Globalisierungskritik

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Globalisierungskritisches Plakat mit Totenkopf zum G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 ; ubersetzt etwa ?Das zweite Gesicht eurer Globalisierung“

Globalisierungskritik bezeichnet die kritische Auseinandersetzung mit den okonomischen , sozialen , kulturellen und okologischen Auswirkungen der Globalisierung .

Abgrenzung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Trager der Globalisierungskritik sind eine Vielzahl unterschiedlicher Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie beispielsweise das Netzwerk Attac , freie Trager aller Art und Einzelpersonen wie Arundhati Roy , Jean Ziegler oder Naomi Klein . Die Positionen, die Globalisierung vollstandig ablehnen und die globale Verflechtung etwa durch Renationalisierung und Abschottung ( Protektionismus ) reduzieren wollen, werden als Globalisierungsgegner bezeichnet. Davon zu unterscheiden ist eine Globalisierungskritik im engeren Sinn, die beispielsweise fur eine andere Globalisierung eintritt (daher auch franzosisch altermondialisation und englisch alter-globalization von alter = anders). Im allgemeinen Sprachgebrauch und auch in den Medien werden die Globalisierungskritiker teilweise unzutreffend als Globalisierungsgegner bezeichnet.

Globalisierungskritik umfasst ein weites Spektrum von links bis rechts . Im Zentrum linker Globalisierungskritik stehen dabei oftmals der Vorwurf der Deregulierung und der damit verbundene Abbau sozialer Rechte sowie die angeblich allumfassende Kommerzialisierung und Vermarktung ( Kommodifizierung ) durch ? Privatisierung offentlicher Unternehmen , Umbau der Sozialhilfe oder ?Inwertsetzung’ von menschlicher und außermenschlicher Natur“. Ein Schwerpunkt der Kritik solle sich damit gegen eine Wirtschaftsordnung richten, die mit dem mehrdeutigen Kampfbegriff ? neoliberal “ bezeichnet wird und die von multilateralen Organisationen wie Weltbank und Welthandelsorganisation weltweit gefordert werde. [1] Rechte Globalisierungskritiker wenden sich daruber hinaus auch gegen die soziale Bestrebungen eines Weltburgertums bzw. einer Weltgesellschaft , wie etwa im Internationalismus .

Geschichte [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Globalisierungskritik wurzelt in alteren Stromungen wie Kapitalismuskritik und Befreiungstheologie ; sie ubernimmt und entwickelt deren Gedankengut weiter; sie ist eine aktuelle Auspragung von diesen.

Gegen Ende der 1990er Jahre hat sich die Globalisierungskritik in verschiedenen Bewegungen entwickelt. In vielen ehemaligen Kolonien betrachten verschiedene soziale Bewegungen die Kampfe gegen die globalen Abkommen und Institutionen als Fortsetzung der Kampfe gegen die Kolonialherren (vgl. Neokolonialismus ).

In Lateinamerika bezog sich der Aufstand der Zapatistas im Januar 1994 direkt auf das Inkrafttreten des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) . Die Zapatistas organisierten mit den sogenannten intergalaktischen Encuentros (Zusammenkunften) auch die ersten globalen Vernetzungstreffen. Es kam zu einem Aufstand in Chiapas , der schnell weite Gebiete des Bundesstaats erfasste. Der Versuch, den Kampf gegen den ?Neoliberalismus“ zu popularisieren, blieb zu diesem Zeitpunkt weitgehend auf eine kleine Gruppe politischer Weggefahrten aus dem europaischen und US-amerikanischen Studentenmilieu beschrankt. [2]

Erst mit dem Entwurf des Multilateralen Investitionsschutzabkommens (MAI) im Jahr 1997, das weitgehende Rechte fur transnationale Konzerne vorsah, weitete sich der Protest auf eine breitere internationale Offentlichkeit aus. Nichtregierungsorganisationen in Kanada, den USA, Frankreich und einigen asiatischen Landern kritisierten den Entwurf heftig. Vor allem die franzosische Kulturindustrie fuhlte sich vom ?MAI“ bedroht, da sie der freie Marktzugang der Konkurrenz von Hollywoodproduktionen ausgesetzt hatte. Mit dem Ausstieg der franzosischen Regierung unter Ministerprasident Lionel Jospin war dieses Projekt gescheitert.

Die OECD -Staaten und fuhrende Vertreter der Wirtschaft kundigten bald nach dem Scheitern an, dass sie einen neuen institutionellen Rahmen fur das Investitionsabkommen finden wollten, um fur transnationale Konzerne und Auslandsinvestitionen eine großtmogliche Rechtssicherheit garantieren zu konnen. Diese Ankundigung und die ab Juli 1997 aufkommende Asienkrise scharften die kritische Wahrnehmung der ?neoliberalen Weltwirtschaft“ nochmals. So publizierte u. a. der Chefredakteur von Le Monde diplomatique , Ignacio Ramonet , im Dezember 1997 den Leitartikel ?Desarmer les marches“ ? die Markte entwaffnen, [3] der die Bewegung Attac ins Leben rief.

Ein einschneidendes Ereignis in der globalisierungskritischen Bewegung stellte der Abbruch der 3. WTO-Konferenz in Seattle im Dezember 1999 dar, nach dem es zu gewalttatigen Auseinandersetzungen zwischen Globalisierungskritikern und der Polizei kam. Nach Seattle entwickelte sich die globalisierungskritische Bewegung auch in den Metropolen und erfuhr eine weltweite Verbreitung.

Auf dem Europaischen Kontinent waren die Proteste gegen die Sitzung von Weltbank und internationalem Wahrungsfonds am 26. September 2000 in Prag wichtig fur die weitere Mobilisierung. Die ca. 15.000 Globalisierungskritiker zogen in drei farbig gekennzeichneten Demonstrationen in Richtung Tagungsgebaude: ein gelber Zug ( Tute Bianche u. a.), ein blauer Zug ( Autonome u. a.), und Pink & Silver ( Rhythms of Resistance u. a.).

Beim EU-Gipfel in Goteborg 2001 demonstrierten am 14. Juni 2001 mehr als 20.000 Globalisierungskritiker unter dem Motto ?Bush not welcome“. Es kam zur Eskalation von Gewalt. Ein Polizist gab mehrere Schusse auf Demonstranten ab, neben zwei Beintreffern wurde eine Person durch einen Bauchschuss lebensgefahrlich verletzt.

Wenige Wochen spater, beim G8-Gipfel in Genua 2001 kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen der italienischen Polizei und Demonstranten. Die italienische Regierung hatte fur die Zeit des Gipfels das Schengener Abkommen außer Kraft gesetzt und ließ samtliche Grenzen luckenlos uberwachen. In Genua selbst wurden 20.000 Polizisten und Carabinieri zusammengezogen. Medien und einige Politiker warnten vor ?burgerkriegsahnlichen Zustanden“. Es kam zu schweren Ubergriffen und Menschenrechtsverletzungen der Exekutive gegen Demonstranten. [4] Hunderte Demonstranten wurden verletzt. Als der italienische Aktivist Carlo Giuliani mit anderen ein Polizeifahrzeug attackierte, wurde er von einem der Polizisten erschossen und mit dem Gelandewagen zweimal uberrollt. Nach Schatzungen nahmen zwischen 70.000 und 250.000 Globalisierungskritiker an den Protesten teil.

Aspekte der Globalisierungskritik finden sich auch in den diversen Stromungen der Wachstumskritik seit den 1970er Jahren sowie der wachstumskritischen Bewegung . Sie stellen in Frage, dass der Globale Suden dem Entwicklungsmodell des Globalen Nordens folgen sollte und es wird bezweifelt, dass globale Gerechtigkeits- und Verteilungsfragen durch okonomische Expansion uberwunden werden konnen. [5] [6] [7]

Gruppierungen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

In Europa und Nordamerika lasst sich die globalisierungskritische Bewegung auf verschiedene Teile der Neuen Sozialen Bewegungen , insbesondere der Dritte-Welt-/ Eine-Welt -Bewegung, und der Gewerkschaften zuruckfuhren. Aufmerksamkeit erzielten die Proteste durch neue Aktionsformen, die von Gruppen wie Reclaim the Streets in Großbritannien und das Direct Action Network in Seattle inspiriert wurden. In den Niederlanden formte sich Ende der 1960er Jahre eine ?Antiglobalisierungsbewegung“ u. a. gegen den Vertrag von Amsterdam . Dazu entstand 1967 das Kollektiv Eurodusnie , das bis heute besteht.

Nichtregierungsorganisationen/Freie Trager [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

NGOs spielen eine tragende Rolle in der globalisierungskritischen Bewegung. Sie organisieren regelmaßig Gegen- und Alternativkongresse und nutzen die modernen Kommunikationstechnologien, um ihre Publikationen einer kritischen Offentlichkeit zuzufuhren. NGOs arbeiten in zahlreichen Netzwerken zu unterschiedlichen Schwerpunkten. Viele NGOs favorisieren die UNO als Institution fur ihre Konzepte von ? Global Governance “. In Europa setzen sie auf die Europaische Union . Kritiker werfen den NGOs vor, sie konzentrierten sich primar auf Lobbyismus . Je großer die finanzielle Abhangigkeit von supranationalen Institutionen, Regierungen oder Konzernen, so die vielgeaußerte Kritik des radikalen Flugels der Bewegung, umso lauter propagierten die NGOs die Reformierbarkeit der kapitalistischen Weltwirtschaftsordnung. [8]

In Gebieten mit indigenen Volkern schließen diese sich haufig den Kampagnen der NGOs an, sofern sie nicht selbst dazu in der Lage sind. Die indigene Kritik an der westlichen Zivilisation, Kolonialisierung und Globalisierung ist seit Jahrhunderten aktuell.

Gewerkschaften [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Seit den Ereignissen von Seattle mobilisieren zunehmend auch die Gewerkschaften gegen Treffen internationaler Institutionen. In Europa beteiligten sie sich erstmals im großen Stil an den Protesten gegen die EU-Regierungsgipfel in Nizza und Brussel. Dort organisierten die Gewerkschaften jeweils eigenstandige Demonstrationen. In beiden Fallen ging die große Beteiligung auf die Mobilisierungsfahigkeit der franzosischen CGT zuruck.

International sind es vor allem einige Gewerkschaftsverbande aus Schwellenlandern , die sich an die Seite der neuen Bewegung stellen. Dazu gehort die brasilianische CUT und die sudkoreanische KCTU [9] , die erst im Jahre 1999 legalisiert worden ist. In Europa waren unabhangige und linksgewerkschaftliche Organisationen die treibenden Krafte, wie zum Beispiel die italienischen SinCobas und die franzosischen SUD -Gewerkschaften, die seit den Europaischen Marschen gegen Erwerbslosigkeit 1997 anlasslich des EU-Gipfels in Amsterdam [10] eine offensive Politik uber den nationalstaatlichen Rahmen hinaus praktizieren.

In dem vom Grundungskongress 2006 angenommenen Programm [11] des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) enthalt der erste Abschnitt unter der Uberschrift "Die Globalisierung verandern" die Kritik und Alternativvorstellungen des IGB. Der 2. IGB-Weltkongress (2010) verabschiedete eine umfassendere Entschließung zu diesem Thema. [12]

Netzwerke [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Attac [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Neben Gewerkschaften und NGOs haben sich innerhalb der globalisierungskritischen Bewegung verschiedene internationale Netzwerke herausgebildet. Das in Europa bekannteste ist Attac . Die von Ignacio Ramonet in seinem Leitartikel in Le Monde Diplomatique lancierte Idee war, auf weltweiter Ebene eine NGO ins Leben zu rufen, die Druck auf die Regierungen machen sollte, um eine internationale ?Solidaritatssteuer“, genannt ? Tobin-Steuer “, einzufuhren. Gemeint war damit die durch den US-amerikanischen Okonomen James Tobin Ende der 70er Jahre vorgeschlagene Steuer in Hohe von 0,1 % auf internationale Kapitalflusse. Der von Ramonet gleichzeitig vorgeschlagene Name dieser Organisation ?Attac“ [13] sollte, aufgrund seiner sprachlichen Nahe zum franzosischen Wort attaque , zugleich den Ubergang zur ?Gegenattacke“ signalisieren, nach Jahren der Anpassung an die Globalisierung.

In Frankreich fiel dieser Appell der in fortschrittlichen Kreisen einflussreichen Zeitung auf fruchtbaren Boden. Schon die große Streikwelle Mitte der 1990er Jahre hatte das kritische Bewusstsein vieler Franzosen gegenuber dem Neoliberalismus gescharft, dessen internationale Dimension durch die Asienkrise Ende 1997 nochmals verdeutlicht wurde.

Die Aktivitaten von Attac weiteten sich schnell uber den Bereich der Tobinsteuer und die ?demokratische Kontrolle der Finanzmarkte“ hinaus aus. Mittlerweile umfasst der Tatigkeitsbereich von Attac auch die Handelspolitik der WTO, die Verschuldung der Dritten Welt und die Privatisierung der staatlichen Sozialversicherungen und offentlichen Dienste. Die Organisation ist inzwischen in einer Reihe von afrikanischen, europaischen und lateinamerikanischen Landern prasent.

In Deutschland hatten im Jahre 2000 mehrere NGOs, darunter Weltwirtschaft, Okologie und Entwicklung (WEED), die Initiative fur Attac-Deutschland ergriffen.

Attac ist in mehr als 30 Landern aktiv und hatte Ende 2016 rund 90.000 Mitglieder ? davon 29.000 in Deutschland. [14]

Andere Netzwerke [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Ein zweites weltweites Netzwerk neben Attac ist Peoples Global Action (PGA). Bei PGA arbeiten in Europa vor allem Gruppen mit, die sich am Politikverstandnis der mexikanischen Zapatisten orientieren. Das im Februar 1998 in Genf gegrundete Netzwerk lehnt jede Art von Lobbyarbeit ab und veranstaltet stattdessen regelmaßig globale ?action days“. Die großte ihr zugehorige Organisation ist die indische Bauernorganisation KRRS , [15] der nach eigenen Angaben etwa zehn Millionen Mitglieder angehoren. Das Netzwerk macht v. a. durch originelle Aktionen auf sich aufmerksam. Es setzt auf die Prinzipien der Spontanitat, Selbstverwaltung und Konfrontation. Im Gegensatz zu Attac gibt es keine formelle Mitgliedschaft von Einzelpersonen. Jeder Kontinent muss allerdings eine verantwortliche Gruppe stellen, die fur die internationale Koordinierung der Aktionstage delegiert ist und die internationalen Konferenzen mit vorbereitet.

Der internationale Bauernverband Via Campesina spielt vor allem in den Landern des Sudens eine tragende Rolle. In Europa ist der Franzose Jose Bove mit seinen Aktionen gegen Freihandel und McDonald’s bekannt geworden. Aus Lateinamerika genießt vor allem die brasilianische Landlosenbewegung MST durch ihre spektakularen Landbesetzungen einen gewissen Bekanntheitsgrad. Via Campesina konzentriert sich auf Agrarpolitik, grune Gentechnologie und Patentrecht. In seinem Blickfeld steht v. a. die Politik der WTO. Die Bauernorganisation tritt fur Ernahrungssouveranitat ein, also gegen eine Exportorientierung in der Landwirtschaft und fur die Ernahrungssicherheit der Regionen. Das bedeutet, dass jede Region der Welt in der Lage sein sollte, die dort lebende Bevolkerung mit heimischen Agrarprodukten zu ernahren.

In Deutschland sind das Dissent!-Netzwerk, die Interventionistische Linke und die Bundeskoordination Internationalismus ( BUKO ) zu erwahnen. [16]

In Leipzig findet seit 2004 jedes Jahr das globalisierungskritische Filmfestival globaLE statt. Die Veranstalter prasentieren uber mehrere Wochen an diversen Veranstaltungsorten in Leipzig kostenlos politische Filme. In vielen Fallen besteht fur Interessierte anschließend die Moglichkeit zur Diskussion. Dabei werden nicht nur die Schattenseiten des weltweit vorherrschenden Wirtschaftssystems aufgezeigt, sondern auch zahlreiche Einzelschicksale vorgestellt, die mit Privatisierung im Zusammenhang stehen. [17]

Sozialforen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Diese unterschiedlichen Netzwerke und Organisationen trafen im Januar 2001 erstmals zum Weltsozialforum in Porto Alegre (Brasilien) zusammen ? zeitgleich zu dem seit 1971 stattfindenden Weltwirtschaftsforum von Konzernmanagern und Wirtschaftspolitikern in Davos. Insgesamt waren in Porto Alegre 117 Lander vertreten, mit mehr als 10.000 Teilnehmenden. Neben zahlreichen NGOs und Basisbewegungen waren auch 400 Parlamentarier anwesend. Porto Alegre galt als Modellprojekt fur das Motto der Konferenz: ?Eine andere Welt ist moglich“, da die brasilianische Arbeiterpartei ( PT ) dort den ?Beteiligungshaushalt“ eingefuhrt hatte, der fur mindestens 20 % des Budgets der Stadt plebiszitare Elemente vorsah.

Als Folge dieses Gegengipfels entstanden weitere Sozialforen , zunachst auf kontinentaler Ebene ( Europaisches Sozialforum ), spater auch auf regionaler und lokaler Ebene. Die Bewegung gilt als inhaltlich vielfaltig. Die Schwerpunkte liegen auf einer sozial gerechten Globalisierung sowie bei Menschenrechten (insbes. ? Frauenrechten “) und okologischen Themen.

Eng verknupft mit den kirchlichen Akteuren in den Sozialforen ist auch der Okumenische Rat der Kirchen (ORK) , der auf seinen Vollversammlungen ebenfalls Kapitalismuskritik außert. [18] [19]

Typen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie unterscheidet funf Typen der Globalisierungskritik:

  1. Basisbewegungen , die unter dem Motto ?Eine neue Welt ist moglich“ ein anderes Gesellschaftssystem entwickeln mochten. Hier finden sich neben Umweltschutzern , Frauenrechtlern und Pazifisten am Rand auch gewaltbereite Gruppierungen wieder.
  2. Insider-Kritiker , die auf die ?Defekte“ der Globalisierung aufmerksam machen und soziale Reformen in den Globalisierungsprozess einzubinden versuchen. Hier sind insbesondere der ehemalige Vizeprasident der Weltbank Joseph Stiglitz mit seinem Buch Die Schatten der Globalisierung zu nennen, John Perkins mit seinem Buch Bekenntnisse eines Economic Hit Man sowie Finanzanalyst Michael Hudson mit seiner Kritik an der US-Haltung ?Unser Dollar, euer Problem“. [20]
  3. die akademische Linke , die vor allem gegen die ?kulturelle Hegemonie des Neoliberalismus “ kampft.
  4. religiose Bewegungen , die an die sozialreformerische Tradition der Kirchen anknupfen, siehe zum Beispiel Befreiungstheologie .
  5. eine nationalkonservative oder nationalistische Stromung , die vor allem fur einen starken Nationalstaat sowie die Wiedereinfuhrung von Grenzen und Zollen eintritt, und eine rechtsextreme Stromung, die in antisemitischer Weise die Weltwirtschaft als von Juden gelenkt und beherrscht sieht (und sich dazu bestimmter Chiffren wie ?amerikanische Ostkuste“ bedient).

Der Soziologe Zygmunt Bauman geht davon aus, dass nationalistische Stromungen oder ?Kirchturminteressengruppen“ in der gegenwartigen Phase an Einfluss gewinnen, in welcher die Staaten (oder Staatenbunde wie die EU), die ihren kosmopolitischen Verpflichtungen bisher in keiner Weise gewachsen seien, versuchten, sich ihrer Verpflichtung, Ordnung im deregulierten Globalisierungschaos zu stiften, im Namen der ? Subsidiarisierung “ zu entledigen. Diese Gruppen reagierten innerhalb ihrer Territorien oder Nachbarschaften auf die ?zunehmend kosmopolitischen Existenzbedingungen mit einem Denken und Fuhlen nach dem Motto ?klein aber mein‘“. [21]

Kritik an der Globalisierungskritik [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Gegen die Fokussierung der Globalisierungskritik auf die okonomische Dimension spricht sich unter anderem der deutsche Soziologe Ulrich Beck aus, der diese Betrachtungsweise als ? Globalismus “ bezeichnet und kritisiert.

Oliver Marchart kritisiert die Globalisierungskritiker, weil sie nicht weit genug gingen, sondern im okonomischen Denken stecken blieben. Er begrundet dies damit, dass die Globalisierungskritiker keinen neuen Anfang im Sinne von Hannah Arendt machten. Wenn Globalisierungskritik in einem Raum der Alternativlosigkeit stattfinde wie die neoliberale Margaret Thatcher es in ihrem Ausspruch ? ? There is no alternative “ ? klar ausdruckt, ?dann konnte es nur um Fragen der entweder effizienteren oder etwas gerechteren Verwaltung gehen ? letztlich um ein besseres Globalisierungsmanagement.“ [22] Damit befinde man sich in einem Diskurs der sich im alten, vergangenen Rahmen bewege, jedoch apolitisch im Sinne von Arendt sei. Politik musse nicht nur den vermeintlichen Notwendigkeiten folgen, sondern kreativ im ?Reich der Freiheit“ im Sinne der Ethik Immanuel Kants denken, das auf einem neuen, vollig unbekannten Anfang beruhe.

Der Sozialwissenschaftler Samuel Salzborn weist auf eine der ?großen Paradoxien der Antiglobalisierungsbewegung“ hin: Man fuhle sich ? da abstrakte Strukturen der kapitalistischen Gesellschaft nicht begriffen wurden ? anonymen Machten ausgeliefert, daher versuche man durch Personalisierung ?konkrete Menschen in die Verantwortung fur ein System [zu] nehmen“. Die Sphare des Abstrakten werde dabei in der antisemitischen Fantasie mit ?den Juden“ identifiziert, da in dieser Weltsicht Juden ?diejenigen seien, die Profit aus Kapitalismus und Finanzkrise schlagen“. [23]

Siehe auch [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Einfuhrungen
  • Christophe Aguiton: Was bewegt die Kritiker der Globalisierung? Von Attac zu Via Campesina. ISP, Koln 2002, ISBN 3-89900-103-6 .
  • Claus Leggewie : Die Globalisierung und ihre Gegner. Beck, Munchen 2003, ISBN 3-406-47627-9 .
  • Dieter Rucht , Roland Roth : Globalisierungskritische Netzwerke, Kampagnen und Bewegungen. In: R. Roth, D. Rucht (Hrsg.): Die sozialen Bewegungen in Deutschland seit 1949. Ein Handbuch. Campus, Frankfurt/M. 2008, ISBN 978-3-593-38372-9 , S. 493?512.
  • Rudiger Robert: Die Bewegung der ?Globalisierungskritiker“. In: Rudiger Robert (Hrsg.): Bundesrepublik Deutschland ? Politisches System und Globalisierung ? Eine Einfuhrung. Waxmann, Munster 2003, S. 299?319.
  • informationszentrum 3. welt: Eine Zwischenbilanz der Globalisierungskritik. Wo steht die Bewegung? In: iz3w. Ausgabe 265. Verlag Informationszentrum Dritte Welt, Freiburg 2002.
Klassiker
Weiterfuhrende Literatur

Kritik [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Globalisierungskritik  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Ulrich Brand : Artikel ?Globalisierungskritik“ ( Memento vom 24. September 2015 im Internet Archive ) (PDF; 146 kB) In: Wolfgang Fritz Haug (Hrsg.): Historisch-kritisches Worterbuch des Marxismus . Band 5. Argument, Hamburg 1994 ff.
  2. Vgl. Gerhard Klas: Bewahrungsprobe bestanden. Ein Uberblick uber die neuen Bewegungen, ihre Akteure und Ideen. In: Sozialistische Hefte. 1/Februar 2002, S. 3?10.
  3. Artikel in deutscher Ubersetzung ( Memento vom 15. April 2015 im Internet Archive )
  4. amnestyusa.org ( Memento vom 24. Juni 2009 im Internet Archive )
  5. Giacomo D'Alisa, Federico Demaria, Giorgios Kallis (Hrsg.): Degrowth: Handbuch fur eine neue Ara. oekom, Munchen, 2016. S. 49?53.
  6. Kallis, Giorgos; Martinez-Alier, Joan; Schneider, Francois (2010): Crisis or opportunity? Economic degrowth for social equity and ecological sustainability. Introduction to this special issue. In: Journal of Cleaner Production 18 (6), S. 511?518.
  7. Asara, Viviana; Otero, Iago; Demaria, Federico; Corbera, Esteve (2015): Socially sustainable degrowth as a social?ecological transformation. Repoliticizing sustainability. In: Sustain Sci 10 (3), S. 375?384.
  8. Vgl. Gerhard Klas: Bewahrungsprobe bestanden. Ein Uberblick uber die neuen Bewegungen, ihre Akteure und Ideen. In: Sozialistische Hefte. 1/Februar 2002, S. 4
  9. Homepage der KCTU ( Memento vom 19. Oktober 2005 im Internet Archive )
  10. Deutsche Homepage der Euromarsch-Bewegung
  11. Programm des IGB , abgerufen am 18. Februar 2018
  12. Entschliessung: "Die Globalisierung verandern" , abgerufen am 18. Februar 2018
  13. Abkurzung fur ?association pour une taxation des transactions financieres pour l'aide aux citoyens“, dt. ?Vereinigung fur eine Besteuerung von Finanztransaktionen zum Wohle der Burger“
  14. Verbreitung des Politiknetzwerks Attac , aus: Zahlen und Fakten: Globalisierung , Bundeszentrale fur politische Bildung/bpb
  15. Kurze Vorstellung der KRRS
  16. Selber machen, damit nicht andere das Bild bestimmen! von Berit Schroder, abgerufen am 21. Februar 2010
  17. globaLE - globalisierungskritisches Filmfestival globaLE, abgerufen am 16. September 2021
  18. Weltkirchenrat kritisiert wachsende Kluft zwischen Arm und Reich ( Memento vom 30. Marz 2015 im Internet Archive ), ekd.de, 17. Februar 2006, abgerufen am 26. Marz 2015.
  19. Kirchen: Gegen die gottlose Weltwirtschaft , welt-sichten.org, 12/2013, abgerufen am 26. Marz 2015.
  20. Rezension ( Memento vom 26. Oktober 2005 im Internet Archive ) von Sebastian Dullien, Intervention, Jahrgang 1 (2004), Heft 1 (erweiterte Fassung einer Rezension ? Wie ein Volkswirt die finanzielle Grundlage der amerikanischen Vorherrschaft erklart ( Memento vom 21. November 2008 im Internet Archive ) in der Financial Times Deutschland , 1. Juli 2003).
  21. Zygmunt Bauman: Symptome auf der Suche nach ihrem Namen und ihrem Ursprung. In: Heinrich Geiselberger (Hrsg.): Die große Regression. Berlin 2017, S. 37?56, hier: S. 51.
  22. Oliver Marchart: Neu beginnen: Hannah Arendt, die Revolution und die Globalisierung. Turia + Kant, Wien 2005, S. 95.
  23. Samuel Salzborn: Globaler Antisemitismus. Eine Spurensuche in den Abgrunden der Moderne. Mit einem Vorwort von Josef Schuster. 2. Aufl., Beltz Juventa, Weinheim 2020, S. 104 f.