kaiser von Osterreich
, die ihn bis 1918 in
ihrem Titel
fuhrten.
- 1860?1916:
Franz Joseph I.
, Kaiser von Osterreich, Apostolischer Konig von Ungarn etc.
- 1916?1918:
Karl
, Kaiser von Osterreich (I.), Apostolischer Konig von Ungarn (IV.) etc.
- Crazia (Munze)
, silberne Scheidemunze im Großherzogtum Toskana
- Crazia
, italienisches Langenmaß im Großherzogtum Toskana
- Furio Diaz, Luigi Mascilli Migliorini, Carlo Mangio:
Il Granducato di Toscana. I Lorena dalla Reggenza agli anni rivoluzionari.
(= Storia d’Italia. Vol. 13, T. 2). UTET, Turin 1997,
ISBN 88-02-05157-7
.
- Ferdinand J. Mussinan:
Das Großherzogthum Toskana, geschichtlich, geographisch und statistisch betrachtet.
Weiß, Munchen 1844
(Digitalisat)
- Alfred von Reumont:
Geschichte Toscana’s seit dem Ende des florentinischen Freistaates.
F. A. Perthes.
- Erster Theil:
Die Medici 1530?1737.
Gotha 1876.
(Digitalisat)
- Zweiter Theil:
Geschichte Toscana’s unter dem Hause Lothringen-Habsburg 1737?1859.
Gotha 1877.
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Thomas Frenz
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Italien im Mittelalter.
In: Wolfgang Altgeld, Rudolf Lill:
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In: Wolfgang Altgeld, Rudolf Lill:
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Gunter Schon/Jean Francois Cartier, Weltmunzkatalog 19. Jahrhundert, Vorbemerkung bei "Großherzogtum Toskana
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Siehe zur gesamten Frage Bernd Braun:
Das Ende der Regionalmonarchien in Italien. Abdankungen im Zuge des Risorgimento.
In: Susan Richter, Dirk Dirbach (Hrsg.):
Thronverzicht. Die Abdankung in Monarchien vom Mittelalter bis in die Neuzeit.
Bohlau Verlag, Koln/ Weimar/ Wien 2010,
S. 254?257.