Die
Grafschaft Gorz
, ab 1365
Gefurstete Grafschaft Gorz
, 1747 zur
Gefursteten Grafschaft Gorz und Gradisca
erweitert, war ein im
Mittelalter
entstandenes Territorium im sudostlichen Alpenraum. 1500 fiel das Gebiet an die
Habsburger
, war bis 1918 ein
Kronland
der
Habsburgermonarchie
und gehorte zum
Osterreichischen Kustenland
. Namensgebend sind die seit 1918 zu
Italien
gehorenden Stadte
Gorz
und
Gradisca d’Isonzo
.
Die Grafschaft Gorz entstand als Herrschaftsbildung der
Meinhardiner
seit dem Anfang des 12. Jahrhunderts. Die Abstammung des seit 1107 belegten Pfalzgrafen Engelbert I. und dessen Bruder Meinhard I. von Gorz, ab ca. 1142 Graf von Gorz, ist im Detail nicht geklart. Naheres dazu siehe
Engelbert I. von Gorz
. Entscheidend fur den Aufstieg des Geschlechtes war die enge Verbindung zum
Patriarchat Aquileia
, die den Gorzern die Erwerbung großer Lehensguter in
Friaul
und
Istrien
, darunter auch der Stammsitz Gorz, ermoglicht hatte.
1271 teilten die Bruder
Meinhard II.
von Tirol und Gorz (IV.) und Albert I. von Gorz die Besitzungen des Hauses Gorz. Meinhard behielt sich die relativ geschlossene Grafschaft
Tirol
vor, die sein Vater
Meinhard I.
von Tirol und Gorz (III.) 1253 von
Graf Albert III.
von Tirol geerbt hatte, wahrend Albert die Stammburg mit der
inneren
(d. h. eigentlichen) Grafschaft Gorz, die Besitzungen in Istrien, Friaul und
Karnten
und das
Pustertal
erhielt. Die von den Brudern abstammenden Linien des Geschlechts gingen in der Folgezeit getrennte Wege. Die altere Linie beherrschte neben Tirol von 1286 bis 1335 auch Karnten. Nach dem Aussterben der mannlichen Tiroler Linie hat
Margarete von Tirol
deren Besitzungen 1363 an den Erben
Rudolf IV.
aus dem
Haus Habsburg
ubergeben.
Die eigentliche Grafschaft Gorz war im Besitz der jungeren Linie und umfasste Gebiete von
Innichen
und
Lienz
im Norden bis fast an die
Adriakuste
im Suden.
Die Machtbasis der Gorzer Grafen wurde im 14. Jahrhundert durch Herrschaftsteilungen sehr geschmalert. 1303 bereitete Albert I. († Sept.1304) ? er hatte noch 1277 von Konig
Rudolf I.
fur seine Verdienste im Kampf gegen Konig
Ottokar II.
die Herrschaft
Meichau
(slowenisch Mehovo) und die dazugehorige
Weißkrain
mit
Tschernembl
und
Mottling
erhalten ? fur seine Sohne Heinrich und Albert eine Gebietsteilung vor, die 1307 realisiert wurde: Albert II. († 1327) bekam die Besitzungen im Pustertal und Karnten, Heinrich III. alle gorzischen Gebiete sudlich der Dolomiten und Karawanken. Nach dem Tode Heinrichs III. 1323, der ein Verbundeter Herzog
Friedrichs des Schonen
im Kampf gegen
Ludwig IV.
von Bayern war und weiters sogar
Treviso
und
Padua
an sich gebracht hatte, gab es vom Pustertal bis Istrien vier verschiedene gorzische Grafschaften. Wegen der Bedrohung der
inneren Grafschaft
Gorz durch
Venedig
verlegten die Grafen ihre Residenz nach
Schloss Bruck
bei Lienz, den Mittelpunkt der
vordern Grafschaft
Gorz, das bis zum Schluss ihr Hauptwohnsitz und Herrschaftszentrum blieb.
Meinhard VII. erreichte 1365 die Anerkennung als
Reichsfurst
durch Kaiser
Karl IV.
; daher ruhrt die Bezeichnung
gefurstete Grafschaft
. Sein Bruder Albert III. hatte durch Teilung 1342 die Grafschaft Mitterburg (
Pisino
) in Istrien und den Besitz in der
Windischen Mark
und
Mottling
ubernommen, vermachte seine Gebiete 1364 den
Habsburgern
und starb 1374.
Heinrich VI.
(† 1454) vereinigte 1430 den Restbesitz der Familie und schloss 1437 einen Erbvertrag mit den
Grafen von Cilli
(erloschen 1456), der einen alteren Erbvertrag mit den Habsburgern aus dem Jahr 1394 ersetzen sollte. Im Streit um das Erbe der Grafen von Cilli unterlagen die Gorzer gegen Kaiser
Friedrich III.
Sie mussten im
Frieden von Pusarnitz
1460 zusatzlich viele Besitzungen am Nordrand ihrer Grafschaft abtreten. Nur Lienz gewannen sie 1462 durch einen Aufstand zuruck.
Leonhard von Gorz
, der letzte Graf von Gorz, versuchte zeitlebens vergeblich, durch verschiedenste Bundnisse den verlorenen Besitz in Karnten zuruckzugewinnen. Er schloss dann aber mittels der Tatigkeit seines Administrators
Virgil von Graben
1500 doch einen neuen Erbvertrag mit den Habsburgern und verstarb kurz danach. Vertragsgemaß und doch unter großer Mithilfe von Virgil und seinem Sohn
Lukas von Graben
[1]
fielen seine gesamten Besitzungen an
Maximilian I.
Obwohl dieser die Gebiete um Lienz, die
vordere Grafschaft
, mit
Tirol
vereinigte, blieb Gorz aber als
Land
mit eigenem Landtag erhalten. In der Zeit kurz nach 1500 wurde Gorz durch den
Reichsverweser
(Kapitan) Von Graben verwaltet. Es wurde zur
innerosterreichischen
Landergruppe gerechnet. Die Gorzer Stande orientierten sich politisch zumeist an der
Steiermark
, dem großten Land Innerosterreichs. Allerdings spielte in Gorz die Ausbreitung der
Reformation
im 16. Jahrhundert eine weitaus geringere Rolle. Bei der habsburgischen Landerteilung von 1564 kam Gorz unter die Herrschaft
Karls
von Innerosterreich.
1717 fiel die Gefurstete Grafschaft Gradisca durch Erbschaft an Habsburg; die
Eggenberg (Adelsgeschlecht)
waren ausgestorben, fur die 1647 von
Kaiser Ferdinand III.
Gradisca von der inneren Gorz abgespalten und gefurstet hatte. Die beiden Lander wurden zur
Gefursteten Grafschaft Gorz und Gradisca
zusammengefasst.
Die Grafschaft Gorz und Gradisca war fur Habsburg ein wichtiger Vorposten gegen die
Republik Venedig
und wirtschaftliches Hinterland der Stadt
Triest
. 1809?1815 gehorte das Gebiet zu den
Illyrischen Provinzen
Frankreichs
, danach bis 1849 zum osterreichischen
Konigreich Illyrien
, dann wurde es mit Triest und Istrien zum neuen Kronland
Kustenland (Litorale)
vereinigt.
Mit der Reichsverfassung von 1861 erlangten die drei Bestandteile des Kustenlandes ihre Eigenschaft als eigenstandige Kronlander mit Landtag,
Landesausschuss (Osterreich)
und vom Kaiser bestelltem Landeshauptmann
[2]
, doch blieben der gemeinsame
k.k.
kustenlandische Statthalter in Triest und das gemeinsame
Gesetz- und Verordnungsblatt fur das osterreichisch-illirische Kustenland
[3]
bis 1918 erhalten; die darin enthaltenen Vorschriften waren aber nicht fur alle drei Kronlander gultig, ausgenommen gesamtstaatliche Regelungen aus Wien, die der Statthalter nur zu publizieren hatte.
Verwaltungsgliederung von Gorz und Gradisca (1868?1918)
Bezirke:
Gerichtsbezirke:
Das Kronland Gorz und Gradisca umfasste im Jahr 1900 2918 km² und etwa 240.000 Einwohner. Somit zahlte es zu den kleinsten Kronlandern
Cisleithaniens
; nur
Vorarlberg
und
Triest
wiesen eine kleinere Flache und weniger Einwohner auf. In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts profitierte das Kronland von einem großen k.k. Eisenbahninvestitionsprogramm: Im Rahmen der
Neuen Alpenbahnen
wurde die
Wocheiner Bahn
vom nordlichsten Savetal nach Gorz erbaut, mit Karawankenbahn und Tauernbahn eine neue Direktverbindung nach Salzburg und in den suddeutschen Raum.
Im
Ersten Weltkrieg
versuchte nach dem Kriegseintritt
Italiens
1915 auf der Seite der Gegner
Osterreich-Ungarns
die italienische Armee bis 1917 in zwolf
Isonzoschlachten
, im Gebiet des Kronlandes in die Donaumonarchie einzudringen. Die Angriffe wurden von der
k.u.k. Armee
stets abgewehrt, die Stadt Gorz aber vorubergehend von Italien besetzt. Das Kronland wurde in diesen riesigen Schlachten enorm mitgenommen. Fur italienische Gefallene wurde spater am Rand von Gorz ein großes, festungsartiges Beinhaus, das
Ossario di Oslavia
, errichtet.
Nach dem Waffenstillstand vom 3. November 1918 wurde das Kronland von Italien besetzt und gelangte mit dem
Friedensvertrag von Saint-Germain
1919 auch volkerrechtlich an das
Konigreich Italien
. Nach dem Zweiten Weltkrieg fiel 1945 fast das ganze Hinterland an
Jugoslawien
und gehort heute zu
Slowenien
? nicht aber Gradisca und der Großteil der Stadt Gorz, die in Italien verblieben.
Bevolkerungsgruppen laut osterreichisch-ungarischen Volkszahlungen:
[4]
|
1880
|
1890
|
1900
|
1910
|
Slowenen
|
129.857
(61,52 %)
|
135.020
(61,29 %)
|
140.582
(60,36 %)
|
154.564
(59,28 %)
|
Italiener
|
73.425
(34,78 %)
|
76.514
(34,73 %)
|
81.136
(34,84 %)
|
90.119
(34,57 %)
|
Deutsche
|
2.659
(1,26 %)
|
2.195
(0,99 %)
|
3.498
(1,50 %)
|
4.486
(1,72 %)
|
gesamt
|
211.084
|
220.308
|
232.897
|
260.721
|
Die Bevolkerung war vorwiegend katholisch. Bei der Volkszahlung von 1900 war die Zusammensetzung folgendermaßen:
romisch-katholisch: 232.139
(99,67 %)
evangelisch: 354
(0,16 %)
orthodox: 59
(0,03 %)
israelitisch: 295
(0,13 %)
Gespalten
, vorne geschragt, oben in Blau ein golden gekronter ebensolcher
Lowe
, unten funfmal von Silber und Rot gegengeschragt, fur Gorz, hinten in geteilt von Gold uber Blau ein silbernes
Ankerkreuz
fur Gradisca. Am Schild ein
Furstenhut
.
- Christina Antenhofer
:
Briefe zwischen Sud und Nord. Die Hochzeit und Ehe von Paula de Gonzaga und Leonhard von Gorz im Spiegel der furstlichen Kommunikation
(=
Schlern-Schriften
336). Universitatsverlag Wagner, Innsbruck 2007,
ISBN 978-3-7030-0433-9
.
- Wilhelm Baum
:
Die Grafen von Gorz in der europaischen Politik des Mittelalters
, Klagenfurt 2000,
ISBN 3-902005-04-1
.
- Ernst Klebel
:
Die Grafen von Gorz als Landesherren in Oberkarnten
. In:
Carinthia
I, Jahrgang 125, 1935, S. 59?82 und 218?246.
- Christiane Thomas:
Kampf um die Weidenburg. Habsburg, Cilli und Gorz, 1440?1445
. In: Mitt. des osterr. Staatsarchivs 24, 1972, S. 1?86.
- Hermann Wiesflecker
:
Die politische Entwicklung der Grafschaft Gorz und ihr Erbfall an das Haus Osterreich
. In:
Mitteilungen des Instituts fur Osterreichische Geschichtsforschung.
56, 1954 (
zobodat.at
[PDF]).
- Martin Wutte
:
Die Erwerbung der Gorzer Besitzungen durch das Haus Habsburg
. In: Mitteilungen des Instituts fur Osterreichische Geschichtsforschung 38, 1920, S. 282?311.
- Marko Simi?:
Auf den Spuren der Isonzofront
, Mohorjeva Hermagoras, Klagenfurt/Laibach/Wien 2004,
ISBN 3-85013-884-4
.
- Peter ?tih:
Studien zur Geschichte der Grafen von Gorz
, R. Oldenbourg Verlag, Wien/Munchen 1996,
ISBN 3-7029-0405-0
, Oldenbourg Wien,
ISBN 3-486-64834-9
, Oldenbourg Munchen.
- Meinrad Pizzinini
:
Die Grafen von Gorz und die Terra-ferma-Politik der Republik Venedig in Istrien in der 2. Halfte des 13. Jahrhunderts
In: Veroffentlichungen des
Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum
. Band 54, 1974, S. 183?212 (
zobodat.at
[PDF]).
- ↑
La signora di Schwarzenegg un feudo goriziano sul Carso alle porte di Trieste, XIV-XIX secolo, S. 38, von Ugo Cova (2009)
- ↑
Landesordnung und Landtagswahlordnung, Beilage II i zur Reichsverfassung 1861, RGBl. Nr. 20 / 1861 (= S. 69, Beilage: S. 198)
- ↑
Beispiel: ein Gorzer Landesgesetz in Nr. 25 / 1904 (= S. 91)
- ↑
anno.onb.ac.at
Territorien und Stande des Osterreichischen Reichskreises im Heiligen Romischen Reich Deutscher Nation (1500?1806)